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Bellobter Ehrenmann, der nun in schöne Thaten
Die höchste Würde setzt und ihre Lust erfährt,
Im Menschen laß uns selbst der Uebel Grund errathen:
Nicht alles außer uns ist aller Mühe werth.
Wir ängstigen uns alt an Nebenhindernissen:
Ich such seine Macht, wovon ihn Wahn erschlug,
Zum Zeitvertreibe nicht, auch nicht um mehr zu wissen;
Wir forschen immerdar und wissen so genug:
O, nein, um ruhiger auf Freude vorbereitet
Die Rätselbahn zu gehen, die bis am Tode leitet.
Die Wahrheit leuchtet dir schon in deine Wiege;
Du schätzest ihren Preis, dem nichts die Wage hält.
Der Leichtsinn ekelt dir und jede Modelüge,
Die Selbstbetrug und Tand wie seine Sitte stellt.
Dich zog dein Haus, erhöht auf golgatasche Ständer,
Durch Muster und Begriffe zur tiefen Einsicht an.
Dich, deiner Güte voll, verehren große Länder,
Verehrt, wer Ehre kennt, und jeder Unterthan.
Ich weihe dir dies Buch; das will unnütze keimen,
Das Unkraut alles Wohls, ihm aus dem Wege räumen.
Wie passen Angst zu Furcht und Segnen zu Verdammen?
Noch hat in eine Welt der Vater sie vereint.
Im Menschen tritt genauso mancherley beisammen,
Was ihm allein zur Qual nicht ungefügt erscheint;
Vollkommner Inbegriff vom Bösen und vom Guten!
Sich einzig und nicht oft an Kraft und Schwäche gleich.
Er kränkelt an Vernunft, ist mächtig im Vermuten,
Ist dürftig in der Lust und an Begierde reich,
Zerstört und baut sein Glück, erstrebt und haßt die Sünden,
Und kann das Leichte schwer, das Schwere leicht ergründen.
Auf seiner Erde fremd umschwärmt er Mond und Sonne;
Geblendet denkt er dann sich erst im Stolze nach.
Im Anbeginn empfängt ihn ungemeine Wonne,
Hernach, wie Kenntnis blüht, so keimt sein Ungemach.
Ach, welche Not erheischt, sich selber zu beschleichen!
Zur Strafe dem etwa, der harte Buße tut?
Die Ruhe muß, sobald der Mensch sich kennt, entweichen:
Ein Narr erforscht sich nicht und lebe der längste gut,
Sein Schwindel übersieht durch unbeseufzte Tage
Das ihm entzogne Glück und die vorhandne Plage.
Mühselige Vernunft, mit aller Lust zu hadern,
Das ist der erste Lohn, den eigne Kenntnis hebt.
O, welche Süßigkeit durchwallt die regen Adern,
Wenn Doris treuer Mund an Canitz Lippe klebt!
Zufrieden, fürchtet euch, der Wonne nachzuspüren!
Verwirrung zeugt die Lust und Einfalt füttert sie.
Wie schnell muß Orpheus nicht Euridice verlieren?
Erwollte klar sie sehn, und klar ist Freude nie.
Auch Broks entgeht sich ganz, wenn Trauben ihn erquicken;
Er würde wahrlich sonst für Beere Schale pflücken.
Die Selbsterkenntnis mag so süß, als Galle schmecken,
So freudenreich, als je das dickste Märterbuch.
Man geht in Eile fort und eilt zurück im Schrecken:
Den Weisen ist sie noth, doch lange nicht genug.
Die nicht im Grunde selbst der Weistheitsquelle schöpfen,
Erhalten immer mehr Verderben als Gewinn.
Wie macht die Muße nicht den frömmsten Sauerköpfen
Die Kenntnis ihrer selbst zur Elendskupplerin?
Der Baürinn siehe zu! Die hat sich nie durchsonnen:
Damit vergleiche man aus Grillen kranke Nonnen.
So hilft die Weisheit nur, die Klage fortzupflanzen,
Sie, die wie Torheit auch und gar auf Reue fehlt.
Das Schöne, das sie weiß, ist Schönheit nur im Ganzen;
Und plagt es eben so, wie jedes Böse quält.
Wie mag, o Vater, dich der arme Freude dauern?
Dein Würmchen ist ein Wurm und meint, er wäre Gott.
So prahlt der Papagey in reicher Leute Bauern,
Ihr Gram ist Frauenlust, ihr Eifer Kinderspott.
Wer oberflächig denkt verlache seine Qualen:
Der Weise tut es nicht und lässt die Schule prahlen.
Wie lächerlich ist oft die Weisheit umgeschaffen?
So hat der Wahrheit Swift den Anzug nie vermacht.
Was ist am Menschen noch, was die gelehrten Affen,
In sich vernarrt, an ihr nicht alles angebracht?
Im Zeno war sie stolz, im Socrates gefällig,
Im Plato tiefgelehrt, wie gern im Pyrrho blind?
Einsiedlerisch im Eleanth, in Aristipp gesellig,
In Samos Weisen ernst, im Epicur gelind;
Sie kitzelt Democrit und murrt im Heracliten;
Bis endlich Diogens im Fasse sie bebrüten.
Ihr Zunftgelehrte schimpft, ihr, die vom Lichte strotzet,
Wenn in dem Staube sich der Alchemist verwacht,
Wenn er Armut, nackt, mit einem Steine trotzet
Und, stolz auf Panacee, der Pein im Grimme lacht.
Betäubt uns Ohr und Kopf und heilet alle Mängel:
Euch zwingt der Überdruss, uns nimmt der Ekel ein.
Durch euch, ihr Schwätzer, wird der Trefflichste ein Engel
Und allerdings ein Mensch und matt im Stolze sein.
Man sehe, dass er sich mit Einsicht überschütte:
Sie fließt um ihn herum, der Gram erfüllt die Mitte.
Mein Richter, kannst du mir den Eifer übel deuten?
Mein Eifer ist gerecht und stützt auf Gründe sich.
Fürwahr! Es ist nicht Scherz, die Tugend auszubreiten;
Und steter Widerstand wird endlich ärgerlich.
Wohin mein Ohr auch horcht, da schreit die Zauberflöte:
Gieb uns, gieb uns Gehör, so wirst du Wonne sein;
Wie Maslach dort berauscht, wie hier die Feldtrompete,
So nimmt dies Truggeschrei nicht starke Herzen ein:
Wie die, so poltert man, die blind im Schlafe wandern:
Dann stirbt, von Lehre satt, der eine nach dem andern.
Wo lebt der seltne Mann, der seinem Wunsche raten,
Und einen Bruder nur mit Wonne decken kann?
Nichts destoweniger versorgt er ganze Staaten,
Und fängt, im Kleinen schwach, das Große herrisch an:
So schildert Schaftsbury, der Plato deutscher Briten,
Der hat durch Edelmut und starke Wissenschaft
Für Tugend und Natur in einer Schlacht gestritten,
Das Ganze göttlich schön, die Teile mangelhaft;
Der Mensch, das lose Kind, dem Vater nachzuäffen,
Verlangt im Ganzen, was im Teile fehlt, zu treffen.
Der arme Sterbliche! Beinahe gleich den Engeln,
Sobald er sich entschließt, die Schöpfung anzusehn.
Er kennt den Sipschaftsbaum von allen unsern Mängeln
Und fand ein Gegengift, dem keine widerstehn.
Beglückte Wissenschaft! So heilen seine Wunden:
Vortrefflich; aber nur, das alles hilft ihm nicht.
Er hat die werte Frucht, wer hat den Arm gefunden,
Der von dem Baume sie mit tapferm Griffe bricht?
Die Schwäche liegt dabei: was lässt ihm die vermuten?
So dürstet Plotens Sohn auch mitten in den Fluten.
Sie winseln auch noch da, so schlau verhohlne Mängel,
Wo die Zufriedenheit uns recht entgegen lacht.
Der allerbeste steht noch immer unterm Sprengel
Der untermondschen Qual, sie sonder Ruhe wacht.
Das gibt Verstand und Glück, das Elend zu verschönern:
Allein das höchste Gut ist nur ein Widerschein.
Ergötzung, Ehre, Gold gebührt den Tagelöhnern
Und lässt sie prächtig arm noch im Genusse sein.
Wohlauf! Wenn Schwäche meint am Himmel schon zu ragen:
Doch hängt, der Berge träumt, noch erst im Gängelwagen.
Die Dünste heißen wir im fernen Monde regnen:
Kometen sind bereits die Straßen ausgedacht;
Doch Fälle, die nur uns, und heute gar, begegnen,
Verhüllt des Vaters Hand in eine schwarze Nacht.
Auf hier erhitzter Flur und dort gefrorner Erde
Verwirrt uns bald ein Blitz und bald ein dunkler Ort.
So treibt die Vorsicht uns und Hirten ihre Herde,
Die gängelt unbesorgt und wir im Träume fort.
Die Bühnenphrase trotzt auch Galiläens Eisen:
Doch in den Banden erst, da zeige mir die Weisen.
So soll die Menschheit hier mit stetem Grame ringen,
Und findet alles Witz, nur unsre Hülfe nicht?
Im Jubel will ich dir vom Gegenteile singen,
Wenn helle Wahrheit gleich dem Selbstbetruge spricht?
Es stehn indessen noch verschiedne Tempel offen,
Wo die Bescheidenheit mit Ruhe sich vermählt.
Der soll, dem Eines fehlt, auch nicht das Andre hoffen,
Und der im Hemde gehen, dem Purpur etwa fehlt?
Vermochte Paracels nicht alles auszuheilen
Der Kranke liebt dennoch, die seine Qual verteilen.
Mir deckt die Rose zwar vom Harme freie Wangen,
Woran der junge Mut noch keine Sorge streicht;
Doch bin ich gierig oft die Menschheit abgegangen
So, wie der Jude schlau nach hoher Zinse schleicht,
Um erst das höchste Gut vergebens auszuspähen,
Wo den der Neid umringt, der in der Stille schreit.
Die Stände mehrenteils, worauf wir alle schmähen
Erblickt ich noch vom Ach und manchem Weh befreit.
Du, meiner Laute Herr, befürchte kein Erröten:
Du trauest, alles Wahns entohnigt, dem Poeten.
Wo Frucht den Acker, statt der Pfalstersteine schmücket,
Genießt ein Landmann noch die Speise kummerlos.
Die Schulter wird ihm nur, die Seele nie gedrücket;
Denn Unempfindlichkeit ist das geerbte Los.
Von bangem Golde frei, so sieht er Reiche darben,
Indem das kleine Feld hinlänglich sich erstreckt.
Ihn führt der schwere Pflug, er erntet leichte Garben,
Da die Gewohnheit ihn, nicht Geiz und Ehre, weckt.
So fern von arger Lust, als Grillenfängereien,
Verkennt er Ungeduld und achtet kein Erfreuen.
Es hing das liebste Bild vollkommner Quietisten,
An Unschuld Epictet, an Ruhe Seneca,
Das lang erbetne Kind an seiner Mutter Brüsten,
Die wild und sorgenvoll ihm nach dem Auge sah,
Kein drohender Verdruß umblitzte seine Morgen,
So schlich der Abend sich, so wie der Mittag ein.
Ihm war der Mutter Furcht, der Väter Harm verborgen
Und die Geschicklichkeit, sein eigner Feind zu sein.
Der Schmerz entloh der Kunst verwegner Nachbarweiber,
Am Kinde noch ein Dieb, am Knaben oft ein Räuber.
Der Narrheit höhnt ein Narr. Behauptet bessre Sitten:
Nicht ein Geschlossner oft, als der ihn sperren leiß?
Ich sehe noch den mann, die Deutung in den Schritten,
Im narrenhause gehen, der sich den Mogul hieß.
Er war nach Wunsche froh, weil er von jenem Fürsten
Den Vorgang überhaupt und keine Plage nahm.
Die Sehnsucht durfte nie vergebens Freude dürsten,
Da Selbstbetrug und Schein ihm gleich zu Hülfe kam.
Nur seitwärts hießen uns monarchisch edle Mienen.
Noch allzu pöbelhaft, ihn würdig zu bedienen.
Den Alten sah ich nie, bedaure du die Blinden,
Ich ab inbrünstig ihm gerechte Jauchter ab.
Der schlummernde Verstand, die Trägheit im Empfinden
Sind seiner Ruhe Sitz und seiner Klage Grab,
Ihn lässt Zufriedenheit mit weißer Seide krönen,
Ein Kranz, der Kinder erst und endlich Alte schmückt.
Unwegsam aller Not sind dicht verschlossne Sänen
Woran der feige Schmerz die mürben Zähne knickt.
Wie schussfrei liegt er nicht und über Furcht und Hoffen?
Vor nahem Grame taub, von fernem ungetroffen.
Am Rhein, der Äbte Fluß, entspringt aus armen Bäumen
Der anmutreiche Wein, dem Ruhe sich ergab.
Er wallt zu tief einher, nur Sorge wegzuräumen:
Und spült den Kaltsinn auch zu Wollustkeimen ab.
Zufriedne Phantasie belebt sich leere Schatten
Und meistert die Vernunft, nun ohne sie beglückt.
Der Esle liegt, der pflegt mit allem sich zu retten.
Bevor ihm Übel wird, vom Schlummer unterdrückt.
Hier ist die Plage Glück, dem alles Wahre fehlet:
Und Übel eine Lust, die mehr gefällt, als quälet.
Den Weisen traf ich an, in Kellern, Celle, Schulen?
Nein, mitten in der Welt, der Arbeit an der Hand.
Ich sah die Freundlichkeit mit seiner Miene buhlen,
Wobei bescheidner Ernst in frohem Blicke stand.
Nicht die Begierlichkeit, die Mutter aller Sünden,
Nicht Furcht, der Sünde Brut, begeiferte sein Tun.
Ich sah mit Fleiß und Zucht ihn mutig sich verbinden,
Ermüdet an der Brust der Hoffnung auszuruhn.
Anstatt auch falsche Qual der wahren anzudichten,
Erfreuten ihn den Geist des Himmels werte Pflichten.
Die sinds, bei denen zwar von nie besiegten Übeln
Die Menschen auch umringt, doch minder elend sind.
Was hilft es, immerfort den Kummer auszugrübeln?
Beglückt, wer alle Not, wie jene, nicht ermisst!
Allein wo soll man hin? Der falsche Saft der Reben
Verschafft der Freude Raum und quält hernach, wie sehr?
Uns lässt nicht unser Los im Bauernstande leben.
Verkindischt sind wir nicht und keine Kinder mehr.
Und soll man die Vernunft aus raserei verfluchen?
Wie wär es, dächte man, die Weisheit aufzusuchen?
Sie, diese Mutige, sie füllt uns wache Stunden,
Die der Verduß erschleicht, mit guter Arbeit aus.
Affekten treten so, zur Knechschaft überwunden,
Nur selten ihr zur Last, noch oft zur Lust heraus.
Denn Müßiggänger gehen ins Hospital der Geister,
Wo wilde Leidenschaft die schlimme Krankheit ist.
Durch reize wird der Wurm der Wünsche desto dreister,
Je minder er bemerkt verwegner um sich frißt.
Die Not von außenher befördert innre Plagen,
Da diese jener erst die Wut entgegen tragen.
Wer aber lehrt die Kunst Affekten zu bezwingen?
Hier fehlt es weniger an regeln, als an Kraft.
Mühselig immerdar und bis zum Tode ringen,
Das macht so ruhig nicht, als matt und tugendhaft.
Umzäumt auch Einsamkeit: noch bleibt es arge Plage,
Verlassen und zuletzt ein Menschenfeind zu sein.
Ist etwa nicht der Leib des Übels Niederlage,
Die Quelle steter Schuld, der Dünger aller Pein?
Man hat wohl ehedem noch ärger sich betrogen,
Und eigne Büberei den Teufeln angelogen.
Wenn schwüle Säfte sich in zarten Adern drängen,
Wie quält sich Liebe dann um sein geneigtes Ohr?
Gerinnt ein dickes Blut in lederharten Gängen,
So schäumt es endlich Haß und Geiz und Neid hervor.
Ein flüchtig harter Saft in fein gespannten Röhren
Entbrennt und schmelzt für Stolz auch Hohn in Würden um.
Der Alte geizt und zankt; ein Mann erschmeichelt Ehren
Und Junge wirft ein Strom der Eitelkeit herum.
So stimmt der blinde Leib, im Kleinen heimlich Meister,
Im Großen unverstellt, den Hang der Erdengeister.
Das Schicksal, dem man schilt, enthalten unsre Stirne,
Dahinten eigentlich der Geist im Marke sitzt.
Von fünf catoptren ziehn Gemälde zum Gehirne,
Das dann Empfindung schnell in Nerv und Seele blitzt.
So muß die Neigung sich nach Saft und Marke schicken
Und die Begriffe selbst, die Söhne vom Gefühl.
Gedanken lassen sich auf manche Weise schmücken,
Dr Eindruck aber macht, dass dieser so gefiel.
Gesunde werden oft, was Kranke lockte, scheuen
Und was der Knabe haßt, den alten Mann erfreuen.
Nach Ruhe laufen wir umsonst in ferne Reiche:
Uns rennt die Neigung nach, die Hehlerin der Pein.
Man sehe, wenn sie will, wie Wahn der Tugend gleiche:
Cartouche kann nicht Dieb in Catos Leibe sein.
Indessen ist es leicht, die Neigung zu bekämpfen,
Wenn die Gewohnheit oft die Nerven anders stellt;
So konnte Nero selbst die größte Güte dämpfen:
Umsonst empfiehlt ihm dann der Schöpfer seine Welt.
Ihn werden dann umsonst bedrängte Blicke schrecken;
Und Hunde sieht er gern vom Christenblute lecken.
Doch ist die Neigung meist zu frühe schon verdorben:
Dem geiste schmeichelt sie so, wie der falsche Freund.
Der Leib, der halbe Mensch, der ordnung abgestorben,
Entsteht, und kaum; und wird der größte Menschenfeind.
Er sieht ja die Vernunft die matten Hände ringen,
Auch hört er guten rat und trotzt im Spotte nur.
Geplagter Wüterich! Tyrannisch im Bezwingen,
Verkehrt er Schuld in Lust und Irrtum in Natur,
Bis das zum Troste Gram ihm an die Seite trete:
Den Fürsten änstigen so falsch gesinnte Räte.
Sobald der juge Geist nunmehr im Mutterleibe
Die menschliche Gestalt sich angeloben soll,
Beschwert die Sinnlichkeit in dem geplagten Weibe
Das nimmer leere Herz, nun bis am Rande voll.
Das Kreatürchen wächst durch dort entstandne Kräfte,
Wie je dem baume selbst ein Sprössling ähnlich ist.
Was ihm die Mutter reicht, sind Evens rege Säfte,
Wobei die Lüsternheit die Salze nie vergisst.
Zur Liebe war der Mann im Rausche nur empfindlich:
Die Pflichten denkt er schwach und Kinderspiele gründlich.
Das Kind erblickt die Welt mit eingegeossnen Trieben
Für Anfangs äußre nur und künftig innre Pein,
Vergeblich sich zu fliehn, sein Glück umsosnt zu lieben,
Der Qualen Mittelpunkt, das heißt, ein Mensch zu sein.
Galen hat zwar schön den Leibesbau gefunden;
Nicht Teile, nur allein der Kräfte Maß gebricht:
Das Innre des Gehirns wer kann es unterscheiden?
Das Auge blinzelt schon bei gröbern Eingeweiden.
Das feinste Gift ist Milch, die heimlich arge Lüste
Und immer um so mehr aus jeder Ader spült,
Je mehr das arme Weib durch feingesogne Brüste
Die wärmste Leidenschaft im tiefsten Marke fühlt.
Nun wächst das Übel an, das ehedem entstanden:
So schadet selbst die Huld, die gern das Beste gibt,
Als wäre für den Sohn dies Einzige vorhanden,
Den nur die Mode haßt und eine Mutter liebt,
Als könnte Nahrung nicht ihr frei gelassne Sänen,
Mithin die Sinnlichkeit, auch in und ab gewöhnen.
Der ganze Nervenbau hat schwankende Gestalten;
Den aber nahm der Geist zu seiner Wohnung ein:
Gesetzt, er will hernach auf wahre Tugend halten,
Wie kräftig müsste sie, wo nicht ein Drama, sein?
Denn Tugend braucht die Schnur berichtigter Gedanken,
Die stets aus Wechselsucht der Körper unterbricht.
Wie Hülfe schmeckt die Kost dem ekelhaften Kranken,
Und Ordnung ist die Lust erhitzter Sinne nicht.
Wer kann den stolzen Rat, sein Herr zu sein, erfüllen?
An Kräften fehlt es stets und mehrenteils am Willen.
Die nur mit Hasdrubal, der Rache nachzujagen,
Beglückten ohne Recht ergrimmt zu Leibe gehen;
Der weiche Sybarit, der Freund von guten Tagen,
Der Filz, gewohnt, sein heil auf Münzen anzusehn,
Die werden eher noch den harten Tod ertragen,
Als immer der Gewalt der Triebe widerstehn.
Dergleichen Widerstand ist für gewöhnte Sänen
Ein unerträglich Joch, der Seele zu verhasst,
Am Ende folgen meist die Schwermut oder Tränen,
Auch wenn die späte Furcht am Sühnaltare fasst.
Nur Gott und Gott allein, nicht auch erschaffne Geister,
Ist Herrscher über sich und seiner Kräfte Meister.
Empörter Ozean! Barbarische Gefechte!
Verwüstung, die der Sturm aus hohem Dache jägt!
Eyelopischer Vesuv! Durchknallte Donnernächte!
Ihr seid des Jammers Bild, der hier die Seele schlägt.
Nur erstlich, wenn der Tod den eisenharten Rücken
Der abgenutzten Sucht im Ernste widersetzt,
Erblickt die Seele, frei von ihres Leibes Stricken,
Den Angel, der sie wund im traume nur ergötzt,
Eblickt nun Angst um sich die Schlangenhälse winden
Und stirbt Laocoon, wir erben ihre Sünden.
So groß dies Übel ist, dies schwere Geisterleiden,
Das ohne Wehmut nie der Denkende besah,
Der jungen Marterbrut die Fersen einzuschneiden,
Wenn Anmut sie noch säugt, sind doch noch Waffen da.
Dann aber setzt es Last, wenn mit der Jahre Menge
Durch alle Nerven schon der Irrtum Wurzel schießt,
Dann steckt die Pralerei der Schwätzer in der Enge,
Wenn sich kein innrer Krieg an ihrer Lehre schließt.
Moralen preist ihr an, ihr Träumer, um die Wette:
So rühmten Ammen einst die Gürtel von Lorette.
Bescheidenste! Die nur durch Worte? nein, in Taten,
Dem menschen, den ihr forscht, ihm eigne Kräfte zeigt,
Ihr, Räte der Natur, ihr könnt zur Hülfe raten,
Je mehr das Vorurteil geübtem Blicke weicht.
Vergebens äugelt noch ein Mietling grober Ehre
Auf eure Sklaverei, die bei dem Römer galt:
Immitelst deckt ihr oft ihn vor der Parce Schere
Und heilt das kranke Haupt, des Undanks Aufenthalt.
Beschütze mir dies Lob, der Liebe süße Probe
Du meines Tadels Freund und Freund von meinem Lobe.
Gebricht der schwachen Frau der Wille, wie die Kräfte
Gelassen zu bestehn und nimmer wild entbrennt;
Wozu, dass sie das Kind an ihrem Busen hefte,
Das selber die Natur von ihrem Schoße trennt?
Wie schnell vermag die Milch ein Eifer zu vergiften,
Dass ein erboster Krampf das arme Kind ergreift?
Doch wird sie welche Qual, nicht in die Länge stiften,
Wenn Sehnsucht, Furcht und Haß die Mutter überhäuft?
Der Stahl am Fluge nährt und mordet an den Klingen:
Geschenke der Natur sind gut, doch mit Bedingen.
Sie selber zwar ergoß in Brüste Milch und Lieben,
Sie, die für Zwecke wirkt und irrig nie verfuhr.
So gar der erste Fall, den Moses uns beschrieben,
Veredelt ungemein die menschliche Natur.
Doch gnug, so war sie schon vor Alters abgefallen,
Und das Verdorbne kann nicht mehr das Beste sein.
Nun spricht die Kunst, ihr Kind, und lässt die Mutter lallen,
Entdeckt im Viehe Kost und in der Traube Wein.
Den Abfall der Natur, was hilft es, ewig schildern?
Doch Ärzte sind gesandt zu heilen und zu mildern.
Sie blöken auch für uns, von Tadel freie Herden,
Noch lange nicht, wie wir, zur Abart so vermocht.
Worin sie gute Milch aus reifem Grase kocht.
Sie gehen ohne Schmerz und ohne bange Fälle,
Der Noachiden Los, auf ihrer Lust einher.
Die Seuche schleicht sich nicht in wohlbesorgte Ställe,
Von reiner Speise voll und faulem Dunste leer.
Es winkt uns die Vernunft; und lockt die Probe minder?
Exempel aber macht aus Eltern blöde Kinder.
Dem Tranke ziehe nicht, ihm reifen viele Samen,
Für das geliebte Kind die Mutterbrüste vor,
Die Brüste, die zuerst in volle Reife kamen,
Als Unschuld, arg bedrückt, in Reize sich verlor.
Warum ist Tiere Milch nicht gute Kinderspeise,
Da Lüsternheit und Gram so manche Frau verdirbt?
Der Dumme segne sich die väterliche Weise,
Bei dem das Neue schwer Verdienste sich erwirbt.
Die Speise muß den Leib zur Unart nicht empören
Und Weisheit und die Wahl, der Güter Würde lehren.
Und könnte dieser Rat Geübten Schwäche scheinen?
Nur selten ist der Grund der Künste wunderbar:
Des Großen Anbeginn entstehet oft im Kleinen
Und Wissenschaft erhebt, was sonst im Staube war.
Bemühen wir uns ganz der Tugend uns zu fügen,
So muß der eigne Leib nicht stets im Wege sein;
Ins Laster säet er das größte Missvergnügen
Und lenket die Vernunft in seine Neigung ein.
Die Seele stimmt der Leib und diesen seine Speise:
So werden Narren wild und fromme Leute weise.
Wenn so, für Zucht ernährt, die Seelen sich entfalten,
So wird der Obermacht die Tyrannei beraubt,
Ihr kann die Wachsamkeit noch mehr die Stange halten
Und muntre Reinlichkeit und Ordnung überhaupt.
Geschäfte nötigen, und keinen bloße Lehren,
zu regen Irrungen den Köder abzuziehn.
Nichts Eitles soll den Ort, wo Knaben sind, entehren
Und schlechte Kinderei vor edlem Spiele fliehn.
Es gelte starke Kost; und hochgelehrte Köche
Verlange, wer es will, dass ihn die Zunge schwäche.
Man ahme Frankreich nach! Doch, traun! es könnte helfen,
Wenn man ein fremdes Herz in deutscher Seele trägt?
Das im Iberer schäumt und glüht in den Guelphen,
Das um die Seine hüpft und an der Temse schlägt.
Die Kunst gebührt uns nicht, französisch liebzukosen,
Um die vorhin umsonst der Römer attisch sprach.
Wer Deutschlands eigne Zucht, nicht Mine der Franzosen,
Auf deutsch entpöbeln kann, der ahmt mit Ehre nach.
Uns fiel ein Herz anheim zu römisch zum Betruge,
Im Kriege warmer Mut und Seele hinterm Pfluge.
Wenn Ordnung, Fleiß und Zucht auch, wie die Jahre, steigen
Und zwischen Trieb und Geist die Mittelwände sind,
So wird ihm nach und nach die schwere Tugend eigen,
Die nur bei Zucht und Fleiß und Ordnung Stelle findt.
Und will er äußre Lust sich, müde wo, verstatten,
So grüßt er die Natur und dankt ihr Flur und Hain,
Wo sich Erquickungen und neue Kräfte gatten,
Und haucht da mehr an Lust, als an Begierden, ein.
Die freude sagt es ihm, dass in der blauen Höhe
Das rechte Stammhaus noch von unserm Adel stehe.
Wer Langeweile hegt, dem kann es nie gelingen,
Nur Stunden, und wie schwer auch Tage? froh zu sein.
Veränderung ist nur im Stande, Lust zu bringen,
Und Immereinerlei versteckt in Wonne Pein.
An Lüste lediglich die Wechsel anzuheften,
Versuchte mancher Fürst und krankte sich zu todt.
Der Wechsel fördre nur die Liebe zu Geschäften,
Die freie Wahl verband und treue Pflicht gebot;
So wird ein Wall daraus, dem manche Stürme schweigen,
Den äußre Not und Qual nur selten übersteigen.
Ist die Begierde nicht das Kind erregter Sänen,
Das der betrogne Geist mit Vaterspflege nährt?
Was allzu heftig reizt zu Wohllust oder tränen,
Entbehre so der Sohn, wie man ein Gift entbehrt.
Ermüdet ruht auch er an anmutreichen Tischen,
Wo nebenan Geschmack und oben Güte sitzt,
Wo nach der Möser Art Gesprächer selbst erfrischen,
Da nützlich sein erfreut und alle Freude nützt,
Mit seinem Blute sich nicht viele Tiere mischen,
Noch die zu weiche Kost der Wein noch mehr erhitzt:
Wir müssen allzu hoch die Völlerei bezahlen,
Mit wilder Sitte wir, mit Wut die Kannibalen.
Beileibe darf er mir nur keine Leute scheuen;
Die Misanthropen nimmt zu selten Tugend ein.
Am Tande soll er gar sich oft den Mut erneuern,
Beständig froh und klug und nimmer Cato sein.
Doch muß ein Tor allein ihn lange nie verweilen;
Die Menge macht zur Lust die Narren erst bequem.
Der Biene soll er gleich von dem zu diesem eilen;
Nur Weise sind an sich beständig angenehm.
Er macht durch Geschick und angehaltne Launen
Die kühnste Grille selbst sofort zurück erstaunen.
Wen hier der Unmut schreckt, bekenne seine Schwächen,
Wo vor entfernter Lust der nahe Gram entweicht.
Auch nützt ein Fehler hier und bessert die Gebrechen.
Der gute Vorsatz siegt und Übung macht ihn leicht.
Die Seelenruhe labt hier öfters müde Tage,
Die Gottes Volke ganz dereinst enthülfte Frucht,
Boileau behaupte sie gerührt an Guillerague,,
Noch hat er sie bei sich umsonst allein gesucht:
In uns und außer uns entschließt sich ihre Blüte,
Und heischt von innen Zucht, von außen Fleiß und Güte.
Wahrhafte Skalverei verstrickt auch weise Leute;
Und Freiheit ist ein Wort von träumern aufgebraucht.
Das endliche Geschöpf ist ewig eine Beute,
Ein Untertan, ein Knecht von einer Obermacht.
Wer Laster übernimmt, das Joch zurück zu werfen
Und die mit falscher Lust umwundne Kette bricht,
Dem weiß die Tugend schon Gehorsam einzuschärfen:
So, wie der Weise, wächst auch jede Pflicht.
Wo keine Tugend herrscht und keins von allen Lastern,
Da sollte man ins Nichts sich Fabelwege pflastern.
Was ist die Weisheit denn, die selbst um unsertwegen
Und um der Erde Wohl im Bilde schon ergötzt?
Ist sie die Wissenschaft? Ich nenne sie, Vermögen,
Das andern durch uns hilft und uns in Ruhe setzt.
Durch Mäßigung und Fleiß, die wirken schöne Taten,
Verbessert sie den Leib, der seine Seele hebt.
Uns muß die Mäßigung, der Fleiß die Welt beraten,
Wenn die für Unschuld wacht und Tugend er erstrebt.
So lehrt die Weisheit denn, der Möncherei verborgen,
Durch Sorge für den Leib die Seele zu versorgen.
Hier feire Saitenspiel, und ehre mir die Schranken,
Die deine Muse stach und Wahrheitsliebe schützt.
Doch allzu deutlich merkt ein Richter der Gedanken,
Wie nahe dieses Lied den Glauben unterstützt.
Das Weise doch so laut und Schriftgelehrte schreien,
Als hätten beide sich am Ziele je vergnügt!
Und warum findt ihr Wort das völligste Gedeihen,
Sobald der freche Leib der Wahrheit unterliegt?
Das macht, die Welt und sie versäumen ihre Rechte,
Sind Heuchler oder schwach und ihrer Sinne Knechte.
Noch an der Quelle seicht, im Flusse tiefe Kenntnis,
Der Nebenbäche wert, kein einziger ist Scherz,
Die glauben tun für dich das löblichste Geständnis;
Du weist, dem Zanke trotz, die Zänker himmelwärts.
Was halfen ohne dich die vielen Opferkälber?
Du weisest ohne sie das Herz zum Opfer an.
Gerecht für andre sein, und züchtig für uns selber,
Das ist der Gottesfurcht und ist auch deine Bahn.
Dies ist die größte Pflicht, die des erfahrnen Juen
Gesalbte Warnungen auf unsre Seele luden. |