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»Warum gehen die Leute überhaupt nach Ostende?« fragte Bob Brewer den Generaldirektor der Vereinigten Versicherungsgesellschaften ärgerlich.
Douglas Campbell schüttelte den Kopf.
»Ja, warum tun die Leute das! Weil ein anderer es auch tut! Ostende mag ich übrigens persönlich auch sehr gern. Ich liebe das Meer, den Strand, die Hotels; und ich sitze gern im Kursaal und höre dem Orchester zu.«
»Es kommt gar nicht darauf an, was Sie lieben«, erklärte Bob. »Ich frage Sie nur, warum andere Leute dorthin gehen, die genug Geld haben, um es mit vollen Händen auszugeben?«
»Nun, es gibt doch mancherlei Vergnügungen in Ostende. Da sind zum Beispiel die Spielbanken, wo man Geld gewinnen oder verlieren kann, je nachdem man Glück hat. Und man kann dort gut essen. Frische Hummern sind eine Spezialität von Ostende. Ich habe Ihnen ein Zimmer in einem kleinen, nicht allzu teuren Hotel in der Nähe des Hafens reservieren lassen.«
»Das können Sie sofort wieder abbestellen. Wenn ich überhaupt nach Ostende gehen soll, dann nehmen Sie für mich eine Luxuswohnung im ›Splendid‹. Soviel ich weiß, ist es das komfortabelste und beste Hotel am Platz.«
»Aber, guter Freund, es liegt doch nichts Besonderes vor«, entgegnete Mr. Campbell verzweifelt. »Sie sollen drüben nur die Leute beobachten. Es handelt sich nicht um einen besonderen Fall. Sie haben sozusagen Ferien. Die Direktoren unserer Gesellschaft wollen Ihnen auch einmal ein paar angenehme Tage gönnen, so daß Sie sich dort etwas erholen können. Wenn Sie natürlich sehen, daß ein Mann einem unserer Klienten die Nadel aus der Krawatte stiehlt, haben Sie die Verpflichtung, ihm das auszureden.«
»Also schön, ich fahre mal hinüber und schau mir den Betrieb an; aber ich protestiere dagegen, daß ich an dieser verdammt heißen Küste sitzen und mir die Sonne auf die Nase brennen lassen soll, daß sie sich häutet. Wie gesagt, besorgen Sie mir die Luxuszimmer im Hotel Splendid.«
»Könnten Sie nicht als ein netter, ruhiger Tourist hingehen?« fragte Mr. Campbell ängstlich. »Dann brauchen Sie doch nicht so viel Geld auszugeben. Das paßt doch auch gar nicht zu Ihrer Rolle.«
»Wenn ich schon eine Rolle spiele, dann gehe ich als Millionär. Das liegt mir bedeutend besser.«
*
In Wirklichkeit aber wohnte Bob im Hotel Desthermes, das lange nicht so teuer war wie das Splendid. Am ersten Tag machte er einen Ausflug in die Umgebung. Abends hörte er sich im Kursaal ein Konzert, an, dann ging er in die Spielsäle, die ihn sehr interessierten, und besuchte ein paar Cafés in der Hoffnung, irgendwelche Leute zu finden, die die Polizei suchte. Aber in dieser Beziehung hatte er kein Glück.
Am nächsten Morgen herrschte prachtvolles Wetter, und Ostende erschien ihm so schön und herrlich wie noch nie, als er in den sonnigen Tag hinaustrat und durch die Kuranlagen schlenderte.
Nach dem Frühstück machte er einen Besuch auf dem Polizeipräsidium. Der Beamte, den er dort traf, begrüßte ihn herzlich, denn sie hatten vor dem Krieg zusammen in New York gearbeitet.
»Nein«, erklärte der Polizeichef, »zur Zeit sind keine verdächtigen Charaktere in der Stadt. Wir beobachten die Dampfer sehr sorgfältig, wie es auch die englische Polizei jenseits des Kanals tut.
Lew Simmons ist durch die Kontrolle gekommen, aber ich erkannte ihn, ließ ihn in Haft nehmen und schickte ihn mit dem nächsten Dampfer wieder zurück. Ein paar Verbrecher, die von Paris über Brüssel hierherkamen, habe ich gleich am ersten Tag ihres Aufenthalts fassen können! Sie sitzen jetzt im Gefängnis von Gent, weil sie mit gefälschten Pässen gereist sind. Nein, Monsieur Brewer, in Ostende ist es zur Zeit ruhig.«
»Hm! Es ist mir ein wenig zu ruhig«, erwiderte Bob. »Ist übrigens nicht Teddy Bolter in Belgien?«
Der Polizeichef nickte.
»Das ist aber ein Mann, der sich gebessert hat. Er hat jetzt eine amerikanische Bar in der Rue Petit Leopold.«
»Ich werde Teddy einmal besuchen«, sagte Bob.
Mr. Bolter war ein untersetzter, breitschultriger Mann in mittleren Jahren.
»Sieh da, der Mr. Brewer«, sagte er und begrüßte den Detektiv herzlich, indem er ihm die Hand über den Schanktisch reichte. »Es geschehen also auch heute noch Wunder. Wollen Sie etwas Alkoholfreies haben, Mr. Brewer, oder soll ich Ihnen einen netten Bronx-Manhattan oder einen Martini mixen?«
»Ein Martini wäre nicht schlecht«, meinte Bob. »Nun, wie geht es, Teddy?«
»Ach, ganz gut. Ich führe ein anständiges, ordentliches Leben«, entgegnete Teddy langsam und mit besonderer Betonung. »Ich hoffe so viel Geld zu sparen, daß ich mir eine nette, kleine Villa in St. Jean de Luz leisten kann. Dort kann ich dann später meinen blondlockigen Enkelchen die bewegten Abenteuer meines früheren Lebens erzählen.«
»Das muß ja entzückend sein! Großartige Aussichten, Teddy! Ich sehe Sie schon im Geist auf der Terrasse Ihres kleinen Schlößchens im goldenen Sonnenschein. Sicherlich erzählen Sie dann die Geschichte, wie Sie in die Bank von Detroit einbrachen und den Wachmann erschossen. Das war allerdings ein böses Abenteuer!«
»Ja, das gehört jetzt aber alles der Vergangenheit an. Ich bin wirklich 'ne ehrliche Person geworden, Mr. Brewer, und ich würde viel darum geben, wenn ich mein Leben noch einmal von vorn beginnen könnte.«
»Das wird Ihnen wohl kaum beschieden sein. Warum machen Sie sich also deshalb große Kopfschmerzen? – Ist jemand von den Jungens hier?«
»Was meinen Sie damit?« fragte Mr. Bolter erstaunt. »Sie meinen doch nicht etwa –? Ich bin seit Jahren nicht mit solchen Leuten zusammengekommen; nur einmal hatte ich einen Südländer als Barmann, der hat die Kasse ausgeraubt und ist dann nach Holland geflohen.«
»Herzliches Beileid Das war wohl eine neue Erfahrung für Sie, daß andere Leute Ihnen mal etwas genommen haben.«
Mr. Bolter überhörte die Bemerkung.
»Nein«, sagte er und wischte energisch den Schanktisch ab, »mit den Geschichten hab' ich nichts mehr zu tun. Ich habe hier eine ganz nette Anzahl von Stammkunden, und die Trainer und Jockeis verkehren auch in meinem Lokal. Dadurch weiß ich allerhand über Pferde und dergleichen. Wollen Sie während der Rennen hier in Ostende bleiben, Mr. Brewer?«
»Das weiß ich noch nicht genau. Ich kann mich nicht festlegen.«
»Sind Sie geschäftlich hier?«
»Ja, ich mache zum Vergnügen auch Geschäfte oder ich mache mir ein Vergnügen aus dem Geschäft, das ist alles dasselbe«, erklärte Bob. »Aber wenn ich hierbleiben sollte, komme ich noch mal zu Ihnen und lasse mir einen Tip für die Rennen geben.«
»Da brauchen Sie gar nicht erst wiederzukommen«, sagte Teddy eifrig. »Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, welches Pferd das große Hindernisrennen machen wird. Es ist Thotis. Der Gaul wurde extra von England hierhergebracht. Er gehört Mr. Mandle Jones.«
Bob war schon auf dem Weg zur Tür, aber als er diesen Namen hörte, drehte er sich wieder um. Mandle Jones war ein junger Mann, der das Geld mit vollen Händen hinauswarf und auch häufig Geld verlor.
»Ich möchte Ihnen auch einmal einen Gefallen tun«, fuhr Teddy fort, aber Bob machte eine abwehrende Handbewegung.
»Wirklich?« fragte er ruhig. »Meiner Meinung nach müssen doch gerade Sie nicht sehr gut auf mich zu sprechen sein.«
»Wir wollen Vergangenes vergangen sein lassen«, sagte Teddy kurz. »Sie haben damals nur Ihre Pflicht getan, und ich bin nicht ein Mann, der anderen lange etwas nachträgt. Glauben Sie es mir nur. Ich gebe Ihnen den guten Rat, auf Thotis zu setzen. Das Pferd ist heute morgen mit dem Dampfer angekommen, und wenn es das Rennen nicht gewinnt, will ich nicht Bolter heißen.«
»Na gut, ich will es mal auf Ihren Rat hin wagen«, sagte Bob und verließ das Lokal.
Er kehrte in sein Hotel zurück, wo er ein Telegramm vorfand:
›Dringend. Fahre nach Ostende – holen Sie mich heute nachmittag am Dampfer ab.‹
Bob war pünktlich am Kai, als die ›Prinzessin Clementine‹ anlegte.
»Willkommen in Ostende«, sagte Bob, als Douglas Campbell ihm entgegenkam. »Sie sind gerade zur rechten Zeit gekommen, um Geld zu verdienen. Ich habe einen großartigen Tip für die morgigen Rennen.«
Mr. Campbell sah ihn an.
»Sie meinen doch nicht etwa Thotis?« fragte er, und Bob starrte ihn etwas erstaunt an.
»Sie haben wohl die Sportzeitungen gelesen, daher sind Sie so gut im Bilde. Was wissen Sie denn über Thotis?«
»Nichts«, erklärte Campbell. »Ich bin mit dem Besitzer des Pferdes herübergekommen, und ich möchte Sie mit ihm bekannt machen. Bleiben Sie einen Augenblick hier stehen.«
Der Besitzer des Rennpferdes war ein junger, elegant gekleideter Mann.
»Hallo, Campbell«, sagte er. »Ich dachte, ich hätte Sie verloren.«
»Ich möchte Ihnen Robert Brewer vorstellen«, sagte Campbell. Nachdem sie ein paar allgemeine Redensarten miteinander gewechselt hatten, ging er zur Zollabfertigung, wohin sein Diener bereits das Gepäck getragen hatte.
»Nun, warum sind Sie hergekommen?« fragte Bob.
Campbell erklärte es ihm erst, als sie das Hotel erreicht hatten.
»Bob«, begann er, »ich habe Ihnen schon oft von den Dummheiten vornehmer Leute erzählt.«
»Ja, schon viel zu oft«, entgegnete Bob.
»Ich habe gestern entdeckt, daß eine der uns angeschlossenen Firmen eine Versicherung abgeschlossen hat, die einfach unglaublich ist und an Wahnwitz grenzt. Daß ein Mitglied der Gesellschaft eine Versicherung hereinlegt, ist wirklich etwas Unerhörtes.«
»Um Himmels willen!« sagte Bob. »Sie meinen doch nicht etwa den jungen Mr. Mandle Jones?«
»Doch, eben den«, entgegnete Mr. Campbell. »Er ist zwar nicht aus einer alten und vornehmen Familie, aber er ist sehr reich und versteht es, Geld auszugeben. Hören Sie einmal gut zu.«
Er nahm sein Notizbuch aus der Tasche. »Dies sind die hauptsächlichsten Punkte der Versicherung, die der Mann mit uns abgeschlossen hat. Wir übernehmen es, all sein persönliches Eigentum gegen Diebstahl und Raub zu versichern, ganz gleich, wo ihm diese Gegenstände abgenommen werden. Ebenfalls versichern wir ihn gegen Betrug und betrügerische Übervorteilung. Der Generalagent, der diese Versicherung einging, hat natürlich seine Stellung verloren, und der Direktor der betreffenden Gesellschaft mußte seinen Posten aufgeben. Der Vertrag hat noch sechs Monate Gültigkeit. Bisher wurde der junge Jones von der Gesellschaft überwacht, die den Vertrag mit ihm abschloß, aber jetzt sind die Vertragsverpflichtungen auf uns übergegangen, weil wir diese Firma aufgekauft haben.«
»Nun, und worauf läuft die Sache hinaus?«
»Mandle Jones hat in seinem Leichtsinn dreißigtausend Pfund in englischen Banknoten nach Ostende mitgenommen, um sie auf sein Pferd zu setzen, von dem wir eben sprachen.«
»Meiner Meinung nach kann er dabei aber nur sehr wenig gewinnen. Und wenn er tatsächlich beim Wetten verliert, müssen wir ihn doch nicht dafür entschädigen.«
»Wir haben ihn versichert gegen betrügerische Übervorteilung, und ich bin überzeugt, daß sie ihm das Geld schon durch irgendeinen Trick abnehmen werden. Leute, die etwas von der Materie verstehen, haben behauptet, daß sein Pferd überhaupt nicht geschlagen werden kann.«
»Ich werde mich einmal mit ihm unterhalten«, erwiderte Bob nach kurzer Überlegung. »Ich bin wirklich neugierig geworden.«
»Sprechen Sie heute abend im Hotel mit ihm. Ich habe ihn zum Essen eingeladen.«
Mr. Mandle Jones kam auch zum Essen, aber er war schlechter Stimmung und bedauerte allem Anschein nach, daß er die Einladung angenommen hatte.
»Ich kann heute abend nicht lange bleiben, und ich weiß auch nicht, warum Sie ausgerechnet mit nach Ostende kommen mußten«, sagte er zu Campbell. »Verzeihen Sie, daß ich so offen bin. Meiner Meinung nach war es gerade nicht sehr höflich von Ihrer Gesellschaft, sich in meine Angelegenheiten zu mischen, als ob man mir in Gelddingen nicht trauen könnte.«
»Mr. Jones«, entgegnete Campbell ernst, »ich war ein Freund Ihres Vaters. Sie werden also verstehen, daß ich die Interessen seines Sohnes vertreten möchte.«
Mr. Jones lachte. »Na, und tun Sie das etwa nicht? Ich habe mit Ihrer Gesellschaft einen Vertrag geschlossen – die Einzelheiten habe ich allerdings vergessen, aber ich glaube doch, daß ich gegen alle Verluste versichert bin, die ich durch Pferderennen erleiden kann.«
»Aber Sie können doch überhaupt nichts verlieren«, meinte Bob, »wenn alles, was ich von Ihrem Pferd gehört habe, wahr ist. Auf der anderen Seite begreife ich nicht, wie Sie etwas gewinnen wollen.«
»Wieso?« fragte Jones unangenehm berührt.
Bob zuckte die Schultern.
»Sie wissen doch sicher, wie Gewinn und Verlust beim Totalisator berechnet werden. Das vereinnahmte Geld wird unter die Gewinner verteilt, nachdem zehn Prozent davon abgezogen sind. Nehmen wir einmal an, daß Sie dreißigtausend Pfund setzen wollen.«
»Sie scheinen ja alles genau zu wissen«, sagte Jones und grinste.
»Außer Ihnen setzen vielleicht noch andere Leute zusammen zwanzigtausend Pfund. Das sind im ganzen fünfzigtausend Pfund – weniger zehn Prozent macht fünf und vierzigtausend Pfund, die auf die Gewinner verteilt werden. Sie können dann höchstens einen Gewinn von zehntausend Pfund machen.«
»Das ist mir vollkommen klar«, erwiderte Mr. Jones liebenswürdig. »Deshalb setze ich ja auch gar nicht am Totalisator.«
»Aber welcher Buchmacher würde denn eine Wette von Ihnen annehmen?« sagte Bob.
»Burgen & Brock«, entgegnete der andere prompt. Bob notierte sich sofort die Firma. »Ich habe schon mit den Leuten verhandelt. Die nehmen eine Wette 4:1 an. Was sagen Sie dazu?«
»Das müssen tatsächlich Menschenfreunde sein, die anderen Leuten Geld schenken.«
Als Mr. Jones den Speisesaal verlassen hatte, erhob sich Bob. »Campbell, ich will einmal ein paar Erkundigungen einziehen. Die Buchmacher nehmen Wetten in diesem Verhältnis doch gar nicht an. Da ist etwas nicht in Ordnung.«
Er wandte sich zunächst an den Hotelportier, der ihm in allen Dingen Auskunft geben konnte.
»O ja, ich kenne Burgen & Brock. Es ist die älteste Firma, die sich mit Rennwetten befaßt.«
»Sind die Leute ehrlich?« fragte Bob geradeheraus.
»Vollkommen. Die Firma hat die allerbeste Kundschaft – sehr viele englische Adlige, die nach Ostende kommen. Mr. Burgen starb vor einiger Zeit; Brock führt das Geschäft weiter.«
Bob schlenderte durch die Spielsäle im Kurhaus und fand dort mehrere englische Sportgrößen, unter anderem sprach er auch mit Lord Tathington.
»Brock führt das Geschäft nach dem Tod seines Partners weiter«, erklärte der Lord, »und er ist wirklich ein anständiger Geschäftsmann. Aber warum fragen Sie? Wollen Sie eine Wette mit der Firma abschließen?«
»Nein. Wo ist denn die Firma?«
»Brock hat ein Büro in Brüssel, aber er kommt zu jedem Rennen entweder persönlich herüber, oder er schickt seinen Vertreter.«
Bob sah auf die Uhr. Er hatte noch zehn Minuten Zeit, um den Nachtzug nach Brüssel zu erreichen.
Mitten in der Nacht traf er in der belgischen Hauptstadt ein.
Am nächsten Tag, an dem auch die Rennen stattfanden, sah Douglas Campbell den Detektiv zur Mittagszeit wieder. Der Direktor fühlte sich nicht ganz wohl, er hatte so eine Ahnung, daß er das Geld verlieren würde.
»Nun, was haben Sie entdeckt?« fragte er.
»Sehr viel. Haben Sie schon einmal Nachforschungen über Buchmacher um drei Uhr morgens angestellt, obendrein in einer fremden Stadt? Wenn ich mich nicht sehr täusche, gehört Mr. Jones zu diesen etwas naiven Gemütern, die von ihrer eigenen Unfehlbarkeit völlig überzeugt sind und keinem anderen etwas zutrauen.«
»Ja, das glaube ich auch.«
»Aber ich halte es jetzt für zu spät, ihn noch zu bekehren«, meinte Bob. »Vor allem müssen Sie mir versprechen, alles zu tun, was ich später sage.«
»Sie werden doch sein Pferd nicht vergiften?« fragte Campbell.
»Nein. Das Pferd selbst ist sehr gut bewacht, und es besteht wohl kaum eine Möglichkeit, an das Tier heranzukommen. Ich habe mich nach diesen Dingen sehr sorgfältig erkundigt.«
»Aber was soll denn das heißen, daß ich alles tun muß, was Sie mir sagen?« fragte Douglas Campbell etwas bedrückt.
»Sie müssen jeden Vorschlag, den ich mache, unbedingt annehmen. Wenn Sie fertig sind, wollen wir zur Rennbahn gehen.«
Das Rennen war sehr stark besucht, und sie hatten große Mühe, zum Sattelplatz zu kommen. Die Nummern für das erste Rennen wurden gerade hochgezogen, als sie Mandle Jones entdeckten, der sie auch gesehen hatte und ihnen aus dem Weg gehen wollte. Aber Bob trat dem jungen Mann in den Weg.
»Mr. Jones, ich möchte einen Vorschlag machen.«
»Los, sagen Sie, was Sie wollen.«
»Zunächst möchte ich Ihnen einmal erklären, daß ich Detektiv bin. Es gehört daher zu meinem Beruf, Fragen zu stellen. Wollen Sie auf Ihr Pferd wetten? Und zahlen Sie das Geld in bar?«
Jones runzelte die Stirn und zögerte.
»Ja«, sagte er dann kurz. »Ich habe das Geld mitgebracht.«
»In Tausendpfundnoten?«
Jones nickte. »Warum fragen Sie danach?«
»Wollen Sie mir einen großen Gefallen tun? Setzen Sie auf Ihr Pferd nicht eher, als bis es zum Startplatz geführt ist.«
»Darauf können Sie sich todsicher verlassen«, sagte Jones lächelnd. »Ich wette erst dann, wenn ich sehe, daß das Pferd auch sicher am Rennen teilnimmt.«
»Das wäre das erste Versprechen, das Sie mir machen. Also, man hat Ihnen eine Wette von 4:1 angeboten. Kommt es Ihnen nicht merkwürdig vor, daß Ihre Buchmacher auf eine derartig hohe Quote eingegangen sind?«
»Doch. Es ist natürlich auch ein Glücksspiel für die Leute. Wollen Sie sonst noch etwas von mir?«
»Das erzähle ich Ihnen später.«
Die Menschenmenge strömte nach dem Vorrennen auf den Sattelplatz und wartete geduldig, bis die Gewinnquote bekanntgegeben wurde.
Bob sah mit Interesse, daß Thotis von den Buchmachern 2:1 gehandelt wurde, höchstens 5:2. Er trat in die Nähe des jungen Mannes, der in der Reihe der anderen Buchmacher stand und die Firma Burgen & Brock vertrat.
Gleich darauf sah er Mr. Mandle Jones auf sich zukommen; er faßte Campbell am Arm und trat mit dem Direktor näher. Die Pferde verließen den Sattelplatz. Mr. Jones hatte sein Versprechen gehalten.
»Halten Sie mich jetzt nicht auf«, sagte der junge Mann. »Wenn Sie mir etwas sagen wollen, dann tun Sie es so schnell wie möglich.«
»Also hören Sie. Burgen & Brock bieten Ihnen eine Wette von 4:1 an, Mr. Campbell bietet Ihnen 5:1.«
Den Widerspruch, den Mr. Campbell erhob, hörte man bei dem Lärm nicht. Mandle Jones zögerte. »Aber Sie sind doch kein Buchmacher.«
»Zweifeln Sie daran, daß Mr. Campbell Ihnen den Gewinn auszahlen wird?« fragte Bob.
»Nein.«
Jones sah über Bobs Schulter zu dem wartenden Vertreter von Burgen & Brock.
»Nun, schließen Sie die Wette ab?« fragte Bob.
Mr. Mandle Jones überlegte kurz. Der Vorteil war nur zu klar.
»Gut, ich schließe ab.«
Bob streckte die Hand aus und zählte dann die dreißigtausend Pfund nach, die er von Jones bekam.
»Also, die Wette steht hundertfünfzigtausend zu dreißigtausend«, sagte Mr. Jones.
Douglas Campbell war starr vor Schrecken und vermochte nichts zu sagen.
Aber Bob war um so eifriger.
»Ja, das haben Sie ganz richtig verstanden.«
Er packte Campbell am Arm und führte ihn zu den Tribünen. Der Direktor war außer sich. Erst nach einer Weile faßte er sich.
»Aber – aber, Sie sind ja verrückt!« stieß er keuchend hervor. »Um Himmels willen, wir müssen ihn doch auszahlen, wenn der Gaul gewinnt! Brewer, Sie haben mich ruiniert!«
»Immer mit der Ruhe!« erwiderte Bob. »Sehen Sie sich lieber die hübschen Pferde an, die drüben am Start in einer Reihe stehen. Ah, jetzt geht's los!«
Zehn Pferde schossen vorwärts. Bob beobachtete das Rennen durch sein Glas, und nach kurzer Zeit wußte er, daß das Schlimmste eingetreten war. Thotis war dem Feld zwei Längen voraus. Das Pferd führte von Anfang bis zu Ende und gewann den Schlußgalopp mit sechs Längen.
»Setzen Sie sich, Mr. Campbell«, sagte Bob freundlich. »Ich fürchte, Sie haben einen ziemlichen Schrecken bekommen.«
Campbell schüttelte nur hilflos den Kopf, Mr. Jones stürzte triumphierend auf sie zu.
»Sehen Sie, daß mein Pferd gewonnen hat? Campbell, alter Sportsmann, Sie sind ja ein tüchtiger Buchmacher! Also, nun schreiben Sie mir einen Scheck über hundertfünfzigtausend Pfund aus.«
»Seien Sie nur nicht zu hitzig, junger Mann«, entgegnete Bob.
»Was meinen Sie denn?« fragte Mr. Jones argwöhnisch.
»Der Jockei, der Ihr Pferd ritt, ist ein Freund von Teddy Bolter, und den kenne ich genau. Sie haben allerdings von dem dunklen Ehrenmann noch nicht viel gehört, aber der verdient sein Geld, indem er reichen Leuten das Geld abzapft.«
»Ich will jetzt von Ihnen keinen Vortrag über Jockeis hören«, rief Mr. Jones ärgerlich.
»Kommen Sie mit, Brewer«, sagte Douglas Campbell, der endlich die Sprache wiedergefunden hatte. Aber er sprach zerknirscht und kleinlaut. »Mr. Jones, ich werde Ihnen den Scheck ausstellen –«
Ein Mann kam in vollem Lauf von der Waage her und rief etwas.
»Hallo, was ist los?« fragte Jones.
»Ich glaube, Ihr Pferd ist disqualifiziert worden, weil es nicht das richtige Gewicht hatte«, erklärte der Detektiv. »Ich würde mich an Ihrer Stelle mal danach erkundigen.«
Mr. Jones lief zur Waage, wo man ihm mitteilte, daß Thotis disqualifiziert worden war. Eins der Bleigewichte, das man in die Satteltaschen gelegt hatte, um das Gewicht des Jockeis auszugleichen, war auf geheimnisvolle Weise verschwunden.
Später am Nachmittag fand man das Bleigewicht auf einem entfernten Teil der Rennbahn, wohin es der Jockei während des Rennens geworfen hatte. Er mußte es aus der Tasche gezogen haben, während er zum Schein seine Sporen zurechtrückte.
»Gestern abend bin ich noch nach Brüssel gefahren«, erklärte Bob auf dem Rückweg zum Hotel. »Dort erfuhr ich, daß das Geschäft von Burgen & Brock zu Anfang des Jahres für fünftausend Pfund an Mr. Bolter verkauft worden ist. Bolter selbst arbeitet nicht in der Firma mit. Er hatte andere Absichten. Früher oder später würde ihm doch ein reicher Kunde, durch die traditionelle Ehrbarkeit der Firma angelockt, ins Garn gehen. Auch hatte Bolter Mr. Jones erst auf die Idee gebracht, sein Pferd in diesem Rennen einzusetzen. Er hat immer ein oder zwei Leute, die für ihn tätig sind und ihm die nötigen Nachrichten vom Training der Pferde übermitteln. Es war also leicht für ihn, an Jones heranzutreten und ihm diese glänzende Wette anzubieten. Wenn ich nicht im letzten Augenblick dazwischengekommen wäre, hätte Bolter jetzt die dreißigtausend Pfund eingesteckt, denn die wären ihm durch die Disqualifizierung des Pferdes ohne weiteres zugefallen. Aber nun werden wir dem jungen Mann das Geld zurückgeben.«
»Ja«, sagte Mr. Campbell, »das wollen wir.«
»Diesmal haben wir beide nichts bei der Sache verdient, aber wir haben ein gutes Werk getan, und Sie haben drei aufregende Minuten erlebt, die Sie nie vergessen werden.«
»Ja, da haben Sie recht«, erwiderte Mr. Campbell und zitterte noch, als er daran dachte.