Julius Wolff
Der fliegende Holländer
Julius Wolff

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II.
Beim Pharo.

                      Zur goldnen Cocosnuß am Strande,
So hieß das Gasthaus, das sich Ruf
Als guter Ankerplatz am Lande
Bei manchem alten Seemann schuf.
Der Wirth, ein schlauer Portugiese,
Sah seinen Vortheil gründlich ein
Und hielt, daß man ihn weitum priese,
Stets einen auserlesnen Wein.
Dazu die schönsten Negerinnen
Als Schenken, üppig von Gestalt
In spärlich zugeschnittnem Linnen,
Mit Brust und Armen wie Basalt.
Die Schifferstube ließ erkennen:
Sie ward besucht und viel gebraucht,
Nicht glänzend war der Raum zu nennen,
Die Decke schwärzlich angeraucht.
Den Wänden gaben Schiffsmodelle,
Manch ausgestopftes Waldgethier,
Korallen, Muscheln und die Felle
Von Jaguaren Schmuck und Zier.
Da saßen um Baretto's Tische
Seefahrer aller Flaggen schon,
Sodaß in buntem Sprachgemische
Sich spann der Unterhaltung Ton.
Es hatte Keiner zu besorgen,
Was eilte, für sein schwimmend Haus,
Sie hatten alle Zeit, denn morgen
War Freitag, – da lief Keiner aus.
Drum saßen Deutsche, Spanier, Britten,
Holländer, Portugiesen, auch
Franzosen hier beim Wein und stritten
Um Handelsrecht und Seemannsbrauch.
Breit lächelnd mit den blanken Zähnen
Goß den Madeira, funkelklar,
Ins Stengelglas den Kapitänen
Der schwarzen Heben flinke Schaar.

Jetzt traten, ihren Durst zu kühlen,
Früd Buncken auch und Edzard ein
Und fanden Platz auf freien Stühlen
In der Berufsgenossen Reih'n.
Früd nahm, sobald er nur getrunken,
Antheil an des Gespräches Gang,
Edzard saß still in sich versunken,
Als wär' ihm fremd der Sprachen Klang.
Früd stieß ihn mit dem Knie und fragte:
»Nun? mundet der Madeira nicht?
Wer war es, der von Trinken sagte?
Ihr macht ein wunderlich Gesicht.
Mit ein paar derben Seemannsscherzen
Bringt die Erinnrung Ihr zur Ruh,
Und das verdammte Leck im Herzen
Stopft Ihr mit Unterröcken zu.«
»So dacht' ich manchmal und vertheerte
Mir faustdick den geschundnen Bug, –
's ist all umsonst,« sprach Edzard, leerte
Sein volles Glas auf einen Zug,
Versuchte dann entschlossner Weise
Sich abzuschütteln, was ihm schwer
Im Sinne lag, und sah im Kreise
Von seines Gleichen nun umher.
Da saßen markige Gesellen
Mit festem Herzen, theils ergraut
Im steten Kampf mit Wind und Wellen,
Mit Wagniß und Gefahr vertraut.
Die Einen wortkarg, ernst, bedächtig,
Knorrig geschnitzt aus hartem Holz,
Heißblütig Andre, redemächtig,
Auf ihres Landes Flagge stolz.
Aus den gebräunten Zügen warfen
Sie mit des Seemanns bestem Sinn
Die Blicke, die durchdringend scharfen,
Wie über Meeresweiten hin.
Sie sprachen von entlegnen Fernen,
Wo überall ihr Anker sank,
Und wußten unter allen Sternen
Die Straßen zwischen Riff und Bank.
Sie hatten durch die Einsamkeiten
Des Wogenschwalls der Erde Rund
Umsegelt schon und Raum und Zeiten
Durchmessen ob der Tiefe Grund.
Sie sprachen von des Schiffes Kräften,
Als ob's ein edler Renner sei,
Von Cargo, Lasten und Geschäften
Und vom Verdienst der Kauffahrtei.

Auf einmal war wie abgeschnitten
Die Unterhaltung, alles sah
Zur Thür hin, denn hereingeschritten
War Einer noch und stand nun da,
Gebieterisch und überlegen
Herabschau'nd auf der Gäste Zahl,
Als wär' er seines Ansehns wegen
Ihr Oberster und Admiral.
Er war bedeutsam ausgestattet,
Von hoher, sehniger Gestalt,
Die Augen lagen tief beschattet,
Doch mit des Adlerblicks Gewalt.
Um seine hagern Wangen streckte
Sich zugespitzt ein schwarzer Bart,
Sein Haupt auch, das er trotzig reckte,
Die Stirn gefurcht, war schwarz behaart.
Baretto schlich, gebückt zur Erde,
In Unterwürfigkeit heran,
Scheu flüchteten mit Angstgebärde
Die Mädchen vor dem finstern Mann.
Kalt wie der Nordwind aber hauchte
Es Edzard Truelsen an, als just
Der hier wie aus dem Boden tauchte,
Der ihm vergällt des Lebens Lust.
Und Niemand war, dem sein Erscheinen
Nicht Eindruck machte, hier im Saal,
Auf ihn nur schien sich zu vereinen
Die Neugier Aller ohne Wahl,
Die ihn noch nie gesehen, staunten
Den Fremden an von Schopf zu Schuh,
Die aber, die ihn kannten, raunten
Sich eifrig seinen Namen zu.
In jedem Hafen hörten schallen
Sie des Erfahrnen Ruhm und Lob,
Doch war es Einer nur von Allen,
Der ihn begrüßend sich erhob.
Früd Buncken war's, – »Komm her, van Straten!«
Sprach er, »hier ist ein Platz für Dich,
Zwei alte, fest verpichte Maaten
Wie Du und ich vertragen sich.
Ihr kennt euch ja,« wandt' er sich wieder
Zu Edzard dann; der nickte bloß.
    Van Straten aber ließ sich nieder,
Und Edzard war es wie ein Stoß,
Der blutig ihm das Herz durchrannte,
Als es van Straten nun gefiel
Zu sagen: »Ja, wir sind Bekannte,
Herr Edzard Truelsen von Greetsiel!
Ihr habt mir Eines nicht vergeben,
Man hat mir's später klar gemacht;
Nicht meine Schuld, des Schicksals Weben
Hat um Erhofftes Euch gebracht.«
»Mynheer van Straten, was geschehen,
Das laßt, als läg's im Grabe, ruhn,
Und wenn wir von einander gehen,
So wollen wir's in Frieden thun,«
Entgegnet' Edzard, doch er fühlte,
Wie's ihm bei seiner Worte Klang
In allen Adern kocht' und wühlte,
So sehr er sich zur Ruhe zwang.
Das war der Mann, der ihm genommen
Sein Liebstes auf der weiten Welt;
Der Unhold war ans Ziel gekommen,
Und seine Hoffnung war zerschellt.
Zwar hatt' es jener nicht verschuldet,
Daß Ingeborg sein Weib nicht war;
Was bei dem Wilden sie erduldet,
Das war's, was ihm den Haß gebar.

Manch einen von den Kapitänen
Traf schon van Straten hier und dort
An fremden Küsten, und mit denen
Tauscht' er auch hier ein ehrlich Wort.
Zum ersten Mal heut gegenwärtig,
Seitdem man hier sein Schiff gesehn,
War er schon wieder segelfertig,
Mit gutem Wind in See zu gehn.
Vor Anker liegen, das behagte
Nicht seinem ruhelosen Sinn,
Und als man ihn im Kreise fragte
Nach seiner Fahrt woher, wohin,
Erwiedert' er: »Von den Antillen,
Und nach Batavia geht's hinaus,
Dann komm ich drüben aus dem ›Stillen‹
Vor drei, vier Jahren nicht nach Haus.
Ich habe mich um nichts zu sorgen,
Als wie ich weiter kommen soll,
Sei's morgen, sei es übermorgen,
Nur vorwärts! und die Segel voll!«
»Nun, morgen doch wohl nicht!« ertönte
Es hinter ihm. Verächtlich warf
Den Kopf er schulterwärts und höhnte:
»Wer für mich beten will, der darf
Sich's meinetwegen schon erlauben,
Ich scher' auf meinem festen Kiel
Den Henker mich um Freitagglauben –
Und um den andern auch nicht viel.«
Da schwiegen sie, denn Keiner mochte
Ihn reizen, der auf Menschenmacht
So lästerlich vermessen pochte,
Von keiner Gottesfurcht bewacht.
Van Straten ärgerte dies Schweigen,
Das mehr als Widerspruch ihn schalt,
Und um den Schwächlingen zu zeigen,
Wie wenig ihm ihr Urtheil galt,
Wandt' er sich an den Freund zur Seiten,
Als wären die nun abgethan:
»Früd, möchtest Du mich nicht begleiten,
Zur Südsee hin mit Deinem Kahn?
Wir halten wie vor einem Haufen
Von Jahren wieder gleichen Strich,
Und wenn wir Raa an Raa so laufen,
Besuchst Du mich an Bord, ich Dich.«
Früd sprach: »Nach dem La Plata lauten
Ja meine Briefe, Tyn! und die,
Die Schiff und Ladung mir vertrauten,
Verlangen Rechnung über sie.«
    »Ach, komm doch mit! was Du geladen,
Das bringst Du dort auch an den Mann,
Und nicht zu Deines Rheders Schaden,
Ich helfe Dir, soviel ich kann.
Die alten Zeiten laß uns heben
Und lichten, was uns drückt und drängt;
Bist ja der Einzige im Leben,
An dem noch meine Seele hängt!«
Der Einzige! und hat – o Jammer! –
Ein Weib wie Ingeborg! so schrie
Der Groll in Edzards Herzenskammer,
Dem er jedoch nicht Worte lieh.
Früd schüttelte das Haupt und sagte:
»Es geht nicht, Tyn! ich kann nicht mit;
Zur Untreu wär' es, wenn ich's wagte,
Zu Falsch und Fehl der erste Schritt.«
Van Straten runzelte die Brauen,
Doch Antwort gab er darauf nicht,
Und düster war er anzuschauen
Mit seinem gelblichen Gesicht.
In ihm schien etwas vorzugehen,
Ein Wandel ward in seinem Rath,
Schnell wie der Uebergang geschehen
Von gutem Will'n zu böser That.
Was er – und selten kam's – empfunden
An warmem, menschlichem Gefühl,
Im Augenblicke war's verschwunden,
Streng war er wieder, herb und kühl.
Wenn jetzt er sprach, so drang die Stimme
Rauhtönig, hart ihm aus der Brust,
Und lacht' er, klang es wie im Grimme,
Wie Trotz und Hohn, nicht Herzenslust.
Es schien ihn Ungeduld zu zwicken,
Es zwinkert' ihm um Nas' und Mund,
Und er besah mit raschen Blicken
Sich die Gesellschaft hier im Rund,
Als sucht' er heimlich nach Genossen
Für einen Plan, der ihm entstand,
Und prüfte, wen er wohl entschlossen
Zu seinem Unternehmen fand.
Bald blickt' er unstät nach den Wänden,
Den Negerinnen und dem Wirth,
Bald spielt' er fingernd mit den Händen,
Von Unrast immer mehr durchirrt.
Der Wein war's nicht, was ihn erregte,
Als trieb' ihn eines Dämons Kraft;
Was ihn von Grund aus so bewegte,
War schwer verhaltne Leidenschaft.
Jetzt brach es los, wonach er gierte;
Er sprang empor mit einem Mal
Und rief, als ob er kommandierte,
Mit lauter Stimme durch den Saal:
»Wir sitzen starr und steif hier binnen,
Als ob uns Kiel und Mast versank,
Ich weiß ein bessres Garn zu spinnen:
Ein Spiel, ihr Herrn! ich halte Bank!
He! schwarze Pantherin, die Karten!«
Und eine volle Börse risch
Warf er, als könnt' er's nicht erwarten,
Goldklirrend vor sich auf den Tisch.

Erst stutzten sie nach diesen Worten
Und sahn sich fragend, zaudernd an,
Doch gleich ermuthigten Kohorten
Gehorchten sie dem Führer dann.
Früd suchte seine Hand zu fassen,
Sprach innig dringend auf ihn ein:
»Tyn, kannst Du nimmer davon lassen?
Es wird Dein Untergang noch sein.«
Ihn traf ein Blick, der sengend, lohend
Wie Gluth aus einem Krater stieg,
So niederschmetternd, finster drohend,
Daß er davon betroffen schwieg.
Auch Edzard schien sich nicht zu rühren
Aus seiner angenommnen Ruh;
Da rief ihm, um ihn zu verführen,
Van Straten übermüthig zu:
»Wohlan, Herr, wenn es Euch gefiele!
Ihr wißt, manch Blättchen wendet sich,
Vielleicht habt Ihr mehr Glück im Spiele
Als in der Liebe gegen mich.
Ihr segelt in den nächsten Tagen
Zur Heimat, und da könnt' es sein,
Ihr sacktet, um es heim zu tragen,
Hier noch ein rundes Sümmchen ein.«
Doch Edzard brauchte nicht der Mahnung;
Zum Kampfe riß es ihn empor
In einer wundersamen Ahnung
Mit dem, an den er mehr verlor.

Sofort war von den schwarzen Schönen
Ein Tisch mit grünem Tuch behängt
Und um der argen Sucht zu fröhnen,
Von allen Seiten dicht umdrängt.
Kaum daß sie noch die Lippen netzten,
So standen oder saßen stumm
Die Gäste, wetteten und setzten,
Van Straten schlug die Karten um.
Ein Andrer war er jetzt inmitten
Der Wagenden; was er gewollt,
Hatt' er erreicht, und unbestritten
Ward seinem Will'n Tribut gezollt.
Kalt war er, nur sein Auge strahlte,
Sein Antlitz schien von Blute leer;
Ob er nun einstrich, ob er zahlte,
Mit keiner Wimper zuckt' er mehr.
Fortuna war bei flottem Satze
Bald ihm und bald den Spielern hold,
Doch häufte sich vor seinem Platze
Mehr als vor Andern Gold auf Gold.
Nacht ward es, und die Stunden flogen,
Und rascher wechselte das Glück,
Und die von ihm Genarrten zogen
Sich reuig, mißgestimmt zurück.
Doch ob's auch leerer ward und leerer,
Van Straten wich und wankte nicht,
Er hielt die Bank, des Schatzes Mehrer,
Mit einem steinernen Gesicht.
Und endlich, ganz zuletzt, da saßen
Am Pharotische nur noch drei,
Von denen zwei schon längst vergaßen,
Ob's Tag, ob's Nacht, ob's Morgen sei.
Nur Edzard spielte mit van Straten
Noch immer fort, und Buncken ließ
Zuschauend sie im Golde waten,
Doch jetzo drehte sich der Spieß.
Edzard gewann und setzte dreister,
Van Straten lächelte voll Hohn,
Doch Edzard blieb von nun an Meister,
Und jener sah Gewinn und Lohn
Wie Flugsand rinnen und verschwinden;
Das er zu bannen stets gewußt,
Das Glück ließ sich nicht länger binden,
Und bald auch war er im Verlust.
Die Ruh verlor er, ihm erbebte
Die allezeit so sichre Hand,
Und auch in Edzard stieg und strebte
Das Blut zu Kopf wie Fluth am Strand.
Der Ein' erhitzte sich am Andern
In leidenschaftdurchtobtem Sinn
Bei der Dublonen Rolln und Wandern
Vom Einen fort zum Andern hin.
Abzug auf Abzug that van Straten,
Und jetzt – mit einem wilden Fluch –
Schob er den letzten der Dukaten
Edzard hinüber, riß ein Buch
Mit dem Entschluß aus seiner Tasche,
Der ihm im Augenblick gereift,
Und – »halt! noch nicht!« mit Blitzesrasche
Hatt' er den Trauring abgestreift.
»Erst diesen Ring hier! zwei Pistolen
Ist er für Euch am Ende werth,
Könnt ihn Euch nicht bequemer holen,
Habt ihn ja selber einst begehrt!«
So spottet' er; Edzard erfaßte
Darüber namenlose Wuth,
Daß er im Angesicht erblaßte
Vor dieses Menschen Frevelmuth.
Doch sieh! der Ring auch ging die Wege
Dem Gold nach, wie die Karte schlug,
Der innerhalb in Schriftgepräge
Ingborgs geliebten Namen trug.
Wie Edzards Brust sich hob und dehnte,
Als er das Kleinod an sich nahm,
Vor Schmerz, daß er das heiß ersehnte
Als schnöden Spielgewinn bekam!
Und jetzt aus seinem Buche setzte
Van Straten schnell ein leeres Blatt,
Schrieb drauf, hielt's hoch und rief: »Das Letzte!
Jetzt um das Weib, an Goldes Statt!
Drei Jahre sollt Ihr es besitzen,
Gewinnt Ihr! hier mein Testament!
Von den Dublonen, die da blitzen,
Die Hälfte für dies Dokument!«
Sprachlos, als hätt' er nicht verstanden,
Starrt' Edzard den an, der verspielt,
Der aus dem Schiffbruch noch zu landen
Ihm das Papier entgegenhielt.
Früd aber warf sich zwischen beide
Die Arme breitend übern Tisch:
»Denkt ihr, daß ich den Wahnwitz leide?
Her mit dem gottverfluchten Wisch!«
Van Straten fuhr zum Dolch und drohte:
»Wem's Leben lieb ist, Früd, der schweigt!
Es bleibt bei meinem Angebote
Im Ernste, den ich euch gezeigt.«
Er stand und sah auf Edzard nieder:
»Drei Jahr geb' ich Dir Ingborg preis,
Auf hoher See nehm' ich sie wieder,
Am Cap der guten Hoffnung sei's!
Ich schwöre, daß ich dort sein werde,
Du schwörst, daß Du das Weib mir bringst,
Schwörst mir bei Himmel, Höll' und Erde,
Und wenn Du dran zu Grunde gingst!«
Edzard sprang auf; er glüht' und bebte,
Als wenn's wie Feuer ihn durchrönn',
Was ihm vor Sinn und Seele schwebte:
Wenn er jetzt Ingeborg gewönn'!
Die Hände schlugen sie zusammen
Mit Blicken, die kein Wort beschreibt,
Ein Hassen war's und ein Verdammen,
Wie Klinge sich an Klinge reibt.
»Nun ohne Wanken, ohne Wählen
Vorwärts! getheilt den Haufen jetzt!
Ach was! wozu noch lange zählen?
Ein Strich grad durch und dann gesetzt!«
Und es geschah; da lag der Bettel,
Sie wußten nicht einmal wieviel,
Daneben der geschriebne Zettel,
Ein Weib, – ein Weib stand auf dem Spiel.
Und Edzard wischte sich die Tropfen,
Die kalten Tropfen von der Stirn,
Er fühlte seines Herzens Klopfen,
Im Kreise schwang sich ihm das Hirn.
Und Früd, der kaum zu athmen wagte,
Saß da gleich einem Bild von Stein,
Nur daß er an der Lippe nagte,
Den Freund anstierend und den Schein.
Jetzt aber ging ein merklich Zittern
Auch durch van Straten ohne Hehl,
In seiner Brust schien's zu gewittern;
Er zog, – die Karte schlug ihm fehl.
»Der Satan mag es Dir gesegnen,
Was Du an ihr zu finden meinst!
Da! nimm sie hin bis aufs Begegnen
Am Cap der guten Hoffnung einst!«
So schrie er auf in seinem Grimme
Aufs falsche, trügerische Glück
Mit heisrer, wuthgebrochner Stimme
Und sank auf seinen Stuhl zurück.
Bei aller Pulse Flirrn und Fliegen
Rahm Edzard mit sich seinen Schein;
Das Gold ließ auf dem Tisch er liegen,
Die Negerinnen heimsten's ein. –

Van Straten saß in dumpfem Brüten
Mit schwerbewölktem Angesicht,
Früd Buncken, um ihn zu behüten,
Hielt bei ihm aus und stört' ihn nicht.
Doch nun erhob er sich; sie gingen
Zur Landestelle, wo das Boot
Van Stratens lag, ihn heim zu bringen
Zu Schiffe vor dem Morgenroth.
Der Weg war weit, und lange schritten
Sie schweigend durch die Dämmrung fort;
Im Druck, darunter beide litten,
Sprach endlich Früd das erste Wort.
»Tyn,« fing er ruhig an, »ich meine:
Du machst rückgängig, was geschehn,
Die Ehre fordert's, Dein' und seine,
Der Sündenpakt darf nicht bestehn.«
»Meinst Du! ist Dir's schon vorgekommen,«
Fuhr auf van Straten, »daß hernach
Bereuend ich zurückgenommen
Ein Wort, das ich im Ernste sprach?«
    »Als Ernst gilt nicht, wenn einen Braven
Der Leidenschaften Wahnsinn hetzt;
Im Rausch hast Du wie einen Sklaven
Dein blondes Weib aufs Spiel gesetzt.
Sahst Du nicht Truelsens Widerstreben,
Als es zum letzten Abzug ging?
Er muß den Schein Dir wiedergeben
Und wird es auch mitsammt dem Ring.«
    »Er wird sich hüten, hat's gewonnen
Ehrlich und rechtlich, ohne Trug,
Der Wette Preis hab' ich ersonnen,
Der Ausgang war des Schicksals Zug.«
    »Ich will's vermitteln, laß mich machen!
Ich hole Dir Dein Weib zurück,
Du sollst mich schelten und verlachen,
Gelingt mir nicht dies Freundschaftsstück.«
    »Ich will es aber nicht, verschwende
Nicht länger Deine Worte, Mann!
Denn die Geduld geht mir zu Ende,«
Ließ ihn van Straten grimmig an.
Früd aber blieb bei seinem steten
Ermahnen noch im Weitergehn:
»Wie willst Du ihr entgegentreten?
Wie soll sie Dir ins Auge sehn,
Wenn er sie Dir nach dreien Jahren
Auf hoher See nun wiedergiebt,
Nachdem er ihre Gunst erfahren
Und sie dann einzig ihn noch liebt?
Soll selig in des Andern Armen,
Als wär' es auf geheimer Flucht,
Das schöne, junge Weib erwarmen?
Spürst Du denn nichts von Eifersucht?«
Van Straten stöhnte laut und eilte,
Dem scharfen Foltrer zu entfliehn,
Früd Buncken aber bohrt' und feilte,
Drang immer heftiger in ihn:
»Er segelt ab in wenig Tagen;
Laß mich verhandeln, eh's zu spät!
Ihr müßt euch um den Schein vertragen,
Ein Schurke, wer ein Weib verräth!«
    »Früd! Früd! bei allen Höllengeistern!«
– Er reckte keuchend sich empor,
Die Fäuste schüttelnd – »mich zu meistern
Wagst Du zu viel! Früd, sieh Dich vor!«
Sie standen auf dem Uferdamme,
Den tiefes Wasser leis umstrich,
Mann gegen Mann in Zornesflamme,
Den Sternenhimmel über sich.
    »Sag', widerrufst Du, Sühne gebend,
Was Du geschrieben auf dem Schein?«
»Nein!!« schrie van Straten stampfend, bebend.
    »So bist Du ehrlos! – das steck' ein!«
Van Straten packt' ihn handfest, eisern
Und knirschte: »Nimm zurück das Wort!
Sonst – bei den ew'gen Schicksalsweisern!
Kommst Du lebendig nicht hier fort!«
    »Nimm erst Dein Weib zurück! beharrlich
Bleib' ich dabei, – Du hast die Wahl!«
»Nein!!« – »Nun, so bist Du wahr und wahrlich
Ehrlos! ich sag' es noch einmal!
Verflucht das Land, vom Meer umgeben,
Das Du betrittst! im Wind verwehn
Soll Deine Spur, Du sollst im Leben
Nicht Weib, nicht Heimat wiedersehn!«
Ein Dolchstoß fuhr ihm durch die Rippen
Ins Herz hinein aus sichrer Hand;
Ein Aufschrei, – und die steilen Klippen
Rollt' er hinunter und verschwand.

Im Osten ward es dämmerhelle;
Van Straten, in der Brust den Mord,
Ging zu des Bootes Landestelle,
Bestieg es und befahl: »An Bord!«


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