Julius Wolff
Till Eulenspiegel redivivus
Julius Wolff

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II.

St. Paul in Köln.

                      Des Abends war es, Glocke neun,
Ein wenig konnt' es später sein,
Da kam in Köln ich endlich an,
Ein hungriger und durst'ger Mann,
Und kehrte in ein Wirtshaus ein,
Das just hell im Laternenschein
Mich gastlich winkend an sich zog,
Als ich um eine Ecke bog.
Es hieß »Sankt Paul«, das wackre Haus,
Gott segne, die gehn ein und aus!
Drauf zu! mit Schritten langen, eil'gen,
Ich dachte: da es einen heil'gen
Apostel gar im Schilde führt,
Wie sich's so nah am Dom gebührt,
So ist's gewiß ein christlich Haus,
Stellt seine Rechnung christlich aus,
Der Wirt wohl auch ein guter Christ,
Der in den Wein nie Wasser gießt,
Mit Heidelbeeren ihn nicht färbt,
Nicht mischt und manscht, nicht firnt und gerbt.
Die große Glocke bim! bam! bum!
Da standen sie um mich herum,
Die Serviette unterm Arm,
Der Kellner dienstbeflissner Schwarm.
Was weiter folgte, wißt ihr schon,
'S ist überall derselbe Ton,
Ein Kratzfuß, dann die Zimmernummer,
Dann zwei, drei Treppen und so fort,
Wozu der Lärm! mein ganzer Kummer
War ja mein Durst, drum mehr kein Wort!
»Herr Wirt! ein Schoppen Postillion!«
»Sehr wohl, mein Herr!« da stand er schon.
Der Wirt mit vollen, roten Wangen
Und weißem Haar, im Kinn ein Grübchen,
War mit mir durch den Saal gegangen
Ins kleine, stille Hinterstübchen,
Schiefwinklig war's, wo einer saß,
Der Mosel trank und Zeitung las.
Ich setzte mich an seinen Tisch,
Er legt' beiseite seinen Wisch,
Und eh' der zweite Schoppen leer,
Da waren Freunde ich und er.
War zwar ein böser Demokrat,
Doch wohlbeleibt, mit rundem Kopfe,
Der nachts gut schlief, und in der Tat,
Er nahm die Welt beim rechten Schopfe.
Wir schenkten ein und tranken aus,
Sein Bäuchlein bebte, wenn er lachte,
Und im Gespräche kam's heraus,
Daß er die Zeitung selber machte,
Die er hier abends inspiziert,
War sie nicht grade konfisziert.
Und Stund' um Stunde schnell verrann,
Und Flasch' auf Flasche kam heran,
Uns beiden ward so froh zumut,
Wir wurden beid' uns herzlich gut,
Und lobte ich den kühlen Wein,
Ja! sprach er dann, das soll wohl sein!«
Leer ward's im Saale allgemach,
Es wurden schon gelöscht die Flammen;
Ich aber saß in dem Gemach
Mit meinem Doktor noch zusammen,
Wie alte Freunde, die von weiten
Hierher gereist, seit langen Zeiten
Sich nicht gesprochen und gesehn,
Nicht mögen von einander gehn.
Und eh' wir beide es gedacht,
Schlug es am Dome Mitternacht;
Tief jeder Glockenschlag erbrummte
Und hallte lang', bis er verstummte.
»Eins!« sprach der Doktor, ich dann »zwei!«
Und wieder zählte er nun: »drei!«
Ich darauf: »vier!« und so ging's fort,
Bei jedem Schlag, bei jedem Wort
Tat einen Trunk man aus dem Glase,
Der eine steckt' ins Glas die Nase,
Dieweil der andre wieder zählte,
So eins ums andre jedesmal,
Bis nur der zwölfte Schlag noch fehlte.
Da ging die Tür im dunklen Saal:
»Schafft Rüdesheimer und drei Becher,
Mein'twegen können's Humpen sein,
Zu zweien kommt der dritte Zecher,
Gut Mitternacht! gegrüßt am Rhein!«
So rief es, und vom Finstern drang's
Hervor aus frohbewegter Brust,
In jedem Worte klang's und sprang's
Von Übermut und Lebenslust.
Viel mehr gerufen, als gesprochen,
War's doch, als ob den Ton er dämpfte,
Als würd' der Sprecher unterbrochen
Von Lachlust, die er schwer bekämpfte.
Eh' ich dem Doktor gab Bescheid,
Trat grüßend jetzt mit freud'ger Hast
In elegantem Reisekleid
Schon in die Tür der späte Gast.
Ich kannt' ihn gleich, denn das Gesicht
Vergißt gewiß sein Lebtag nicht,
Wer einmal dahinein geblickt,
Wem das einst Guten Tag! genickt.
Es war par excellence der Schelm,
Mein Freund, der Demokrit vom Elm.
Er hielt uns beide Händ' entgegen,
Wir schlugen ohne Zögern ein,
Und unterm Schütteln kam der Wein.
Ich war um Vorstellung verlegen,
Da nahm er mir das Wort vom Mund:
»Ich seh' dir's an, du wolltest eben
Etwas recht Dummes sagen, und
Du hast mir doch dein Wort gegeben,
So lange wir zusammen fahren,
Streng mein Inkognito zu wahren;
Mich vorstell'n heißt verraten auch,
Und will es mal des Landes Brauch,
Daß man das Kind beim Namen nennt,
So überlaß es dem Talent
Der Neugier, selbst uns auszuspüren,
Und was wir für Geschäfte führen;
Es kriegt viel Antwort, wer viel fragt,
Mit Paß wird man nicht mehr geplagt,
Und mit der lieben Polizei
Werd' ich schon fertig, nebenbei
Schreibt man in jedes Fremdenbuch
Was andres, lauter Lug und Trug,
Ein Name und ein Heimatland
Das findet sich, als Mann von Stand
Ist man um Titel nicht verlegen,
A. D. dahinter meinetwegen.
Ihr, lieber Doktor lobesan,
Ihr redet als »Freund Kauz« mich an,
Und tut nicht blöde, tut nicht schüchtern,
Das beste ist, weil wir noch nüchtern,
Wir trinken Brüderschaft uns zu,
Nicht wahr? stoßt an! auf du und du!
Und Geck lohß Geck elans! es gebe
Sich jeder ganz, – das Leben lebe!«
Wir waren's herzlich gern zufrieden,
Und wie sich das Gespräch entspann
Vom Lauf der Welt, von Krieg und Frieden,
Frug keiner, wie die Zeit verrann;
'S ist weltbekannt, mit welcher Rasche
Beim Weine die Minuten rollen,
Es wechselte die leere Flasche
Wohl mehr als einmal mit der vollen.
»Ihr Glücklichen seid zu beneiden,
Wie gerne folgte ich euch beiden
Zur Rheinfahrt! sprach der Redakteur,
Allein das ist nun mein malheur,
Ich muß zu Haus' am Schreibtisch sitzen
Und stöhnend Leitartikel schwitzen;
Oh wär' ich frei und könnt ich nur,
Mich euch als Dritten aufzudrängen
Zu eurer sommerlichen Tour,
Die Zeitung an den Nagel hängen!«
Till lachte auf in hellem Ton:
»Ist's weiter nichts? da hängt sie schon!
Nun komm, schlag ein, mach's rund und glatt.«
Da hatte er das Zeitungsblatt
Vom Tische flugs an einem langen
Wandnagel richtig aufgehangen.
»Oh die kann wohl da hängen bleiben,
Der Doktor sprach, doch muß ich morgen
Ja wieder eine neue schreiben,
Es wird kein andrer dafür sorgen.«

»So schreib hinein, es hätten heute
Zwei sehr geheimnisvolle Leute
Von hohem Rang die Stadt besehn,
Um morgen früh zu Schiff zu gehn;
Und nun trinkt aus, jetzt sind wir quitt,
Nun haltet mit nur gleichen Schritt,
Noch eine Flasche steht im Kübel,
Die sei nun auch die allerletzte,
Genug ist gut und mehr vom Übel,
Das Etikett, das arg zerfetzte –
Gewiß von einem Mausezahne –
Nennt uns ein Jahr, das längst versunken;
Wie dumm ist das! als ob's uns mahne
Bei jeder, die wir ausgetrunken,
Mit Zahlen an die Flucht der Zeit
Und irdische Vergänglichkeit,
Wie alles schwindet hier auf Erden,
Und wie wir immer älter werden.
Und dies Memento zum Verdruß
Bei unserm köstlichsten Genuß
Klebt an der Flasche grüne Wand
Des Küpers frevelhafte Hand,
Als hätte der auch ein Gewissen;
Wie oft hab' ich's schon abgerissen!
Ich habe, wenn der Wein mir schmeckt,
Vor Jahreszahlen nie Respekt
Und kann sie überhaupt nicht leiden
Aus Gründen, denn ich sag's euch beiden
Es ist ein töricht Unterfangen,
An dem Gewesenen zu hangen,
An das, was war, sich anzuklammern
Und ums verlorne Paradies,
Die gute alte Zeit, zu jammern.
Ihr jungen Leute, glaubt mir dies,
Ich sprech' aus ältester Erfahrung,
Tot ist Vergangnes, Nichts das Künft'ge,
Es gibt nur eine Offenbarung,
Das ist das allgemein Vernünft'ge,
Was euch in jedem Augenblick
Wirft seinen Schatten hin im Fluge,
Wer's sieht, wer's festhält mit Geschick,
Der ist der Glückliche, der Kluge;
'S ist wie die Fliege an der Wand,
An die ich mich behutsam schleiche,
Und wie ich nachseh' in der Hand,
Ist sie mir längst aus dem Bereiche.
Und dabei bleibt's doch ewig wahr,
Ist's auch im Wechsel noch so flüchtig,
Die Gegenwart zahlt blank und bar
Euch ihre Schuld, mahnt sie nur tüchtig;
Ihr dürft nur nicht zuviel verlangen,
Denkt nicht, ihr könnt beim Glücke borgen,
Was ihr verdient, sollt ihr empfangen,
Und das noch nicht mal ohne Sorgen.«

Er hätte weiter noch gesprochen,
Hätt' ihn mit allerlei Gebärden
Der Doktor hier nicht unterbrochen,
Der ungeduldig schien zu werden.
Er hatte mit dem Kopf geschüttelt,
Dann wieder einmal mit der Flasche
Das Eis im Kübel umgerüttelt
Und jetzt, als ob er Fliegen hasche,
Holt mit der Hand er aus und packt
Im Nu die Flasche, daß sie knackt.
»Sieh, Käuzchen, was ich hier gefangen!
Rief er und hielt die Flasche hoch,
Hierin ist was, das längst vergangen,
Und dessen Gegenwart du doch
Mir sicherlich nicht leugnen wirst,
Damit beweis' ich, daß du irrst.
Sieh diesen edlen, goldnen Wein,
Das ist vergangner Sonnenschein;
Die Strahlen, die vielleicht noch immer
Den Raum durchziehn, um einen Schimmer
Auch auf die einsam letzten Sterne
Zu werfen in der Weltenferne,
Die sind auf Erden längst verblichen,
Und lang, lang ist die Glut entwichen,
Die diesen firnen Wein gekocht
Und jetzt in unsern Adern pocht.
Und nun dies Eis ist über Nacht
Wohl auch nicht auf dem Rhein gefroren
Von einer überwundenen Macht
Vor manchen Monden ward's geboren,
Und dennoch kühlt's den Trunk im Glas,
Von dem noch deine Lippen naß.
Hier hast die Kraft du von zwei Wesen,
Die längst geschwunden und gewesen,
Sie mußten beide zeitig sterben,
Damit wir fröhlich sie beerben.
Dezemberkälte, Hundstagsglut
Gefielen beide uns nicht gut,
Doch auferstanden aus dem Grabe
Der tiefen Keller, welche Labe!
Von Sommerbrand und Winterfroste
Ist hier vereint das beste, – koste!«
»Ganz aus der Seele mir gesprochen!
Rief ich, jetzt bist du ausgestochen;
Laß dir die Laune nicht verderben
Um diese goldgedruckte Zahl,
Mein'twegen wirf die Flasch' in Scherben,
An der sie steht, leer ist sie mal,
Doch halt' die Jahreszahl in Ehren,
Dem hat sie Glück, dem Leid gebracht,
Und keiner kann davor sich wehren,
Der Müller schimpft, der Winzer lacht;
Bei mir ist sie gut angeschrieben,
Denn in dem Jahre lernt' ich lieben.«
Der Doktor packt am Arm mich fest:
»Dann deiner Liebe diesen Rest!«
»Was? rief ich, ist das auch ein Toast?
Der Liebe einen Rest zum Trost?
Damit stoß' ich mit dir nicht an!«
»Hast Recht, sprach jener, aber dann,
Dann wird nichts andres übrig bleiben,
Als nochmal an den Mann zu schreiben,
Was meint ihr? 's ist noch Eis im Eimer,
Wenn man noch eine Rüdesheimer,
Noch eine einz'ge kalt drin setzte?
Es sei die allerallerletzte,
Wir Dreie kommen niemals wieder –«
»So jung zusammen! fiel ich ein,
Damit wärst du nun glücklich nieder!
Das ist der alte Spruch am Rhein,
An dem ein Meer voll Wein schon rostet,
Und der mich manche Nacht gekostet;
Was sagst du dazu, Eulenspiegel?« –
Schwapp! fühlte ich ein kräftig Siegel
Auf meinen raschen Lippen brennen,
Denn ich vergaß mich, ihn zu nennen.
Der Doktor hatte nichts gesehen,
War nebenan im Saal verschwunden,
Um nach dem Kellner auszuspähen,
Und rief nun freudig: »Halt! gefunden!
Da stand geduldig im Büffet
Auf Posten schon der Kabinet.«
Er hielt sie zwischen beiden Knien,
Bemüht den Stöpsel aufzuziehn,
Der klang so kernig und so hell,
»Haha! das ist dein Gruß, Gesell!
Wie lieb' ich dieses wackre Klingen!
Jetzt laßt ein lustig Lied euch singen:

                    Fremder, sag' mir, wie du trinkst! –
Führst das Glas du an den Mund,
Legst aufs Faß du dich zum Spund,
Bückst du dich herab zum Kran,
Schlürfst aus Heber oder Hahn,
Aus Pokalen, laubbekränzt,
Blumenkelchen, taubeglänzt,
Aus dem Büffelhorn, dem krummen,
Aus dem Muschelhaus, dem stummen,
Aus der Höhlung eines Schädels,
Aus dem Schuhe deines Mädels,
Reiterstiefel, Eisenhut,
Kann' und Krug von irden Gut?
Sag' mir, Fremder, wie du trinkst,
Und dir sag' ich, wer du bist.

 

Jeder Wein, der klar und echt,
Jeder Humpen ist mir recht,
Jede Scherbe wird zum Becher
In den Händen kluger Zecher,
Doch zumeist laß' ich von allen
Wucht'gen Römer mir gefallen,
Drin des Maien duftig Kraut
Frisch und kühl im Golde braut.

 

Aber sage, wann du trinkst! –
Ist's ein Frühtrunk, ist's zum Schlafen
In des Feierabends Hafen,
Nach der Kirche wohl am Sonntag
Oder machst du blauen Montag?
Kommt's nur vor an hohen Festen
Unverhofft mit seltnen Gästen?
Oder aber geht in Eile
Dir kein Tag hin ohne Zeile,
Die mit Rebenblut du schreibst,
Keiner, wo du nüchtern bleibst?
Sag' mir, Fremder, wann du trinkst,
Und dir sag' ich, wer du bist.

 

Weinestropfen, Feuerfunken,
Wie ich gestern sie getrunken,
Will ich heute wieder trinken,
Denn es laden und es winken
Winternächte, Sommertage
Mich zum fröhlichen Gelage.
Nicht zu wenig, nicht zu viel,
Volles Maß und weises Ziel
Ist mein Wahlspruch bei dem Wein,
Gerne trink' ich nicht allein,
Doch vom Morgen bis zur Nacht
Trink' ich, wenn der Durst erwacht,
Auf der Bank und auf dem Hügel,
Jetzt im Keller, jetzt im Bügel,
In der Laube und im Zimmer,
Aber ach! mich dürstet immer.
Doch ein Trunk auf grünen Matten,
Wenn in hoher Bäume Schatten
Schöne Frau'n im Freundeskreis,
Ist mir alles Trinkens Preis.
Von den Bechern froh zu nippen
Und zu trinken von den Lippen
Wonnenrausch und Seligkeit,
Bin ich Tag und Nacht bereit.

Fremder, bist ein braver Mann!
Deine Hand! schlag' ein! stoß' an!
Bist mein Freund und bist mein Bruder,
Mit dir tränk' ich wohl ein Fuder,
Äß' mit dir den Scheffel Salz,
Fliege gleich dir an den Hals,
Freund und Bruder, braver Mann,
Trinke aus! schenk ein! stoß' an!

                  »Mir ist sie leider nicht gegeben,
Die freie, edle Kunst, zu singen,
Ich will mein volles Glas erheben,
Um es der Liebe darzubringen.
Der Liebe gilt's in allen Stadien,
In kürzesten, in längsten Radien,
Bei ihrem heimlichsten Erwachen
In eines blonden Kindes Brust,
Dem rosig noch die Tage lachen
Ach! unschuldsvoll und unbewußt;
Des Mädchens züchtigem Erröten,
Der stotternden Verlegenheit
Und all den tausend Herzensnöten,
In die sie die Verwegenheit
Des lieben, guten Jungen bringt,
Der, was ihm doch so schlecht gelingt,
So gern vor ihr den Helden spielt,
Der stets nach ihrem Fenster schielt
Und, wenn er wirklich sie dort schaut,
Doch sie zu grüßen sich nicht traut,
Der stolz ist auf die eigne Träne,
Und dem's in allen Adern siedet,
Wenn er die allerschönsten Pläne
Und ach! die schlechtsten Verse schmiedet.
Nun aber weiter frank und frei
Dies Glas dem ersten Kuß ich weih',
Wenn unterm hohen Himmelszelt
Die Sterne sind die einz'gen Zeugen,
Wie sich für dies' und jene Welt
Zwei Menschen geben ganz zu eigen:
Geteiltes Glück, besiegte Scheu,
Gestand'ne Lieb', beschwor'ne Treu', –
Was hast du, armes Menschenleben,
Was kannst du mehr, was Schön'res geben!
Und aller Liebe Lust und Huld,
Und aller Liebe Leid und Schuld,
Und was sie segnet, was sie sündigt,
Was ihre freie Kraft verkündigt,
Dem all zu Dank, dem all zu Ehren
Will ich dies volle Glas nun leeren, – –
Und will's noch einmal voll mir schenken
Dem frohen, treuen Angedenken
Von manchem lieben Jugendfreund,
Weiß Gott, wo ihm die Wange bräunt!
Die Freundschaft schätzt, wer Liebe lobt,
Ihr, die in Treuen mir erprobt,
Euch gilt es, wo ihr immer seid,
Hoch! lieber Bruder, tu' Bescheid!
Und denke, wenn's im Ohr dir klingt,
Daß dir ein Freund sein Smollis bringt.«
 

»Jetzt komm' ich auch wohl an die Reih?
Sprach Eulenspiegel, nun es sei!
Ich lobe mir das derb Gesunde
Mit etwas Sinnlichem im Bunde,
Lebendig, frisch und leicht beweglich,
Mit Wechsel und Genuß verträglich;
Die kräft'ge Tat, das dreiste Wort,
Ein Herz voll Gleichmut sei der Hort,
Der, was mir naht und was mir schwindet,
Mit Ernst und Leichtsinn überwindet,
Der immer führt zum rechten Ziel,
Der ruhig auch durch Tränen lacht,
Und der zum allerschlimmsten Spiel
Doch immer gute Miene macht.
Drum schlag' ich euch als Trinkspruch vor,
Trinkt jetzt mit mir auf den Humor.
Der ist das einz'ge Elixir
Bei allen Schäden und Gebresten,
Kriegt ihr einmal das arme Tier,
So heilt euch der am allerbesten;
Ihr kriegt's nicht mit Humor im Leibe,
Was auch der Doktor euch verschreibe,
Daß ihr gut schlaft und gut verdaut,
Und daß sich euch das Blut nicht staut,
Hilft alles nichts und ist nicht nötig,
Nur der Humor ist wundertätig.
Ihr seht die Welt mit andern Augen,
Die Welt sieht euch ganz anders an,
Und statt euch gründlich auszusaugen,
Macht sie euch noch zum reichen Mann,
Denn so beherrscht ihr Schmerz und Lust,
Bucht den Gewinn, tragt den Verlust
Mit Mannesmut und mit Geduld,
Von Herzen froh und frei von Schuld.
Und was das beste dabei ist,
Ihr überteufelt alle List,
Mit der das Schicksal euch umstrickt,
Wenn mit Humor ihr euch drin schickt,
Denn der Humor, der wahre, ächte,
Zwingt aller bösen Feinde Mächte;
Hier ernste Kraft, dort tolle Launen,
Laßt andre über Wunder staunen,
Der Phönix steigt aus Flammenresten,
Und wer zuletzt lacht, lacht am besten.
Drum lustig, lustig, Brüderlein!
Das letzte laßt das beste sein.
Werft alles andre über Bord,
Den letzten Trunk, das letzte Wort
Laßt immer den Humor behalten,
Den laßt in allen Dingen walten,
Er ist der Weisheit tiefster Grund,
Ist alles Suchens reichster Fund,
Verloren ist, wer ihn verlor,
Hurrah! es lebe der Humor!«
Und klirrend flog das leere Glas
Zersplitternd an des Zimmers Decke,
Gleichviel ob's auch – was schert ihn das! –
Da oben einen Träumer wecke.
»Da! Bruch und Schutt! nun ist's getan,
Nun marsch zu Bett! sonst kräht der Hahn.«
Ein kurzer Abschied ward genommen,
Der Doktor an die Tür geleitet,
Er sprach von balde wiederkommen,
Bekanntschaft Freude ihm bereitet, –
Doch stramm und grade war sein Schritt
Und bald verscholl sein schneller Tritt.
Uns leuchtete der Kerze Flimmer
Die Trepp' hinauf in unser Zimmer.
Till war im Umsehn ausgekleidet;
Fast hätt' ich ihn darum beneidet,
Wie schnell er einschlief, mußt' ich nicht
Die traurige Entdeckung machen,
Als ich gelöscht am Bett das Licht
Und lag nun zwischen Schlaf und Wachen
In weiche Linnen eingesargt:
Hilf Himmel! Eulenspiegel schnarcht!


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