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Beweggründe zur Reise. – Das Gebiet des Tsad-Sees. – Wege im Sudan. – Der Komadugu Waube. – Klima. – Wildniß und Kulturland. – Alt-Birni. – Die Manga. – Die Bedde. – Begegnung mit Dr. Barth. – Bundi. – Scheideländer zwischen Tsad- und Niger-Gebiet. – Maschena. – Sinder.– Das Fellata-Reich und die Haussa-Staaten. – Katsena. – Othman. – Aliu. – Kano. – Die Doroa. – Vegetation. – Sultan Chalilu in Gando.
Wie bereits erwähnt, hatte Dr. Vogel von Kuka aus nach Sinder einenseiner Diener gesendet, der an letzterem Orte die Sachen in Empfang nahm, welche Dr. Barth daselbst niedergelegt hatte, um sie bei seiner Rückkehr von Timbuktu zu benutzen. Noch war keine Kunde zu Vogel's Kenntniß gekommen, die ihn über seines Landsmannes wahres Schicksal unterrichtet hätte, noch lebte er der Meinung, daß derselbe todt und er selbst der alleinige Vertreter der Expedition sei. Durch die bisherigen Reisen und die erwähnte ungerechte Behandlung Vogel's von Seiten des Gewaltherrschers Abd e Rahman waren die Hülfsmittel sehr erschöpft worden, welche er bei seiner Ankunft mitgebracht hatte. Da die über Bilma kommenden Karawanen keine neuen Sendungen für die Expedition mit sich führten, beschloß deshalb unser Reisender nach Sinder zu ziehen und dort, wo die Karawanen anlangen, welche die westliche Straße über Rhat und Ghadames eingeschlagen, sich nach etwaigen neuen Geldern umzusehen. Er machte sich in der letzten Hälfte des Novembers auf den Weg nach jenem westlichen »Thor des Sudan«. Natürlich benutzte er die Gelegenheit, die Lage der wichtigsten Orte unterwegs festzustellen, und behielt dabei fortwährend die übrigen wissenschaftlichen Gesichtspunkte im Auge, welche er sich bei seinen Reisen überhaupt als Aufgabe gesteckt.
Trotzdem daß Vogel fortwährend mit hartnäckigem Unwohlsein, Appetitlosigkeit u. dgl. zu kämpfen hatte, lange Zeiträume hindurch fast nichts weiter genießen konnte als Reiswasser, ja beim bloßen Anblick von Fleisch mitunter schon Uebelkeiten, selbst Erbrechen bekam, – trotzdem war er aufs eifrigste bemüht, die wissenschaftlichen Zwecke des Unternehmens mit dem letzten Aufgebot von Kraft weiterzuführen. Er verzichtete mit Heiterkeit und fröhlichem Muthe gern und leicht auf alle Bequemlichkeiten und Genüsse des Lebens, wenn er dadurch nur einen Schritt in der Erreichung seines Zieles vorwärts rückte. Da er selbst ohne Bedenken sich allen Beschwerlichkeiten und Entbehrungen unterwarf, so stellte er dieselben Forderungen zur Zeit der Noth auch an seine Umgebung. Freilich vergaß er dabei, daß seine Begleiter und Diener nicht in demselben Grade von einer höhern leitenden Idee getragen und gehoben wurden und denselben also die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse viel wichtiger erschien. Durch dergleichen verschiedene Ansichten kam es leider zwischen Dr. Vogel und seinen beiden europäischen Begleitern, dem Korporal Church und dem Gemeinen Macguire zu einer Mißstimmung, die von England aus durch dieselben Leute genährt wurde, die auch gegen Dr. Barth so mancherlei ungerechte Angriffe gerichtet und den Gebrüdern Schlagintweit wiederholt auf ebenso unangenehme als unwürdige Weise entgegengetreten waren. Durch dergleichen Intriguen war es zwischen Vogel und den beiden Engländern zu einem bedauerlichen Bruche gekommen und er ließ beide deshalb in Kuka zurück, sich allein in Begleitung eines Schwarzen auf den Weg machend, der ehedem schon Barth gedient und sich treu bewährt hatte.
Der Weg nach Sinder führt ziemlich nach Westen und beträgt gegen 60 Meilen. Das Gebiet, welches Vogel hierbei durchwanderte, zerfällt in Bezug auf seine Naturverhältnisse in zwei ziemlich scharf gesonderte Hälften, deren erste, an 30 Meilen begreifend, mit der schon von uns angedeuteten Beschaffenheit Bornus übereinstimmt. Bis zur genannten Entfernung erstreckt sich das weite Becken, welches allem Vermuthen nach ehedem durch den Tsad-See gefüllt wurde und seinem Zurücktreten die Entstehung verdankt. Der Komadugu Waube bildet die Nordgrenze dieses Landstriches. Ansehnliche Strecken des Bodens sind wellig hüglig, durch Sanddünen gebildet. Die letztern scheinen das allmälig kleiner werdende Becken umschlossen zu haben. Sie steigen bis zu 100 und mehr Fuß an und enthalten zwischen sich weite Strecken von schwarzem, fettem Thon und Humusboden, reich an modernden Pflanzenstoffen. Zur Regenzeit dringen die übertretenden Gewässer des Komadugu in diese Senkungen ein und verwandeln sie in Moräste, durch welche der Weg sich nur schwierig und mühsam hindurchwindet. Die Waldpfade sind dann tief ausgetreten und kothig, vielfach gewunden, und selbst die Hauptstraßen meist so eng, daß an vielen Stellen ein beladenes Kameel kaum hindurchkann. In der Nähe größerer Orte erscheinen zwar die Wege breiter und betretener, sie lösen sich aber bald in eine Unzahl kleiner Feldwege auf, die nach den Weide- und Tränkplätzen, sowie nach den Feldern führen und zum Ueberfluß von einer eben so großen Anzahl Fußpfade durchkreuzt werden, die zu den Nachbarorten und Weilern führen. Aus diesem Gewirr von Spuren und Stegen die richtige Straße herauszufinden, ist eine Aufgabe, welche weder durch Kompaß noch durch Kenntniß der Gestirne, sondern nur durch einen wegkundigen Führer gelöst werden kann.
Der Komadugu Waube, den der Reisende mehrmals zu passiren hat, theilt sich, wie eine große Anzahl der innerafrikanischen Ströme, in seinem Ober- und Mittellauf in eine reiche Menge Arme, die ein verwickeltes Flußnetz bilden und ebensowol Flußsäcke, todte Hinterwasser als ausgedehnte Sümpfe speisen, zwischen denen das Fortkommen in hohem Grade erschwert wird. Anfang September ist das Bett des Komadugu auf weite Strecken hin völlig ausgetrocknet und macht sich dann nur durch die Ueppigkeit des Graswuchses kenntlich; die Fische sind in den Tümpeln zusammengedrängt, die an den liefern Stellen zurückbleiben, und werden dann selbst von Knaben bequem in Menge gefangen. Kurz darauf beginnt er aber zu schwellen und steigt so schnell, daß er in seinem untern Lauf eine Breite von 200 Schritt und eine Tiefe von 15 Fuß bei einer Geschwindigkeit von ¾ Meilen in der Stunde hat und im November seine Ufer überschwemmt. Vogel hatte also gerade die ungünstigste Zeit zu seiner Reise, und die vielfachen Durchnässungen, die bei dem Durchwaten der Sümpfe und dem Passiren des Stromes unvermeidlich sind, haben dann jene Geschwüre an den Beinen zur Folge, die wir als eine Plage des Sudanreisenden bereits erwähnten und an denen auch Dr. Vogel in hohem Grade zu leiden hatte. Das Uebersetzen geschieht nur mit Hülfe der Fähren aus hohlen Kürbissen, die man mittelst Stangen verbunden hat. Bis zum März sinkt das Wasser so weit, daß es fast still zu stehen scheint und nur 3 Fuß Tiefe bei 50 Schritt Breite hat.
Trotz dieses Ueberreichthums an Wasser ist doch im ganzen Landstriche auffallender Mangel an gutem Trinkwasser. Selbst für das Vieh benutzen die Eingebornen die stehenden Gewässer nicht zum Trinken, da der Genuß derselben Krankheiten zur Folge hat. Man hat deshalb an den Ortschaften Brunnen gegraben, mitunter bis 250 Fuß Tiefe, aus denen man mühsam das Wasser heraufwindet und dem Reisenden theuer verkauft.
Während des Novembers fällt die Temperatur in der Nacht hier bedeutend tief und das Thermometer zeigt am Morgen häufig kaum mehr als 4° C; zu Mittag steigt die Wärme freilich wieder bis auf 28°. Es stellt sich auf diese Weise das Klima in klarster Form als Festlandklima dar, dem die ausgleichende und nach jeder Seite hin mäßigende Einwirkung größerer Wasserflächen fehlt.
Die sandigen Flächen zur Seite des untern Komadugu sind mit ausgedehnten niedern Mimosenwaldungen bedeckt. Sie gewähren das trefflichste Weidegebiet für Kameelherden und wurden von jeher zu diesem Zwecke benutzt. Ueppige Fruchtbarkeit entwickeln dagegen die moorigen Senkungen zwischen den Sanddünen. Sie würden den vortrefflichsten Boden für Indigo-, Baumwollen- und Zuckerrohrbau abgeben, wenn günstigere politische Verhältnisse die Einwohner hierzu veranlaßten. Gegenwärtig begnügt man sich damit, auf den Sanddünen Bohnen und Erdmandeln zu ziehen und in den Humussenkungen Getreide zu bauen. Wie in Udje pflanzt man zur Regenzeit das Negerkorn ( Pennisetum typhoideum), säet wie beim Reisbau auf einem kleinen Endchen des Ackers zunächst die Körner dicht zusammen und steckt die jungen Pflanzen dann büschelweise in Löcher, die man mittelst der Hacke macht. Nach Verlauf von zwei Monaten ist die Ernte reif, und während das Negerkorn in Stoppeln steht, säet man das Winterkorn ( Holcus cernuus) zu einer zweiten Ernte, da der Boden noch Feuchtigkeit genug besitzt, auch dieses zu ernähren.
Die kultivirten Flächen nehmen aber nur einen sehr kleinen Raum in der Umgebung der Ortschaften und Landgüter ein, der größte Theil des übrigen Bodens ist mit Wald bedeckt. Dornige Akazien bilden als Bäume und Unterholz einen Hauptbestandtheil, besonders eine kleine Art Namens Gauo. Den Komadugu entlang treten die Dumpalmen so massenhaft auf, daß ihre Früchte einen wichtigen Marktartikel abgeben. Herrliche Tamarinden beschatten die Wohnungen und Waldplätze, Kornubäume, Sykomoren gesellen sich zu einer reichen Zahl noch unbeschriebener Arten. Unter letztern macht sich der Karage durch schönen Wuchs und schattiges Laubdach angenehm bemerklich; der Ngilissi dagegen fällt durch seine Häufigkeit auf. Letzterer ist ein kleiner Baum mit kleinen, zarten Blättern, die ohne Stiel aus Aesten und Zweigen entspringen. Auch der Kalgo und der schon beschriebene Gondabusch ( Annona palustris) treten als Unterholz auf.
Eine solche üppige Wildniß nährt eine reiche Thierwelt. Die sandigern freien Gebiete mit lichten Mimosenbüschen werden durch zahlreiche Straußenherden bevölkert. Der durchfeuchtete Grund wimmelt von Erdameisen und enthält gleichzeitig die Höhlen ihrer Vertilger, der Erdferkel, ebenso diejenigen des Fennek. Gazellen mehrfacher Arten ziehen einzeln oder in Rudeln durchs Gebüsch. Die Mohor-Antilope ( Antilope Soemmeringii) ist die häufigste. Die Oryx- und Addar-Antilope kommen spärlicher vor. In den dicht verschlungenen, von windenden und kletternden Gewächsen umwucherten Baumkronen sind Affenherden ( Cercopithecus ruber) nicht selten, ja sie kommen in Schaaren bis 100 und mehr Stück vor. Die ausgedehnten Sumpfflächen am Komadugu, welche entweder mit Riedgräsern oder mit 10 Fuß hohen Schilfen üppig bestanden sind, bieten Landschaften ähnlich den indischen Dschungeln. Die Elephanten und Wildschweine haben hier ihr Lieblingsplätzchen. Unendlich ist der Reichthum des Landes an Geflügel. Wasservögel, besonders Reiher, sammeln sich in unzähligen Schaaren an den fischreichen Becken. Nur kurze Strecken kann der Wanderer zurücklegen, ohne Völker von kreischenden Perlhühnern aufzuscheuchen, die schwerfällig und lärmend durch das Gebüsch flattern. Auch Rebhuhnarten sind häufig. Große Schaaren Thurmfalken bezeichnen schon in der Ferne die Reviere, in denen sich ein Schwarm Heuschrecken niedergelassen hat. Sowie die Insekten durch den Tritt des Wanderers aufgescheucht werden, stürzen die hungrigen Raubvögel herab und bekämpfen sich mit Schnabel und Kralle um die fliegende Speise. An Mücken und Stechfliegen ist bei der sumpfigen Beschaffenheit des Landes selbstredend kein Mangel.
Die dichten Dornengestrüppe in der Nähe des Flußufers sind gleichzeitig Verstecke für den Löwen und zweibeiniges räuberisches Gesindel. Der erstere läßt sich leicht durch hellloderndes Feuer vom nächtlichen Lagerplatz abhalten, gegen das letztere dagegen muß der Reisende vielmehr auf seiner Hut sein. Das wilde Gebiet am untern Komadugu ist von jeher die Zufluchtsstätte aller Stämme gewesen, denen bei den zahlreichen Kämpfen und Bürgerkriegen in Bornu Vernichtung drohte. Hier findet sich deshalb eine wahre Musterkarte von Völkerbruchstücken. Tibu sind den ganzen Komadugu entlang seßhaft und führen eine zigeunerhafte Existenz, indem sie an Unzuverlässigkeit, Reinlichkeit und Ehrlichkeit mit ihren berüchtigten Vorbildern wetteifern. Tuariks spielen hier gern Wegelagerer und üben sich im Raubritterthum und Sklavenjagen. Die nächtlichen Ueberfälle auf Landgüter, kleine Ortschaften oder lagernde Nomadentrupps beschönigen sie vor ihrem Gewissen vorzüglich durch die Anschauungsweise, nach welcher ihnen diese ganze Gegend eigentlich gehört und man sie ungerechter Weise aus ihr vertrieben hat. Sogar Fellatahorden ziehen mit ihren Rinderherden zwischen den andern Stämmen hin und her und machen sich dem Wandrer sofort kenntlich durch ihre auf europäische Art, d. h. ohne Zusatz von Kuhwasser zubereitete Butter.
Die Anstalten, welche der Herrscher von Bornu zur Sicherheit des Landes treffen läßt, sind höchst unzulänglich. Es haben zwar Kriegshauptleute (Kaschella) in den Hauptorten ihren Sitz, und ihre mit Bogen und Pfeil bewaffneten Reiter durchstreifen das Land. Wachthürme, von denen man mittelst Feuerzeichen das Nahen der Räuberhorden sofort signalisiren könnte, würden aber ganz andere Dienste leisten. Die Einwohner suchen sich bei dem schlimmen Stande der Dinge zu helfen, wie es eben gehen will. Sie unterhalten die Wildniß in der Umgebung der Orte als Schutzmittel, machen die Wege so unkenntlich als möglich und legen verdeckte Fallgruben mit zugespitzten Pfählen an, durch welche sie den berittenen Tuariks einen nächtlichen Ueberfall allerdings sehr erschweren, aber auch einem regen friedlichen Verkehr eben so viele Hindernisse entgegen stellen.
Der verwilderte Zustand des Landes am Komadugu fällt um so unangenehmer auf, als gerade hier vor nicht zu langer Zeit, noch im Anfange dieses Jahrhunderts, ein ganz anderer Zustand der Dinge vorhanden war. Hier lag die mächtige Residenzstadt der Könige von Bornu, Alt-Birni oder Ghasr Eggomo, die bereits am Ende des 15. Jahrhunderts gegründet ward und von deren Trümmern Scheikh el Kanemi vorzugsweise den Salpeter zur Bereitung des Schießpulvers bezog, das er bei seinen zahlreichen Kriegszügen bedurfte. Nicht weit davon war der Lieblingsaufenthalt der Könige, Ghambaru, von den Armen des Stromes bespült, von üppigen Weiden umgrünt und von Fruchtbäumen beschattet. Ein weiter, kahler, runder Platz bezeichnet jetzt noch die Stätte, an welcher Birni stand, die unterminirten Mauerreste geben noch Zeugniß von den Anstrengungen der angreifenden Fellata, ehe es ihnen (1819) gelang, in den befestigten Ort einzudringen. Die Trümmer der fürstlichen Gebäude werden aber dem Europäer hauptsächlich dadurch in hohem Grade interessant, daß sie aus gut gebrannten Backsteinen bestehen, – eine Bauart, welche man im gegenwärtigen Bornu vergeblich sucht und welche in dem jetzt ausschließlichen Gebrauche, aus Lehmziegeln zu bauen, einen traurigen Rückschritt der ganzen Kultur kennzeichnet, der sich auch in allen übrigen Verhältnissen kundgiebt.
Unweit der Ruinen des alten Birni liegt Ngurutua, d. h. der Ort der zahlreichen Flußpferde, bei welchem sich Richardson's Grab befindet (s. S. 36).
Die sumpfigen Gebiete des Mittlern Komadugu werden von den Manga (s. S. 22) bewohnt, einem Negervolke, welches wahrscheinlich auch erst einer Mischung von Stämmen seinen Ursprung verdankt. Die Männer sind gewöhnlich nur mit einem Lederschurz bekleidet und im Kriege als Fußkämpfer mit Bogen, Pfeil und Streitart bewaffnet. Die Frauen sind schlank und angenehm gebaut und bedecken ihr Gesicht schamhaft mit einem schwarzen Schleier. Die Ortschaften erhalten durch die leichte Bauart ein sehr freundliches Ansehn. Man führt gewöhnlich die Hütten und die Umhegungen der Gehöfte aus Rohrmatten auf. Freilich werden sie leicht ein Raub des Feuers, lassen sich aber auch ohne große Anstrengung wieder erneuern. Die Dörfer umgiebt man entweder mit Mauern oder einem dichten Dornenverhau und richtet es gern so ein, daß in der Mitte ein großer Raum für das Vieh als Lagerplatz zur Nachtzeit frei bleibt. Hier befinden sich meist auch der Ziehbrunnen und die mit Lehm ummauerten Tränkstätten. Solcher Marktplatz bietet ein heiteres Bild regen und behaglichen Stilllebens, besonders in kühler Morgenstunde, wenn das Rindvieh von der Nachtruhe erfrischt kämpfend seine Kräfte versucht und die Bewohner am lebhaftesten ihre einfachen Geschäfte besorgen. Hier fertigt der eine Seile aus den Blattfasern des Dumpalmengestrüpps (letzteres wird vom Rindvieh gern abgeweidet), dort spannt ein Weber auf dem freien Raume vor seiner Hütte Fäden zu einem der bekannten langen und schmalen Baumwollenstreifen auf, daneben ist ein Grobschmied mit dem Anfertigen von einfachen Feldhacken beschäftigt. Aus den von Rohr geflochtenen zierlichen Hühnerhäuschen kommt das Federvieh zum Vorschein und eilt gackernd dem Getöse nach, das die kornstampfenden Frauen verursachen. Leider hat dieses eigenthümliche, weit hörbare Pochen oft genug dem Raubgesindel die Lage der Ortschaften verrathen. Die Kornbehälter befinden sich von den Hütten etwas entfernt, um gegen das Feuer geschützt zu sein.
Südlich von den Manga, in einem sehr schwer zugänglichen Sumpfgebiet zwischen den Armen des Komadugu wohnt der Stamm der Bedde. Die Lage des Landes hat diesen heidnischen Negern noch ihre Unabhängigkeit bewahrt. Sie ähneln in Gestalt und Sitten auffallend den Mußgo und haben auch unter Anderm denselben barbarischen Gebrauch, ihre ungesattelten Pferde zu reiten wie jene. Einen wichtigen Theil der Nahrung dieses Volkes bilden die Fische, welche der Komadugu liefert. Man gewinnt deren so viele, daß große Mengen davon, wie in der Umgebung des Tsad, entweder in ihrer natürlichen Gestalt getrocknet oder zu Kugeln zusammengeballt, einen Gegenstand des Handels ausmachen.
Die zweite Hälfte des Wegs zwischen Kuka und Sinder ward durch ein Ereigniß bezeichnet, welches zu den freudigsten gehörte, die Dr. Vogel in Inner-Afrika erlebte. Kurz vor dem Städtchen Bundi begegnete er nämlich ganz unverhofft mitten im Walde dem bis kurz zuvor todtgeglaubten Dr. Barth, der von seiner weiten gefahrvollen Reise nach Timbuktu glücklich zurückkehrte. Barth war das Zusammentreffen eben so überraschend als erfreulich und er erzählt darüber im letzten Bande seines Reisewerks Nachstehendes:
»Von dem treuen Gatroner begleitet, war ich meinem Packtroß etwa ¾ Meilen weit vorausgeritten, als ich eine Person höchst fremdartigen Aussehens auf mich zu kommen sah; es war ein junger Mann, dessen überaus helle, mir schneeweiß erscheinende Gesichtsfarbe auf den ersten Blick zeigte, daß seine Kleidung, eine Filfitobe, wie ich sie selbst trug, und der um seine rothe Mütze in vielen Falten gewundene weiße Turban nicht seine eigenthümliche Tracht sei. Da erkannte ich in einem seiner schwarzen berittenen Begleiter meinen Diener Madi, den ich bei meinem Aufbruche von Kukaua als Aufseher im Hause zurückgelassen hatte, und sobald er mich sah, benachrichtigte er seinen weißen Begleiter, wer ich sei, und nun eilte Herr Dr. Vogel (denn er war es) vorwärts und wir hießen uns einander in höchster Ueberraschung vom Pferde herab herzlich willkommen. Ich selbst hatte in der That nicht die entfernteste Ahnung, daß ich ihm begegnen könnte, und er seinerseits hatte erst kurz vorher die Kunde erhalten, daß ich noch am Leben und glücklich aus dem Westen zurückgekehrt sei. Ich hatte ihm von Kano aus einen Brief geschrieben, und der war ihm unterwegs zugekommen, aber wegen der arabischen Adresse, die ich der sichern Besorgung halber auf den Umschlag gesetzt, hatte er gemeint, es wäre ein Brief von einem Araber, und hatte denselben, ohne ihn zu öffnen, zu sich gesteckt, bis er Jemanden träfe, der ihn vorlesen könnte. Es war ein unendlich erfreuliches, überraschendes Ereigniß. Inmitten dieser ungastlichen Waldung stiegen wir nun vom Pferde und setzten uns nieder. Mittlerweile kamen auch meine Kameele nach und meine Leute waren höchst erstaunt darüber, einen weißen Landsmann neben mir zu finden. Ich holte einen kleinen Vorrathssack hervor, wir ließen uns Kaffee kochen und waren ganz wie zu Hause. Seit länger als zwei Jahren hatte ich kein deutsches oder überhaupt europäisches Wort gehört, und es war ein unendlicher Genuß für mich, mich wieder einmal in der heimischen Sprache unterhalten zu können.«
Das Gespräch wandte sich freilich bald den keineswegs erfreulichen Angelegenheiten der Expedition zu, und Barth hörte zu seinem großen Entsetzen, daß in Kuka keine Mittel vorhanden und daß diejenigen, welche Vogel selbst mitgebracht, verbraucht seien. Ebenso erzählte ihm Vogel, wie ihn der Usurpator Abd e Rahman sehr schlecht behandelt und das von Barth in Sinder zurückgelassene Eigenthum in Besitz genommen habe.
Unangenehmer noch als durch die Nachricht von dem Mangel an Geldmitteln wurde Barth durch Vogel's Angabe berührt, daß er nicht eine einzige Flasche Wein besitze. Barth was nämlich damals länger als drei Jahre ohne einen Tropfen irgend eines Reizmittels außer Kaffe gewesen und fühlte, da er von häufigem Fieber und Dysenterie stark gelitten hatte, ein unwiderstehliches Verlangen nach dem stärkenden und belebenden Rebensafte, dessen wohlthuende Wirkung er durch frühere Erfahrungen kennen gelernt.
Während sich die Unterhaltung der beiden Freunde um Vergangenes und Zukünftiges, um die Ergebnisse ihrer Reisen und die Pläne für die Zukunft drehte, kamen die übrigen Mitglieder von Vogel's Karawane an. Sie waren Barth's Leuten begegnet, denen dieser geheißen hatten, ihn im nächsten Orte (Kalemri) zu erwarten, und waren außer sich, als sie die beiden Europäer hier inmitten des Waldes ruhig dasitzen sahen, während die ganze Umgegend von Feinden bedroht war. Es hatte sich Vogel nämlich unterwegs eine große Anzahl arabischer Handelsleute angeschlossen; diese sind gewöhnlich große Feiglinge und Vogel hatte sie in Vorsari angetroffen, wo sie sich vor einer kleinen Schar Straßenräuber so gefürchtet, daß sie erst gewagt hatten weiter zu ziehen, als Vogel mit seinen Begleitern zu ihnen gestoßen.
Nach einer etwa zweistündigen Unterhaltung mußten die beiden Freunde sich trennen. Barth eilte seinem Troß nach und Vogel zog weiter auf seinem Wege gen Sinder mit dem Versprechen, von dort aus noch vor Ende Dezember nach Kuka zurückzukehren und mit Barth zusammentreffen zu wollen.
Ungefähr von Bundi an beginnt das Land einen etwas veränderten Charakter zu zeigen. Es gewinnt ein gewelltes Aussehen und aus den ebenen Flächen treten ebensowol zerklüftete Sandsteinfelszüge als zerstreute Granitblöcke hervor. Erstere erhalten besonders nach Norden, nach dem Saume der Wüste hin, das Uebergewicht. Am Fuße der Granitstöcke findet sich gewöhnlich beim Brunnengraben schönes Wasser; die ausgedehnten Sandflächen, welche auch vorkommen, leiden freilich Mangel an dem befruchtenden Element. Es bildet die ganze Landschaft die Wasserscheide zwischen dem Gebiet des Tsad und demjenigen des Kowarra (Niger). Die erwähnten trocknen Flächen sind mit einzelnen Büschen hohen Rohres und mit zerstreut stehenden Dumpalmen bestanden. Letztgenannte Palme ist immer noch die herrschende, nur selten tritt einmal eine Delebpalme als letzter Vorposten der südlichen Flora auf, dagegen finden sich an mehreren Ortschaften ausgedehnte Pflanzungen der Dattel. An den trocknen Stellen sind die Mimosen vorherrschend und werden von Wüstenpflanzen begleitet: der gelbblühende Retem ( Spartium junceum), der Agul ( Alhagi Maurorum), der wuchernde Aschur ( Asclepias procera) wechseln mit ausgedehnten Koloquintenflächen. Das dornig gefiederte Stachelgras ( Pennisetum distichum) ist in so reicher Menge vorhanden, daß ein etwas starker Wind den Reisenden mit förmlichen Wolken der abscheulichen Stachelgrannen bedeckt, die sich ebenso in die Kleider wie in die unbedeckten Körpertheile einbohren. Unter den Waldbäumen wird der Affenbrodbaum ( Adansonia digitata) vorherrschend und bildet majestätische Gruppen. Zur trockenen Jahreszeit gewährt er mit seinen wenigen aber kolossalen Aesten, die wie Riesenarmleuchteremporstreben, einen abenteuerlichen Anblick, zumal wenn er dann noch mit den zahlreichen langgestielten Früchten bedeckt ist, die von fern aufgehangenen Geldbeuteln ähneln. Die jungen Blätter sind im Sudan das beliebteste Gemüse und dienen vorzüglich zur Herstellung schleimiger Brühen zu den wenigen Mehl- und Fischspeisen, welche die afrikanische Kochkunst kennt. Zu gleichem Zwecke verwendet man den an den Wohnungen oft angepflanzten Hadjilidj ( Balanites aegyptiacus) und die Moluchia (Corchorus olitoria), doch soll besonders die aus den Blättern der letztern erhaltene Sauce einen für europäische Gaumen abscheulichen Geschmack haben. Durch ihre Größe und reiche Belaubung machen sich in den Waldungen Feigenarten bemerklich, vorzüglich die unter dem Namen Baure im Sudan bekannte, desgleichen die Kautschukfeige und Sykomore. Findet sich etwas Wasser, ein Quell oder Flußlauf, so bilden gewöhnlich schöne Tamarinden die Einfassung. Die Tamarinde ist ebensowol durch ihren Gesamtwuchs als durch ihr hübsches, zartgefiedertes Laub und ihre goldgelben Schoten einer der schönsten Bäume des Sudan und wird durch ihr säuerlich kühlendes Fruchtmark, das fieberwidrig wirkt, zum allgemeinen Liebling. Letzteres kocht man mit den Früchten des Hadjilidj und einem ganz jungen Huhn zusammen und verwendet die so erhaltene Tinktur als Heiltrank bei Verwundungen durch vergiftete Pfeile. Sehr häufig ist auch der Karage-Baum, dessen wir wiederholt erwähnten. Auffallend erscheint zwischenein das Vorkommen von Terebinthen.
An mehreren Stellen ist der Boden salzhaltig, und die Seen, welche sich an solchen Orten ansammeln, in der Regenzeit an Umfang bedeutend zunehmen und im Winter eintrocknen, setzen dicke Natronkrusten ab. Die Eingebornen sammeln letztere und verwerthen sie als Gegenstände des Handels. In solchen Gebieten treten natürlich auch die schon erwähnten Salzpflanzen auf und erinnern gänzlich an die Hinterwasser des Tsad. Der Papyrus ist an den Ufern der Lagunen mit den Schilfgewächsen häufig, deren Wurzelmark als Nahrungsmittel benutzt wird; die Salzkaper ( Capparis sodata) überzieht weite Flächen.
In den südlichen Theilen des Gebietes ist der Bau von Negerhirse und Winterkorn vorherrschend, die Samen des Klettengrases werden ebenso zur Nahrung für Menschen verwendet, als von den Bornupferden gern gefressen (fremd eingeführte Pferde verhungern lieber als daß sie sich zum Genuß derselben bequemten), im nördlichen Theile dagegen, vorzugsweise im Gebiet Munio, wird ausgedehnter Weizenbau getrieben. Der Weizen hat für den europäischen Reisenden noch besonders deshalb große Wichtigkeit, weil sich die freie Dienerschaft, die ihn begleitet, nie dazu versteht, das anstrengende Stampfen der Negerhirse zu besorgen, da letzteres ausschließlich als Sklavenarbeit angesehen wird.
Als auszeichnende Baumform macht sich in der Umgebung der Wohnungen die Gonda ( Carica Papaya) bemerklich. Sie wurde aller Wahrscheinlichkeit nach von Aegypten aus eingeführt und ihre Früchte bieten in dem an Obst so armen Erdtheile einen der angenehmsten Genüsse. Sie werden auf den Märkten der größern Plätze sogar stückweise feilgeboten. Der Baumwollenbau tritt in dieser Landschaft mehr zurück, dagegen werden Tabak, Bohnen, etwas Pfeffer und auch zwei Knollengewächse gepflegt. Die zahllosen Taubenschwärme der Wälder machen Feldhüter nothwendig, die, wie im Lander der Mußgo, auf erhöhten Gerüsten ihren Sitz haben und durch lange Schnüre, bestrichen mit einem eigenthümlichen Pflanzensaft oder behangen mit klappernden Kürbisschalen, Lärm machen. Zum Schutz gegen die Kühe sind die Felder auch hier mit stachligen Euphorbien umzäunt.
Das Wild sonst weniger häufig, Hausthiere werden dagegen zahlreich gehalten. Unter denselben fällt eine Ochsenrasse sehr auf, die sich durch gewaltige Größe und Kraft auszeichnet, mächtige, nach innen gebogene Hörner hat und fast durchgängig weiß gefärbt ist. Obschon die Tuariks der Wüste im Ganzen feindlich den Bewohnern diese Negerlandes gegenüberstehen, haben sie doch auch hier große Kameelherden auf der Weide.
Dr. Vogel nahm seinen Weg über Maschena, einen Ort von 12,000 Einwohnern, bestieg die Granithöhe, welche die Stadt beherrscht, und fand sie 1360 Fuß über Meer hoch. Die Umgebung dieses Ortes ist ein schönes, offenes Land, durchzogen von niedrigen Granitkämmen und mit schönen Tamarinden geschmückt. Die Brunnen an der Südseite der Stadt sind von einzelnen Dattelpalmenbeschattet und im Osten erstreckt sich jenseits grasreicher Wiesen dichte Waldwildniß.
Nach wenig Tagen langte Vogel in Sinder an und theilte die freudige Kunde, daß der todtgeglaubte Dr. Barth noch lebe, sofort dem britischen Agenten in Ghadames mit. Das kleine mit Bleistift in Eile geschriebene Briefchen ward am 8. Dezember von einem Kurier in Empfang genommen und nach Ghadames befördert.
Der Konsul in letztgenanntem Orte, welcher sich der Expedition höchst gewissenhaft mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln annahm, machte sich nach Empfang dieser Zeilen sofort persönlich auf den Weg und überbrachte dieselben dem Colonel Herman in Tripoli, der sich seinerseits beeilte, durch schleunigste Weiterbeförderung derselben alle europäischen Freunde der Reisenden durch die überraschende Nachricht zu erfreuen.
Die Stadt Sinder zählt etwa gegen 10,000 Einwohner und vermag 1000 Reiter und 4–5000 Bogenschützen zu Fuß ins Feld zu stellen. Ihre Lage ist sehr angenehm. Im Westen erhebt sich nämlich ein mächtiger Gebirgsstock und niedere Granitrücken umgeben auch die andern Seiten der Mulde, in welcher der Ort liegt. In Folge dessen findet sich schon wenig Fuß unter der Oberfläche gutes Wasser und in den Gärten entwickelt sich eine ungewöhnliche Fruchtbarkeit. Außer den bereits genannten Gemüse- und Getreidearten pflegt man die gelbfärbende Henna ( Lawsonia), Tabak und einzeln sogar die Citrone. Palmengruppen sind über die Stadt und über die umgebende Landschaft zerstreut, und letztere erhält besonders noch durch die zahlreichen Weiler, welche in der Umgebung der Stadt zerstreut liegen, ein sehr belebtes Ansehn. Diese Landgüter gehören meistens den Häuptlingen der Tuariks und bilden bei der Ankunft der Karawanen die Hauptlagerplätze. Außer etwas Indigo-Färberei hat die Stadt fast gar keine nennenswerte Industrie; das meiste Leben wird durch den Handel herbeigeführt. Nach Ankunft einer großem Karawane herrscht hier reges Treiben und am Abend erschallt allenthalben Gesang und Musik, mit denen Fremde und Einheimische sich vergnügen und ihre Tänze begleiten.
Einen schroffen Gegensatz zu diesen heitern Scenen bildet das Gerichtsverfahren, das durch den Herrscher in Sinder eingeführt ist. Hängen und Köpfen dünkt demselben eine viel zu milde Strafe; stattdessen läßt er die zum Tode Verurtheilten entweder bei den Füßen aufhängen oder ihnen die Brust öffnen und das Herz herausnehmen. Richardson, der sich, wie erwähnt (S. 34), längere Zeit in Sinder aufhalten mußte, besuchte eines Tags auch den Richtplatz und fand ihn ganz mit Menschenknochen und Hyänenkoth bedeckt, denn die Zahl der jährlichen Hinrichtungen soll 300 betragen. Die Höhlen jener Raubthiere sind ganz in der Nähe. Der Sultan soll selbst kleinere Verbrechen, z. B. Verleumdungen, mit dem Tode bestrafen. Etwas entfernt vom Richtplatze traf Richardson einen Baum von 40–50 Fuß Höhe, der als »Baum des Todes« bezeichnet wurde. Sein Begleiter versicherte dem Reisenden, daß, wenn Einer sich unter die Zweige des Baumes begebe, sofort Befehl vom Sultan ergehe, daß man ihn tödte oder bei den Fußen an dem Baume aufhänge. »Siehst du nicht«, sagte er, »daß der Platz unter den Zweigen des Baumes ganz rein gefegt ist? Das thut der Henker alle Tage; kein Anderer darf es thun: thut Einer das, so muß er sterben.« Der Baum selbst erschien Richardson als ein wahres Bild des Todes; er trug ein dunkles, undurchdringliches Laub und im obersten Gipfel hatte er gleichsam einen großen Kopf, indem dort der Gipfel breiter als weiter unten die Krone war. Dieser Kopf war mit fünfzig schmutzigen Raben bedeckt, den Handlangern des Scharfrichters, welche die Leichen der Verurtheilten verzehren. Dieselbe Rabenart sorgt auch für die Reinlichkeit der Straßen der Stadt, indem aller Unrath von ihr verzehrt wird. Wahrend der Nacht verrichten die Hyänen diesen Dienst.
Der sogenannte Sultan von Sinder ist eigentlich nur Statthalter der Provinz gleichen Namens und dem Sultan von Bornu unterthan; bei der großen Entfernung von Kuka und bei der Schwäche des gegenwärtigen Herrschers in letzterer Stadt hat er sich aber einen großen Grad von Unabhängigkeit zu erringen gewußt. Hierzu hat auch der Umstand viel mit beigetragen, daß diese westlichen Provinzen ihre Selbständigkeit gegen die andringenden Fellata zu behaupten wußten. Die mehrfachen Kriegszüge, welche von Bornu aus unternommen werden mußten, um Sinder und die Manga, die sich empört hatten, wieder zu unterwerfen haben wir bereits früher (S. 192) erwähnt. Auch das Gebiet von Munio, das sich wie ein ansehnliches Dreieck nach dem Saume der Wüste und den Besitzungen der räuberischen Tuariks vorschiebt und welches Vogel bei seiner Rückreise nach Kuka berührte, hat eine ziemlich selbständige Stellung.
In Sinder war Dr. Vogel bis an die Westgrenze des Königreichs Bornu gekommen. Hier stieß es an die Provinzen des großen Fellata-Reiches. Bei seinem spätern Zuge über Jakoba, Salia und Bebedschi bewegte er sich vorzugsweise in den Provinzen dieses ausgedehnten Staates. Wie wir schon früher erzählten (S. 186), entsprang das Fellata-Reich großentheils aus den Ruinen des Haussa-Staates, der sich ziemlich über dieselben Gebiete erstreckte. Das Haussa-Volk ist allem Vermuthen nach entstanden aus einer Vermischung der Berber mit den einheimischen Negerstämmen. Die poetische Auffassungsweise des Volkes selbst bezeichnet den Berberstamm der Deggara, dessen Reste noch jetzt nördlich von Munio seßhaft sind, als die Mutter der Haussa und nennt 7 rechte Kinder und 7 uneheliche derselben. Die erstem Abtheilungen, bei denen die Haussa-Sprache die herrschende ist (dieselbe gehört der syrisch-afrikanischen Sprachgruppe an, die Sprache der Kanori im Bornureiche dagegen der turanischen), sind: Segseg, Katsena, Gober, Nano, Kano, Doura und Biram. In den unechten Haussa-Ländern ist die Haussa-Sprache zwar auch sehr verbreitet, aber nicht die herrschende; es sind die Provinzen: Kebbi, Sanfara, Nyffi (Nupe), Guari, Yauri, Yoruba (statt dessen wird auch wol Bautschi genannt) und Kororofa.
Die angesehenste Stadt des alten Haussa-Landes war Katsena, einige 20 Meilen südwestlich von Sinder gelegen, ehedem der Sitz mächtiger Herrscher und eines ausgebreiteten Handels. Sie war aus der Verschmelzung mehrerer Dörfer entstanden und ihre Stadtmauer umfaßte 3–3½ deutsche Meilen, so daß sie mindestens 100,000 Einwohner gezählt haben mag. In gewisser Beziehung standen zwar die Fürsten von Katsena eine Zeit lang in einer Art Abhängigkeitsverhältniß zu Bornu, es bestand dasselbe aber in nicht viel mehr, als daß sie bei ihrer Thronbesteigung dem Sultan von Bornu ein Geschenk von hundert Sklaven übersandten. Vor allen andern Haussa-Staaten zeichnete sich Katsena aus durch reine Aussprache und feine, gefällige Manieren im Umgang und behauptete in jeder Beziehung während des 17. und 18. Jahrhunderts eine der ersten Stellen im ganzen Sudan. Noch gegenwärtig thun sich die Bewohner der Stadt etwas auf ihre feine Bildung und auf eine möglichst noble äußere Erscheinung zu Gute, und ein solcher Haussa- oder Fellata-Stutzer mit sorgsam gepflegtem Knebelbart gewährt eine eigenthümliche Erscheinung. Ueber ein Paar weiten Beinkleidern von der beliebten gesprenkelten Farbe des Perlhuhns und an der Vorderseite des untern Theils mit grüner Seidenstickerei geziert, trägt er malerisch die grün und weiß gestreifte Tobe. An dicken Schnüren von rother Seide mit ungeheuren Quasten über die rechte Schulter geschlungen hängt das Schwert. Darüber flattert der feuerrothe Burnus und die rothe Mütze ist von einem roth und weißen Turban auf das zierlichste und sorgsamste umwunden. Reitet der Herr dabei ein stattliches, wohlgenährtes Roß, dessen Hals und Kopf auf sehr phantastische Weise mit einem Ueberfluß von Quasten, Schellen und kleinen Ledertäschchen, in denen schutzbringende Talismane stecken, behangen ist, während unter dem Sattel eine aus kleinen Flecken aller möglichen Farben zusammengestickte Schabrake hervorschaut, so ist nach seiner Meinung das Urbild eines noblen Stutzers vollendet und die Stufenleiter zu den Würden des Hofes steht ihm offen.
Als 1807 Othman die Fellata zu politischer und religiöser Erhebung entflammte (s. S. 186), leistete Katsena den unter Mallem Rhomaro siegreich vordringenden Fellata den verzweifeltsten Widerstand. Sieben Jahre lang währten die Kämpfe und nur erst in Folge der eingetretenen Hungersnoth ward die Hauptstadt bezwungen. Der Mangel an Lebensmitteln war dabei so groß, daß selbst ein Geier, dessen stinkendes Fleisch zu andern Zeiten Niemand anrührt, mit 500 Muscheln (Kurdi) und eine Eidechse mit 50 Muscheln bezahlt wurde. Aber selbst nach dem Fall der Residenzstadt gaben die Herrscher von Katsena den Kampf gegen die Sieger nicht auf. Sie zogen sich in die Waldwildniß nördlich davon zurück und gründeten hier die Stadt Dankama, von welcher aus sie die Kämpfe erneuerten. Fünf Haussa-Könige fielen hier nach einander gegen die Fellata, denen es erst nach den kräftigsten Anstrengungen gelang, Dankama zu zerstören. Die Reste der feindlich gestimmten Haussa zogen sich nach Mariadi zurück (s. S. 37) und noch jetzt führt der Sultan der Mariadi den Titel »Fürst von Katsena« und macht in Gemeinschaft mit den befreundeten Bewohnern von Gober und den Stämmen von Aïr unausgesetzt Anstrengungen, die verlorenen Gebiete wieder zu erhalten. Durch diese blutigen Feindseligkeiten zwischen den zwar verdrängten, aber nicht vernichteten Haussa-Stämmen und den herrschenden Fellata ist das weite Gebiet zwischen Sinder und dem rechten Ufer des Niger in einen traurigen Zustand der Zerrüttung gekommen.
Der begeisterte Fellata-Fürst Othman theilte sein großes Reich in eine östliche und westliche Hälfte; die letztere übergab er einem seiner Brüder, die erstere seinem eignen Sohne, dem aus Clapperton's Reisen (S. 26) bekannten Sultan Bello. Schon letzterer hatte, trotz seines sehr kriegerischen Muthes und seiner bedeutenden geistigen Fähigkeiten, nur mittelmäßige Erfolge erringen können und war fortwährend in Kriege verwickelt, die nicht jedesmal zu seinem Vortheil ausschlugen. Als er gestorben, erhielt, nach einer kurzen Zwischenregierung seines Bruders, sein Sohn Alin die Herrschaft, der schon in seiner äußern Erscheinung mehr seine Abstammung von einer Sklavin bekundete und aller jener Energie entbehrte, welche bei dem zerrütteten Zustande des Landes doppelt nöthig war. Zu seinem Unglück waren der Herrscher von Gober, sowie die Häuptlinge einiger unterworfener Kebbistämme ebenso kriegslustig als unternehmend und es entbrannte kurz nach seinem Regierungsantritt ein Kampf, der von keiner Seite kräftig genug geführt wird, als daß er eine baldige, zum Wohle des Landes so höchst nöthige Entscheidung herbeiführen könnte. Jedes Jahr rüsten sich beide Parteien und unternehmen in die beiderseitigen Gebiete Raubzüge, vermeiden es dabei aber vorsichtig, einander in offener Feldschlacht zu treffen. Die Ortschaften werden auf diese Weise verwüstet, zerstört, die Einwohner außer Stand gesetzt, den Feldbau zu pflegen, die Viehherden werden weggetrieben, die Leute wo möglich selbst in die Sklaverei geführt, und noch ist kein Ende des Kampfes abzusehen. Die Haussa-Sädte sind wo möglich durch eine feste Lage, dazu noch durch künstliche ausgedehnte Verschanzungen und Gräben gesichert. Ebenso sucht man sich gegen die Ueberfälle beiderseitig durch Dornendickichte zu schützen und die Wege so unzugänglich als möglich zu machen, ohne zu berücksichtigen, daß man dadurch dem Handel und Verkehr die größten Hindernisse in den Weg legt. So führt z. B. von Kano, dem Hauptsitz des Handels im Sudan, nach der Provinz Nyffe am Niger nur ein schmaler Pfad, welcher ausschließlich nur von Pferden oder Eseln passirt werden kann, und Katsena hat selbst in seinem gegenwärtigen Verfall, wo nur 7–8000 Einwohner einen kleinen Winkel innerhalb der weiten Ringmauern bewohnen, seine Wichtigkeit als Handelsstadt dadurch etwas gerettet, daß es von hier aus möglich ist, mit dem Kameel nach dem genannten industriellen, obschon politisch ebenfalls zerrütteten Lande zu gelangen. Die ganze Provinz Katsena, jetzt unter der Aufsicht eines Statthalters der Fellata stehend, mag gegen 300,000 Köpfe zählen, von denen etwa die Hälfte steuerpflichtig ist. Sie kann 2000 Reiter und 8000 Bogenschützen zu Fuß ins Feld stellen.
Erst nach dem Fall Katsenas fing Kano an sich zu heben. Seine Bevölkerung besteht zum großen Theil aus Leuten von Bornu, während in Katsena alle Kaufleute, die nicht Araber sind, dem Stamme der östlichen Mandingo (Wangara) angehören.
Die Völkermischung, welche in Kano durch die ursprünglichen Einwohner, die eingedrungenen Fellata und die wegen des Handels hier wohnenden Araber stattgefunden hat, giebt sich schon auf den ersten Blick durch den höchst verschiedenen Baustyl der Wohnungen zu erkennen. Thonwohnungen und Hütten mit konischen Strohdächern sind durcheinander gemengt, letztere aber keineswegs so angenehm und freundlich eingerichtet, als es sonst in den meisten größern Orten des Sudan der Fall ist. Kano (s. S. 273), eine Stadt von 30,000 Einwohnern, besitzt trotz seiner höchst ungesunden Lage, die noch durch einen großen Wasserpfuhl mitten in der Stadt vermehrt wird, eine außerordentliche Wichtigkeit wegen seiner eignen Erzeugnisse und seines Handels. Es ist das London Inner-Afrikas. Seine Gewerbthätigkeit erstreckt sich vorzugsweise auf Herstellung von Baumwollenzeugen, allerlei Lederwerk, Sandalen, und seine Färbereien sind weit berühmt, da man es versteht, den Stoffen nicht nur ein schönes Ansehn, sondern auch durch Glätten einen beliebten Glanz zu verleihen. Der Handel Kanos verbindet die entlegensten Länder Afrikas mit einander. Vom fernen Westen kommen jährlich Eselszüge mit den beliebten Gurunüssen (von Sterculia acuminata), von Norden wird das Salz der Oasen, Seide von Tripoli, rothe Tuche, Spiegel, Nähnadeln, Messer und Schwertklingen europäischer Fabriken, vom Osten aus Darfur Kupfer eingeführt und entweder am Orte vertauscht oder weiter befördert.
Der nördliche Theil des Fellata-Reiches ist in Folge der traurigen Zerrüttungen zur halben Wildniß geworden, trotzdem daß der Boden und das Klima die üppigste Kultur zulassen. Katsena bildet die Wasserscheide zwischen dem Komadugu Waube, also dem Tsadbecken, und den Zuflüssen des Niger (Gulbin Sokoto, d. i. der Fluß von Sokoto). Der Boden, 12–1500 Fuß über dem Meere gelegen, ist meistens sanft hüglig gewellt, nur hier und da von niedern, 2–300 Fuß hohen Sandsteinzügen, häufiger dagegen von Granitrücken unterbrochen, welche letztern bei ihrem Verwittern fruchtbare Erde geben. Die Regenmenge ist sehr bedeutend. In dem breiten gesegneten Flußthale bei Gando soll jährlich 80–100 Zoll Regen fallen und von den Bewohnern werden im Jahre 92 Tage als Regentage betrachtet. In der nassen Jahreszeit verwandeln sich die Senkungen des Bodens und die ausgedehnten Thäler in Teiche und Flüsse, an deren Ufern Wasserlilien blühen; in der trocknen Zeit zeigen jene Vertiefungen wegen ihres Feuchtigkeitsgehaltes einen außerordentlichen Grad von Fruchtbarkeit.
Die ausgedehntern Waldungen tragen zwar auch in diesen Landschaften denselben einförmigen und unbehaglichen Charakter, der allen größern Waldungen des Sudan eigen zu sein scheint, sie zeigen aber, außer einem Reichthum an Schlinggewächsen, andere Baumarten als die, welche in Bornu die vorherrschenden sind. Einer der am reichlichsten vorhandenen ist die Doroa ( Parkia afrikana), deren Laub zwar akazienartig spärlich ist, deren purpurne Blüten aber, die beim Beginn der Regenzeit an langen Schossen hervorbrechen, ihr ein prachtvolles Ansehn verleihen. Aus den gestoßenen Früchten der Doroa bereitet man kleine chokoladeähnliche Kuchen, die einen Hauptgegenstand des inländischen Handels bilden. Das Hervorsprießen des jungen Laubes tritt in jenen Waldungen nicht erst dann ein, wenn bereits die heftigern Regen fallen, sondern es beginnt bereits Ende März. Zu dieser Zeit nämlich kündigt die Luft durch einen außerordentlichen Feuchtigkeitsgehalt schon die nahe bevorstehenden Veränderungen an und wirkt lebenerweckend auf die Gewächse, fieberbringend auf die Menschen ein.
Außer der Parkia ist der Affenbrodbaum nicht selten; die Sykomore, Tamarinde und der Hadjilidj ( Balanites) kommen ebenfalls vor. Von andern größern Gewächsen sind nur wenige bekannt geworden, so z. B. der Bider oder Tsadda, ein Busch mit kirschenähnlicher Frucht; der Runhu, ein häufiger Baum mit zahlreichen kleinen gelben Blüten; der Merka-Baum, dessen Früchte mit Hirse vermischt den Pferden gegeben werden, um sie gegen die Wurmkrankheit zu schützen; der Arred, eine Akazienart; die Elku, welche der Gummi-Akazie ( Mimosa nilotica) sehr ähnlich ist; der Sserkeki-Busch, welcher am liebsten auf den zahlreich vorhandenen Termitenhügeln wächst; der Kadassi, ferner der Magara, ein Busch mit dünnen, ruthenförmig aufwärts strebenden grünen Zweigen ohne Blätter, der einen Milchsaft enthält. Letzterer ist ein beliebtes Heilmittel bei Geschwüren, welche durch die Dornen entstanden. Interessant ist es, daß alle drei Palmen des Sudan: die Dum-, Dattel- und Delebpalme, hier an gleichen Lokalen auftreten; die Dumpalme ist aber nicht so massenhaft vorherrschend wie am Komadugu, die Dattel kommt nur mäßig in Hainen angepflanzt vor und die Deleb tritt ebenfalls nicht in übergroßer Menge auf. An einzelnen salzhaltigen Stellen finden sich sogar einzelne Exemplare der westafrikanischen Oelpalme ( Elais guineensis), sonst eine Bewohnerin des Meeresstrandes. Neben den engen Thoren der Haussa-Städte ragt gern ein schlanker Rimi- oder Bentang-Baum( Bombax s. Ceiba guineensis) von cypressenähnlichem Wuchs als Wegweiser empor. Gewöhnlich stammen dieselben noch aus der Heidenzeit her, in welcher ihnen abergläubische Verehrung gezollt ward.
Von den gepflegten Gewächsen nimmt landschaftlich die Gonda (Melonenbaum, Carica Papaya) die erste Stelle ein; sie ist wahrscheinlich von Aegypten aus nach dem Sudan gebracht worden. Indischer Hirse ( Sorghum) und Negerhirse ( Pennisetum) werden zwar auch hier noch vielfach gebaut, dagegen pflegt man auch eine Anzahl Nährpflanzen, welche in Bornu fehlen. Reis wird in den durch Ueberschwemmung alljährlich befruchteten Flußthälern neben der Baumwolle in ziemlicher Menge gebaut; Bananen liefern außer den schönen und reichlich erzeugten Zwiebeln eine angenehme Abwechselung der Kost. Bohnen sind vielfach vorhanden und ihr Kraut ist als das nahrhafteste Futter für die Kameele beliebt. Bataten ( Convolvulus Batata) und Yam ( Dioscorea) geben mehlreiche Wurzeln. Limonien kommen in den Gärten vor; in den Hecken ist die Ricinusstaude (s. S. 64) häufig, Tabak gedeiht gut und bei Sokoto hat sogar ein Neger, der als Sklave längere Zeit in den amerikanischen Plantagen gearbeitet, nicht nur mit Erfolg eine Pflanzung von Zuckerrohr angelegt, sondern stellt aus derselben auch ein leidliches Produkt dar.
Welche Wildsorten die dornenreichen Waldungen der Haussa-Staaten enthalten mögen, ist uns bis jetzt noch nicht bekannt geworden, da sich die Passion der europäischen Nimrode noch nicht bis zu ihnen verstiegen hat. Elephanten sind stellenweise vorhanden und an Hyänen ist Ueberfluß. Graue Affen ziehen in ganzen Rudeln auf den Baumkronen entlang und scheuchen die zahllosen Turteltauben auf, die daselbst nisten und welche zur Zeit der Getreidereife die Bewohnerschaft der ganzen Ortschaften auf die Beine bringen, um durch Geschrei und Lärmen die Körnerfrüchte zu schützen. Unter den übrigen Vögeln fällt der große, herrlich himmelblau gefärbte Sserdi (vielleicht ein Sperber, Nisus gymnogenys?) vor allen in die Augen. Von großen Schlangen hat noch nicht viel verlautet, desto zahlreicher ist dagegen nach dem Niger zu auf den mit violetten Liliaceen geschmückten Wiesen eine kleine Sorte, welche giftig ist.
Die im Lande gepflegten Rinder sind durchgängig von weißer Farbe, die Ziegen dagegen kaffeebraun. Außer den Hühnern scheinen auch Gänse gezogen zu werden, wenigstens gedenkt Dr. Barth dankbar eines Gänsebratens, mit dem eine Dame des Landes seine Tafel bereicherte, als er auf seinem Ritt nach Timbuktu begriffen war.
Die zahlreichen Mücken, welche in den feuchten Thälern der westlichen Haussa-Länder zu wahren Plagegeistern werden, haben die Bewohner zu einer sinnreichen Einrichtung ihrer Schlafstellen gebracht. Neben den eigentlichen, mit kegelförmigen Strohdächern versehenen Wohnungen erheben sich besondere Schlafhütten auf hohen Pfählen. Man gelangt mittelst einer Leiter durch eine Oeffnung im Boden hinauf, schließt letztere durch eine dichte Matte und bleibt so ziemlich von den Ruhestörern verschont.
Die Gewerbthätigkeit der nördlichen Gebiete ist bei der gänzlichen Zerrüttung aller Verhältnisse äußerst gering. In Katsena ist die Kunst, gutes Leder zu gerben, das einzig Nennenswerthe, was aus dem allgemeinen Ruin noch gerettet worden ist. Etwas lebhafter geht es noch in Sokoto, der alten Residenz Sultan Bello's, zu. Wie in Kano herrscht auch hier noch eine leidliche Gewerbthätigkeit; am meisten sind die Schuhmacher Sokotos in Ruf, deren vielerlei zierliche und dauerhafte Lederarbeiten auf dem Markte der Stadt (siehe das beigefügte Tonbild) zum Verkauf ausliegen. Neben hübschen Zäumen und sonstigem Pferdegeschirr und Sandalen finden sich hier Beutel und Lederkissen verschiedener Formen und Größen bis zu den großen Säcken, welche in der Regenzeit das Gepäck der Reisenden aufnehmen. Das Eisen, welches in Sokoto verarbeitet wird, gehört zu dem besten im Sudan, außerdem bilden Sklaven einen häufigen Artikel.
Die fortwährende Zufuhr von Haussklaven in den innerafrikanischen Ländern und die dadurch hervorgerufenen neuen Raubzüge werden zum großen Theil mit dadurch bedingt, daß man selten die Verheirathung der Sklaven zu befördern scheint.
Der gegenwärtige Herrscher von Sokoto, Aliu, hat seine Residenz nach dem nordöstlich gelegenen Wurno verlegt, um den feindlichen Angriffen der Bewohner von Gober besser die Spitze bieten zu können. Sein Vetter Chalilu, Sultan in Gando, dessen Reich sich bis zu den Ufern des Niger erstreckt, hat noch geringere Fähigkeiten zum Beherrscher eines so angegriffenen Gebietes. Viel eher möchte er sich vielleicht zu einem Mönche eignen, denn er verschließt sich in mürrischer, asketischer Weise selbst seinem Volke und überläßt seinem Hofgesinde die Geschäfte und das Wohl des Landes.