Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erster Aufzug.

Herzoglicher Palast zu Ferrara.

Erster Auftritt.

Lucretia. Leonore.

Leonore.

Gesegnet sey dein Eintritt in dies Haus,
Dreimal gesegnet! – Endlich, endlich wieder
Ein Wesen, das mich kennt, dem ich vertraue!

Lucretia.

Von dir getrennt, macht mich die Sehnsucht krank.

Leonore.
In mich verschlossen, wie ein strenges Gift,
Das das Gefäß zerstört, in dem es ruht,
Hab' ich mein unglückseliges Geheimniß;
O, süßer Trost, es wieder auszusprechen
An meiner Freundin Brust – noch lieb' ich Tasso! –
Ach, diese Liebe hat ihm Fluch gebracht! –
Mein ist die Schuld, daß er begraben liegt
Seit sieben Jahren in den grausen Mauern
Von Sankt Anna! daß Italiens Kleinod,
Die Freude, das Entzücken einer Welt,
Das Wunder unsrer Zeit und aller Zeiten,
Im Haus des Wahnsinns eingekerkert schmachtet,
Und allgemach sein Leben dort verhaucht! –
Mein ist die Schuld, daß, zugesellt der Tollheit,
Gemartert und gehöhnt, und wund gehetzt,
Nie aufgerichtet und gekostet nie,
Der edle Geist in Finsterniß sich hüllt,
Und, von der Quäler Grausamkeit empört,
Verzweiflung selber sich zum Wahnsinn steigert!

Lucretia.

Du wär'st die Schuld? wie so? Wie kannst du's seyn?

Leonore.

Ich bin's, ich bin's! Um mich, weil ich ihn liebe,
Weil mich Torquato liebt', ist er vermauert
In seines Kerkers undurchdringlich Grab.

Lucretia.

Man sagt, daß frevler Worte Tasso sich
Erkühnt, und daß sein Geist krankhafte Spuren
Theilweisen Irreseyns bemerken ließ.

Leonore.

Ein Vorwand ist's, Gewaltthat zu beschönen!
Und wär' es Schmähung selbst der Majestät,
Ein unbesonnen hingesprochen Wort,
G'nügt es, der Krone Perle hinzugeben?
Denn das ist Tasso, und Ferrara's Ruhm,
Und seiner Fürsten Namen wird die Welt
Künftig nur nennen, wenn sie Tasso nennt.

Lucretia

Wohl hast du Recht, und einen Fleck wird nun,
So weit des Rufes Stimme wandernd schallt,
Alphonsens Name tragen durch die Zeit,
Wenn einst die Sag' erzählt, wie jener Mann,
Dem sich kein anderer vergleichen läßt,
Geachtet ward am Hofe zu Ferrara.

Leonore.

Fürwahr, nicht ihn zu heilen, der gesund,
Ihn krank zu machen, ward er eingesperrt,
Und leicht gelingen konnt' ein solches Mittel
Bei einem Geiste von so heft'ger Art! –
Kein Zweifel ist, seitdem Alphons erfuhr,
Warum ich, abhold seinen Lieblingsplanen,
Mich jeder Ehe weigerte, die er
Mit rücksichtslosem Eifer vorbereitet,
Hat sich ein blut'ger Haß tief in sein Herz
Genistet gegen ihn, der es gewagt,
Den Blicken seiner Schwester zu begegnen! –

Lucretia.

Wohl ist es, wie du sagst. – Sprach nicht ein Wunsch
Durch ganz Italien laut? – Die Fürsten alle,
Der Kaiser, ja, der heil'ge Vater selbst,
Sie haben mündlich, schriftlich sich verwendet
Für seine Freiheit; – was erreichten sie?
Die Luft nur ward bewegt, doch nicht sein Wille.

Leonore.

Wohlan! versuchen wir es Einmal noch! –
Ein schöner Tag erscheint jetzt diesem Hofe:
Ein lang' gehegter, lang ersehnter Wunsch
Naht der Erfüllung. Seines Zieles froh,
Ist unser Bruder milder wohl gestimmt
Als sonst. Vereint in diesem Schloß
Ist alles, was durch Blut- und Freundesband
Ein Recht hat an sein Herz: laß Einmal noch
Gemeinsam uns versuchen, was uns frommt.
Auf deine Hülfe bau' vor andern ich,
Und Tasso ist's, für den ich Hülfe suche!

Lucretia.

Nicht so viel Worte braucht's, mich zu bewegen!
Ob ich gleich nicht, ein Heil'genbild, wie du,
Ein höh'res Wesen, thron' in seinem Herzen,
Denk' ich doch dankbar noch an jene Zeit,
Wo zu Castel Durante manches Lied
Auf meine weißen Hände er gedichtet.

Leonore.

O, scherze nicht, vermehre nicht mein Leid;
Die Zeit, wo Scherz mir wohl that, ist verronnen.
Ich habe abgesagt dem Glück der Liebe,
Und unvermählt, ich schwor' es, will ich sterben!
Es ist nicht Sehnsucht, es ist Hoffnung nicht,
Die mich bewegt, und die mein Herz erfüllt; –
Der Tasso, den ich liebte, lebt nicht mehr,
Und einer Wittwe acht' ich längst mich gleich!
O, er ist hin, er, der ein Gott einst war! – –
Was will ich denn? was ist's, wonach ich strebe? -
Ein armes, krankes, lebensmüdes Wesen,
An dem der Wahnsinn und der Kerker zehrt,
Den Schatten, der nach seinem Grab sich sehnt.
Ihn will ich aus der bangen, öden Nacht,
In der er, angekettet, duldend lag
Durch sieben lange, martervolle Jahre,
Noch Einmal ziehn heraus an Luft und Licht!
Daß noch die Erd' ihn einmal, eh' er scheidet,
Anlach' mit ihrem Rosenangesicht;
Daß noch der Sonne Glanz ihn einmal labe,
Der Büsche Rauschen und der Wipfel Wehn,
Daß er die Blumen noch, die Quellen schaue,
Und schaue in ein liebend Menschenauge,
Und an dem treuen Busen seiner Schwester
Die Larven fliehe seiner eignen Brust.

Lucretia.

Ich denke, nicht, den Herzog zu entschuld'gen;
Doch auch an giftiger Geschäftigkeit
Nicht hat's gefehlt, mit der sein Ohr man füllt
Und hemmt des Herzens mildere Entschließung.

Lucretia.

Es war des Bruders, es ist uns're Gunst,
Die Feinde ihm erregt an diesem Hofe,
Es ist die Bosheit, die im Dunkeln schleicht,
Gemeiner Neid, der nichts Erhabnes duldet,
Der pfauengleiche Hochmuth dieser Schranzen,
Der nicht ertragen kann, daß über ihn
Und seine nichtige Erbärmlichkeit
Ein selbstgeschaffenes Verdienst sich stelle!

Lucretia.

Nun denn! wir wollen sehn. – Es liebt Alphons,
Du weißt, den Herzog sehr von Mantua,
Den Herzog von Urbino, meinen Gatten,
Die Gräfin Sanvitale Scandiano –
Sie alle sind zum Feste hier versammelt,
Und schließen gern sich unsern Bitten an.

Leonore.

Und noch ein Wunsch ist, der mein Herz bewegt:
Ich will ihn sehn, ich will Torquato sehn!

Lucretia.

Du wolltest – ? wie?

Leonore.

Ihn einmal sehen, ja!
Noch Einmal, eh' sein Schicksal sich erfüllt! –
Ich will es sehn mit meinen eignen Augen,
Wie man dies edle Götterbild zerstört,
Das einst das Haupt so hoch und herrlich trug,
Und das, gebeugt nun, in die reichen Locken,
Durch die der helle Lorbeer sonst sich wob,
Verzweiflungsvoll den Staub des Bodens streut!
Ja, ich will sehn, wie jene süßen Steine,
Aus denen Gluth, Begeist'rung, Ehre, Liebe,
Jedwede Glorie der Erde schaute,
Stier und erloschen starr'n, und nur zu Zeiten
Aufleuchten, wie ein Blitz aus tiefer Nacht. – –
Ich will ihn sehn, nicht sprechen; sehn von ferne,
Selbst nicht bemerkt von ihm! – Heut' oder nie!
Beschäftigt mit dem Fest ist Hof und Stadt,
Und niemand denkt des Irren von Sankt Anna.
Den Augenblick benütz' ich, eh' er flieht,
Daß ich – das letztemal in diesem Leben –
Noch eine kurze, schmerzliche Minute,
Den ich im Glück geschaut, im Jammer schaue! –

(Sie zieht an der Glocke.)

Zweiter Auftritt.

Vorige. Ein Page (tritt ein).

Leonore.

Harrt noch der Castellan im Vorgemach?

Page.

Ja, Euer Hoheit.

Leonore.

Laß ihn ein.

(Der Page entfernt sich.)

Lucretia.

Ich fürchte –

Leonore.

Selbst wenn zu fürchten wäre, laß mich's wagen.

Dritter Auftritt.

Vorige. Der Castellan.

Leonore.

Nun? habt Ihr meinem Auftrag nachgedacht,
Und ist's Euch möglich, meinen Wunsch zu fördern?

Castellan.

Ich hoffe, Euer Hoheit! – Um die Zimmer
Der Irren, die in meiner Obhut sind,
Geht rings ein Säulengang, von dem herab
Ich jeden Augenblick, wenn's mir beliebt,
Kann in das Innere der Zellen schauen –
Denn stete Aufsicht thut den Irren noth. –
Wenn Eurer Hoheit es genehm, so führ'
Ich Euch an jene Stell', und unbemerkt
Könnt Ihr am Fenster weilen, Euch entfernen,
Wie's Euch gefällt.

Leonore.

Wohl denn, erwartet mich.

(Der Castellan geht ab,)

Leonore.

O, welch ein Wiedersehn, das mich erwartet!
Wie anders hat das Leben sich gestaltet,
Als ich geträumt in meinen schönen Stunden!
Und welch Erwachen folgt auf diesen Traum!

(Beide gehen ab.)

Vierter Auftritt.

Irrenhaus zu St. Anna, Tasso's Wohnung. Ein hohes, gewölbtes Gemach mit zwei Seitenthüren. Oben im Hintergrunde eine große gothische Glasthüre, die auf die Gallerie geht, die die Zimmer der Irren umgibt.

Tosso und Angioletta, die seitwärts sitzt, mit einer weiblichen Arbeit beschäftigt, welche sie von Zeit zu Zeit niederlegt und Tasso betrachtet, Später der Castellan.

Angioletta.

Heut' ist ein schöner, warmer Frühlingstag:
Die Vögel zwitschern und die Blumen duften,
Und laue Lüfte wehen durch das Fenster! –

Tasso.

Was sprichst du mir von Frühling, Blumen, Düften!
Für mich gibt's keinen Frühling, keinen Herbst;
Es steht die Zeit still über meinem Haupt,
Es fliehet Jahr auf Jahr und unverrückt
Bleibt auf der eh'rnen Uhre meines Leidens
Der Zeiger immerdar! – –
Vergessen hab' ich, wie der Frühling duftet,
Wie bunt der Herbst in üpp'ger Fülle schwellt;
Auf meine Marterbank lieg' ich gestreckt,
Wie der Titan am Boden angefesselt,
Und eine Welt von Schmerzen liegt auf mir.

Angioletta.

Habt nur Geduld und bleibt gelassen, Herr;
Ihr wißt, wie jede Heftigkeit Euch schadet. –

Tasso.

O, daß es wäre! daß sie schaden möchte!
Doch so ist's nicht! – Aus siebenfachem Stahl
Ist dieser Körper, wie er siech auch scheint,
Und Keulenschläge fallen auf dies Haupt,
Und können's nicht zerschmettern. – 's ist zum Weinen!

Angioletta.

Da kommt der Ohm.

Der Castellan tritt ein.

Tasso.

Was Neues bringt Ihr, Freund?

Castellan.

Signor Montecatino wünscht Gehör:
Er kommt geschickt von unserm Herrn dem Herzog.

Tasso.

Montecatino? – Nein, ich will ihn nicht,
Will ihn nicht sprechen, will nicht, sag' ich!

Castellan.

Doch
Er kommt in Auftrag unsers Herzogs, Herr!
Ihr könnt ihn ungesehen nicht entsenden.
Auch würd' er schwerlich gehn, bis seinen Auftrag
Er nicht vollzogen. Glaubt, er wird Euch sehn,
Auch gegen Euren Willen.

Tasso.

Bei'm höchsten Gott!
Ist's nicht genug, daß ich, gefangen hier,
Nicht sehn darf die, die mich zu sehn verlangt,
Muß ich ertragen, die ich hass', und muß
Die meiden, die ich liebe? Nein, nein, nein!
Noch Einmal nein! heißt ihn zum Teufel gehn!

Castellan.

Mein guter Herr, Ihr macht mein Amt mir schwer!

Tasso.

Der hämisch widerwärt'ge Schurke, der
Am Boden kriecht im Staube, wie ein Hund,
Wenn er auf tausend Schritt den Herren wittert,
Und wie ein stolzes Roß die Nüster bläht,
Und schnaubt, als widerstände seiner Lunge
Die Luft, die er selbander eingeathmet
Mit Einem, der ihm niedrer dünkt als er.

Castellan.

Was aber ficht das Euch an, lieber Herr?
Was Euch betrifft, Ihr seyd ja seines Gleichen,
Ein Edelmann wie er.

Tasso.

Ich glaub', Ihr faselt!
Die Adern würd' ich öffnen hier zur Stelle,
Hätt' einen Tropfen Blutes ich in mir
Nur, der ihm gleicht! Ich seines Gleichen? Nein!
Dem Himmel Dank, ich bin nicht seines Gleichen!

Castellan.

So war es nicht gemeint; ich dachte nur,
Weil Ihr ein Herr wie er –

Tasso.

Versteht mich recht.
Ich bin nicht stolz, fürwahr! Wie sollt' ich auch?
Ich habe, traun, nicht Ursach', es zu seyn.
Ich kenne mich, und Gott ist es bekannt,
Daß ich nicht mild auf meine Schwächen schaue.
Ich habe mehr der Fehler, als ich Athem,
Sie zu bekennen, habe. – Daß ich hier
Seit sieben Jahren eingekerkert schmachte,
Es ist gerechte Sühnung meiner Sünden,
Und hat sie Gott verhängt, will ich sie tragen.
Doch meine Quäler sind nicht meine Richter,
Nicht gegen Menschen hab' ich mich vergangen,
Und ihrem Urtheil fall' ich nicht anheim:
Und wär' ich schwarz, schwarz wie Gewitternacht –
Gestellt zu ihnen, bin ich weiß wie Schnee.

Castellan.

Darf ich den Herrn vom Hof einführen?

Tasso.

Wie?
Den Ohrenbläser, den Verleumder, ihn,
Der stets mein ärgster Feind gewesen? – Nein!
Feind? immerhin! war' er ein offner Feind,
Stirn gegen Stirn, Schwert gegen Schwert – und wenn
Ich jetzt sein Eisen fühlt' in meiner Brust,
Ich wollt' die Hand ihm reichen, ihm verzeihn;
Doch wenn ich denke, wie er sich gemüht,
Um meinen guten Namen mich zu bringen
Mit gift'gem Hohn, mit Bosheit, Hinteilist –
Beim Teufel, nein! ich will, ich will ihn nicht.
Und hätten ihn zehn Herzoge gesendet!

Angioletta.

Torquato! –

Tasso.

Nun?

Angioletta.

So seyd gelassen doch!
Ist's das, was Ihr mir gestern noch verspracht?

Tasso.

Du gutes Kind! Ja so! – Nun, sey nicht böse.
Mein altes Uebel hat mich überkommen.
Recht, Angiolett', ich will gelassen seyn,
Wär's auch nur eben, weil ich's dir versprach! –
Nun denn, so geht und laßt den – Schurken kommen!

(Der Castellan entfernt sich.)

Angioletta.

(steht auf und nähert sich dem Tasso).

Tasso! Ertragt den Fremden mit Geduld,
Und wie er Euch verhaßt auch, denkt, er kommt
Im Auftrag unsers Herrn! – Empfangt ihn gut!

Tasso.

Du liebe Blume! – Ja, ein gütig Wesen
Hat dich hieher gesandt in meinen Kerker!
Wenn ich dich seh', dünkt mich, ich athme wieder
Den frischen Strom der Bergluft, schaue wieder
Wald, Quelle, Wiesen, Blumen, Sonnenlicht,
Und deiner Stimme holder, sanfter Klang
Tönt mir wie eines Vogels Waldgesang,
Der durch das dunkle Grün der Wipfel dringet,
Und »Freiheit, Freiheit!« tönt es, wenn er singet!

Fünfter Auftritt.

Vorige. Montecatino. Der Castellan.

Montecatino.

Ei, Tasso, Gott zum Gruß! – Wie geht's Euch, Tasso?
Ihr ließt mich lange warten, werther Herr;
Ein Freund wie ich sollt' ungemeldet kommen.

Tasso.

Verzeiht! ich bin ein Kranker, wie Ihr wißt, –
Man sagt es mindestens, – da mag's gescheh'n,
Daß ein Besuch mir unerwartet kommt,
Zumal von Euch. – Zur Sache, wenn's beliebt!
Was ist's, das mich der Ehre würdig macht,
In meines Kerkers Mauern Euch zu sehn?

Montecatino.

Kerker? – Seht, das ist nun wieder eine
Von Euren kranken Vorstellungen. – Kerker!
Glaubt mir, der Herzog will Euch wahrlich wohl,
Und weil Ihr denn an einem Zustand leidet,
Der Aufsicht heischt und stets bereite Hülfe,
Hat er Euch hier zur Pflege hergegeben,
Nach bestem Rathe aller Eurer Freunde,
Nur Euer Bestes wünschend.

Tasso.

Vielen Dank
Dem gnäd'gen Herzog!

Montecatino.

Ihr seht blaß, mein Freund,
Man merkt, daß Ihr bedeutend übel seyd.
Am Hof erzählt man, daß Ihr ziemlich oft
Anfälle habt von – Melancholie.

Tasso.

Herr –

Montecatino.

Doch ist der Ausdruck Eurer Mienen nicht
Erschreckend, wie's oft pflegt bei solchen Kranken.

Tasso.

Herr, ich bin nicht so toll, wie man wohl glaubt
Am Hof – ich unterscheide noch recht gut
Den würd'gen Mann vom – doch zur Sache! – weiter!

Montecatino.

Nun seht, ich sagt' es immer Seiner Hoheit,
Wenn man von Eurem Unglück sprach: es ist
Ein körperliches Mißbehagen bloß,
Das ganz gewiß von schwarzer Galle kommt,
Und nur beiher manchmal in Phantasien
Ausbricht.

Tasso (für sich).

Geduld! Gib mir Geduld, o Himmel!

Montecatino.

Ihr seyd viel selber Schuld an Eurem Zustand.
Es fehlt Euch nicht an manchen guten Gaben,
Die man erkennt und schätzt, wie sie's verdienen;
Doch – Ihr verzeiht – Ihr habt Euch viel zu sehr
Hochfliegend eitlem Wahne hingegeben,
Und Hoffnungen, die, wenn Verbrechen nicht,
Doch Thorheit waren.

Tasso (seufzend).

Das ist wahr!

Montecatino.

Ihr Dichter
Seyd, wie man sagt, ein leicht erregbar Volk,
Alles verletzt Euch gleich. Gesteht es ein,
Der Crusca Urtheil über Euer Werk
Hat sicher mehr als billig Euch gekränkt.

Tasso.

Mit nichten, Herr! – Ist, was ich schreibe, gut,
Macht es der Krittler Stimme schlechter nicht;
Laßt sie's begeifern! – Eine Stimm' in mir
Heißt mich dem Geist, der mich erfüllt, vertrauen,
Ich habe manch ein fühlend Herz entzückt,
Manch thränenvolles Auge könnt' ich schauen,
Das, durch mein Lied der niedern Erd' entrückt,
Auf meinen Schwingen flog, und mancher Dank
Ward mir von würd'gen Männern, edlen Frauen
Was kümmert mich die Crusca und ihr Spruch!

Montecatino.

Haha! Glück zu, mein Freund!

Tasso.

Lacht immerhin!
Mir ist die Kunst, die mir ein Gott verliehn,
Ein Glück, das ich mit keinem Andern tausche!
Nicht Dünkel, Dummheit, Neid, Verfolgung nicht,
Selbst dieser Kerker hat mir's nicht entrissen.
Gerettet ruht der Schatz in meiner Brust
Und bleibt verwahrt für eine bessre Zeit.
Die edle Gabe hab' ich nie entwürdigt,
Gemeinem Beifall hab' ich nie gefröhnt,
Und nur für Edles ist mein Lied erklungen.
Man mag mich schmähen, mich verfolgen, – sey's!
Lacht meines Wahns, sey er Euch lächerlich;
Ich lass' Euch Euren Vortheil in der Welt,
Laßt mir den meinen, der Euch wenig frommt.

Montecatino.

Ich neid' ihn nicht, Torquato, und nicht wollt' ich,
Daß mich der meine nach Sankt Anna brächte.

Tasso.

Recht habt Ihr, Recht! – Und doch, Montecatino,
Wie Ihr so vor mir steht im Schein des Glücks,
Wie Ihr geachtet, hochgeehrt am Hofe,
Viel schon erlangt, mehr noch erlangen werdet;
Wie Ihr Euch sonnt im Strahl der Herrengunst,
Indeß des Herzogs Zorn verbannt mich hält,
Ich hier verlassen, krank, verleumdet weile: –
Doch will mich schier bedünken, wenn mein Geist
Die künft'ge Zeit vorahnend überschaut,
Es weh' um mich fast wie Unsterblichkeit,
Und Tasso werde leben in der Zeit,
Wenn Euer Nam' und Euer Glanz vergessen.

Montecatino.

Nun, ich gesteh', Euch trägt der Wahn hübsch weit.

Tasso.

Mag seyn! ich bin, wie man am Hof' erzählt,
Nicht immer meiner guten Sinne mächtig;
Nehmt, was ich sage, wie der Ort es heischt,
An dem Ihr's hört. Und nun, noch Einmal, Herr,
Bedeutet mir den Auftrag Seiner Hoheit.

Montecatino.

Ihr habt ein Schreiben an den Herzog jüngst –

Tasso.

Bringt Ihr die Antwort mir? O, gebt, gebt schnell! –

Montecatino.

Nicht schriftlich, mündlich nur –

Tasso.

Wie? – und durch Euch?

Montecatino.

Mir thut es leid, mißfällt der Bote Euch,
Die Botschaft dürft' Euch minder noch gefallen.
Der Herzog untersagt Euch auf das strengste,
Ihn zu belästigen mit Euren Briefen,
Nicht ihn, nicht Andere, wen es auch sey.
Ihr habt die Fürsten alle rings behelligt
Mit Euren Bitten und mit Euren Klagen;
Unziemlich findet Seine Hoheit das.

Tasso.

Unziemlich? wie? Unziemlich, daß ich klage?
Unziemlich, daß für meine Freiheit ich
Fürsprache suche, wo mein Wort nicht frommt?
Alphons, Alphons!

Montecatino.

Versucht Ihr's Einmal noch,
Wird Eure Haft viel enger Euch beschränken. –
Von Briefen, die Ihr künftig etwa schreibt,
Befahl der Herzog, Einsicht mir zu nehmen;
Nur solche, deren Inhalt unverfänglich,
Werd' ich befördern.

Tasso.

O, zu viel! zu viel!

Montecatino.

Mir ist besondre Aufsicht übertragen
Auf Euch, mein guter Tasso. Was Ihr wünscht,
Was Ihr bedürft, wenn's anders mir verträglich
Mit Eurer Lag', erhaltet Ihr durch meine
Vermittlung künftig. Nehmt es als ein Zeichen
Besondern Antheils von des Herzogs Hoheit,
Der meiner Freundschaft Euer Wohl vertraut.

Tasso.

Ha, meine alte Ahnung! – ich verstehe!

Montecatino.

Und nun lebt wohl! Sucht Euren Sinn zu meistern;
Der beste Arzt für Eure Krankheit seyd
Ihr selbst. – Noch Eines! – Die Prinzessin schickt
Hier Euer Schreiben uneröffnet wieder!
Nehmt's hin; Ihr seht, es ist verlorne Mühe,
Wenn Ihr sie künftig noch belästiget.

(Er geht ab. Der Castellan begleitet ihn.)

Sechster Auftritt.

Tasso. Angioletta.

Tasso.

Auch Sie! auch Sie! auch Sie! – O, Leonore! –
So ist denn Alles hin, erloschen Alles!
So ruft nichts mehr mein Bild in deine Seele,
Den Klang der Stimme in dein Ohr zurück?
Verbannt, vergessen überall! – todt, todt,
Bis auf den Schatten der Erinnerung! – –
Gibt's keinen Schmerz, der mir erlassen bleibt?
Was that ich denn, daß meine arme Seele
Gefoltert wird mit unerhörter Qual? –
Ein Kind, ward ich verurtheilt mit dem Vater,
Schon auf des Knaben Haupt ein Preis gesetzt;
Und als der Traum der Jugend kaum durchträumt,
Ward ich ergriffen von der Willkür Hand,
Und wie Prometheus auf des Atlas Spitze,
Lieg' ich gefesselt und des Geiers Flügel
Schwirrt um mein Haupt, und Krall' und Schnabel greift
In meine Brust und frißt an meinem Herzen! –
Muß ich's ertragen? muß? Beim Himmel, nein!
Ich will nicht, werde nicht! Gibt es ein Auge,
Das niedersieht auf diese wüste Erde,
Und aus die Gräu'l, die sie erfüllt, so will
Ich's enden!

Angioletta.

Tasso, hört mich!

Tasso.

Wie sie heulen,
Die Tollen neben mir! – Die Glücklichen,
Die, festgebunden in der ew'gen Nacht,
Nicht denken und nicht fühlen! Glimmt ein Licht
Nur in des Menschen Haupt, damit es leuchte
Auf seine Qual? nur, daß er schauen könne
Die Marterstätte der Verzweiflung!?

Angioletta.

Tasso!
Hört, nehmt jetzt Euren Trank, ich will ihn holen.
Thut's mir zu Liebe!

Tasso.

Fort! Gib glühend Feuer,
Gib Schwefel, Pech, gib das Gebräu der Hölle,
Doch fort mit deinem Trank, ich will ihn nicht! –
Die Welt ist eine Wildniß und der Mensch
Ein blutig Raubthier, das nach Beute jagt
Und seinen Raub zerreißt! – Mich haben sie
Gehetzt gleich einem Hirsch mit ihren Rüden,
Bis ich aus tausend Wunden mich verblutet;
Nun stoßen sie in's Horn und schrei'n: Hallo!
Und stellen lustig sich um mich und schau'n,
Wie ich verende! –

Angioletta.

Herr! –

Tasso.

Bald wird's geschehn,
Und das, das ist das Beste!

Angioletta.

– 's ist abscheulich,
Tasso, von Euch, daß Ihr so reden mögt!

Tasso.

Hör', gutes Kind,
Ich will dir was erzählen! – Weißt du, was?
Heut' oder morgen rührt man mir den Tod
In meinen Trank, in meine Suppe ein –
Das ist des Räthsels Lösung.

Angioletta.

Grausam seyd Ihr!
Bin ich's nicht, die Euch Speis und Trank bereitet?
Geb' ich Euch Gift? Schon gut! Sagt noch einmal,
Daß Euer Trost ich sey in Eurem Unglück,
Sagt's noch einmal, ich will Euch wieder glauben!
Schon gut!

Tasso.

Wenn nicht, so werden sie bei Nacht
Eindringen in dies Haus, von diesem Lager
Mich reißen mit Gewalt, hinab mich schleppen,
Und in des Hofes Zwinger wird ein Kreis
Vermummter Schergen, Fackeln in den Händen,
Erwartend stehn, und mit gewalt'gen Fäusten
Erwürgen mich, mit Dolchen niederstoßen!

Angioletta.

Ihr werdet schwach – Ihr wankt! Kommt, setzt Euch nieder!

Tasso (setzt sich auf sein Lager).

Der Baum ist morsch! – Wohl schwach, doch nicht aus Furcht,
Beim Himmel, nein! Ich trotze ihnen allen!
Was kümmert's mich! Und wenn sie kommen, nenne
Mich einen Ritter nicht, siehst du mich zittern!
Doch Mörder sind's, glaub' mir, ich kenne sie;
Nicht nur den Leib, auch mein unsterblich Theil,
Sie würden's morden, könnten sie's erreichen!

(Angioletta hat eine Zither ergriffen und spielt einige Töne.)

Tasso.

Recht so, Musik! O, laß sie sanft erklingen,
Daß süß, von holden Tönen eingewiegt,
Die matte Seel' entschlumm're! – Sing' ein Lied!

Angiotetta (singt).

Singet die Nachtigall
Im dunkeln Wald,
Daß mir im Herz der Schall
Süß widerhallt:
Singt von dem Liebsten mein,
Ach, könnt' bei ihm ich seyn! –

Tasso.

Auch Sie! auch Sie! Bei meinen Feinden Sie!
Das ist ein Hieb in's Hirn, ein Stich in's Herz!
Und keine Hoffnung, kein Genesen mehr!
Ich habe sie geliebt, geliebt, und wie!

Angioletta (singt).

Herz, ohne Rast und Ruh'
Stürmest du fort;
Eilest dem Freunde zu
Von Ort zu Ort!
Suchest nach Lieb' und Glück,
Kehrst ohne sie zurück! –

Er ist entschlummert, ja! So pflegt er stets,
Wenn Unruh' ihn erschöpft. – Der arme Tasso!
Daß ihm doch hier so schwer zu leben scheint,
Indeß ich immer leben möcht' wie heut!
Und doch bin ich wie er in diesen Mauern
Und nie heg' ich den Wunsch, sie zu verlassen!
Mein Fuß betritt fast nie des Hauses Schwelle,
Ich wünsche mir nicht Tanz noch andre Lust.
Ich sitz' an seiner Seite und bin glücklich,
Daß es so ist, daß ich ihn höre, schaue,
Und lächelt er, hüpft mir das Herz vor Wonne!

(Sie geht in das Seitengemach.)

Siebenter Auftritt.

Tasso, Leonore und der Castellan (erscheinen auf der Gallerie).

Castellan.

Er schläft. – Beliebt es Eurer Hoheit,
Könnt Ihr ihn ungestört jetzt sehn; er schlummert.

Leonore

(betrachtet Tasso; nach einer Pause).

O Gott! wie bleich! Wie hat er sich geändert! –
Ach, welch ein trüber thränenwerther Anblick! –
Ist das Torquato? Ew'ge Macht des Himmels!
Liegt er hier schlummernd, liegt er todt – wer sagt's?

Castellan.

Ach, hohe Frau, wohl ist er mitleidswerth,
Bedauernswürdiger als jene alle,
Die hier ringsum verwahrt in ihren Zellen.
Die wissen nicht, wie jammervoll ihr Loos,
In Irren ist ihr Geist, ihr Aug' umfangen
Von Bildern ihrer Einbildung. Sie träumen,
Und heit'rer viel ist oft vielleicht ihr Traum
Als es die Wirklichkeit; er aber leidet
Gedoppelt, denn er fühlt, kennt seine Leiden.

Leonore.

O, pflegt ihn wohl! Was Ihr vermögt, das thut,
Erleichtert sein Geschick, so viel Ihr könnt,
Ich will's Euch lohnen!

Castellan.

Ohne Lohn geschieht's;
Denn seht, wir lieben ihn – und meine Nichte,
Ein Kind, als er hierherkam, mutterlos,
Ist stets um ihn, sie leistet ihm Gesellschaft
Und pflegt ihn liebevoll. Er liebt das Kind,
Hat sich an sie gewöhnt, sie unterrichtet,
Und unter seinen Augen wuchs sie groß. –
Doch seht, er regt sich.

Leonore (für sich).

Gott! nur Einen Blick! –
Die Kniee wanken mir! –

Tasso

(wirft einen Blick nach oben und schreit auf).

Ha!

(In demselben Augenblicke schließt der Castellan die Glasthüre und Angioletta stürzt aus dem Seitengemache.)

Achter Auftritt.

Tasso. Angioletta.

Angioletta.

Was ist Euch? Gott!

Tasso (außer sich).

Sie war's! Das war sie selbst. – Ich träumte nicht,
Ich bin bei mir, bei meinen vollen Sinnen!
Das war sie selbst!

(Er sinkt auf seine Knie und breitet die Arme aus.)

Das war Eleonore!

(Der Vorhang fällt.)

Ende des ersten Aufzuges.


 << zurück weiter >>