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Bild: Max Slevogt

Der Großkönig

So mancher Herrscher, ausgezeichnet durch den Glanz und die segensreichen Erfolge seiner Taten, hat den Ehrennamen des Großen erhalten, wie Karl der Große, Friedrich der Große. Der persische Großkönig aber führte diesen Titel, weil er über ein unermeßliches Reich regierte, wie es früher noch keines auf Erden gegeben.

Der Gründer des Reiches war der große Kyros, der an der Spitze seiner Landsleute, der Perser und Meder, viele Völker unterjochte. Seine nächsten Nachfolger, besonders Dareios I,, der tüchtigste derselben, erweiterten das Reich noch um ein Bedeutendes, so daß mit der Zeit 56 Völker von mancherlei Sprachen zusammengekettet waren. Die Perser und Meder genossen als das herrschende Volk wichtige Vorrechte, alle übrigen wurden als unterworfene behandelt. Nach jenen ersten Regenten begann der Verfall des Reiches, und in den folgenden Jahrhunderten schritt es mehr und mehr seinem Untergang entgegen. Zur Regierung einer so ausgedehnten Herrschaft gehörte eben ein starker Arm und große Staatsklugheit, und diese Eigenschaften fehlten den späteren Königen. Und wie die Könige sanken, verloren auch die Völker ihre frühere Kraft. Die Vornehmen verfielen in Üppigkeit und Schwelgerei, und auch das Volk büßte allmählich die Vorzüge ein, die es früher besessen, als noch jedermann Wert darauf legte, ein guter Reiter, sicher treffender Bogenschütze und stets wahrhaftig zu sein. Jedes einzelne Volk mochte für seine Landschaft Liebe hegen, aber ob das Reich sich hob oder sank, ob dieser oder jener König sie knechtete, ob er mit Recht oder Unrecht den Thron bestiegen, es war den Völkern gleich, wie es einer Schafherde gleich ist, ob sie diesem oder jenem Herrn angehört. Kam es daher zu einem Kriege, so waren sie wenig geneigt, für das Reich ihr Leben aufs Spiel zu setzen, und fochten nur aus Zwang; ist es doch manchmal geschehen, daß ein Feldherr es nötig fand, seine Krieger mit Peitschenhieben auf die Feinde anzutreiben. Doch, so schwach auch die Könige waren, der Schein ihrer Macht und die äußeren Formen ihrer Hoheit erhielten sich bis zur Zertrümmerung des Reiches. Es blieb von außen blank, während es im Innern längst hohl war.

Dem Großkönig wurde fast göttliche Ehre erwiesen. Wer ihm nahte, warf sich platt auf die Erde, als ob seine Augen die blendende Sonne der Majestät nicht ertrügen. Auf einem Steinbilde in Persepolis, wo der Großkönig Dareios I. und ein Diener mit einem Fliegenwedel hinter ihm dargestellt ist, trägt der Diener eine Binde über seinem Mund, und auf einem anderen Bilde führt ein Beamter Gesandte vor den König und hält die Hand vor dem Munde, während er zu ihm spricht; der unreine Atem des Untertans würde sonst den göttlich reinen Herrscher besudeln.

Der König lebte in strahlender Pracht. Seiner Residenzen waren mehrere, jede mit einem weiträumigen, herrlich geschmückten Palast ausgestattet. Sein gewöhnlicher Aufenthalt war die Stadt Susa, doch in der heißen Jahreszeit mochte er lieber in dem höher gelegenen und deshalb kühleren Egbatana wohnen, von Zeit zu Zeit war er auch in Babylon oder Persepolis. Von dieser letzteren Residenz haben sich noch genug Trümmer erhalten, daß man sich eine Vorstellung machen kann, wie ein persischer Königspalast aussah. Der Palast befand sich auf einer ausgedehnten Anhöhe der Stadt. Zwei Treppen von schön geglättetem Marmor, die sich oben vereinigten, führten zu dem Tor; auf jeder konnten zehn Reiter bequem nebeneinander die Stufen hinauf reiten. Die Königswohnung hatte eine Breite und Tiefe von mehr als zweihundert Fuß. Im Innern waren mächtige Säle, deren Decke auf ganzen Wäldern von überaus hohen, aus edelstem Gestein gearbeiteten Säulen ruhte. Wo man hinblickte, starrte es von Gold- und Silberschmuck, und die Wände waren mit riesigen, in Marmor gehauenen Bildern bedeckt, welche entweder Götter oder den König Dareios I. oder Xerxes mit Gefolge, im Frieden, im Kriege darstellten. Darunter sind Inschriften gesetzt, die man noch jetzt lesen kann; der Anfang einer solchen lautet etwa: »Ich bin Dareios, der große König, der König der Könige, der König dieser zahlreichen Länder.« Außer dem Palast waren auf der Anhöhe noch viele einfachere Häuser, welche die Beamten und Soldaten beherbergten, die zur Umgebung des Königs gehörten und alltäglich auf seine Kosten gespeist wurden; es sollen 15 000 gewesen sein, wovon 10 000 die Leibwache bildeten. König Dareios I. ließ sich seine künftige Ruhestätte in einem zwei Stunden von der Stadt gelegenen hohen Marmorfelsen aushöhlen; der Eingang dazu war schwierig; wer zu der hoch liegenden Totenkammer gelangen wollte, mußte sich an Stricken zu ihr aufziehen lassen. In demselben Felsen wurden später noch drei andere königliche Totenkammern angelegt, und ebensoviele in einem benachbarten Felsen.

An feierlichen Tagen erschien der König in einem langen Purpurrock mit weitem Überwurf und Beinkleidern, gleichfalls von Purpurstoff; ein goldener Gürtel hielt das Gewand zusammen, an ihm hing ein von Edelsteinen blitzender Säbel. Das Haupt bedeckte die Tiara, eine Art von hoher Mütze, welche der König allein mit aufrecht stehendem Zipfel, jeder andere nur mit niederhängendem tragen durfte. Die königliche Tiara war von blau und weißer Farbe und von einer Krone umgeben. Der Wert dieser Festkleidung wurde auf mehr als fünf Millionen Mark nach unserem Gelde geschätzt. Wenn der Großkönig Audienz erteilte, saß er auf einem goldenen Thron, über welchen ein Baldachin gespannt war, den vier goldene, mit Edelsteinen geschmückte Pfeiler trugen. Man sieht, alles zusammen gibt eine Pracht, die von keinem Märchenerzähler überboten werden kann. Nur selten ging der König zu Fuß; wenn es geschah, so wurden Teppiche vor ihm ausgebreitet, die kein anderer Fuß als der seinige betreten durfte. Außerhalb des Palastes sah man ihn öfter im Wagen, selten zu Pferde. Nur ein in hoher Gunst stehender Großer des Reiches wurde der Ehre gewürdigt, den König auf das Pferd zu heben (Steigbügel gab es noch nicht). Bei feierlichen Aufzügen wurden die Wege, durch die der Zug ging, mit Myrrhen bestreut und mit Wolken von Weihrauch erfüllt. Eine Kette von Bewaffneten war zu beiden Seiten aufgestellt, und Peitschenträger verhinderten jede Annäherung an den königlichen Wagen. Zu einer weiteren Reise wurden für den König, sein zahlreiches Gefolge und das massenhafte Gepäck außer einer Menge von Wagen nicht weniger als 1200 Kamele gebraucht.

Alle Perser durften mehrere Frauen haben, der Großkönig hatte deren sehr viele, Dareios I. ungefähr so viele, wie Tage im Jahr, 360. Doch nur eine war die echte Frau, die Königin, die anderen standen so tief unter ihr, daß sie bei jeder Begegnung vor ihr niederfallen mußten. Der König aß wie alle Perser nur einmal am Tage, aber die Mahlzeit währte lange. An der Tafel saß er in der Mitte auf einem reichen Divan mit goldenem Gestelle, die Königin-Mutter zu seiner Rechten, die echte Gemahlin zur Linken. Die Prinzen und die sogenannten Verwandten und Tischgenossen des Königs speisten in der Regel in einem vor dem Königssaal gelegenen Raume, nur bei Festmahlen mit dem Herrscher zusammen, doch auf dem mit Polstern oder Teppichen bedeckten Boden.

Der Großkönig war ein Despot im strengsten Sinne des Wortes; seine Macht war an kein Gesetz gebunden, sein Wille bestimmte über alles und über alle, er war der unbeschränkte Gebieter und die Untertanen von den geringsten bis zu den höchsten waren seine Sklaven, selbst die nächsten Verwandten nicht ausgenommen; nur ein Wesen gab es, dem er Ehrfurcht schuldete, dies war seine Mutter.

Indessen ein so ungeheures und bunt zusammengesetztes Reich wie das persische in Zucht und Ordnung zu halten, ging weit über die Macht auch des Gewaltigsten aller Sterblichen, daher war das Reich in Provinzen geteilt, von denen jede einzelne oder mehrere zusammen unter einem Stellvertreter des Königs standen, die Stellvertreter hießen Satrapen und ihre hauptsächlichste Aufgabe war das Volk dem König gehorsam zu erhalten. Sie hatten eine große Machtvollkommenheit. Zwar bereiste der Monarch bisweilen die eine oder andere Provinz, um sich zu überzeugen, daß sie nach seinem Willen verwaltet würde. Aber diese Reisen fanden eben nur selten statt, ein unredlicher Satrap hatte daher reichliche Zeit, statt zu des Königs und des Reiches Vorteil zu regieren, seine eigene Habsucht und Willkür zu befriedigen; er mochte denken: das Perserreich ist weit und der König fern. Ja, ein treuloser Satrap konnte sogar Anschläge machen, seine Satrapie vom Reiche loszureißen und Selbstherrscher zu werden. Da meinte denn der König, das einzige Mittel, dieses und ähnliches zu verhindern, sei, die Satrapen in steter Furcht zu erhalten, und zwar dadurch, daß schon auf leisen Verdacht hin, und ohne daß die Schuld gerichtlich untersucht war, heimlich oder öffentlich der Verdächtige umgebracht würde, was mehrmals geschehen ist. Überhaupt erwartete man im persischen Reich von der Treue, dem guten Willen und der Liebe des Volkes für König und Vaterland sehr wenig. Verdienste, die sich einer um den König erwarb, wurden bisweilen mit überschwenglichem Lohne vergolten, doch als die beste Bürgschaft für das Wohlverhalten des Volkes sah man den strengen Zwang an und die sichere Aussicht jedes Schuldigen auf grausame Strafen. Mit großer Erfindsamkeit wußte man immer neue und neue, immer schrecklichere und schrecklichere Mittel zu ersinnen, um Verbrecher oder auch bloß Verdächtige zu Tode zu quälen. Es wird von Zerquetschung zwischen Steinen, allmählicher Zerstückelung bei lebendigem Leibe, martervoller Einschließung in Tröge berichtet. Nur geringe Verbrechen konnten es sein, wenn man sich mit dem Blenden der Augen, Abschneiden der Nase, der Ohren, der Zunge, dem Abhauen von Händen, Armen und Füßen begnügte. Dareios I. war einer der besten Großkönige, gleichwohl als er gegen die Skythen zog und ein angesehener Perser ihn demütigst und inständigst bat, von seinen drei Söhnen einen zu Hause behalten zu dürfen, erwiderte der König, er solle seine Söhne alle behalten, und –ließ sie sofort töten.

Durch Furcht und Schrecken wurde das Volk im Zaum gehalten, aber wie das Volk sich vor dem Könige fürchtete, so war der König nicht ohne Furcht vor dem Volke, besonders vor den Großen des Reiches. Er fühlte sich unter ihnen nicht sicher, besorgte, daß sie ihn mit Gewalt oder Hinterlist um seine Macht oder sein Leben bringen möchten. Darum war er, wenn er sich dem Volke zeigte, stets von seiner nach Tausenden zählenden Leibwache umgeben. Gab er einem Untertan Audienz, so mußte dieser –bei Todesstrafe –in einem Kleide erscheinen, dessen Ärmel weit über die Arme hinaus hingen, damit er nicht seine Hände gegen ihn brauchen könnte. Saß er mit mehreren Gästen zu Tisch, so erhielten die zuverlässigsten ihre Plätze zu seiner Linken, die minder zuverlässigen zur Rechten, da der König sich im Notfall besser mit dem rechten als mit dem linken Arm wehren konnte. Der Mann, der ihm die Speisen vorsetzte, mußte vor seinen Augen selbst davon schmecken, der Mundschenk ein wenig aus dem Becher trinken, den er darreichte, weil es ja möglich war, daß in Speise oder Trank Gift gemischt war.

Ein persisches Sprichwort lautete: »Der König hat viele Augen und Ohren.« Dies gilt freilich von jedem Staate, denn der König braucht überall viele Beamte, die für ihn sehen und hören, um dann alles Wichtige an ihn oder seine höchsten Räte zu berichten. Allein im persischen Reiche wurde diese Aufsicht anders ausgeübt als in unseren Staaten, sie wurde gegen redliche ebensowohl wie gegen böse Menschen in möglichste Heimlichkeit gehüllt, die dazu bestellten Beamten waren als solche nicht bekannt. Es konnte leicht geschehen, daß ein Bürger plötzlich verhaftet und hingerichtet wurde, ohne zu ahnen, wer seine wirkliche oder auch nur vermeintliche Schuld angezeigt, da der Ankläger sich für seinen Freund ausgegeben hatte. Der Aufpasser gab bisweilen sogar einen Unschuldigen an, nur um zu beweisen, daß er für seinen Lohn auch in des Königs Dienst tätig sei. Eine andere Aufsicht erfolgte ganz offenbar. Längs den Hauptstraßen standen von Strecke zu Strecke Aufseher, welche jeden Vorübergehenden nach dem Ziel und Zweck seiner Reise befragten. Alle Boten, die Briefe mit sich führten, mußten diese zur Durchsicht übergeben, damit nicht etwa Aufträge von gefährlicher Art ausgeführt werden könnten. Die Erfolge solcher Aufsicht werden freilich nicht groß gewesen sein, denn außer den Hauptstraßen gab es ja noch viele unbewachte Wege, und es können ja auch mündliche Aufträge ebenso oder noch mehr gefährlich sein als schriftliche.

Zum Zweck einer schnellen Beförderung von Nachrichten war im persischen Reiche eine Einrichtung getroffen, welche mit unserer Post Ähnlichkeit hat. Auf den Straßen, die von der Residenz des Großkönigs zu den anderen großen Städten führten, waren im Abstande von je drei Meilen Stationen angelegt, wo sich stets Reiter mit schnellen Pferden bereit hielten, einen Brief sofort zur nächsten Station zu bringen. Auf diese Weise gelangte z. B. ein Schreiben auf der Straße von Susa nach Sardes, die ein kräftiger Fußgänger in etwa 100 Tagen zurücklegte, in 6 bis 7 Tagen und Nächten an seinen Bestimmungsort. Ob in glühender Hitze oder in tiefem Schnee, der Reiter mußte seine Strecke in eiligstem Galopp durchfliegen. Darum sagte man: »Die persischen Postreiter fliegen schneller als die Kraniche.« Diese Art der Beförderung war aber nur für die königlichen Angelegenheiten bestimmt, denn sie hatte besonders den Zweck, daß Nachrichten von Unruhen und Aufständen in den Provinzen und Anweisungen des Königs zu ihrer Unterdrückung ihr Ziel erreichten, bevor der Aufruhr sich gar zu weit verbreiten könnte.

Die Hellenen (Griechen) nannten alle Völker, welche ihnen in geistiger und sittlicher Bildung nachstanden, Barbaren, ein Ausdruck, womit sie mehr oder weniger ihre Verachtung für sie kundgaben, und so zählten sie auch die Perser zu den Barbaren und sahen mit Stolz auf sie herab. Die Hellenen lebten unter ganz anderen Verhältnissen als jene. Das kleine Hellas (Griechenland) bestand aus einer beträchtlichen Zahl von untereinander unabhängigen Freistaaten, in deren jedem das Streben des Volkes auf ein möglichst –bisweilen zu ihrem Schaden –großes Maß von Freiheit gerichtet war. Eine Königsherrschaft konnte sich meistens nur für kurze Zeit erhalten, die Regierung lag fast überall in den Händen der Erwählten des Volkes. Auch in den hellenischen Staaten gab es Sklaven, sehr viele Sklaven, aber so hießen dort nur die wirklichen Diener der Bürger. Die Hellenen waren überzeugt, daß edle Gesinnung, Ehrgefühl und todverachtender Mut nur in einem freien Staate gedeihen könne, und allerdings hatten sie in so mancher Schlacht, wo ein Hellene gegen zehn Barbaren stand, glänzende Siege erfochten.

Bild: Max Slevogt


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