Carl Franz van der Velde
Das Liebhaber-Theater
Carl Franz van der Velde

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18.

Miranda trat zum ersten Mal als Jüngling auf. Herrlich stand dem schlanken und doch üppig gebauten Mädchen die männliche Tracht, und ein Zug von Erfahrung und List um den Augen ersetzte die verdunkelte Gesichtfarbe, die sich ihre Eitelkeit durch die Vorschrift des 233 Dichters nicht hatte aufdringen lassen. Ihr Spiel war meisterhaft, besonders in der edlen verborgenen Liebe zu Bayard, die sie in jeder Gebehrde, jedem Ton der Stimme auf eine herzgewinnende Weise zeichnete. Nur einmal kam es Wespen vor, als ob sie einen tückischen Giftblick auf ihn heftete, der aber sogleich, als sie sich beobachtet sah, in einem holdseligen Lächeln unterging.

Wenn sie hinter dem Zelte gesteckt hätte! dachte er, und es rieselte ihm bei dem Gedanken kalt den Rücken hinunter. Wenn sie hinter dem Zelt gesteckt hätte, ich könnte mich auf das Schlimmste gefaßt machen, denn die ärgste Furie auf der Erde ist ein buhlerisches, bösartiges und beleidigtes Weib!


Der König war zum Ritter geschlagen. Bayard umarmte ihn, und unter Trompeten- und Paukenschall fiel der Vorhang. Aphanasia war in ihr Zimmer gegangen, um sich zum Quartier in der Höhle von Longara 234 umzukleiden. Wespe schritt müßig auf den Bretern herum und hatte seine Freude an den verschiedenen Paarungen, bei denen sich im Laufe der Darstellung verschiedene Veränderungen ergeben hatten.

Volteggio hatte die Dorfwirthin verloren, die zu dem Ritter Talmond übergegangen war, weil sie nicht Lust hatte, sich mit einem getheilten Herzen zu begnügen, und die edle Lucretia Gritti war mit dem Hauptmann Tremouille völlig einig geworden. In dem Seitengange hinter den Coulissen aber zogen, Arm in Arm, Bourbon-Falkenberg und Laura-Miranda in lebhaftem Gespräch auf und nieder. – Heftig schien die Dame in ihren Verehrer zu dringen, und dieser nur zögernd und unwillig sich zur Erhörung ihrer Bitte verstehen zu wollen. Endlich schlang sie ihren Arm um seinen Nacken, sah ihn mit Liebesblicken an und hielt ihm das Händchen hin. Unfähig, länger zu widerstehen, schlug er ein, und ihre Lippen wuchsen an einander fest.

Wozu mag sie ihn wohl jetzt gedungen 235 haben? fragte sich Wespe nachdenklich. Kam sie mir doch beinahe vor, wie die Königin Griemhild im Nibelungen-Liede, wie sie den König Ezzel bearbeitet. Etwas Gutes hat sie nicht vor, so viel scheint mir erwiesen. Wenn nur erst der Bayard zu Ende wäre!

Der Beginn des vierten Aktes unterbrach diese Reflexionen. Miranda war wieder so liebevoll wie vorher. Keine Spur von Tücke zeigte sich in den schönen, großen Augen, mit denen sie ihren Ritter so offen und seelenvoll fixirte. Dem Himmel sey Dank! sprach er bei sich. Ich habe ihr Unrecht gethan, so könnte sie mich doch nicht ansehen, wenn sie Böses mit mir im Sinne hätte!

Als aber in der Scene zwischen Miranda und Manfrone, Wespe hinter den Coulissen stand, da sah er zu seinem Erstaunen, wie Falkenberg den Amtsrath bei Seite zog und sehr heftig mit ihm redete. Er sah diesen erschrecken und den Zornigen mit ängstlichem Flehen um etwas beschwören, was dieser beharrlich zurückwies. Dann ging Falkenberg in die 236 Garderobe, legte Schwert und Rüstung ab, zog seinen Ueberrock über die Rüstung und machte sich reisefertig.

Was ist das wieder? fragte sich Wespe. Sicher nichts Gutes, und am Ende hat dieser Satan von Laura doch hinter dem Zelte gesteckt!

Indem hörte er sein Stichwort und mußte mit den Waffenbrüdern hinaus. Als er sich seine Blanca aus der Höhle bei Longara glücklich gerettet, und in die Schlacht gestürzt war, nahm ihn der Amtsrath schweigend in Empfang, packte ihn, wie mit Adlergriffen, und schleppte ihn nach der jetzt leeren Damen-Garderobe, in die er sich mit ihm einschloß.

Freundchen, Freundchen! jammerte er. Nun ist alles aus, wenn Ihr nicht noch einmal helft. Und dießmal ist es Eure verdammte Schuldigkeit, zu helfen, weil Euer unnützes Maul uns dießmal in dieses Unglück gebracht hat. Ihr könnt nun einmal das Satyrisiren nicht lassen, und es wird Euch noch um Hals und Kragen bringen, denn es sind nicht alle Leute solche gute Narren wie gewisse Nairen!

237 Die Sache? fragte Wespe ärgerlich, weil ihm schon alles ahnte, was ihm der Amtsrath zu sagen haben werde.

So eben hat Falkenberg mit mir gesprochen, referirte der Amtsrath: und auf eine sehr determinirte Art, sage ich Ihnen. Wie er behauptet, haben Sie sich über sein Verhältniß zu Lauren beleidigende Aeusserungen erlaubt, und wenn Sie nicht deßhalb das Pärchen auf der Stelle um Verzeihung bitten, so will er nicht mit Ihnen auftreten.

Wohl ausgesonnen, Pater Lamormain! rief Wespe:

Wär' der Gedank' nicht so verflucht gescheit,
man wär' versucht ihn herzlich dumm zu nennen!

Was helfen mir jetzt Ihre Citata aus dem Wallenstein! zankte der Amtsrath. Schaffen Sie mir einen andern Prinzen Bourbon, oder leisten Sie dem, den wir haben, und seiner Amasia die verlangte Deprecation!

Ich kann keines von beiden, antwortete Wespe fest. Das weiß auch die theure Laura recht gut. Es ist ihr auch gar nicht um die 238 Abbitte zu thun, sondern sie will den Bayard noch im Hafen scheitern sehen – oder – etwas Anderes – was ich ihr weit eher zu Gefallen thun könnte!

Den Bayard scheitern sehen? fragte der Amtsrath, während draußen das Bravo und Geklatsche des Publicums losbraus'te. Das würde sie wohl schon ihrer eigenen Rolle nicht anthun.

Ihre eigentliche Rolle ist jetzt zu Ende, antwortete Wespe. So eben fiel der Vorhang. Sie hat ihren Beifall schon geerntet und ihren Lohn dahin. Aus der Leichenrolle im fünften Akt wird sie sich wenig machen.

Was hilft mir das alles?! rief ungeduldig der Amtsrath. Durch alles das Klügeln über ob? und wie? und warum? bekomme ich keinen Bourbon. Und den muß ich haben, den müssen Sie mir schaffen. Ich habe keine Ressourcen weiter. Der Feldmarschall zieht auch nicht mehr. Ich wollte den Insurgenten mit der Durchlaucht imponiren, aber er lachte mir in's Gesicht, weil er den alten Brandenstein 239 schon erkannt hatte. Und denken Sie sich das namenlos Entsetzliche, wenn ich gegen das Ende des fünften Aktes heraustreten und es einem respectabeln Publico klagen muß, daß mir der Prinz von Bourbon durch die Lappen gegangen ist. Ich könnte mich ja in meinem Leben vor keinem Menschen mehr sehen lassen. Nein, Herr, ich kann Ihnen nicht helfen. Womit man gesündigt hat, damit muß man büßen. Kurz und gut, Sie müssen abbitten!

Könnten Sie es mir im Ernst zumuthen, Herr Amtsrath, fragte Wespe gekränkt: diesem Frauenzimmer, deren Unwerth Sie selbst mich kennen gelehrt, die Wahrheit abzubitten, die ich nach meiner innigsten Ueberzeugung ausgesprochen, einen Officier um Verzeihung zu bitten, den ich gar nicht beleidigt habe, und der in dieser Bereitwilligkeit nur die feige Friedensliebe des Civilisten behohnlächeln würde? Nimmermehr! Indeß seyn Sie unbekümmert. Was ich mit Ehre darf, das will ich dransetzen, daß Ihre Freude nicht gestört werde!

Er verließ rasch die Garderobe. Erstaunt 240 und wohlgefällig sah ihm der Amtsrath nach. Ein Teufelskerl! sagte er. Spricht, als ob er der Ritter ohne Furcht und Tadel selbst wäre! Die tapfern Redensarten müssen ihm so mit dem Helm und Panzer angeflogen seyn. Aber es gefällt mir, und wenn es nicht bloßes Mundwerk wäre, – würde es mir noch besser gefallen.

 


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