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»Und Gott wendete sich Abel und seinem Opfer zu; es kam ein Feuer vom Himmel herab und fraß es auf. Auf Kain aber und seine Gabe sah er nicht hin, denn es waren gar dürre Früchte, die er opferte. Da entbrannte in Kain der Neid auf seinen Bruder ob dieses Vorzuges, und er spähte nach einem Anlasse, daß er Abel umbrächte.«
»Und es geschah, als die beiden im Felde waren, da sprachen sie miteinander: Wir wollen die Welt unter uns teilen. Es nahm der eine für sich den Acker, der andere nahm, was sich darauf bewegte; aber sie rechteten miteinander, und da erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel. Doch Abel war stärker denn Kain und er zwang den Kain unter sich.«
Seichter Felskessel auf der Höhe eines Bergrückens in früher Sonne. Zwischen Trümmern und Platten Urgesteins: Mattengras, Beerensträucher und buntblühende Kräuter. Links bis zur Hälfte des Hintergrundes, über den zackigen Rand der Einsenkung hinaus, der Blick in den Himmel, in dessen Stahlblau sich grell durchleuchtete Wolken gebirghaft ballen und türmen. Rechts wächst aus jenseitiger Tiefe ein gewaltiger Fels empor und fällt, nicht allzu steil, nach vorn eher ab. Inmitten seines Hanges entspringt eine Quelle, rieselt über das Gestein herab und vereinigt sich im Vordergrunde mit einem Bergbach, der von rechts zwischen Steinblöcken hervorkommt und linkshin unter die Erde verschwindet. Am Zusammenfluß beider Wässer ein kleines Dickicht von niederem Gebüsch und Krüppelhölzern. Davor, nach obenhin gedeckt, kauert Kain.
Abels Stimme fernher von jenseits des Felsens
Kain! – Bruder Kain! – Kain! – Kain!
Kain
Verstumm, gehaßte Stimme! Kain ist taub!
Lock deine Lämmer so, eh du sie stichst!
Kain ist der Widder, der dich niederrennt,
Versuchst du ihn mit schnödem Schmeichellaut.
Abels Stimme näher
Kain! – Bruder Kain!
Den schlanken Opferrauch zu Lüften auf,
Indes der meine sich zu Boden wand,
Ohnmächtiges, mißhandeltes Gewürm –
Die freche Säule, die vergelt' ich dir!
Abels Stimme wieder entfernter
Kain! – Haioh, Kain!
Kain
Ist milde Flucht, Geerntetes im Schweiß,
Nicht Gabe, köstlich und geweiht genug,
Daß sie verschmähen darf der Wolkige?
Muß Blut verströmen aus Lebendigem,
Wehrlos Gemartertem? So ströme Blut!
Abels Stimme wieder näher
Kain! – Bruder Kain! – Kain! – Kain!
Kain
Schon wieder: Kain, Kain! Grell wie Vogelschrei,
Der früh am Morgen jäh aus Träumen schreckt
Und auch – erlöst. Nachtträume sind nicht gut.
Tät' ich nur halb, was manch Gesicht mir ganz
Zu tun befahl, nicht schielte über mich
Hinweg die Gunst nach einem anderen!
Dies Angebind der Mutter ist allein
Dem Kain verhängt, dem hellen Abel nicht!
Dem träumt nur,
wenn ihm träumt, vom Schaum der Milch
Und Bart aus Milch, weil andrer ihm nicht sproßt!
So zahm ist dieser Lämmertöter, immer nur
Auf Zahmeres blutbedacht, der Mutige!
Ich aber will –
Abels Stimme noch näher
Kain! – Haioh, Kain! – Kain! – Kain!
Kain himmelauf
Ich will dir Löwen schlachten, Reißendes,
Du finstrer Gott, der selber wie ein Leu
Durch meine Nächte keucht! Blutopferbringen
Ist Männertat, nicht grausam Knabenspiel!
Dann aber du, wenn's
dann dir nicht gefällt
Und trittst mir wieder meine Flammen aus,
Den Steinbau reiß' ich nieder meines Herds,
Und mit den Trümmern ich bewaffne mich
Und suche dich, du unsichtbarer Feind!
Wirft sich mit dem Antlitz auf die Erde und verharrt so reglos, aber mächtig atmend.
Abel erscheint auf der Höhe des Felsens, wendet sich und blickt zuerst nach allen Richtungen, dann hält er die Hände an den Mund und ruft herab
Kain! – Haioh, Kain!
Da sich nichts regt, stößt er einen Steinblock mit dem Fuße den Hang herab
Da, kollre hin und stör ihn aus dem Bau,
So er sich hier verschläft wo im Geklüft,
Der immer mißgesinnte Ackerknecht.
Trollte sich fort, als es am Prasseln war!
Litt wohl die Lockung Opferduftes nicht
Und lief nach Haus und brät sich eins am Spieß! –
Lacht hell vor sich hin, kommt langsam den Hang herunter, bleibt oberhalb der Quelle stehn
Was ist dies für ein Ort? Hier war ich nie,
Und doch so nah den Weiden! – Daß sich mir
Hieher noch nie ein Tier verlief! – Wie's duftet!
Kräuter genug und Beeren, schwarz und blau!
Da, eine Quelle! – Glitzernd rieselt sie.
Du kleines Leben, bist du wohl auch frisch?
Kniet nieder, beugt sich über das Gewässer und läßt die Hand hineinhängen, zieht sie rasch wieder zurück
Haioh, und ob! Das brennt beinah wie Eis! –
An jedem Finger jetzt ein heller Tropfen,
Und grün, gelb, rot darin die ganze Sonne!
Hahaha, aufgewacht, säumiger Hirt!
Ein andermal bei dir, Gewässerchen,
Im Frühtagschauder dieses fremden Orts,
Lieg' ich, und bunte Echslein tummeln sich
Auf meinen Knieen.
Erhebt sich
Jetzt ruf' ich noch ein allerletztes Mal,
Dann seh' ich wieder meinen Herden nach.
Kain! – Bruder Kain! – Haioh!
Kain der Abel längst gewahrt und beobachtet hat, auf allen Vieren, von seinem Versteck aus
Da bin ich!
Abel hellauflachend, mit ein paar Sprüngen bei ihm
Wo?! – Beim Gott, da hockt der Bär!
Brummt, fletscht Gebiß. Hör, Kain, verschling mich nicht!
Der Abel bin ich nur.
Kain
Was sonst?
Abel
Was sonst?!
Felsauf, felsab dir nach, zu künden dir,
Was heut sich schon begab: ein Wunder, Kain!
O, gnädig war der Gott!
Wie immer dir!
Abel
Erst fing die Glut nicht, weil vom Opferblut
Die Reiser feucht, die fromm getrockneten!
Da sprang ein Wind auf, unvermerkt woher,
Schnob in die Brunst, daß sie zusammenschlug,
Ergreifend das Geweihte ungestüm!
Und als es lohte, wie er kam, verging
Der Wind. Und da, gleich einer Palme Schaft
Aus Blattgewirr, rot wehendem, der Flammen,
Stieg auf der Rauch, steil, schlank und ungerührt –
Ein Wunder war's! – zog hoch, flog höher noch,
Kreisende Geier scheuchend fernehin,
Entspannte sich zum Schattenwipfel breit,
Und dann, gelöst in heller Wölkchen Flaum,
Vom Hauche obersten Bereichs entführt,
Verduftete der Goldgewordene
Ins Blau! – Ein Wunder, Kain! O, sahst du es!
Kain
Kain ist nicht blind und sah's!
Abel
Und lief davon!?
Ging meines Wegs! – Was kümmern Wunder mich?
In meinem Pflügertag geschehn sie nicht.
Abel
Ich, säh' ich wo ein Wunder, fragte nicht,
In wessen Tag. Genug, daß sich's begibt!
Kain
Die Welt als Gaukelspiel für einen Wicht! –
Doch ich muß eins ans andre setzen, Plag'
An Plag', Wind hörig, Knecht von Naß und Frost.
Und wenn mir je geschah, was Wunder schien,
War's wider mich!
Abel
Warum ist dies?
Kain
Warum?!
Mein Schopf, weil er nicht falb, erbost den Gott!
Mein Schlangenblick, mein Hengstgebrüll, mein Gang,
Der mehr ein Bullenschritt als eines Pfaus!
Weiß ich, was ihm genehm und mir verhaßt?
Denn sonst tu' ich nicht minder, was sich schickt,
Gehorch', wo's not, und stehe bündig Red'!
Und wenn ich opfre, nehm' ich vom Ertrag
Gehäuft die Tracht genau wie andre auch,
Und schlag' den Funken aus dem Stein, genau
Wie sie und fang' ihn mit dem Zunder auf.
Und in die Scheite halte ich den Span
Just so wie andre, und es züngelt auch
Und frißt sich durch bis an die Weihefrucht
Und will sich recken: Flamme, Rauch hochauf!
Doch da fährt eine Pranke unsichtbar
Aus stillster Luft und reißt die Schwaden mir
In fahle Fetzen und zur Erde hin! –
So sind die Zeichen, die an
mir geschehn!
Ich habe auch geopfert heut am Tag!
Abel zu ihm hin
Mein Bruder!
Kain wild
Höhnst du mich?!
Abel
Klang es wie Hohn?
Kain
Mitleid des Weichlings für die Kraft ein Kraut,
Das giftig schmeckt! Der Starke speit es aus!
Nicht weichlicher treff' ich den Herdenfeind
Als Kain das Reh, das ihm die Saat zertritt!
Kain immer haßvoller
Aus sichrer Ferne mit dem Schleuderstein!
Kain aber, Aug' in Aug', fällt Bär und Leu!
Abel
Und Abel zwingt den Stier, den rasenden,
Der wie Gewitter aus der Hürde bricht!
Kain
Man bindet ihm, dieweil er träg und zahm,
Die Augen zu, so kommt ihm Rasen nicht!
Abel bedrohlich
Was willst du, Kain, von mir?
Kain in gewaltiger Gier
Geteilt muß sein!
Abel
Es ist geteilt!
Doch ungleich!
Abel
Allerdings!
Kains alles Land, bebaut wo Frucht gedeiht!
Kain
Bebaut von Kain und Frucht von seinem Schweiß!
Abel
Des Kain der Wald, leckeren Wildbrets voll!
Kain
Wild lecker auch für Abel, Wald voll Kampf!
Abel
Abels die steile Halde, kräuterarm,
Der Schaf' und Ziegen karge Futtertrift!
Kain
Und was sich drauf bewegt!
Abel
So ungleich ist Geteilt!
Kain
So laß uns besser teilen!
Wie?! Dies kommt nicht uns zu, ist nur Vaters Recht!
Kain
Wo nicht der Mutter gar! Die Erde ist
Kein Bissen Aas, um den sich Raben balgen,
Indes die Alte ihrem Nestling hilft,
Daß er nur ja das feistre Stück erhascht!
Ich hab' es satt! Nur einer sei der Herr!
Der andre diene!
Abel
Wem?
Kain
Dem Stärkeren!
Abel
Und der ist?
Kain
Kain!
Abel
Wer weiß?
Kain
So ringen wir!
Wie junge Bären!?
Kain trunken
Just wie sie! Ein Spiel,
Ein Spiel nur! Tut nicht weh!
Abel immer belustigter
Hab' keine Angst!
Kain
Doch wer den andern zwingt mit einem Griff,
Daß dem der Atem stockt –!
Abel
Was dann?
Kain
Was dann?! Nicht losgelassen! Finger eingekrallt
In Untiers heiße Gurgel! Blaurot speit
Der Rachen Zunge aus, von Lefzen Gischt!
Und Brust an Brust hinstürzt, rollt sich, verreckt –!
Wer so den andern –! Fort, fort, fort, Gesichte!
Der Affe meiner Träume bin ich nicht! –
Mit einem Bärenhengst bestand ich dies!
Er schlägt, wie um Gesichten zu wehren, die Hände vors Antlitz und wirft sich zur Erde nieder.
Abel nach einiger Stille
Und so mit mir zu tun, gelüstet's dich?
Kain fast bittend
Die Herden gib mir! Und ich lasse dich!
Abel erschüttert
Ist's dunkel nicht genug an Adams Herd?
Muß Kain noch wider Abel, Abel wider Kain
In Haß aufstehn? – Sinnt Eva Tag und Nacht
Nicht dunkler Schuld nach, die nur messen kann,
Wer ihr verfiel? – Hast du sie nie gehört
Im Schlaf aufschrein? – Und jener stöhnend wälzt
Den schweren Leib und spricht mit sich von Fluch
Und Zornesengeln, flammenschwertbewehrt!
Und Klage wider Klage hebet an,
So jammervoll, als weinten Menschen nicht,
Als redete aus Steinen Qual zu Qual! –
So gönn mir doch mein bißchen Hirtenlust!
Und freu dich selber deiner Ackermüh',
Die dir die Lider zeitig sinken macht,
Daß du nicht hörst, was jenen nachts geschieht!
Kain aufgebäumt
Auch mir geschieht so!
Abel
Kain!
Kain
Auch ich verflucht!
Was tat ich dir, Gott Unhold, daß du mir
Ins Antlitz speist?! Ich flieh', wohin dein Haß
Nicht reicht! Wer sagt, daß dies Geklüft
Die Menschenerde ist? Stürzt, Berge, ein
Und öffnet Täler, neuen Weidegrund!
Denn Kain, der Hirte, kommt im Donner des
Gebrülls, mit tausend Hufen! Und wer sich
Dawiderstellt, den stampfen wir zu Brei!
Ist aufgesprungen, will bergan, stößt auf Abel
Weg da, du Knabe!
Abel bleibt festgewurzelt, ruft hell und hart
Nein!
In Fluches Namen, den
Ich trag', ohnwissend welcher Schuld, aufs Knie!
Abel sich geschmeidig windend und lachend
Du kitzelst mich!
Kain keuchend
Bist du ein Bärenhengst,
Dem man die Kehle sperren muß, auf daß
Du fallest?!
Abel Kains Gurgelgriff abfangend und ihn an der Kehle packend
Oder du!
Kain
Wie wird mir im Gesicht! Taumelt und stürzt nieder.
Abel hellauflachend, hart
Da liegt der Bär! Bin ich der Herr nun?! Sind
Die Herden mein?!
Mit ein paar Sätzen auf dem Felsen, jauchzend
Hahoiah! Haiah! Kain!
Kain wieder zu sich gekommen, auffahrend, sich aufraffend, wieder sinkend
Was war das?! – Lachen?! – Auf! – Noch immer
Wachs in den Knieen?! Dunst vor Augen?! – Auf!
Hat aus der Rückenlage den Oberkörper gehoben und auf die Ellenbogen gestützt
So muß es sein, wenn alles dunkelt: Nacht! –
Du Fuß, ich heiß' dich aufstehn! Bist du taub?
Wer lehrt dich Aufruhr wider deinen Herrn!?
Auf, sag' ich, auf! Bin ich nicht mehr der Kain?!
Reißt sich gewaltig empor und kniet, auf die Hände gestützt
Jetzt Rieseln – Wärme durch die Adern – Tag! Ich lebe!
Breitet die Arme unsicher aus und starrt mit leeren Augen ins Licht. Dann jäh bewußt
Wo – wo ist – der Hund?! Daß ich
Ihn würge, werfe! – Steine, Steine, Steine!
Tappt mit irren Händen nach Steinen um sich
Nicht Löwen schlacht' ich mehr! Nicht
dir mehr, Gott!
Blutopfer, Menschenopfer
mir!
Hat einen gewaltigen Stein ergriffen, mit dem er vor sich hin auf die Erde schlägt
Schlag tot!
Wirft sich wie über einen Erschlagenen vornüber und verharrt so. Von fernher, immer mehr verhallend, Abels jauchzende Rufe.