Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Lacy Marshalt hatte einst als Senator dem Gesetzgebenden Rat von Südafrika angehört und führte seitdem zur größten Belustigung seines Kammerdieners Tonger den Titel Honourable, »der Ehrenwerte«.
An einem trüben Morgen stand er am Fenster und starrte verdrießlich in den Regen hinaus, als Tonger die Post hereinbrachte. Er griff nach einem blauen Umschlag, riß ihn auf und las:
»Alles in Ordnung. Es geht zu Ende mit ihm.«
»Schick ihm zwanzig Pfund!« sagte er und warf Tonger den Brief zu.
»Ob der wirklich aus Matjesfontein kommt?« meinte der Diener nachdenklich, nachdem er die Mitteilung auch gelesen hatte.
»Hast du den Poststempel nicht gesehen?«
»Hm, ja! Hören Sie mal, Lacy, wer ist eigentlich der Kerl, der nebenan wohnt? Malpas heißt er. Gestern sprach ich mit einem Polizisten, und der sagte, der Kerl müßte nicht richtig im Kopf sein. Wohnt ganz allein und macht alle Hausarbeit selbst. Wer kann das nur sein?«
»Du scheinst ja schon alles zu wissen – was fragst du mich noch?«
»Wenn er es nun wäre?«
»Mach, daß du hinauskommst, du Esel!« fuhr ihn Marshalt an.
»Der Privatdetektiv, den Sie bestellt haben, wartet draußen«, erwiderte Tonger gleichgültig.
Lacy stieß einen Fluch aus.
»Warum hast du das denn nicht gleich gesagt? Jeden Tag wirst du dümmer. Laß das blöde Grinsen und bring den Mann herein!«
Der schäbig aussehende Detektiv, der hereintrat, überreichte Lacy ein Photo.
»Ich habe sie gefunden und rasch diese Aufnahme von ihr gemacht. Das ist sie – sie heißt Audrey Bedford. Ihre Mutter ist tot – seit fünf Jahren. Aber auch von der habe ich ein Bild – auf einer Gruppenaufnahme.« Er wickelte ein größeres Blatt aus, das ihm Lacy schnell aus der Hand nahm.
»Mein Gott! Ja, gleich als ich das Mädchen sah, hatte ich ein Gefühl –«
»Sie kennen sie also, Mr. Marshalt?«
»Nein! Was treibt sie? Lebt sie allein?«
»Ja, bis jetzt. Aber vor kurzem hat sie ihr Haus verkaufen müssen. Sie soll mittellos sein und ist gestern nach London abgereist.«
»Bildhübsch, nicht wahr?«
»Ja, ungewöhnlich schön. Leider hatte ich das Pech, daß Captain Shannon im Gasthof von Fontwell abstieg, um einen Reifen auszuwechseln.«
»Wer ist Shannon?«
»Ein hohes Tier von Scotland Yard. Aber was ich in Fontwell vorhatte, hab ich ihm nicht verraten. Er hat mich aber fürchterlich ausgeschimpft, weil ich mich für einen Kriminalbeamten ausgegeben hatte.«
Lacy schien kaum zuzuhören.
»Verschaffen Sie mir vor allem Miß Bedfords Adresse, und versuchen Sie, mit ihr bekannt zu werden. Geben Sie sich für einen Geschäftsmann aus – borgen Sie ihr Geld – aber hüten Sie sich, sie ängstlich zu machen!« Er nahm ein paar Banknoten aus seiner Brieftasche und drückte sie dem Mann in die ausgestreckte Hand. »Bringen Sie das Mädel einmal zum Abendessen her«, fügte er leise hinzu.
Der Detektiv machte große Augen und schüttelte den Kopf.
»So was liegt mir nicht«, murmelte er.
»Ich will nur mit ihr sprechen. Sie bekommen fünfhundert.«
»Fünfhundert? Na, ich will sehen . . .«
Als der Mann gegangen war, trat Lacy ans Fenster.
Er rühmte sich, keine Furcht zu kennen. Rücksichts- und reuelos hatte er Menschenherzen zertreten, um an sein Ziel zu kommen. In drei Erdteilen fluchten Frauen seinem Andenken, brüteten Männer Rache. Er aber fürchtete nichts. Er haßte Dan Torrington und wußte nicht, daß Haß nur aus Furcht entsteht.