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Siebentes Kapitel

Der Harmlose vertreibt die Engländer

Der Harmlose ging in tiefer und düsterer Schwermut am Ufer des Meeres entlang. Er hatte die Doppelflinte auf der Schulter, schoß von Zeit zu Zeit einige Vögel ab und war oft in Versuchung, auf sich selber zu zielen. Aber er liebte das Leben noch, wegen des Fräuleins von Saint-Yves. Bald fluchte er seinem Onkel, seiner Tante, der ganzen Niederbretagne und seiner Taufe; bald segnete er sie, weil er durch sie die kennengelernt hatte, die er liebte. Er faßte den Entschluß, das Kloster in Brand zu stecken, aber gleich darauf besann er sich anders, aus Furcht, seine Geliebte könne mitverbrennen. Die Wellen des Ärmelkanals sind von den Winden aus Ost und West nicht heftiger bewegt, als sein Herz durch so viele widerspruchsvolle Regungen bewegt wurde.

Er ging mit großen Schritten, ohne zu wissen wohin. Plötzlich hörte er Trommelwirbel. Er sah von weitem eine große Volksmenge, die teils dem Ufer zulief, teils entfloh.

Tausend Schreie erheben sich von allen Seiten. Neugier und Tapferkeit lassen ihn sofort auf die Stelle zustürzen, von der die Rufe kamen; in vier Sätzen ist er dort. Der Kommandant der Bürgerwehr, der mit ihm beim Prior gespeist hatte, erkannte ihn sofort. Er läuft auf ihn zu mit offenen Armen: »Ah, das ist der Harmlose, er wird für uns kämpfen.« Die Bürger, die vor Angst schier gestorben waren, faßten neuen Mut und riefen: »Der Harmlose! Der Harmlose!«

»Meine Herren,« sagte er, »um was handelt es sich? Warum sind Sie so verwirrt? Hat man Ihre Geliebten ins Kloster gebracht?« Hundert Stimmen schreien durcheinander: »Sehen Sie denn nicht, daß die Engländer landen?« – »Nun,« versetzte der Hurone, »das sind brave Leute; sie haben mir meine Geliebte nicht geraubt.«

Der Kommandant erklärte ihm, die Engländer kämen, um das Kloster vom Berge auszuplündern, den Wein seines Onkels zu trinken und vielleicht Fräulein von Saint-Yves zu rauben. Das kleine Schiff, mit dem er in der Bretagne gelandet, sei nur gekommen, um die Küste auszuspionieren. Die Engländer eröffneten Feindseligkeiten, ohne dem König von Frankreich den Krieg erklärt zu haben; die Provinz sei bedroht. »Ach, wenn dem so ist, so vergewaltigen sie ja das Naturrecht. Lassen Sie mich nur machen. Ich habe lange bei ihnen gewohnt, ich kenne ihre Sprache, ich werde mit ihnen sprechen. Ich kann nicht glauben, daß sie einen so schlimmen Plan haben.«

Während dieser Unterhaltung näherte sich das englische Geschwader. Der Hurone läuft darauf zu, wirft sich in ein kleines Boot, kommt an und steigt auf das Admiralsschiff. Er fragt, ob es wahr sei, daß sie die Absicht hätten, das Land zu verwüsten, ohne den Krieg ehrlich erklärt zu haben. Der Admiral und die ganze Besatzung brachen in ein Riesengelächter aus, gaben ihm Punsch zu trinken und schickten ihn zurück.

Der gereizte Hurone dachte nun an nichts anderes mehr als sich für seine Landsleute und den Herrn Prior mit seinen früheren Freunden zu schlagen. Die Edelleute der Gegend kamen von allen Seiten; er schließt sich ihnen an. Sie besaßen einige Kanonen; er lädt sie, richtet sie und schießt eine nach der anderen ab; die Engländer landen; er läuft ihnen entgegen, tötet drei im Handgemenge und verwundet den Admiral, der sich über ihn lustig gemacht hatte. Seine Tapferkeit stachelt den Mut der Bürgerwehr an; die Engländer schiffen sich eiligst wieder ein, und die ganze Küste hallte von den Siegesrufen: »Es lebe der König! Es lebe der Harmlose!« Jeder umarmte ihn, jeder wollte das Blut einiger leichten Wunden stillen, die er erhalten hatte. »Ach,« sagte er, »wenn Fräulein von Saint-Yves hier wäre, würde sie mir einen Verband anlegen.«

Der Amtmann, der sich während des Kampfes in seinem Keller verborgen hatte, kam wie die anderen, um ihn zu beglückwünschen. Aber er war nicht wenig überrascht, als er Herkules, den Harmlosen, zu einem Dutzend junger, ihm ergebener Männer sagen hörte: »Meine Freunde, es war eine Kleinigkeit, das Kloster vom Berge zu retten; nun heißt es, ein Mädchen befreien.« Die jungen, hitzigen Menschen entbrannten bei diesen Worten. Sie folgten ihm in Menge und liefen auf das Kloster zu. Hätte der Amtmann nicht sofort den Kommandanten benachrichtigt, wäre man nicht hinter der freudig erregten Truppe hergerannt: die Tat würde geschehen sein! Man führte den Harmlosen zu seinem Onkel und seiner Tante zurück, die ihn mit Tränen der Zärtlichkeit empfingen.

»Ich sehe wohl, du wirst nie Unterdiakon oder Prior werden,« sagte der Onkel; »aber ein noch tapfererer Offizier als mein Bruder, der Kapitän, und wahrscheinlich ebenso bettelarm.« Das Fräulein von Kerkabon umarmte ihn immer wieder unter Tränen und sagte: »Er wird sich töten lassen wie mein Bruder; es wäre viel besser, er würde Unterdiakon.«

Der Harmlose hatte aus dem Kampf eine große, mit Guineen gefüllte Börse mitgebracht, die wahrscheinlich der Admiral verloren hatte. Er zweifelte nicht, daß er mit dem Geld dieser Börse die ganze Niederbretagne kaufen und vor allem Fräulein von Saint-Yves zur großen Dame machen könne. Jeder riet ihm, nach Versailles zu reisen, um dort den Lohn für seine Dienste zu empfangen. Der Kommandant und seine Offiziere überhäuften ihn mit lobenden Schreiben. Der Onkel und die Tante waren mit der Reise ihres Neffen einverstanden. Er würde dem König ohne jede Schwierigkeit vorgestellt werden: das allein schon vermöchte ihm ein wunderbares Ansehen in der Provinz zu verschaffen. Die beiden guten Leute fügten der englischen Börse ein beträchtliches Geschenk aus ihren eigenen Ersparnissen hinzu. Der Harmlose sagte zu sich selbst: Wenn ich den König sehe, werde ich Fräulein von Saint-Yves von ihm zur Ehe erbitten; gewiß wird er sie mir nicht verweigern. So reiste er, von Umarmungen fast erstickt, unter den Tränen seiner Tante und von seinem Onkel gesegnet, mit dem Beifall des ganzen Bezirkes ab. Der schönen Saint-Yves ließ er sich empfehlen.


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