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Bei einem Aufenthalte in Emden, wo ich in der städtischen Bibliothek nach Auskunft über alte hansische und ostfriesische Verhältnisse forschte, kam ich auch zu einem Antiquar in der Hoffnung, vielleicht bei ihm Ähnliches zu finden. Wenn ich mich auch darin täuschte, fiel mir doch bei ihm ein anderes Buch in die Hände, das mich nicht weniger interessierte.
Es war ein in solides Schweinsleder gebundenes Schiffstagebuch oder Logbuch, wie es heutzutage genannt wird, von einem Kapitän Lacher geführt, der 1681 die Kurbrandenburgische Fregatte »Kurprinz« von 26 Kanonen befehligte und mit ihr und den Fregatten »Dorothea« und »Berlin« im englischen Kanal gegen spanische Schiffe kreuzte.
Hoch erfreut über diesen seltenen Fund, erstand ich denselben für einen mäßigen Preis und eilte in mein Hotel, um das Buch durchzustudieren. Die Ausbeute war jedoch anfangs sehr mager; die Notizen beschränkten sich auf kurze Angaben über Wind und Wetter, Kurs, Fahrt des Schiffes, Peilungen von Küstenpunkten oder Feuertürmen u. dergl., und liefen vom August bis November in dieser Weise fort, so daß ich schon den Kauf zu bereuen begann, als ich unter dem vierten bis vierzehnten November auf Vermerke traf, die meine Aufmerksamkeit in höherem Grade in Anspruch nahmen.
Sie lauteten vom vierten: »Trafen in der Nacht ein offenes französisches Boot mit Flüchtlingen, nahmen sie an Bord und setzten sie an der englischen Küste an Land.« Eine weitere Notiz vom elften November hieß: »Jagten ein großes spanisches Schiff, verloren es aber im Nebel aus Sicht« und eine dritte vom vierzehnten desselben Monats: »Holten in der Nacht den Spanier aus dem Hafen und machten eine schöne Prise. Näheres siehe pag. 126.«
Gespannt schlug ich die angegebene Seite auf und wurde nun voll für meine Mühe entschädigt. Ich fand einen ausführlichen Bericht über jene drei Punkte und namentlich in Bezug auf den letzteren die Schilderung einer Unternehmung, die zu den gewagtesten und kühnsten der Seekriegsschichte gehört und mich um so mehr fesselte, als sie von Brandenburgern ausgeführt wurde.
Die vergilbte Schrift war zwar etwas schwer zu entziffern, und die Schreibweise bewies auch, daß der brave Kapitän Lacher ein tüchtigerer Kriegskapitän als Schriftsteller war; immerhin erhielt ich aber ein so klares Bild des tapferen Mannes und seiner, man darf sagen, tollkühnen Thatkraft, daß ich es wohl wert hielt, es auch meinen Lesern zugänglich zu machen. Zum besseren Verständnis muß ich jedoch einiges Nähere über die damaligen Verhältnisse vorausschicken, die weniger bekannt sein dürften.
Vor vier- bis fünfhundert Jahren besaß Deutschland im Hansabunde eine bedeutende Seemacht. An der Kurzsichtigkeit der Hansen, sich nicht an dem Zeitalter der überseeischen Entdeckungen zu beteiligen, sowie durch den plötzlichen unerklärten Wegzug des Härings aus der Ostsee, dessen Fang die Hansen monopolisiert hatten, und durch den sie hauptsächlich zu Reichtum und Macht gekommen waren, sowie endlich durch die Änderung der politischen Verhältnisse, durch welche die Fürsten auf Kosten der Städte zu größerer Gewalt gelangten, zerfiel der Hansabund im fünfzehnten Jahrhundert, und bis zur Mitte des siebzehnten war Deutschland so gut wie wehrlos zur See.
Da bestieg Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, den schon seine Zeitgenossen den Großen nannten, den Thron seiner Väter. Er war ein Mann von weitem staatsmännischen Blick und unbeugsamer Energie; er erkannte, daß zur Hebung seines durch den dreißigjährigen Krieg gänzlich verarmten Landes die Neubelebung von Handel und Wandel, durch die das kleine Holland so mächtig geworden war, das geeignetste Mittel sei, und schuf nicht allein trotz aller ihm entgegentretenden Hemmnisse eine Marine, sondern gründete auch Kolonien an der afrikanischen Küste und überseeische Handelsgesellschaften. Die erste rief er mit Hilfe eines in seine Dienste tretenden unternehmenden holländischen Seemannes, Raule mit Namen, ins Leben, und bei seinem 1688 erfolgenden Tode zählte die Brandenburgische Flotte 24 Kriegsschiffe verschiedener Größe.
Mit Hilfe derselben eroberte er Pommern und Rügen und trieb die Schweden aus seinem Lande, veranlaßte Hamburg durch Wegnahme von dessen Handelsschiffen zur Zahlung einer von ihm verweigerten Schuld und sandte 1680 und 1681 zwei Geschwader, das eine aus fünf, das andere aus drei Schiffen bestehend, aus, um in Westindien und im englischen Kanal gegen spanische Schiffe zu kreuzen und von Spanien die Zahlung von 1 250 000 Thalern zu erzwingen, welche dieses aus dem Jahre 1674 für die dem Kurfürsten während seines Krieges mit Frankreich versprochenen Subsidiengelder schuldete, aber zu zahlen sich weigerte.
Das erste wurde vom Kapitän Alders befehligt, der für etwa 200 000 Thaler Prisen in Westindien machte, leider jedoch die spanische Silberflotte, der er bei Cadix auflauerte, verfehlte, dagegen aber in der Nähe von Kap Vincent mit einer mehr als doppelt überlegenen spanischen Kriegsflotte sich so tapfer schlug, daß er, obwohl er sich zurückziehen mußte, keins seiner Schiffe einbüßte und das höchste Lob verdiente.
Das Kanalgeschwader, aus den obengenannten drei Fregatten bestehend, befehligte Kapitän Lacher. Er war anfänglich zwar weniger glücklich als sein Kamerad, machte dies aber nach dreimonatiger vergeblicher Kreuzfahrt durch eine kühne seemännische That wett, die ich in Nachstehendem gebe, indem ich seine altertümliche Schreibweise durch die moderne ersetze und die oft sehr kurz gefaßten, nur für seemännische Leser berechneten Angaben ausführlicher ergänze und in allgemeinverständlichen Zusammenhang bringe.
»Ich kreuzte,« berichtet Kapitän Lacher, »mit meinem Schiffe »Kurprinz« auf ungefähr der Mitte des Kanals zwischen Dartmouth und der französischen Küste, während ich »Dorothea« und »Berlin« den Befehl gegeben hatte, zwanzig Seemeilen weiter östlich dasselbe zu thun und jedes ihnen verdächtige Schiff zu untersuchen, damit kein Spanier durchschlüpfte.
Trotz November hatten wir schönes Wetter, und ich hielt bei mäßiger Westbrise und ziemlich ruhiger See unter bequemen Segeln mit eintretender Dunkelheit nach der französischen Küste hinüber, so daß wir nur wenig Fahrt liefen.
Ich war noch an Deck und plauderte mit dem Offizier der Wache, als nahe gegen Mitternacht der Ausguck zwei Strich an Steuerbord voraus ein Fahrzeug meldete. Durch mein Fernrohr nahm ich wahr, daß es ein ziemlich großes offenes Boot war, das unter Segeln und Rudern quer vor uns absteuerte und uns offenbar aus dem Wege zu gehen suchte.
Es kam mir dies Gebaren verdächtig vor, ich ließ daher einen Kanonenschuß auf dasselbe abfeuern, um es zum Beidrehen zu veranlassen. Da es sich jedoch nicht an den Schuß kehrte, sondern nur sein Segel fallen ließ und in der Hoffnung, uns zu entgehen, recht in den Wind hinaufruderte, was meinen Verdacht, hier sei etwas nicht in Ordnung, noch vermehrte, ließ ich alle Segel setzen und so nahe wie möglich auf das Boot Kurs nehmen.
Sein Manöver nützte ihm nichts, denn die Brise frischte jetzt ziemlich auf, unser »Kurprinz« fühlte sie bald und begann gehörig auszugreifen. Wir mußten zwar kreuzen, aber trotzdem hatten wir uns jenem in einer Stunde so weit genähert, daß ich nochmals einen Schuß feuern ließ, diesmal aber scharf. Das Geschütz war so gerichtet, daß die Kugel nahe beim Boote einschlagen mußte, und da ihm jetzt wohl die Überzeugung kam, daß es uns doch nicht entrinnen konnte, hielt es mit Rudern ein, und in wenigen Minuten hatten wir es in Sprechweite.
Ich lies back brassen und rief auf deutsch hinüber, was das für ein Fahrzeug sei und woher es käme. Die Antwort lautete » Refugiés« und war von Freudenrufen begleitet. Unmittelbar darauf wurden auch die Riemen wieder ausgelegt, und sehr bald war das Fahrzeug längsseit unseres Schiffes.
Ein Herr von vornehmer Erscheinung, der sich Mathieu nannte und als geborener Elsässer der deutschen Sprache mächtig war, kam an Bord und teilte mir mit, daß er mit seiner Familie und noch zwölf anderen Insassen des Bootes Flüchtlinge seien, die nach Aufhebung des Ediktes von Nantes wegen ihrer protestantischen Religion verfolgt würden und der Einkerkerung durch die Flucht nach England entgangen seien. Mit Einbruch der Nacht hätten sie die französische Küste verlassen und uns anfänglich unter größter Angst und Sorge für ein französisches Schiff gehalten, von denen eine ganze Zahl im Kanal kreuze, um Flüchtlinge zu fangen und sie dann einem grausamen Schicksale zu überliefern. Er bat nun für sich und seine unglücklichen Genossen um meinen Schutz, und da sich unser gnädigster Kurfürst der Refugiés so großmütig angenommen, hoffe er keine vergebliche Bitte zu thun.
Ich sagte ihm natürlich alle Hilfe zu, die ich zu geben vermochte, und ließ die Armen, die durch die achtstündige Fahrt im ungedeckten Boote bei dem kalten Wetter und von dem überspritzenden Wasser bis auf die Haut durchnäßt waren, an Bord kommen, erquickte sie nach besten Kräften und nahm, da der westliche Wind es gestattete, Kurs auf Plymouth, was wir nach vor Tage erreichen konnten.
Nach unserer Ankunft in der Nähe des Hafens fuhren sie unter den innigsten Danksagungen in ihrem eigenen Boote, das ich ins Schlepptau genommen, an Land; ich aber ging mit vollen Segeln südwärts über den anderen Bug, da mir nichts daran gelegen war, daß mein Schiff von den Küstenbewohnern gesehen und vielleicht einlaufende spanische Schiffe vor mir gewarnt wurden. Wir waren aber recht erfreut, daß wir den armen Flüchtlingen hatten einen Dienst leisten können, um so mehr als wir wußten, daß es im Sinne unseres gnädigsten Kurfürsten geschehen war und dieser es uns gut anrechnen würde. Ich dachte freilich nicht daran, daß mir meine That schon nach kurzer Zeit auch gelohnt werden sollte.
Am elften morgens, als ich mit südlichem Winde nach Westen zubog, kam ziemlich voraus ein großes Schiff in Sicht, so daß ich unseren Kurs einhalten konnte, um näher an dasselbe heranzukommen, was mir sehr lieb war. Ich hatte bei dem letzten Einlaufen unseres Geschwaders in Brügge, wo ich uns verproviantierte, gehört, daß um diese Zeit einige spanische Schiffe dort erwartet würden. Wenn dies eins derselben war, mußte ich sehr vorsichtig sein; es konnte leicht Verdacht schöpfen, wenn ich meinen Kurs geändert hätte und gerade darauf zugesteuert wäre.
Wir befanden uns um diese Zeit etwa zwölf Seemeilen östlich von Plymouth. Als das Unterschiff des Dreimasters aus dem Wasser gewachsen war, erkannte ich an dessen Form und am Schnitt der Segel, daß es wirklich ein Spanier war, und es herrschte natürlich darüber große Freude an Bord. Fast drei Monate waren wir nun schon von Pillau fort und hatten noch keine Prise gemacht, während wir schon drei guten Schiffen begegnet waren, die Kapitän Alders in Westindien aufgebracht und nach Hause geschickt hatte. Was sollten aber wohl unser gnädigster Kurfürst und mein Gönner, der Marinedirektor Raule, von mir denken, wenn ich bei dem anbrechenden Winter nach so vielen Kosten, die mein Seezug verursacht, mit leeren Händen zurückgekehrt wäre. Sie müßten doch glauben, ich hätte nicht meine Schuldigkeit gethan. Auch meine Leute wurden schon sehr schwierig, weil sie bis jetzt gar keine Aussicht auf Prisengelder hatten, und wenn ich nicht so gute und tüchtige Offiziere gehabt, möchte dies kein gutes Ende genommen haben.
Das änderte sich mit einem Schlage, denn den Spanier betrachteten wir als sichere Beute. Er war zwar bedeutend größer als wir und hatte wahrscheinlich auch mehr Kanonen, aber dafür waren wir alle Brandenburger, und wenn es ans Kämpfen ging, konnte ich mich auf sie verlassen. Ich hatte gesehen, wie sie sich wie die Löwen schlugen, als sie bei Bornholm den Schweden eine Fregatte und einen Brander nahmen und nachher die Ostsee von ihnen reinfegten.
Ich ließ die Geschütze klar und alles zum Entern fertig machen, wollte beim Näherkommen die holländische Flagge heissen und ihn damit irreführen, aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, und unserer harrte eine große Enttäuschung.
Auf eine Seemeile Entfernung drehte er plötzlich um und steuerte westwärts den entgegengesetzten Kurs wie bisher, indem er alle Segel aufpackte, die er nur irgend zu tragen vermochte. Ich konnte mir das nicht anders erklären, als daß er uns als Brandenburger erkannt haben mußte und sich nicht schämte, obwohl er so bedeutend größer war als wir, sich aus dem Staube zu machen.
Wir waren natürlich schnell bei der Hand, Jagd auf ihn zu machen und ihn nicht entschlüpfen zu lassen. Die Wanten und Stagen wurden gelöst, um Masten und Stengen mehr Biegsamkeit zu geben, ich ließ durch die Feuerspritzen die Segel naß machen, damit kein Wind durchging, und überhaupt alles das thun, wodurch man ein Schiff zu schnellerem Segeln zu bringen sucht.
Es war nicht umsonst; unser »Kurprinz« machte sich brav und that, was wir von ihm erwarteten. Hand über Hand liefen wir dem Spanier auf, wobei in der frischen Brise Stengen und Masten öfter sich so krumm bogen, wie Fiedelbogen, aber es war gutes, gesundes Holz, das was vertragen konnte und nicht so leicht brach.
Unsere fixen Kerle am Ruder paßten so genau auf das Steuern, daß das Kielwasser eine schnurgerade Linie bildete und wir auch nicht einen Zoll Umweg machten; wußten sie doch selbst, was die Prise für ihre Geldbeutel bedeutete. Die Konstabler standen fertig mit den Lunten in der Hand bei den Kanonen, um dem Spanier eine glatte Lage zu geben, sobald wir ihn auf Pistolenschußweite quer haben würden, und versprachen sich von unsern Kettenkugeln gute Dienste, um seine Takelage zu rasieren.
Wir waren noch etwa zwei Kanonenschußweiten von ihm entfernt, und alles jubelte bereits über den erhofften reichen Fang, der uns so sicher schien und in einer halben Stunde unser sein mußte. Um ihm zu zeigen, mit wem er es zu thun habe, ließ ich die Brandenburgische Flagge heissen, und der rote Aar im weißen Felde streckte schon grimmig seine Fänge aus, um die Beute zu packen, da geschah etwas, das uns im ersten Augenblick mit unaussprechlichem Schrecken erfüllte.
Der Spanier, von dem wir schon jedes Tau genau unterscheiden konnten, war plötzlich spurlos verschwunden, als ob das Meer ihn verschlungen hätte.
Meine Leute standen starr bei diesem unbegreiflichen Ereignisse. Dann rief einer von ihnen aus: »Es war ein Geisterschiff, der fliegende Holländer! Seht da, ringsum ist Schwefeldampf. Wir sind verloren, der Böse hat uns verlockt!«
Die Wirkung der Worte war schreckenerregend; die Mannschaft stand bleich und stumm; sie schaute wie gebannt auf den Schwefeldampf, und ich selbst war anfänglich ganz verdutzt, denn wirklich stand es vor uns wie eine gelblich-weiße Wand, die auf dem Wasser lagerte. Als ich jedoch mit dem Fernrohr näher hinschaute, da wußte ich sofort, daß keine Zauberei dahinter steckte.
»Sprecht nicht so unsinniges Zeug,« rief ich zu der aufgeregten Mannschaft gewendet, »der fliegende Holländer zeigt sich nur am Kap der guten Hoffnung; was wir dort sehen, ist nicht Schwefeldampf, sondern eine Nebelbank, wie sie sich um diese Jahreszeit im Kanal so oft plötzlich niedersenkt!« und wenige Minuten danach konnten sich die Leute selbst davon überzeugen, daß ich recht hatte, denn wir liefen jetzt ebenfalls in den Nebel, der wie eine Mauer gegen uns anrückte, hinein, und er war so dicht, daß wir von der Schanze aus nicht das Vorderdeck unterscheiden konnten.
Das Verschwinden des Spaniers war ja nun erklärt, und die Leute erholten sich von ihrem Schrecken, aber unsere Freude über die erhoffte Prise war auf einmal zu Wasser geworden und wir nicht wenig niedergeschlagen. Wer wußte, welchen Kurs der Fremde genommen, und an Verfolgen war vorläufig nicht zu denken. Alles, was ich thun konnte, war beizudrehen, um so nahe wie möglich auf der Stelle zu bleiben und das Aufklaren des Nebels abzuwarten. Wenn dies nicht zu lange dauerte, konnten wir vielleicht den Spanier doch noch wiederfinden und ihn bei unserm schnelleren Segeln einholen. Aber das Schicksal schien sich gegen uns verschworen zu haben, denn der Nebel rückte und rührte sich nicht, und erst nachmittags gegen zwei Uhr wurde der Horizont wieder frei.
Ich suchte ihn sofort mit meinem Fernrohr ab, aber nur im Norden entdeckte ich ein Schiff, sonst war nirgends etwas zu sehen, und von ihm waren auch nur noch die Bramsegel über Wasser, so daß ich es nicht sicher ausmachen konnte, ob es der Spanier sei; da er jedoch mit nördlichem Kurs spitz lag, mutmaßte ich, daß er es war und nach Plymouth hinein flüchtete.
Das war ein unangenehmer Strich durch die Rechnung, aber jedenfalls beschloß ich, mir darüber Gewißheit zu verschaffen, um ihm auflauern zu können, wenn er wieder den Hafen verließ, und wollte mich selbst davon überzeugen, wie es stand.
Dazu war es nötig, daß ich das Schiff verkleidete, um nicht wieder erkannt zu werden, und wir gingen sofort damit an die Arbeit. Ich ließ die Kanonenpforten bis auf zehn schließen, wie es die größeren Handelsschiffe hatten, die Vorbramstenge an Deck nehmen, als ob ich sie verloren hätte, den weißen Gang außen mit schwarzer Farbe anstreichen, die beiden außenbords hängenden Boote auf das Deck setzen, Segel und Tauwerk loddrig hängen, als ob ich nur eine schwache Mannschaft an Bord hätte, und bald war das Aussehen des »Kurprinz« so völlig verändert, daß der Spanier auf einige Entfernung ihn jedenfalls nicht wieder erkennen konnte.
Danach richtete ich meinen Kurs während der Nacht so ein, daß ich am anderen Morgen vor Plymouth vorbeisteuern und den Hafen übersehen konnte. Dies führte ich aus, aber leider erfuhr ich wieder eine Enttäuschung, ich konnte alle im letzteren liegenden Schiffe sehen, aber der Spanier lag nicht darin.
Trotzdem wollte ich die Sache noch nicht als verloren aufgeben und lief auf einen etwa eine halbe Meile westlich von Plymouth gelegenen Ort zu, indem ich die Flagge von Ostende heißte, um in unauffälliger Weise selbst Erkundigungen über den gestern Abend nördlich steuernden Fremden einzuziehen. Es war dies ein kleiner Flecken, der an einer Anhöhe, etwa fünfhundert Schritt vom Strande, erbaut war, aber keine Befestigungen in der Nähe hatte.
Ich kleidete mich wie ein Schiffskoch, nahm unser kleines Boot, das nur von zwei Ruderern bemannt war und fuhr damit an Land, um unter dem Vorwande, für den Kapitän etwas Proviant zu kaufen, meine Absicht auszuführen und Näheres in Erfahrung zu bringen.
Jedenfalls hatte das Erscheinen meines Schiffes keinerlei Aufsehen erregt, denn in der Nähe des Anlegeplatzes sah ich nur zwei Leute stehen. Ich nahm anfänglich weiter keine Notiz von ihnen, sondern war im Begriff, die nach dem Orte führende und von Menschen leere Straße hinauf zu gehen, als ich mich plötzlich von dem einen Fremden in Deutsch angesprochen hörte: »Guten Morgen, Kapitän Lacher, wie kommen Sie denn hierher und noch dazu in solchem Anzuge?«
Ich fuhr erschreckt zusammen, doch schon im nächsten Augenblicke war ich beruhigt. Ich erkannte Herrn Mathieu, den französischen Flüchtling, nebst seinem Sohne, die auf einem Spaziergang begriffen waren.
Seine Freude, mich wiederzusehen, war rührend, und er wußte mir nicht genug zu danken, daß ich ihm hatte meinen Schutz angedeihen lassen. Er teilte mir mit, er sei mit allen Genossen, die an Bord gewesen, von den englischen Behörden auf das freundlichste und wohlwollendste aufgenommen und man habe ihnen bereitwillig in dem nahen Orte Wohnungen angewiesen.
Da ich keinen Grund hatte, anzunehmen, daß diese Leute, denen ich einen so großen Dienst erwiesen, mich verraten würden, machte ich den Herren gegenüber aus dem eigentlichen Zwecke meines Kommens, sowie aus meiner und des Schiffes Verkleidung kein Hehl.
»Oh, da kann ich Ihnen ja gleich die beste Auskunft selbst geben,« rief er erfreut. Gestern Abend sahen wir von Süden ein großes Schiff unter spanischer Flagge heraufkommen, das ganz bestimmt das von Ihnen gesuchte ist. Es ist aber nicht in den Hafen von Plymouth gegangen, sondern in eine durch Festungswerke geschützte Flußmündung eingelaufen, die eine halbe Meile östlicher liegt.
Nun wußte ich allerdings, wo unser Freund geblieben war, und um ihn mir nicht zum zweiten Mal entschlüpfen zu lassen, tauchte plötzlich der Entschluß in mir auf, ihn dort herauszuholen. Wie das zu machen sei, war mir im Augenblick selbst noch nicht klar, aber daß es geschehen oder wenigstens versucht werden sollte, stand bei mir fest.
Jetzt kamen einige Leute vom Strande herunter. Mit der Bitte an den Elsässer, gegen niemand ein Wort über mich oder mein Schiff verlauten zu lassen, was er versprach und woran ich auch nicht zweifelte, verabschiedete ich mich von ihm mit dem Gedanken, daß eine gute That doch ihren Lohn fände. Dann fragte ich die mir Entgegenkommenden, ob ich im Dorfe nicht Butter und Eier kaufen könne, und kehrte mit ihnen um, da sie selbst den Proviant ablassen wollten. Ich zahlte den geforderten Preis, sie brachten mir die Sachen ins Boot, und ich fuhr, ohne mich weiter aufzuhalten, an Bord zurück.
Ich besprach die Sache nun mit meinem ersten Lieutenant. Der Zufall wollte, daß er jene Flußmündung genau kannte. Er hatte früher auf englischen Schiffen gefahren und mehrfach, zwar nicht in der Mündung selbst, aber in einem Hafen geankert, den der Fluß etwa tausend Schritt weiter hinauf bildete. Vor diesem kleinen Hafen lag eine Insel, durch die der Fluß in zwei Arme geteilt wurde. Der eine östliche und tiefere war der für Schiffe gangbare, während der westliche flachere selten benutzt wurde. Der erstere war durch eine starke Citadelle und von der anderen Seite durch ein kleineres Erdwerk auf der Insel gedeckt, während dieses zugleich den westlichen Ausgang bestrich.
Die Sache wollte zuerst dem Lieutenant gar nicht in den Kopf; schließlich meinte er aber, es könnte gehen, wenn es uns gelänge, das Schiff durch das letztere enge und flache Fahrwasser herauszubringen, weil wir dann nicht so nahe unter der sehr stark armierten Citadelle vorbeimüßten, aber für eine so große und reiche Prise könne man immer etwas wagen, und da er wegen ungünstigen Windes schon einmal jenen Ausgang passiert habe, wolle er sein Bestes thun und versuchen, uns durchzulotsen. Auf etwas Glück müsse man freilich dabei rechnen, denn es handle sich ja um Kopf und Kragen und die Engländer verständen darin keinen Spaß.
Nun, den Lieutenant hatte ich schon oft erprobt; ich wußte, daß ich mich unbedingt auf ihn verlassen konnte, und da er mitthun wollte, befestigte dies nur meinen Entschluß. Zuvor wollte ich mir aber die Verhältnisse mit eigenen Augen ansehen und fuhr deshalb nachmittags in derselben Verkleidung zur Flußmündung. Als ich etwa tausend Schritt weit hinaufgerudert war, gelangte ich an die kleine Insel und bald darauf in den hinter ihr liegenden Hafen selbst und machte dabei die Bemerkung, daß der westliche Ausgang nicht von der Citadelle, sondern nur von dem Erdwerke beschossen werden konnte, was für unser Unternehmen schon immer als ein großer Gewinn betrachtet werden mußte.
Im Hafen, und zwar ungefähr in der Mitte desselben, lag nur ein einziges Schiff, schon von weitem sah ich, es war wirklich unser Spanier, und mein Herz klopfte vor Freude nicht wenig. Ich verhehlte mir zwar nicht, daß das Herausbringen keineswegs eine leichte Sache sein würde, da er vorher doch erst erobert werden mußte, aber wie gesagt, auf meine Leute konnte ich mich verlassen, sie waren echte Brandenburger und wären außerdem für die reichen Prisengelder durchs Feuer gegangen. Der Spanier hatte ebenso wenig wie die Engländer eine Ahnung von dem, was wir beabsichtigten, und wenn man im Kriege etwas unternimmt, was der Feind nicht erwartet, oder wohl gar für unmöglich hält, dann hat man die beste Aussicht, etwas zu gewinnen.
Als ich nach meiner Landung am Hafen entlang ging, ruderte vom Spanier ein Boot an Land und ein darin sitzender Mann, den ich für den Kapitän hielt, begab sich in ein nahe am Ufer gelegenes Gasthaus. Nach einer Weile betrat ich ebenfalls dasselbe, um mir ein Glas Bier geben zu lassen und fand ihn allein im Wirtszimmer, hatte aber die größte Mühe meinen Schrecken zu überwinden und mich nicht zu verraten, als ich bei der Begrüßung in ihm den Kapitän eines holländischen Schiffes erkannte, mit dem ich vor einer Reihe von Jahren an der spanischen Küste zusammengetroffen war. Ich machte indessen ein möglichst gleichmütiges Gesicht, setzte mich schweigend an einem anderen Tische nieder und ließ mir ein Glas Ale geben; mir wurde jedoch leichter ums Herz, als ich die Gewißheit erlangte, daß der Fremde selbst mich nicht wieder erkannte, wozu wohl meine Matrosenkleidung und ein langer Bart, den ich mir in der letzten Zeit hatte wachsen lassen, mit beitrugen.
Nach einer Weile fragte er mich in gebrochenem Englisch, wer ich sei und woher ich käme. Ich erwiderte ihm ebenfalls radebrechend, ich verstände nur sehr wenig englisch, sei ein Flamländer, nahe bei Brügge zu Hause, auf einem französischen mit Wein beladenen Schiffe nach Flandern gewesen, das aber auf dem Eddystone im Nebel gestrandet sei und suche jetzt eine Schiffsgelegenheit, um wieder nach der Heimat zu kommen.
Ich durfte das sagen, weil ich in der That vom Englischen nicht viel wußte, desto besser holländisch verstand und dieser Sprache völlig mächtig war, da ich früher längere Jahre auf holländischen Schiffen gefahren und eins derselben kommandiert hatte, bei welcher Gelegenheit ich eben mit meinem Gegenüber in Spanien zusammen gewesen war.
Offenbar schien er sehr erfreut, sich nun nicht länger mit englisch abquälen zu müssen und begann eine lebhafte Unterhaltung in holländisch. Als er mir mitteilte, daß er von Geburt selbst ein Holländer und Kapitän des im Hafen liegenden spanischen Schiffes, sowie ebenfalls nach Brügge bestimmt sei, fragte ich ihn bescheiden, ob er nicht ein gutes Werk thun und mir eine Passage geben wolle, da ich mit meinen Mitteln bald mit Ende wäre.
»Mein Junge,« erwiderte er gutmütig, »das würde ich wohl thun, aber ich weiß noch gar nicht, wann ich von hier fortgehe, das kann noch Wochen dauern. Ich bin gestern hier eingelaufen, weil ich von einer Brandenburgischen Fregatte gejagt wurde und hier unter den Kanonen sichern Schutz habe. Ich würde ihr auch bestimmt in die Hände gefallen sein, wenn nicht glücklicherweise für mich ein dichter Nebel gekommen wäre, unter dessen Schutze ich an die englische Küste flüchten konnte, wo ich ein Fischerboot traf, das mich in den Fluß und in diesen Hafen lotste.
»Brandenburger?« fragte ich, indem ich mich sehr erstaunt stellte, »wer ist das? Ich habe noch nie etwas von Brandenburger Schiffen gehört.«
»Das glaube ich wohl,« erwiderte er, »es ist auch wohl das erste Mal, daß sie aus der Ostsee herausgekommen sind und ihre neue Flagge, einen roten Adler in weißem Felde, gezeigt haben, aber ihr Kurfürst, das ist ein ganz gewaltiger Kerl und was der will, das führt er auch durch.
Jetzt hat er sich seit zehn Jahren in den Kopf gesetzt, eine Kriegsmarine zu schaffen und dazu einen Landsmann von mir, den Middelburger Schöffen und großen Reeder Raule, in seine Dienste genommen. Der ist ein fixer Kerl, hat die Sache auch fertig gebracht, ist seit kurzem sogar Marinedirektor geworden und der Kurfürst hält sehr große Stücke auf ihn.
Bis jetzt haben sich die Brandenburger nur in der Ostsee mit den Schweden herumgeschlagen, aber nun ist der Kurfürst so kühn geworden, daß er Spanien den Krieg erklärt hat, weil dieses ihm Geld schuldig ist, und er auf spanische Schiffe kreuzen läßt.
Nicht weniger als acht Fregatten hat er in diesem Jahre ausgeschickt. Zuerst haben sie unsern großen Carolus secundus mit einer Ladung von mehr als 100 000 Thaler Wert gekapert, mit 50 Kanonen besetzt und eine Fregatte daraus gemacht. Dann sind fünf Schiffe nach Westindien gegangen, wo sie auch schon eine ganze Menge Prisen gemacht haben sollen, und drei von dem ganzen Geschwader kreuzen hier im Kanal. Diese werden von einen gewissen Kapitän Lacher kommandiert. Das soll ein ganz verwegener Mensch sein. Den Hamburgern hat er vor zwei Jahren gleich zwei Schiffe auf einmal fortgenommen, weil sie auch dem Kurfürsten Geld schuldeten. Diese Fahrzeuge sind in Kopenhagen versteigert worden, und das jagte jenen gleich einen solchen Schrecken ein, daß sie sofort ihre Schuld zahlten.
Wenn ich nicht sehr irre, bin ich vor einigen Jahren mit demselben Lacher in Kadix zusammen gewesen, er war damals Kapitän eines holländischen Hukers, der Raule gehörte, und dieser hat ihn nachher in Brandenburgische Dienste gezogen.
Ich möchte ihm aber nicht in die Hände fallen, ich habe Wolle und Wein im Schiffe und die Ladung ist gut Hunderttausend Thaler wert. Die Fregatte, welche mich gestern jagte, segelt viel besser, als mein tiefbeladenes Schiff, und ebenso wird es mit den beiden andern sein. Wenn sie mich daher sehen, dann ich bin verloren; ich werde deshalb hier so lange bleiben, bis das holländische Convoy kommt, das in drei bis vier Wochen vom Kap der guten Hoffnung erwartet und Plymouth anlaufen wird, um mich ihm anzuschließen.«
»Aber so viel ich weiß«, sagte ich verwundert, »habt ihr doch eine Menge Geschütze; aus den Pforten schauen ja überall die Mündungen.«
»Ja wohl«, erwiderte er, »ich habe 30 Kanonen, aber fast alle sind nur Ein- und Dreipfünder, und grade die vier großen Neunpfünder, sind durch die Ladung belämmert, und ich kann sie nicht gebrauchen. Ich habe in Kadix dagegen protestiert, daß man das Schiff so voll packte, aber die Reeder, welche nur an das Verdienen dachten, meinten, das würde wohl mit den Brandenburgern nicht so schlimm sein, wie man sagte, und aus der Ostsee wagten sie sich gewiß nicht heraus.«
Nun, beim Einlaufen in den Kanal sprach ich einen ausgehenden Holländer, und erfuhr, daß drei von ihnen an verschiedenen Stellen kreuzten und alle drei ihn untersucht hätten. Wenn nicht der Nebel gekommen wäre, hätten sie mich auch gehabt, denn so viel ich mit dem Fernrohr sehen konnte, waren es mindestens Zwölfpfünder, welche die mich verfolgende Fregatte führte. »Außerdem bin ich auch schwach an Mannschaft«, fügte er hinzu, »habe nur 38 Mann an Bord und der Brandenburger gewiß mehr als die doppelte Zahl.«
»Ich hatte Mühe, bei der Offenheit des redseligen Mannes, der mir ungefragt erzählte, was ich nur irgend zu wissen wünschte, das Lachen zu verbeißen. Was ich bei dieser Gelegenheit erfuhr, ließ mich nicht länger daran zweifeln, daß wir die Prise ohne größere Schwierigkeiten nehmen würden.«
»Ja ja«, sagte ich, indem ich mich bemühte, so ernst wie möglich zu sein, »da habt Ihr freilich sehr recht, unter solchen Umständen vorsichtig zu sein und die Ankunft des Convoy abzuwarten, aber so lange kann ich mich hier nicht aufhalten, weil es mir dazu an Geld fehlt, und so muß ich mich nach einer anderen Gelegenheit umsehen.«
Nachdem wir noch einige gleichgültige Sachen mit einander besprochen, verabschiedete ich mich vor ihm, denn mir brannte der Boden unter den Füßen, so bald wie möglich an Bord zurückzukehren und die Sache mit meinen Offizieren zu überlegen. Sie mußte schleunigst ausgeführt werden, bevor man vielleicht Verdacht schöpfte. Ich begab mich deshalb rasch zur Flußmündung, wo ich mein Boot im Gebüsch versteckt hatte warten lassen und fuhr zum »Kurprinz«.
Nachdem ich dem ersten Lieutenant meine Erfahrungen und Beobachtungen mitgeteilt, war er jetzt Feuer und Flamme für die Unternehmung, und wir beschlossen, unser Vorhaben noch gleich in derselben Nacht zur Ausführung zu bringen, damit nicht irgend ein Zufall zum Verräter werden könnte, obwohl ich mich auf das Schweigen des Herrn Mathieu fest verlassen zu dürfen glaubte. Sodann wurden wir aber noch durch die Witterung begünstigt; die Nacht war mondlos und dunkel, und der Wind nach Norden umgegangen d. h. ablandig, so daß wir, ohne kreuzen zu müssen, direkt aus dem Hafen segeln konnten.
Als ich den Plan den übrigen Offizieren und den Mannschaften mitteilte, da war in Aussicht auf die reiche Prise des Jubels kein Ende, und ich wußte jetzt, daß sie mir in die Hölle folgen würden.
Ich wollte gerade unser größtes Boot fertig machen lassen, als mit Dunkelwerden englische Fischerboote aus See in den Hafen zurückkehrten. Dies gab mir den Gedanken ein, wenn möglich lieber ein solches zu der Unternehmung zu benutzen, da das unsere eine andere Form hatte und von den Schildwachen vielleicht als ein fremdes erkannt werden konnte, wodurch dann alles auf dem Spiele stand.
Als deshalb eines derselben ganz nahe unter unserm Heck vorbeifuhr, ließ ich es durch den ersten Lieutenant, der fertig englisch sprach, anrufen, ob sie uns nicht Fische verkaufen wollten. In der Hoffnung auf gute Bezahlung gingen die Fischer darauf ein und kamen längsseit. Das Fahrzeug war ziemlich groß, so daß es sich für unsere Zwecke eignete und sich einige zwanzig Mann darin unterbringen ließen.
Ohne zu handeln kauften wir den Engländern, die wohl nie ein besseres Geschäft gemacht, ihren ganzen Vorrat ab, und nötigten die drei Mann, aus denen die Bootbesatzung bestand, in die Kajüte. Der erste Lieutenant teilte ihnen mit, wir gehörten nach Ostende zu Haus, kämen von Cette und hätten sehr schönen französischen Branntwein au Bord, ob sie den nicht einmal probieren wollten.
Nun die Fischer ließen sich das nicht zweimal sagen, für Branntwein verkauft ja der gewöhnliche Engländer seine Seligkeit. Er schmeckte ihnen ausgezeichnet, da sie wahrscheinlich in ihrem Leben noch keinen so guten und billigen genossen hatten; aus einem Glase wurden mehrere, und nach kaum einer halben Stunde waren sie so betrunken, daß sie besinnungslos auf dem Kajütsdeck lagen und wir sicher waren, sie würden vor dem nächsten Morgen nicht wieder nüchtern werden.
Als wir diese unschädlich gemacht hatten, bereiteten wir alles für unsern Handstreich vor. Ich suchte mir nun zwanzig von unsern besten und zuverlässigsten Leuten aus. Sie wurden mit Pistolen, Entersäbeln, Handgranaten und einigen Zimmermannsäxten ausgerüstet, nebeneinander auf den Boden des Bootes gelegt und mit einer Presenning zugedeckt, so daß nur von außen zwei Mann an den Rudern und der erste Lieutenant am Steuer zu sehen waren. Gegen Mitternacht kamen wir in die Flußmündungen. Dem zweiten Lieutenant hatte ich anbefohlen, daß wenn wir glücklich mit der Prise herauskämen und drei Laternen zeigten, er das Ankertau kappen und mit dem »Kurprinz« auf uns zu unter Segel gehen sollte, da bei den schwachen an Bord zurückgebliebenen Kräften das Lichten des Ankers zu viel Zeit weggenommen hätte. Den Verlust des Ankerkabels dachte ich dem Marinedirektor Raule gegenüber, der in solchen Dingen sehr scharf auf die Finger sah, schon verantworten zu können.
Wir ruderten durch das tiefe östliche Fahrwasser und zwar ganz gemächlich auf kaum ein paar hundert Schritte von der Citadelle in der Absicht vorbei, von den Schildwachen gesehen zu werden, um jeden Verdacht zu vermeiden.
Bald ertönte auch der Anruf der Posten »Boot ahoi!« »Wer seid Ihr?« »Fischerboot«, erwiderte der erste Lieutenant, während ich mich ebenfalls hinter der Bordwand niedergelegt hatte.
Damit war die nächste Gefahr beseitigt, und die Schildwachen ließen uns ungehindert passieren. Freilich war dieser erste Schritt der leichteste; daß wir den Spanier überrumpeln würden, glaubten wir zwar, aber das Schlimme war das Herausbringen. Nun es fehlte uns nicht an Mut, und dann hofften wir auf gutes Glück.
Wir hatten bis zum Spanier noch etwa 1500 Schritt zu rudern, und ebenso weit ungefähr lag er vom jenseitigen Ufer entfernt. Wir durften also hoffen, daß wenn es bei dem Überfalle auch etwas Geräusch gab, es am Lande nicht gehört werden würde. Um uns aber selbst so leise wie möglich der Prise zu nähern, hatte ich die Riemen in den Dullen mit Werg umwickeln lassen, und bei dem vorsichtigen Rudern schlich unser Boot fast unhörbar wie ein Nachtgespenst durch das Wasser.
Bei dem ablandigen Winde lag der Spanier mit seinem hohen Heck nach See zugekehrt. Da aber die Nachtposten sich vorn auf der Back aufhalten und wahrscheinlich in dem sichern Hafen auch nicht gut aufpaßten oder wohl gar schliefen, so hofften wir ganz ungesehen längsseit zu kommen, indem wir uns genau im Kielwasser des Schiffes hielten.
Unsere Erwartung trog uns nicht; ungesehen und ungehört liefen wir mittschiffs an die Großrüst. Wir hatten die Schuhe ausgezogen und enterten so still wie möglich an Deck. Der Posten auf der Back stand mit dem Gesicht nach vorne, schlief aber nicht. Wir waren eben alle oben angelangt und nach vorn geschlichen, um ihn zu überfallen, als er sich plötzlich umdrehte und uns sah. Er mußte ein mutiger Mensch sein, denn er sprang sofort von der Back herunter, ergriff eine Handspeiche und schlug auf den ersten, der ihm nahe kam, wütend ein. Nur, daß dieser sich schnell zur Seite bog, rettete seinen Schädel, aber der Arm wurde ihm zerschmettert.
Zu einem zweiten Schlage hatte er jedoch keine Zeit: wie ein Blitz stürzten, ehe er noch einen Schrei auszustoßen vermochte, einige von unsern Leuten auf ihn, warfen ihn zu Boden, einer von den Matrosen stopfte ihm ebenso schnell sein Halstuch in den Mund, er wurde geknebelt und lag nun still und unschädlich auf dem Deck.
Unsere nächste Aufgabe war, uns der Thüren in der Back zum Mannschaftsraum, sowie der in der Schanze zu der Offizierskajüte zu versichern, sowie die Decksluken dicht zu machen, damit niemand von der Besatzung von unten auf das Deck kommen konnte.
Der Zusammenstoß mit dem Wachtposten hatte aber doch Geräusch gemacht, und die Offiziere waren dadurch wach geworden. Sie schlossen die Thüre ab, aber ein paar Axthiebe genügten, um letztere zu zerschmettern und alle drei ohne weiteren Widerstand gefangen zu nehmen, ehe sie einmal zu ihren Waffen gelangen konnten.
Dann hörten wir plötzlich ein von unten heraufdringendes Geschrei und sehr bald darauf einen dumpfen Fall, sowie gleichzeitig den Hilferuf unseres Zimmermanns. Der das Geschrei ausgestoßen, war der ebenfalls erwachte Kapitän, dessen Kajüte sich in der Kampanje unter Deck befand. Der Zimmermann hatte ihn still machen wollen, in der Dunkelheit aber nicht gesehen, daß der Kapitän die Niedergangtreppe fortgenommen, und war in die Luke hinuntergestürzt. Gewiß hätte er sich unter andern Umständen Hals und Beine gebrochen, aber wir hatten Glück. Er war gerade auf den darunter stehenden Kapitän gefallen, hatte ihn damit zu Boden gerissen und Geistesgegenwart genug, um ihn in dieser Lage festzuhalten. Der Holländer sträubte sich aber auch nicht, er war betäubt, sowie durch die Axt, die der Zimmermann in der Hand behalten, ziemlich schwer am Arm verwundet und dadurch machtlos.
Als wir uns mit der in der Kampanje hängenden Laterne der Luke näherten, begann aber der Zimmermann seinerseits zu schreien: »Um Gotteswillen, kommt nicht mit Licht hierher! Wasser, Wasser, hier liegt ein ganzes Faß Pulver auf dem Deck ausgeschüttet!« Bei dem Schimmer des aus der geöffneten Kajütsthür fallenden Lichtes hatte er seine Wahrnehmung gemacht.
Ich ließ sofort Wasser herbeischleppen und überall den Fußboden begießen, bis alles Pulver eingeweicht war, sodaß wir bald die Gefahr beseitigten. Der Fall des Zimmermanns hatte uns vor einem schrecklichen Schicksale bewahrt, denn der Kapitän gestand nachher, es sei seine feste Absicht gewesen, das Schiff mit allem darauf eher in die Luft zu sprengen, als es sich nehmen zu lassen.
Wir gingen nun daran, die Mannschaften im Schiff aufzusuchen und sie vorn im Volkslogis einzusperren, dessen Thür verschließen und von zwei unserer Leute mit gespannter Pistole bewachen zu lassen. Wir konnten jedoch nur achtundzwanzig von ihnen finden; die übrigen hatten sich aus Angst in alle Ecken des Schiffes verkrochen, und auch die Aufgefundenen waren so eingeschüchtert, daß wir keinen Widerstand von ihnen zu fürchten hatten. Den Kapitän, der wieder zu sich gekommen war, ließ ich so gut wie möglich verbinden und in seiner Kajüte einschließen, nahm aber vorsichtig den Schlüssel zur Pulverkammer in meine Verwahrung, um gegen unliebsame Überraschungen gesichert zu sein.
So waren wir denn mit Ausnahme unseres einen Verwundeten ohne weiteren Verlust Herren der kostbaren Prise geworden, aber nun stand noch das Schwierigste bevor, sie ungefährdet aus dem Hafen, bei der Festungsmauer vorbei und in See zu bringen. Auf letzterem und an Land war alles still, offenbar hatte man dort nichts gehört, und wir brauchten vorläufig nach dieser Richtung keine Besorgnis zu haben, aber dafür gab es anderweitig desto mehr zu thun.
Der Spanier hatte seine beiden Unterrahen an Deck genommen. Ohne sie wieder nach oben zu bringen, konnten wir von den Segeln keinen Gebrauch machen, und das war mit unsern wenigen Leuten, von denen noch der Verwundete und die Posten abgingen, kein leichtes Stück Arbeit.
Um es überhaupt fertig zu bringen, blieb mir nichts anderes übrig, als zehn von den Gefangenen mit der Drohung, sie augenblicklich niederhauen zu lassen, sobald sie Widerstand leisteten oder einen Ruf ausstießen, zur Arbeit heranzuziehen, während ich andrerseits ihnen versprach, sie zu belohnen und sie so bald wie möglich mit ihrem gesamten Eigentum frei zu lassen und an Land zu setzen.
Nach zwei Stunden waren die Unterrahen an Ort und Stelle aufgebracht und die Segel gesetzt, worauf ich die Gefangenen wieder einschließen ließ, denn was jetzt noch zu thun blieb, konnte ich mit der eigenen Mannschaft gut bemeistern. Die unter der Bark aufgestellten Geschütze hatte ich gleich anfangs entladen lassen, damit dieselben nicht etwa abgefeuert werden konnten und uns das Spiel verdürben.
Obwohl so leise wie möglich gearbeitet wurde, ließ sich doch Geräusch nicht gänzlich vermeiden, und ich schwebte stets in Sorge, daß es am Land vernommen werden könnte, aber die Leute dort mußten einen guten Schlaf haben; sie merkten nichts, wobei uns allerdings der ablandige Wind und die dunkle Novembernacht zu Hilfe kamen und ich auch streng verboten hatte, irgend ein Licht zu zeigen.
Es war gegen vier Uhr morgens geworden, als wir endlich mit allem fertig waren, und wir hatten noch gut drei Stunden vor uns, ehe es Tag wurde. Ich hatte von hinten am Schiff ein Springtau auf eins der Ankerkabel bringen lassen. Die Rahen wurden ins Kreuz gebraßt, und dann gab ich in Gottes und unseres gnädigen Kurfürsten Namen den Befehl, beide Ankertaue zu kappen.
Ein paar wuchtige Hiebe mit den Äxten genügten dazu; das Springtau kam hinten zur Tracht, und das Schiff drehte sich um sich selbst, während sich die Segel füllten. Als es mit dem Bug seewärts lag, wurde auch das Springtau gekappt, die Brise fiel stramm ein, und das Schiff begann Fahrt zu machen.
So weit war alles nach Wunsch gegangen, aber nun begann die größte Schwierigkeit. Durch den östlichen Flußarm durften wir nicht zu gehen wagen. Wir hätten aus Flintenschußweite zwischen Citadelle und dem gegenüber auf der Insel liegenden Festungswerke passieren müssen. Wie leicht konnte irgend welcher Verdacht geschöpft werden, und dann wären wir bei der geringen Entfernung unzweifelhaft in den Grund geschossen.
Es blieb uns daher nur die westliche Ausfahrt, und wenn ich auch zu der Ruhe, dem Geschick und dem Mute des ersten Lieutenants, der die Führung des Schiffes allein übernehmen mußte, weil ich das Fahrwasser nicht kannte, das größte Vertrauen besaß, kann man sich denken, daß ich mich in großer Aufregung befand. Es mußte gewagt werden, aber das Gefährliche unserer Lage kam mir erst jetzt so recht zum Bewußtsein, als der Lieutenant das Ruder nahm, und wir in die flache Ausfahrt einsegelten!
Er hatte jedoch nicht zu viel behauptet und steuerte so gewandt und glücklich durch alle Engen und Windungen, daß schon meine Sorge zu schwinden begann, als mir plötzlich das Herz still stand. Ich fühlte, wie das Schiff zitterte und sein Kiel den Grund scheuerte und zwar in dem Augenblick, als wir das kleine Fort auf der Insel in nicht mehr als 200 Schritt Entfernung passierten. Mein Gott, was sollte das werden, wenn wir fest kamen.
Die Schildwache rief uns an, wohin wir gingen und ob wir unsere Papiere hätten.
»Ja wohl,« erwiderte der erste Lieutenant in fließendem Englisch hinüber, »alles klar, wir wollen den guten Wind benutzen und nach Brügge gehen. Aber der Strom ist zu stark und hat uns versetzt, deshalb müssen wir durch die enge Passage.«
Im ersten Augenblicke schien diese Auskunft zu befriedigen, dann jedoch sahen wir im Fort sich Lichter hin- und herbewegen, offenbar hatte man Verdacht geschöpft. Aber das Scheuern über den Grund hatte aufgehört, das Schiff bekam bei der steifen Brise wieder seine volle Fahrt, und in wenigen Minuten hatten Strom und Wind uns um 500 Schritt nach außen gebracht. Es war unser Glück, denn jetzt fiel vom Fort ein Schuß, und die zwölfpfündige Kugel pfiff zischend zwischen unsere Masten und durch das Vormarssegel, ohne uns jedoch weiter Schaden zu thun.
Bald folgte ein zweiter und dritter, aber sie fielen schon zu kurz, und nun machten wir unserer Herzensfreude über das gelungene Werk durch ein lautschallendes Hurra Luft. Die schöne Prise war unser, alle Gefahr beseitigt und unser Kreuzzug zu guterletzt noch durch einen Fang gekrönt, der uns voll für alles entschädigte.
Als wir ins offene Wasser kamen, drehte ich das Schiff bei, ließ drei Laternen zeigen, und kaum nach einer halben Stunde tauchte auch schon der »Kurprinz« aus der Dunkelheit in unserer Nähe auf.
Nachdem ich die Prise dem ersten Lieutenant übergeben, von uns 23 Mann und 10 von der Mannschaft des Spaniers an Bord gelassen, nahm ich die anderen Gefangenen an Bord des »Kurprinz« und gab der Prise den Befehl, uns zunächst nach Brügge zu folgen, weil ich dort die spanische Mannschaft an Land setzen wollte.
Die englischen Schiffer lagen noch immer in tiefem Schlaf, und man konnte sie nur mit Mühe wecken. Ich ließ ihnen noch ein gehöriges Glas Branntwein verabreichen, sagte ihnen meinen Dank für die vortrefflichen Dienste, die sie mir geleistet, und schenkte ihnen mein zurückgelassenes Kabel und Anker. Sie machten sehr erfreute Gesichter über meine Großmut, wußten aber freilich nicht, welcher Art die geleisteten Dienste waren.
Als der verwundete Kapitän an Bord gebracht wurde, mich jetzt zuerst wieder von Angesicht zu Angesicht sah und mich, als ich ihn anredete, wiedererkannte, war er ganz starr. »Heute Nachmittag,« sagte ich zu ihm, »waren Sie so freundlich, Kapitän Lacher mir gegenüber als einen verwegenen Kerl zu bezeichnen, nun dieser Lacher steht jetzt vor Ihnen und erinnert sich sehr gut, mit Ihnen vor Jahren an der spanischen Küste manches Glas guten Wein geleert zu haben.
»Ihr Schiff wird nun zwar auch zunächst nach Brügge segeln, aber nicht um dort die Ladung zu löschen, sondern nur um Sie und Ihre Leute an Land zu setzen und dann als brandenburgische Prise nach Pillau zu gehen. Ich denke sowohl unser allergnädigster Kurfürst, wie auch Ihr Landsmann, der Marinedirector Raule, werden mir über den guten Fang nicht gram sein.«
Er erwiderte nichts, aber der arme Mensch that mir jetzt leid, als ihm die Thränen über die Backen liefen.
»Krieg ist Krieg,« suchte ich ihn zu trösten, »einmal gewinnt der, das andere Mal jener, und diesmal sind wir an der Reihe gewesen,« that aber alles, um seine Lage erträglicher zu machen. Durch unsern Chirurgen ließ ich ihn auf das beste verbinden, nahm ihn in meine Kajüte und behandelte ihn so gut, wie ich konnte. In der Nähe von Brügge setzte ich ihn und die Leute, welche nicht freiwillig brandenburgische Dienste nehmen wollten, mit ihrem gesamten Eigentum an Land, nachdem ich den zehn Mann, welche beim Segelsetzen geholfen, noch ein gutes Douceur gegeben.
Es war Mitte November, und meine Kreuztour mußte wegen des herannahenden Winters sowieso bald eingestellt werden. Deswegen nahm ich nur kurzen Aufenthalt in Brügge und begleitete dann die Prise nach Pillau, da sie unsere Fahrt doppelt und dreifach bezahlt gemacht hatte.
Wir langten glücklich im Hafen an und die Prisengelder fielen für uns alle reichlich aus. Ich selbst aber erhielt den Befehl über die große Fregatte »Friedrich Wilhelm zu Pferde« von fünfzig Kanonen, die im vorigen Jahre Claas von Bevern im Kanal den Spaniern genommen und die » Carolus secundus« geheißen hatte.
Später erfuhr ich noch, daß unsere That in England das größte Aufsehen gemacht und es sowohl den Schildwachen der Festung, wie den drei Fischern schlecht ergangen sei. Man beschuldigte sie, mit uns im Einverständnis gehandelt zu haben, und sie sollen gehängt sein.
Der König von England schrieb sehr aufgebracht wegen des Neutralitätsbruches an unsern allergnädigsten Kurfürsten, verlangte die Rückgabe des Schiffes und meine strenge Bestrafung. Unser hoher Herr weigerte sich aber dessen, und dabei ist es geblieben. Die Engländer mochten wohl denken, mit den Brandenburgern, die schon zu Wasser und zu Lande die Schweden so grausam geschlagen, sei es nicht ratsam, anzufangen.«
So weit geht der Bericht des Kapitän Lacher in seinem Logbuche. Er zeigt, wie schon damals die Deutschen schneidige und tapfere Kriegsseeleute waren, und es ist nur zu bedauern, daß das Wachstum der jungen brandenburgischen Marine bald wieder jäh unterbrochen wurde.
Aus den zur Veröffentlichung gekommenen Dokumenten über die letztere habe ich nicht ersehen können, was später aus dem schneidigen Kapitän geworden ist. Nach jener Kreuztour im Kanal wird sein Name in jenen nicht weiter erwähnt.
Im Jahre 1683 besetzte der große Kurfürst im Auftrage des Kaisers Ostfriesland, hielt es für sich fest und machte Emden zur Marinestation, mit Aufgabe von Pillau für die größern seiner Kriegsschiffe. Es ist wahrscheinlich, daß auch Lacher mit seiner großen Fregatte seinen Aufenthalt in Emden angewiesen erhielt und dort gestorben ist.
Nach dem Tode des großen Kurfürsten ging es mit der von ihm geschaffenen Flotte leider bald abwärts. Unter der Regierung seines Nachfolgers, König Friedrichs I., wurde sie aus Pietät noch einigermaßen erhalten. Friedrich Wilhelm I. schaffte sie jedoch ganz ab, und 1727 wurde das noch übrig gebliebene Inventar der inzwischen im Hafen verfaulten Schiffe, in Emden für den Spottpreis von 7500 Thaler öffentlich verkauft.
Da die Schiffslogbücher officiell sind und in den Marinebüreaus aufbewahrt werden, ist möglicherweise auch das des Kapitän Lacher mitverkauft worden, und so erklärt sich auch wohl dessen Verbleib in Emden, bis es schließlich in die Hände eines Antiquars gelangte.