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Bob aber grübelte mehr und mehr, ob es nicht doch eine Möglichkeit gäbe, der Schlangenplage Herr zu werden. Oft schritt er, so vorsichtig er nur irgend konnte, einsame Wege. Und wenn er dann lange unbeweglich stehen blieb, sah er plötzlich rund um sich eine Unzahl von kleinen gelben Brillenschlangen. sobald er aber die schweren Füße hob, um die frechen Dinger zu zertreten, huschten sie blitzartig auf die Seite und waren wie verschwunden. An einem Tage entschloß er sich, mit Rackertüg und mit Kruskopp, dem Häuptling der Pinselschweine, über die Sache zu sprechen. Die Meerkatzen waren ja flink und behende, und die Pinselschweine wußten schnell und geschickt den Boden aufzulockern, wie wäre es, wenn diese beiden Völker sich zusammentäten, Jagd auf die Schlangen zu machen. Kruskopp aber erklärte, er würde ja gern bereit sein, sein ganzes Volk zur Verfügung zu stellen, denn soviel er wisse, sei noch niemals ein Schlangenbiß durch die Haut eines Pinselschweins gedrungen; aber das sei völlig zwecklos, denn die Schlangen verkröchen sich, sobald sie nur von ferne ein Pinselschwein kommen hörten, seine Leute würden eben die Jagdbeute gar nicht zu Gesicht bekommen. Und Rackertüg erklärte rund heraus, daß die Meerkatzen in dieser Angelegenheit gar nichts tun könnten, denn der Biß einer Brillenschlange töte auch den tapfersten Affen.
So blieb denn einstweilen alles beim alten.
Da kamen Bob und seine Frau auf ihren Wanderungen einmal an einen breiten Sumpf. Bei den ersten Schritten merkten sie, daß er sehr schwer zu durchwaten sei. Aber Bob sagte, er als Landesvater müsse auch die Gegend hinter dem Sumpfe kennen lernen. Das helfe nun nicht. Und wenn sie auch ein wenig einsinken würden: sie könnten ja beide schwimmen. So schritten sie denn ruhig in den Sumpf hinein. Einmal sanken sie freilich bis an die Brust ein; aber schließlich kamen sie glücklich hindurch.
Vor ihnen lag ein schöner Hochwald mit festem, steinigem Boden.
Langsam und behaglich schritten sie dahin, und Bob blickte aufmerksam nach beiden Seiten. Plötzlich blieb er stehen, sah rings umher auf den Boden, als ob er etwas suche, und er sagte zu Frau Bob: »Fällt dir nichts auf?« Frau Bob wußte nicht recht, was er meinte, und sagte: »Nun ja, daß der Boden sehr fest und steinig ist.«
»Ach nein,« sagte Bob, »daß hier keine Schlangen zu sein scheinen.« Sie blieben stehen und rührten sich nicht und warteten geduldig, ob nicht doch aus irgend einem Winkel Schlangen hervorkämen. Aber wahrhaftig, keine einzige Schlange ließ sich sehen.
»Woran das nur liegen mag?« sagte Frau Bob.
Bob schlug die Ohren auf und nieder, wie er es immer zu tun pflegte, wenn er erregt war, und sagte kein Wort. Mit aufmerksamen Blicken schritten sie weiter durch den lichten Wald. Auf einmal blieb Frau Bob stehen und zeigte mit dem Rüssel auf ein Tier, das sie noch niemals gesehen hatte und das fast wie eine riesige Meerkatze aussah. Das Tier stand auf den Hinterbeinen und blickte aufmerksam in ein Dickicht von Orchideen hinein.
Im ersten Augenblick bekam Bob einen furchtbaren Schreck, denn er glaubte, einen Neger zu sehen; aber als er schärfer hinsah, erkannte er das Tier, und er sagte zu seiner Frau, das sei nur ein Schimpanse. Im Grunde genommen sei er nicht viel anders als eine Meerkatze, nur viel, viel stärker. Aber er hätte gar nicht gewußt, daß Schimpansen in seinem Reiche seien, und er begreife gar nicht, daß Rackertüg ihm niemals etwas von den Tieren gesagt habe und daß auch keiner von ihnen bei der Königswahl zugegen gewesen sei. »Na, weißt du, etwas wunderlich sollen diese Schimpansen immer sein, und vielleicht leben sie auch nur diesseits des Sumpfes und können ihn nicht so leicht überschreiten wie wir. Nun, wir werden ja bald von ihm selbst weiteres erfahren.«
Bob nahm eine hoheitsvolle Haltung an und schritt seinem Weibe voran auf den Schimpansen zu. Dann trompetete er seinen Königsruf.
Bußemann, der Schimpanse, sah sich um, sprang in den nächsten Baum hinauf und stieß ein dumpfes Lachen aus. Und plötzlich war er wie verschwunden.
Ärgerlich tat Bob noch einmal seinen Ruf. Da flatterten von rechts und links Helmvögel und Papageien und Hornvögel heran. Die setzten sich rund umher auf die Äste der Bäume und begrüßten Bob und seine Frau mit großer Ehrfurcht.
Bob fragte sofort: »habt ihr hier viel Schimpansen?«
»Nein,« sagte Schmuckejung, ein Helmvogel mit blauen und gelben Federn, »nur Bußemann; aber der ist unser aller Wohltäter.«
»Wohltäter?« sagte Bob, und seine Stimme dehnte sich; »und was bin denn ich?«
»Du bist unser König,« sagte Schmuckejung, »und bist auch unser Wohltäter, denn du hast uns die Leoparden und Zibetkatzen vertrieben; aber Butzemann, der Schimpanse, vertreibt uns die Schlangen.«
»Was tut er?« fragte Bob ganz hitzig und wölbte seine großen Ohren. – »Er vertreibt die bösen Schlangen!«
Bobs Herz schlug vor Aufregung, und Frau Bob drängte sich dicht an ihn heran.
»Und wie macht er das?« fragte er weiter.
»Ja, das kann ich dir nicht so genau beschreiben; aber das kann er dir ja selbst sagen.«
»Er ist aber vor uns davongelaufen.«
»Ja,« sagte Schmuckejung und warf einen Seitenblick auf Frau Bob, »das tat er wohl!«
»Ja, warum tat er denn das?«
»Hm,« sagte Schmuckejung, »er ist wohl ein bißchen wunderlich. Er ist nämlich ein alter Junggeselle, und da läuft er vor allen Frauensleuten davon.«
Da lachte Bob in sich hinein und stieß seine Frau an und sagte: »Du, vor dir ist er davongelaufen!«
Dann aber wurde er wieder ernst und sagte:
»Wer kann mich zu Bußemann führen? Ich muß ihn notwendig sprechen.« Und zu Frau Bob sagte er, sie müsse ihn hier erwarten; er werde sicher bald wieder da sein.
Darauf trabte Bob hinter Schmuckejung her, der immer weiter den Wald hinaufflog bis zu einer felsigen Lichtung.
Bußemann saß in seinem Bau mitten zwischen dem Geäst eines Affenbrotbaumes und kehrte Bob den Rücken zu. Aber Schmuckejung flog zu ihm und sagte ihm leise einige Worte ins Ohr. Da drehte Bußemann sich um und guckte mit seinem blassen Gesicht spöttisch auf Bob herab. Wieder klang ein dumpfes Lachen: »Hohoho!« Bob hätte sich am liebsten umgedreht und den unhöflichen Gesellen allein gelassen. Aber er bezwang sich und sagte: »Die Vögel nennen dich ihren Wohltäter, weil du die Schlangen vertreibst, willst du mir sagen, wie du das machst?«
Bußemann schüttelte heftig mit dem Kopf.
In Bob stieg wieder der Zorn auf. Aber er bezwang sich noch einmal und sagte: »Ich komme ja nicht für mich, sondern für die Vögel, die jenseits des Sumpfes wohnen und von den Schlangen fast vernichtet werden. Warum willst du es mir nicht sagen?«
Da öffnete Bußemann das Maul und sagte: »Weil man es nicht sagen kann. Man kann es nur zeigen.«
»Nun wohl, Bußemann, dann zeige es mir!« sagte Bob und sah bittend zu dem Schimpansen auf.
Aber Bußemann antwortete: »Dir kann ich es auch nicht zeigen!«
Da wurde Bob zornig, und er hob seinen Rüssel wie zum Schlage. Aber er fragte noch einmal, – und seine Stimme klang wie das Rollen eines fernen Donners: »Warum mir nicht?«
»Weil du keine Finger hast!« antwortete Bußemann.
Da ließ Bob den Rüssel wieder sinken, und er wiegte sich gedankenvoll auf seinen Beinen und sah hinab auf seine dicken Füße.
Dann sagte er plötzlich: »Und willst du mir's zeigen, wenn ich dir jemand mitbringe, der Finger hat?«
Bußemann brummte etwas vor sich hin? dann sagte er: »Ja!«
»Auf Wiedersehen denn!« rief Bob und jagte so schnell zu seiner Frau zurück, daß Schmuckejung kaum mitkommen konnte.
Als Bob und seine Frau durch den Sumpf liefen, da klang es, als würden irgendwo in der Ferne Negerbüchsen abgefeuert; es war aber nur das Puffen der zähen Schlammmasse bei dem Einsinken und dem schnellen Herausziehen der dicken Füße, so sehr rannten die beiden.
Schier atemlos kamen sie bei der Meerkatzen-Lichtung an. Und nach einer kurzen Weile, da nahm Bob von seiner Frau zärtlichen Abschied – es war das erstemal, daß er sie auf der Lichtung allein ließ – und rannte denselben Weg zurück. Zwischen seinen Ohren aber saß Rackertüg. – Und dann stand Bob wieder vor Bußemann, umfaßte Rackertüg mit seinem Rüssel und streckte ihn dem Schimpansen entgegen. Bußemann nickte nur und stieg stillschweigend von seinem hohen Sitz herunter.
Hochaufgerichtet ging er einige Schritte in den Wald hinein und riß von einer Gummiliane ein langes Stück ab. Das legte er sich wie eine doppelte Kette um den Hals und sprang auf allen Vieren so schnell tiefer in den Wald, daß Bob und Rackertüg ihm kaum folgen konnten. Nach einiger Zeit wandte er sich um, legte den Finger auf den Mund und ging leise auf ein Dickicht zu, das neben einem umgestürzten Baum im grellen Sonnenschein lag.
Bob schritt so vorsichtig, daß kein Zweig knackte, und Rackertüg lugte mit gespanntester Aufmerksamkeit zwischen den Ohrenbergen hervor.
Nun blieb Bußemann stehen und stocherte mit dem einen Ende der Gummiliane in dem Buschwerk herum, plötzlich hörte man ein lautes Zischen, und am Rande des Dickichts richtete sich der Oberkörper einer Brillenschlange auf und blies den breiten Halskragen auf. Bußemann setzte sich auf den Boden, als habe er die Absicht, sich mit dem giftigen Wurm behaglich zu unterhalten; aber er hielt ihm immer das Ende der Schlingpflanze vor den Kopf.
Plötzlich öffnete die Schlange den Rachen und biß wütend in die Liane hinein. Im selben Augenblick stürzte der Schimpanse mit beiden Fäusten über die Schlange her und drückte den Daumen auf eine Stelle des Nackens. Einen Augenblick hielt er das sich windende Tier so fest. Da ließ es die Liane fahren, in die es sich verbissen hatte, und der geringelte Körper erstarrte, als sei die Schlange plötzlich in einen dürren Ast verwandelt.
»Ist sie tot?« flüsterte Rackertüg.
Bußemann antwortete nicht. Er sah starr auf das Dickicht, wie Bob und Rackertüg dem Blicke folgten, sahen sie, wie es sich im Laube bewegte. Der Schimpanse warf einen schnellen Blick auf die erstarrte Schlange, die zu seinen Füßen lag; dann stieß er wieder in das Blätterwerk hinein. Und wieder hob sich ein Schlangenkörper aus dem Grün, und wieder züngelte eine gespaltene Zunge gegen das vorgehaltene Lianenstück. Und dann biß die Schlange in das weiche Holz hinein, und Bußemann packte sie an der verwundbaren Stelle, gerade unterhalb des breiten Halskragens. Und wieder streckte sich der Schlangenleib, als sei alles Leben aus ihm entwichen, und fiel wie ein toter Stab zu Boden.
»Hast du alles gesehen?« flüsterte Bob Rackertüg zu.
»Ich glaube, ja,« gab Rackertüg – an allen Gliedern zitternd – zur Antwort. »Aber ich glaube nicht, daß sie tot sind.«
Unterdes hatte Bußemann mit unglaublicher Schnelle die Lianenkette vom Hals heruntergenommen und mit ihr die beiden erstarrten Schlangen umwickelt. Er nahm das Bündel unter den Arm und rannte, so schnell er konnte, quer durch die Bäume. Und Bob und Rackertüg rannten hinterdrein. Da klang es wie das Rauschen eines starken Wasserlaufs zu ihnen herauf. Und plötzlich standen sie hoch oben auf einem Felsen über dem breiten Strom.
Mit einem mächtigen Schwunge schleuderte der Schimpanse die umwickelten Schlangen weit in den Strom hinaus. Dann wandte er sich ruhig gegen Bob und sagte: »Nun habt ihr es gesehen.«
Da sagte Bob: » Hu masseru massareneke!« das heißt so viel wie: »Ich bewundere von ganzem Herzen, was du getan hast.«
Rackertüg aber fragte: »Warum hast du sie nicht gleich getötet?«
»Dummkopf!« sagte Bußemann. »Aus Schlangenblut entstehen neue Schlangen, und gräbt man sie in die Erde, so wachsen tausend Schlangen nach. Man kann die Schlangen nur vernichten, wenn man sie ins Meer wirft und sie ertrinken.«
Bob sagte: »Du bist der Weiseste, der in meinem Walde ist. Willst du mit mir gehen und bei mir bleiben?«
Bußemann schüttelte den Kopf und sagte: »Nein, König Bob. Ich will allein bleiben. Aber ich will deine Meerkatzen lehren, Schlangen zu fangen, wie es mich Massa Maremba gelehrt hat, als ich noch im Negerdorf lebte.«
Als Bob heimwärts ging, war er so tief in Gedanken versunken, daß er gar nicht auf Rackertügs erregte Reden hörte. Es war ihm unheimlich, daß noch ein zweiter in seinem Reiche war, der ein Negerdorf kannte. Es kam ihm vor, als seien die schwarzen Zweifüßer ihm wieder nahe gekommen. Und er dachte gar nicht mehr an die Schlangen und an die Klagen der Vögel.