Christian Jacob Wagenseil
Mustapha und Zeangir
Christian Jacob Wagenseil

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erster Aufzug.

(Scene, Säulen-Saal im Serail.)

Erster Auftritt.

ROXANE und RUSTAN.

RUSTAN.
Das Spiel geht bald zu Ende! – Mustapha
Ist schon in diesen Mauern, – seinem Fall
Ganz nahe. – Sieh', es jauchzt laut
Das Volk entgegen ihm. Der Spahi schwang
Sich rasch auf's Pferd, – der Ianitschar ergrief
Die hell polirte Lanze, um den Einzug
Des Heißgeliebten zu verherrlichen.
Ich selber schien in Wonn' an diesem Tag,
Ermuntere so laut das Volk, ihm Palmen
Auf seinen Weg zu streu'n, dem Sieggekrönten;
Der Sultan will es, rief ich, – und ich rief
Mit jedem Ton Verderben auf das Haupt
des Kommenden.

ROXANE.
Ich danke dir, mein Freund!

RUSTAN.
Du Fürstin, laß indeß ein Freudenfest
Bereiten im Pallaste, – laß das Volk
In seinem Taumel glauben, Mustapha
Sey ausgesöhnt mit Solymann. Musik
Und Tanz, und was nur Schwelgerey
Erfand, das mangle nicht. – Schon freuet sich
Der Jungfrau'n Chor des Festes, ziert das Haar
Mit frischen Blumen; – auf des Jünglings Haupt
Glänzt herrlicher der Turban. All' der Glanz, –
Das schwör ich der bei Mahomet – er wird
In's Herz des Sultans Feuerbrände werfen.
Des Volkes Liebe zu dem Prinzen wird
Das Körnchen Argwohn, das ich ausgesäet,
Zum hohen Halme treiben.

ROXANE.
O wie dank'
Ich diese Sorgfalt dir? Stünd' es in meiner Macht
Mit eines Reiches Krone dir zu lohnen,
Wie gern, wie freudig wollt' ich mit ihr schmücken
Dein würdig Haupt. Doch Liebe ist ja mehr,
Als Kronen, – sie belohne dich! – Es wird
Die Tochter gern der dankbarn Mutter Schuld
Bezahlen, und wenn dann in ihrem Arm
Du, Rustan, ruhst, – an ihrer vollen Brust
Du in der Fülle des Entzückens schwelgst,
Wenn dich ihr heisser Kuß zum Halbgott macht,
Dann, hoff' ich, Freund! dann rufst du trunken aus:
Ich bin belohnt – belohnt!

RUSTAN.
O Kaiserin,
Laß meinen Dank dir kniend stammeln! Laß
Mein volles Herz dir sagen, daß ich ganz
Dein Sklave sey, dem du ein Paradieß
Von Freuden öffnest. – Jan, dein Wille sey
Mir statt Gesetzes, dir geweiht mein Leben,
Und eher breche mir der Tod das Herz,
Als daß nur einer deiner Wünsche nicht
Erfüllet werde.

ROXANE.
Freund, ich traue dir,
Und so sey kein Geheimniß unter uns.
Mein höchster Wunsch, der jeden andern kühn
In sich verschlingt, der Tag und Nacht mich jagt,
Gleich Furien, ist: Daß des Reiches Kron'
Einst des Zeangirs Haupt beschatte. – Aber
Du weißt, was ihm entgegen steht, der ält're
Sohn Solymanns ist Erbe dieses Thrones,
Und sinkt er vor dem Vater nicht zu Grabe,
So – –

RUSTAN.
Ruhig, Fürstin, denn du hast bereits
Das Loos des Todes über ihn geworfen.
Es sterbe Mustapha, weil du es willst.
Laß mich nur machen! – Sieh, hier ist mein Plan,
Der Ausgang kann nicht fehlen.

ROXANE.
Sprich, mein Freund!

RUSTAN.
Du kennst den Sultan, Eifersucht und Neid,
Argwohn und Mißtrau'n herrschen unbedingt
In seinem Herzen. Wie ein Schiff, vom Sturm
Geworfen her und hin, so werden sie
Dieß Herz bald der, bald jener Seite zu.
Unfähig, zu erkennen, Großes, Edles
Und Schönes, haßt der alte Wollustknecht
Den Mann, dem eine große That gelang.
Drum ist er auch des eig'nen Sohnes Feind,
Weil dessen Tugend alles Volk entzückt.
wer diese Tugend ehrt, dem ist der Sultan
Im Voraus gram. er fürchtet, er verliere
An Ansehn, an Gewalt. Das Gegentheil
Ist Mustapha, der schätzt das Gute, wo
Er's findet, und noch mehr, er übt
Es selber gerne. Fürstin, es muß
Selbst Rustan in das Lob der Menge stimmen.

ROXANE.
Auch ich mißkenne seine Größe nicht.
Stünd' er nicht meinem Sohn im Wege, – o!
Vor Tausenden gönnt' ich die Krone ihm,
Und säh' es ohne Neid, daß Asien
Sein Zepter küßte. – Aber Rustan, so
Ist freilich nur sein Grab die Stufe, die
Zeangirn auf den Thron des Vaters führt.

RUSTAN.
Und soll es seyn.

ROXANE.
Doch sage mir, warum
Riefst du so unerwartet ihn zurück?
Ich fürchte – –

RUSTAN.
Fürchte nichts, denn fallen kann
Er hier nur, nirgend anders. – Solymann,
Durch Argwohn blind, erfüllt von Eifersucht,
sieht seine Thaten als Verbrechen an,
Die mit des Vaters Tod, mit Meuterey
Und Aufruhr enden sollen. – Meynest du,
Er wisse nicht, wie warm an Mustapha
Das ganze Heer, wie in Begeisterung hängt,
Und wie es ihm zum Kampf, zum Sturm, Zum Tod
So willig folgte, und das heisse Blut,
Wenn Er nur Führer war, so gern verspritzte?
Wird nicht der Sultan wähnen, daß es nur
Ein Wort des Hochgefeyerten bedürf',
Sich auf den Thron zu schwingen und den Vater,
den Vater in den Staub zu werfen? – O!
Dieß glaubt er ohne Schwierigkeit; – und das
Ist mein Werk. – Dir zu dienen, Fürstin blies
Ich diese Flamme an. Der Sultan meynt,
Der Aufruhr schwing die glüh'nde Fackel schon,
In wilder Faust, und blanke Schwerder drohn
Verderben ihm, unfehlbarn Untergang,
Und schnell befiehlt er, Mustapha, der kühn,
Der Perser tapfers Heer besiegte, soll
Zurück, soll hier Verbrechen büßen, die
Er – nicht begangen hat. – Der Prinz erscheint,
Und Jubel tönt in allen Gassen – Ha!
Ein Eumeniden-Heer, das Solymann
Mit glüh'nder Geißel petscht', wär' schrecklicher,
Als dieser Jubel nicht. G'nug, er ist da,
Wird meine Plane nicht zerstören, denn
Der Unbefangene glaubt, das süße Weib,
Das mit Kind ich in den Kerker warf,
Sey nur durch seine Gegenwart zu retten.
Ich ließ ihn's gerne glauben, und so gieng
Er in die Falle. Angst und scheue Furcht
Trieb seinen Flug, zu retten, was ihm mehr
Ist, als sein eignes Leben.

ROXANE.
Aber wenn
Des Sohnes milder Blick des Vaters Herz
Zum Mitleid stimmet?

RUSTAN.
Dafür ist gesorgt.
Der Sultan glüht schon wie ein Eisen, das
Aus heisser Esse reißt des Schmiedes Arm.
Kaum wagt' ich es zum Scheine, für den Prinzen
Ein Wörtchen der Entschuldigung zu sprechen,
So ward er wütend, – wie ein Wetterstrahl
Des Auges Blick. – Was meinst du, wie es hier
(auf's Herz deutend)
Erst toben mag, wenn er den ungestümmen
Volksjubel hört? – wie ihm die Freudenfeste,
Zu Ehren dessen, dem den Tod er wünscht,
Gefallen mögen? –

ROXANE.
Ha! – gut ausgedacht!
Du bist mein Mann, du führst es sicher aus.
Heut soll soch noch der Mond im Blute röthen,
Der Prinz muß sterben, oder selber tödten.

RUSTAN.
Er sterbe!

ROXANE.
Still, – wer naht sich? – Wessen ist
der leise Tritt? – Zeangirs? – Noch weiß er
Nicht, was der Mutter Huld für ihn gespart,
Ha – nichts geringeres, als einen Thron.
Zwar fürcht' ich seine Zweifel, – doch bis jetzt
War nur Gehorsam sein Bestreben. – Laß
Indeß ihn prüfen, offen scheint sein Herz,
Doch könnt' es ja verborgne Tiefen haben.

Zweyter Auftritt.

Vorige. ZEANGIR.

ROXANE.
Was bringst du Prinz?

ZEANGIR. (Sehr freudig.)
O freuet euch mit mir!
Er kommt – er kommt, – nein! – Gott, er ist schon da
Vielleicht!

ROXANE.
Wer kommt? – wer ist vielleicht schon da?

ZEANGIR.
Mein Bruder Mustapha.

ROXANE.
Dein Bruder? – Wie? –
Du wagst es, Bruder ihn zu nennen?

ZEANGIR.
Nun,
Warum denn nicht? – Ist denn der Sultan nicht
Sein Vater, wie der meine? – Spräch' auch nicht
So laut und so vornehmlich die Natur
In meiner Brust, ich liebt' ihn wahrlich doch,
So sehr man lieben kann. – Hat er denn nicht
Mich immer auch geliebt? – Ich war ein Kind,
Und freundlich trug er mich auf seinem Arm,
An seinem Busen lag ich hundertmal.
Von ihm in Schlag gesungen, nickt ich ein,
Und wacht' ich auf, so hatt' er schon ein Pferd,
Ein Vögelchen, ein schön Gemälde, oder
Etwas das mich gefreut, so hingestellt,
Daß ich es sah, sobald die Augen ich
vom Schlummer helle rieb. – Wie oft hat er
Für mich gebeten, wenn ein bubenstreich
Von mir verübt war, und der Vater dann
Zu zürnen drohte. – O gewiß, er war
Ein guter Mensch! Und als den Kinderschuh'n
Ich erst entwuchs, da fühlt' ich immer mehr,
Was Mustapha mir sey. Ich werd' es nie
Vergessen, wie das brüderliche Herz
Er mir so oft, so rein entfaltete,
Vergessen nie, wie einst im Cedernwald
Er mir sein Leiden klagte, als ihn Neid
Und Argwohn aus dem Haus des Vaters trieb.
Noch brennt die Thrän' auf meiner Wange, die
Dem Aug' entfiel, als er sein "Lebewohl" –
Sein letztes, stammelte, an's bange Herz
Mich brünstig drückte, und mit Küssen fast
Erstickte. – Nein! nein, das vergeß' ich nie.
Und ich, ich sollte mich nicht freuen, daß
Er wieder kommt in meinen Arm? – Fürwahr,
Unwürdig wär' ich eines solchen Bruders.

ROXANE.
Sohn, ich bewundre deine Zärtlichkeit,
Und freu' mich ihrer. Hüte dich jedoch,
Dem äußerlichen Schein zu trauen. – O!
Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen.
So mancher drückt, indem er küßt, den Dolch
In Freundes Herz; der Höfling weint nicht selten,
Indeß er heimlich lacht. Wer kann es wissen,
Ob Mustapha noch sey, was einst er war?

ZEANGIR.
Gewiß, gewiß! Wenn Er betrügen kann,
So ist die Welt nichts, als ein Haus voll Schelmen.
Mir würde eckeln, drinn zu seyn, und gerne
Mied' ich ein Labyrinth, wo edle Seelen
Verbotne Waare wären. – Nein, es ist
Unmöglich – rein unmöglich.

ROXANE.
Sohn, dir fehlt
Erfahrung noch, du kannst nicht glauben, daß
Die Bösen wirklich böse sind; und mögst
Du die Erfahrung niemals machen! – Hast
Du aber auch die alte Sage nie
Gehört, daß jeder Mustapha den Weg
Zum Thron mit Bruderblut bezeichnete?
Wie? wenn dir Solymann den Zepter lieber
Als ihm vergönnte, oder wenn auch ich
Für deine Hand ihn zu erhalten strebte,
Was meynst du, würde wohl dein Schicksal
Dann seyn?

ZEANGIR.
Und wenn von Anbeginn der Welt
Des Brudern Blut auch jeder Mustapha
Vergossen hätte, Mutter, glaube mir,
Der meine thät' es nicht. – Meynst du nicht auch
So, Rustan?

RUSTAN.
Ja, ich glaub' es ganz gewiß.
Nur Bosheit könnt' ihn eines Frevels zeihen.

ZEANGIR.
An diese Blume wagt ein Wurm sich schwerlich.

RUSTAN.
Doch, mein Prinz, er wagt's nicht nur, er nagt
Bereits an ihr.

ZEANGIR.
Wer wagt's? wer will ihm schaden?
Er trete auf, mein Säbel, wahrlich, soll
Ihm bittre Antwort geben.

ROXANE.
Sieh, wie hitzig!
So sey ihr Jünglinge, gleich oben aus.
Wer eure Puppe schilt, greift euch an's Herz.
Statt mit Vernunft zu wägen, zu erkunden,
Was wahr und nicht wahr, braußt ihr wüthend auf,
Und schnell ist dann der Säbel aus der Scheide.
Doch wie? wenn dieser Mustapha, dem du
So unbedingt dich überlässest, doch
Ein Frevler wäre? Schändlicher Verrath
Er dennoch brütete? – und wenn das Heer
Nur seinem Winke noch entgegen sah,
Das Schwert dem Vater in die Brust zu stoßen?
Wenn deine Mutter es dir selbst verbürgt,
Das schreckliche Gerücht, das wie die Pest
Aus dunkler Ferne kam, sey wahr; – was sagst
Du dann, Zeangir?

ZEANGIR.
Dann verwandelt sich
Der Mond in Blut, der Sonne goldnes Licht
In schwarze Nacht; der Tieger herzt das Lamm,
Und, Mutter, du drückst mir den Dolch ins Herz.
Dann ist er meines Vaters Sohn nicht, Bruder nicht
Zeangirs, dann log der Prophet, es ist
Kein Gott, kein Paradieß und keine Hölle.

ROXANE.
Wie rasch nun wieder? – Soll sich denn die Welt
Verwandeln, weil du dich getäuschet, Prinz,
Und fortfährst, dich zu täuschen? weil dein Herz
So sehr dich trog? – Nein, seine Liebe war
Ein Scherz, ein Possenspiel, – mir fürchterlich.
Ich sah ihn mit ganz andern Augen an,
Als du. Nicht Vorurtheil betrog mich, und
Nicht blauer Dunst.

ZEANGIR.
Es ist nicht möglich! Nein!
Sprich, es sey falsch. er hat sich nicht empört.
Nicht wahr, du wolltest mich nur prüfen, ob
Ich solche Fabeln glauben würde?

ROXANE.
Hüte dich,
Daß du die Wahrheit nicht zu späte glaubest.
Sag, warum kam er nicht, als man ihn rief?

ZEANGIR.
So? that er das? Vielleicht nicht ohne Gründe.
Vielleicht sah er von ferne schon das Netz,
ihn zu umgarnen und der Bosheit Spiel
War ihm nicht unbekannt.

RUSTAN.
Vielleicht hat ihn
Die Ahnung von des Sultans Zorn geschreckt,
Denn das Bewußtsein, rein und unverdient
Zu leiden, hebt nicht jedem Sterblichen
Die Brust.

ZEANGIR.
Ich danke dir, daß du so mild
Den Bruder richtest, seine Unschuld glaubst.

ROXANE.
Du setzst sie voraus, doch wer verbürgt,
O Prinz, die seine Unschuld?

ZEANGIR.
Er! – Sein Herz!

ROXANE.
Sein Herz, ja, das die Herrschbegierde schwellt,
Das nichts so heftig wünschtet, als den Thron
Bald zu besteigen, wünscht des Vaters Tod,
Der's ihm zu lange macht. O freylich mag
Ein Thron werth eines Aufruhrs seyn, und nie
Empöret sich ein kleiner Geist. Es ist
Kein Spaß, die Zügel führen, wenn mit Wuth
Der Sturmwind tobt und Bäume rings entwurzelt.
Ein schwacher Kopf, wie du, bleibt fein zu Haus.
Was kümmert ihn ein Thron, so lang' es noch
Sorbet und Datteln giebt, und im Serail
Die schönsten Dirnen ihm zu Diensten stehen.

ZEANGIR.
Dank dem Propheten, daß der Weg zum Thron
Für mich verschlossen ist!

ROXANE.
Und wer verschloß
Ihn dir? – Ein Nebenprinz? – So einen wirft man
In eine Ecke, langen Schlaf zu schlafen.
Es gilt ja mehr nicht, als das Leben eines –
Nur eines Menschen, und welch eine Lücke
Macht wohl Ein Mensch im großen Weltgebäude!

ZEANGIR.
Was hör ich, Mutter! Mord willst du beginnen?
Verflucht, verflucht sey jeglicher Gedanke
An solch Verbrechen, – und verflucht sey jeder,
Der auf dem Grab des besten Bruders, mir
Ein nie gesuchtes Glücke pflanzen will!

ROXANE.
Schweig! – Du verdienst nicht, daß so hoch die Mutter
Dich heben wollte! Sieh', du junger Thor!
Und bleib ein Sklav, wenn du nicht herrschen willst.
Kriech' an dem Thron des theuren Mustapha,
Und laß den Fuß dir auf den Nacken setzen.

RUSTAN. (der den Solymann kommen sieht)
Stille, still! – der Sultan.

ZEANGIR. (zu Roxanen)
O verzeihe! (will gehen)

ROXANE.
Bleib!

ZEANGIR.
Gott, welch ein Gewitter thürmet sich Ob meinem Haupt!

Dritter Auftritt.

Vorige. SOLYMANN. (Ihm voraus treten Ianitscharen und andere Wachen mit bloßen Schwerdern. RUSTAN winkt ihnen, abzugehen, sieht sich argwöhnisch nach allen Seiten um und spricht dann nach einer kurzen Pause)

Der Sultan SOLYMANN.
Habt ihrs gehört? – gehört
Das lärmende Geschrey des tollen Volkes?

RUSTAN.
Das ausgelaßne kennt nicht Mäßigung.
Verzeih ihm, Herr! Es ist im Freudetaumel,
Die Ankunft Mustaphas – –

SOLYMANN (schnell einfallend).
Hat ihm den Kopf
Verrückt, meynst du? – Ich will zurecht ihn setzen,
Es brütet schrecklicher Verdacht der Bube,
Doch es soll enden. – Noch ist lang er nicht
Am Ziel, zu dem er vatermörderisch strebt.
Ich will ihn beugen, diesen Knaben, der
Sich eine Eiche dünkt; ich will ihn fällen
Den stolzen Baum, mit meiner starken Faust. –
Doch nein, die ausgesucht'sten Todesqualen
sind ihm beschieden, – Henkersknechte sollen
Die schwarze Seel aus seinem Körper peitschen,
Zerstieben soll der schändliche Entwurf
Wie Spreu im Winde.

ROXANE.
Bist du deß gewiß,
O Sultan? – Kannst du das unmenschliche
Dir denken, Aufruhr durch dne Sohn?

SOLYMANN.
Er ist
Ein Böswicht.

ZEANGIR.
O mein Bruder!

SOLYMANN.
Hört,
Laßt den Verräther nicht vor mein Gesicht,
Damit ich nicht mit eig'ner Hand ihn würge.
Wie in den Wüsten Lybiens nach Blut
Der Tieger lechzt, so lechz' auch ich. Jedoch
Mein Stahl ist viel zu gut für seine Brust,
Von Sklavenhänden soll er sterben.

(Zeangir steht ganz erschüttert.)

RUSTAN.
Herr,
Gebiete deinem Zorn, es ist ja doch
Dein Sohn.

SOLYMANN.
Was, Sohn? – Sein Vater war ein Bube,
Und eine Hure seine Mutter.

ZEANGIR.
Herr
Der Glaubigen, besinne dich! – Um des
Propheten willen fleh' um Gnad' ich dich!
Wenn noch kein Aufruhr herrscht, wie fest ich glaube,
Wirst seinen Ausbruch du beschleunigen,
Wofern mein Bruder stirbt, denn alles Volk
Hängt warm an ihm, ja, selbst der Ianitschar,
Der ungezähmte, liegt vor ihm in Staub,
Und ehrt in ihm den künft'gen Herrscher schon.

SOLYMANN.
Das eben ists, was unabänderlich
Den Schluß befestigt: er muß sterben; denn
So lang er lebt, ist mir das Daseyn Qual,
Argwohn und Mißtrau'n bittern jeden Tritt,
In jedem Augenblicke seh ich Tod,
Verstoßung von des Thrones Herrlichkeit,
Auch euern Tod; denn glaubt ihr Armen, daß
Verschont ihr bleibt im allgemeinen Sturm? –
Drum ists beschlossen.

ZEANGIR.
Vater, o verwirf
Mein ängstlich Flehen nicht! – Zu deinen Füßen
(Kniet nieder.)
Sieh mich zerknirscht und laß erbarmen dich
Des Sohnes, den mir gift'gem Geifer die
Verläumdung ausgesprützt. – Er ist gewiß
Unschuldig. (Steht auf.)

SOLYMANN.
Schweig! – Und du, Roxane, kannst
Es sehen, daß dein Sohn verräther schützt,
Und sich und dir gewisse Gruben gräbt?
Gebiet' ihm!

ROXANE (zu Zeangir.)
Zähme noch dein Mitleid, bis
Du einen Gegenstand gewahrst, der's würdiger
Als er ist.

ZEANGIR. (Wischt sich eine Thräne ab.)

SOLYMANN.
Ha! wem gilt sie, diese Thräne?
Nimm, Knabe, dich in Acht! Es trifft der Blitz
Nicht Eichen bloß; das schwache Bäumchen kann
Wohl auch durch ihn zerschmettert werden. – Komm,
Roxane, du begleitest mich, um Rustan,
Du sorgst, daß Mustapha vom Augenblick,
In dem sein Fuß den boden des Pallasts
Betritt, mit keinem Menschen spreche. – Sammle
Schnell eine Schaar Getreuer aus dem Heere,
Zu harren meines Winks. – des Prinzen Freunde
Laß all' herein, doch keinen mehr hinaus.
die treue Schaar soll sie zusammen hauen,
Daß keiner übrig bleibe, und besondern
Empfehl' ich dir, daß Achmet nicht entrinne,
Den Mustapha mehr, als die anderen, liebt.
So will ich kühn des Aufruhrs Wogen brechen,
Hilf, Hölle, selbst mir diesen Frevel rächen!
(Er geht mit Roxanen ab.)

Vierter Auftritt.

ZEANGIR. RUSTAN.

ZEANGIR.
O Gott! was hört' ich? – Ach! – ich bin des Todes! –
Kannst du, o Gott im Himmel, nieder schau'n
Auf deine Erd, und nicht mit Blitzen sie
Zerschmettern? – Kannst du Langmuth üben, wenn
Sich Würmer – o! – so fürchterlich empören?
Wenn Argwohn Kindermord gebietet? – Wenn
Die Freundschaft Frevel heisset, und der Tod
Anhänglichkeit belohnt? – O Gott, o Gott!
Ich duld' es nicht! – Hab ich nicht auch ein Schwerd,
zu rächen solche Schmach? – Verzeih mir's der
Prophet, wenn ich es wage, meinen Arm
Dem Himmel darzuleih'n!

RUSTAN.
Prinz, überlaß
Die Rache dem, der wenn gleich spät, vergibt,
Doch stets vergilt.

ZEANGIR.
Rustan, er schläft, – er will
Mein Schrey'n nicht hören. Soll ich müssig stehen
Und gaffen, wenn der Gute von der Hand
Der Frevler fällt? – Es ist vorbey! – Des Sultan,
Umgarnt von meiner Mutter Schmeicheley,
Der wilde Herrschsucht tief im Herzen kocht,
Die mich dem Throne weihen will, daß sie
Durch mich regiere – ja, der Sultan kann
Nicht denken, kann nicht handeln frey und frank,
Er ist das Werkzeug fremder Bosheit nur, –
Wie, wenn ichs nochmals wagte, thränend mich
Zu seinen Füßen würf' und ihm enthüllte
Der Mutter bösen Plan? – Was meynst du, Rustan?
Sollt ich wohl hoffen dürfen, meinen Zweck
Zu finden?

RUSTAN.
Prinz, ich wag' es wahrlich nicht,
In dir ein Fünkchen Hoffnung anzublasen. –
Du kennst den Sultan, hast ihn selbst gesehen,
Sein Zorn ist Blitz, der alles, was im Weg
Ihm liegt, zerschmettert. O, wie schnelle kann
dich selbst er treffen! – Fasse dich, und laß
Das Rad des Schicksals rollen, – rollt es doch
Nicht über uns! Was wollen wir unklüglich
In seine Speiche greifen? Und bedenke,
Was du für dich aus einem Sturme rettest,
Den du nun einmal nicht beschwören wirst.
Ein Thron ist keine Kleinigkeit. Es bleibt
Ein Thron, und wenn ihm auch des Brudern Grab
Zum Grundstein diente.

ZEANGIR.
Spotte nicht der Pein,
Die tief mein Herz durchglüht! Nein, eher soll
Der halbe Mond vom Himmel nieder auf
Die Erde stürzen, als daß die Natur
Ich höhne, die mit lauter Stimme ruft:
Es ist dein Freund, dein Bruder! – Rustan, mir
Gilt Liebe wahrlich mehr, als eine Krone,
die ich mit Bruderblut erkaufen müßte.
Ich gürte froh das Schwerd um meine Lenden,
Für Mustapha – wo nicht mit ihm – zu enden.

RUSTAN.
Prinz, ich bewundr' und ehre deinen Muth.
O, laß an dieses Herz dich drücken! Laß
Dem Himmel warmen Dank mich stammeln, und
Der Wonne Thränen auf dien großes Herz
Hinweinen, daß er dich der Erde gab,
Und seine Schöpfung durch dein köstlich Bild
Verschönerte.

ZEANGIR.
Hinweg mit Schmeicheleyn!
Ich thue mehr nicht, als ich soll. – Leb wohl,
wir sehn uns wieder, denn indeß wir reden,
Kann nur zu schnell die Zeit zum Handeln schwinden.
Auf! ihm entgegen, dem geliebten Bruder,
Ihn zu belehren, was im Vaterhause
Dem argwohnlosen Helden Böses drohe. (Er eilt ab.)

Fünfter Auftritt.

RUSTAN.
Geh nur, du armer Prinz, – du selber sollst
Durch deinen Eifer meinen Plan befördern.
Du bist noch lange nicht der Mensch, der mir
Die schöne Aussicht nehmen soll, die erst
Die Mutter auf der weichen Ottomanne
Der schönen Tochter mir eröffnet hat.
Geh, freu dich deiner Puppe! – Mich laß wachen,
Wir wollen sehen, wer zuletzt wird lachen.

Ende des ersten Aufzugs.


 << zurück weiter >>