Johann Philipp Lorenz Withof
Academische Gedichte
Johann Philipp Lorenz Withof

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Jagd

            Geliebtester, wir gehen auf die Jagd,
Die Tummelbahn von Emsigkeit und Pracht.
Du Herzensfeind von allem trägen Wesen,
Du sollst fürwahr dies Blatt mit Gnüge lesen:
Denn willst du Fleiß und alles hurtig sein,
Du musst zur Jagd, und nicht zur Kirche gehn.
Auch die sich sonst an Grillenfang erlaben,
Die scheinen hier Korsarenmut zu haben.
Du kannst mir Eins dagegen schuldig sein:
Ich bitte, halt den Philosophen ein,
Zum wenigsten immittelst ich erzähle:
Wie reimt zur Jagd sich eine weise Seele?

Das Horn ertönt und lautet wunderlich.
Allein es reizt. Und auch – ein Bischen mich.
Ich läute drum Tartinen nicht zu Grabe:
Ergötzungen sind auch der Einfalt Gabe.
(Nun sprich nicht mehr, dass Goliath so schrie,
Indem er jetzt dem David unterm Knie
In Fechterwut und über seinem Speere
Beschimpfung ächzt, gebrüllt zuvor dem Heere.)
Auf Blut erhitzt, verpicht auf Raserei
Erschallt zugleich der Hunde Mordgeschrei.

Nun Augen her, die Herrlichkeit zu schauen!
Da kömmt ein Kern von Herren und von Frauen.
Was für ein Trieb auf aller Wange lacht?
Ihr ganzes Herz, der ganze Geist ist Jagd.
Auf Pferde stolz, worauf die Reiter schielen,
Auf Frauenlob, auf Mut, den allen fühlen,
Auf Kleider stolz, wovon ins Sonnenlicht
Die Farbe kaum durch breite Borde bricht,
Auf alles stolz und höher nun als Erde
Ist jeder voll von sich und seinem Pferde.
Das kann ein Gaul: auch in den dümmsten Hut
Gelangt durch ihn Geschicklichkeit und Mut;
Er fühlt etwas von Ehrfurcht und vom Neide,
Und aufgeputzt ist ihm die Plage Freude
Und Freude Stolz: denn Hochmut ist ein Dorn,
Der ärger trifft, als Zungenschlag und Sporn.
Das dürfte schon uns Bucephal erstreiten:
Den konnten nackt auch Pferdeknechte reiten,
Ihn, der auf sich nur Alexander nahm,
Sobald ihm wo der Schmuck am Leibe kam.
Den edlen Gaul ermannt die bloße Mähne
Von Schleifen bunt. Nun eine neue Szene!

Das Feld, vorher der Lerchen Aufenthalt,
Das Lustrevier der Nachtigall, der Wald,
Das Wäldchen auch, wo Weise Lehre funden,
Sind nun die Welt der Jäger samt der Hunden.

Da springt ein Hirsch in schöner Angst davon.
Der Hörner Klang, der Hunde Freudeton
Belehrt die Jagd. Die schwärmt von allen Enden:
Verweilen hieß, Triumphe sich entwenden.
Das Windspiel fliegt, verliebt in Ungemach,
Geradewegs ihm, wie die Pfeile, nach.
Die Bracken ziehn durch wohlerlernte Weiten,
Wie Schelme schlau, verteilt zu beiden Seiten;
Er könnte sonst, was mag der Furcht entgehn,
Den Absprung sich, nach Sklavenart, ersehn.
Wie Kindern Angst, so gleicht Ergimmen Teufeln.
Vor Angst ergrimmt und wirklich im Verzweifeln
Hat sich der Hirsch gestellt und wütend scheu
Entdarmt den Hund das zackige Geweih.
Belobter stirb, da deiner sechs dich rächen.
Und jeder wird zu deinem Lobe sprechen.
Bedauern ist hier Ernst, nicht bloßer Schein:
Die Menschen ehrt das falsche Lob allein.
Wie mancher säh, und säh es ohne Klagen,
An deiner statt sein Weib zu Grabe tragen?
Doch bist du hie, wo keine Hündin billt,
Wo Degen nichts und keine Trompe gilt.

Doch wehrend dem, dass ich belohnte Treue,
Dies wahre Leid dem Hunde prophezeien,
Entspringt der Hirsch und bleibet ungesehn
Durch Laub bedeckt in einer Quelle stehn,
Er zieht nunmehr, indem vor Qual und Rennen
Vom Dürste dürr ihm alle Glieder brennen,
Den hellen Trunk mit lauten Zügen ein:
Nicht Sehnsucht kann, nicht größer Freude sein.
Verstündest du, wie List und Macht sich häuften,
Ach, armes Tier, misstraue deinen Läuften!
Begierig macht der heulgerechte Hund,
Der fernen Jagd des Hirsches Tücke kund.
Doch finden bald ihn böse Nasen wieder.
Die Ruhe fließt ihm süß durch müde Glieder.
Es grüßt bedrengt den so beliebten Ort
Und will, zur Flucht erfrischt, und müsste fort.
Ach, aber ach! da steht er leer an Ränken
Mit einmal steif in zitternden Gelenken.
Nun kömmt der Tod und mit ihm der Betrug;
Der Hunde viel und Jägerstaal genug.
Er hat sich starr im Kühlen abgestanden.
Forthin ist nichts zur Rettung ihm vorhanden.
Von Güte fern verlassen streubt er sich.
Ist er umringt noch allen fürchterlich,
Und macht er gleich noch immer Hunde fallen:
Was diesen fehlt, gelingt zuletzt doch allen.
Sein Hals erfährt der Würger Raserei.
Ihm reißen fünf die volle Brust entzwei.
Highwaymans gleich an Wut und auch an Tücken
Besetzen ihm noch andre drei den Rücken.
Ein paar erwählt den Kopf sich für Gewinn.
Nun nehmen vier, auch mehr die Schenkel hin.
Er kann nur noch in rauen dumpfen Tönen
Die bange Wut und Angstgeblöke stöhnen,
Und weint zuletzt, den Gott auch Menschen gab,
Den Nochbeweis in dicken Tränen ab.

Da kömmt ein Herr gefährlich angejagen.
Was Großes wird die hohe Mine wagen?
Der offne Zorn! Der hält wie prächtig sich?
Und nun warum? O, das verlangt auch mich.
Er kömmt, den Hirschentrüstet durchzustechen:
So sieht man sich an helden Helden rächen.

Was die Natur durch stille Seuche tut,
Dazu gebraucht der Mensch so manche Wut,
So manchen Dolch und tausend Hundezähne
Und Pferd und Knecht, Dies sei die zweite Szene.

Nicht war, mein Freund? Du hast bereits genug.
Ich merke schon, dir fehlt der erste Zug.
Du möchtest nicht in solchen Blutgeschichten
Erschrecklich schön dich weiter unterrichten.
Wer gern vernimmt von Morden und von Wut,
Den plagt gewiß ein melancholisch Blut.
Nur eines noch, das ließ sich noch erzählen,
Mein Werter, nein, das muß ich nicht verhehlen.

Da liegt ein Berg, der Jagd voraus geneigt,
Der breit und sanft mit hohem Schritte steigt.
Doch völlig steil entging an jener Seite
Der Abhang ihm durch seine ganze Breite.
Da sieht er dann in den ihm nahen Rhein
Von obenher auf einmal jäh hinein.
Nun fängst man an, das Wild aus allen Sträuchen
Durch manche Kunst den Berg hinan zu scheuchen.
Das weht hinauf. Es wechseln Flug und Sprung.
Die Freude lacht, dass ihm die Flucht gelung.
Allein zu gern sind übereilte Freuden
Die Mütter selbst der allergrößten Leiden.
Sobald er jetzt die Höhe schnell erreicht,
Und wähnet, dass auch die sich abwärts neigt,
Erfolgt ein Sprung, wie Pegasus ihn setzte,
Der prächtigste, doch auch der allerletzte.
Es stürzt herab. Bevor der Strom es nimmt,
Indem erstaunt es sich im Sturze krümmt
Und jetzt die Jagd in vielen Kähnen schwimmt,
Begegnet ihm von vornen und von hinten
Im runden Blei der schnelle Tod der Flinten.
Da schwimmt es nun ogygisch in der Flut.
Ich sage nicht, dass es mir wehe tut:
Wie stimmten sonst harmonisch meine Töne
Nach Jäger Art? Dies sei die letzte Szene.

Zu leicht verschwendt ein Dichter seinen Fleiß,
Der, wenn er darf, nicht aufzuhören weiß.
Und du verlangst, dass ich es dir verschweige,
Ich oft genug ein naher Augenzeuge,
Was manche Jagd für seltne Künste zeige.
Auch über Vieh erstreckt sich unser Recht:
Das lehrt die Jagd, die Philosophen schlecht.
Dies findest du, wenn Kenner dich belehren,
Wie Kunst und Kraft dem Jäger angehören.

Begreife doch, wie glücklich man bemüht
Aus hoher Luft den Reiger an sich zieht,
Um den verschmitzt entbundne Falken streichen,
Bis das zuletzt die Jäger ihn erreichen:
Wie man ihm zwar die Freiheit wieder schenkt,
Doch einen Ring ihm erst am Fuße hängt,
Woher dereinst die weit entfernten Erden
Des Fängers Lob und Größe lernen werden.
Wie man den Wolf, wie man ein Reh bedrengt,
Die Trappen schießt und Füchse prellt und fängt,
Das freut dich nicht. Doch das ich dies noch wage,
So höre, wie der Wolf nach Jägersage,
Sobald er meine, dass man im Ernste jage,
Den magen sich mit klugen Ekel leert
Und dann rechtaus nunmehr erleichtert fährt,
Unumgesehn durch ganze Länder fährt,
Der lose Wolf, den niemand sonst erreichte,
Wenn nicht die List dem Jäger Hülfe zeigte;
Wie man den Weg, den er zu traben pflegt,
Den tag zuvor mit Eselsfleisch belegt:
Da schmaust er dann nach hübscher Wölfe Weise
Unglaublich viel von dieser argen Speise,
(Nicht minder hübsch, als wenn ein Söffer trinkt,
Dem edler Sieg zum feinen Kampfe winkt:
So leerte man vorzeiten in Westphalen
Die Fässer aus mit wölfischen Pokalen.)
Die bald hernach, da Lust nicht immer nützt,
Ihm nagelvest in vollem Bauche sitzt;
So muß er schnell auf seiner Bahn ermatten,
Zur Flucht zu schwer, und kömmt der Jagd zustatten.
Und wüsstest du, wie hurtig, wie genau,
Wie tapfer man der aufgebrachten Sau,
Die wütet gern dem Jäger kühn zu Leibe,
Den starken Spies mit Macht entgegen treibe,
Und Dolche nur dem Frischling, ihrer Brut,
Entgegen hält, noch schwach, doch gleich an Wut:
Dann solltest du darin Erweise sehen,
Dass über Vieh der Menschen Kräfte gehen.
Doch mich, der sonst von Musen Töne bat,
Verweisest du nunmehr auf Harpocrat.

Gemach! Ich will von Mord nichts mehr erwähnen.
Es hat bereits dies Spiel zu harte Szenen,
Weil alles Blut, was hier die Flur benetzt,
Sich der Natur der Freude widersetzt.
Und die, die gern Comedien erzählen,
Wer wollte die wie gute Freunde wählen?
Wo die Kopie die ganze Lust verstellt,
Die nur im Sehn, im Lesen uns gefällt,
Solange sich der Bühnentand erhält.

Ich müsste wohl indessen doch gestehen:
Der Künstler kann uns die Natur erhöhen.
Gesetzt, er stellt das Allerärgste dar:
Er malest schön und bei dem allen wahr.
Du wirst gewiß auch solche Tafeln kennen.
Die Hölle selbst ist nimmer schön zu nennen:
Doch starre nur in Rubens Bild hinein,
Da wird sie schön und gleichwohl Hölle sein.
Ist nicht der Geiz das Garstigste von allen?
Und im Terenz hat mir der Geiz gefallen.
Doch Jäger lockt nicht Abbild, sondern Jagd,
Da weder die, noch das, dich heiter macht.
Nur unser Tun gelüstet unsern Augen:
Was man nicht kennt, das wird auch wenig taugen.

Du nennst die Jagd, Geliebter, ärgerliche.
Doch glaube mir, ein Philosoph vor sich,
Beginnt er erst die große Welt zu kennen,
Ist nicht fortan derselbe mehr zu nennen.
Ein Umstand macht gewisse Dinge schön,
Das musst du mir und völlig eingestehn,
Die, nicht erforscht, Gebrechen ähnlich sehn.

Das Große kann auch Große nur beraten.
Die große Jagd geziemte nie Privaten.
Was dem gebührt, das steht nicht diesem an,
Was Fürsten schmückt, entehrt den Untertan.
Wie brünstig sind Regenten nicht zu lieben,
Die so gesetzt in Tugenden sich üben,
Wie Fenelon die Fürstensöhne lehrt?
Doch wäre das so völlig lobenswert,
Wenn eben groß in allerlei Beschwerden
Uns Ehre rief, auch Telemachs zu werden?
Die Majestät umgibt sich trefflich schön:
Uns mag ich warm in Bruderliebe sehn.

Bedenke doch des Fürsten Brast und Sorgen.
Du willst dein Herz im manche Stunde borgen?
Er habe meins! Jedoch, was sich versteht,
Wenn seine Last mir fern vorüber geht.
Sein hoher Gram ist nicht für unsre Brüste:
So gönne denn ihm majestätsche Lüste.

Hat die Natur ihn nur für eitle Pracht,
Zu jüngferlich, zu still und träg gemacht,
So kann dies Spiel zur Härte weicher Sänen
Auf fremder bahn entfernt von Chloris Tränen
An Ämsigkeit, an Eifer ihn gewöhnen:

 


 


 << zurück weiter >>