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Tasso's Wohnung zu St. Anna.
Tasso. Der Castellan.
Tasso.
Umsonst bemüht Ihr Euch! Sie war's, sie selbst! –
Zwar hab' ich viel gelitten manches Jahr,
Mein Aug' ist blöd geworden und mein Geist
Verliert zu Zeiten sich aus seiner Bahn;
Das aber ist kein Traum, ist kein Gesicht
Der heißen Phantasie, das war sie selbst.
Castellan.
Und wenn sie es gewesen wär', o Herr?
Tasso.
Warum erschien sie jetzt und nie zuvor? –
O, daß ich Einmal sie gesehen hätte
In dieser Zeit, ich wär' genesen! So,
Den Schatten gleich, die Lethe's Strand umirren,
Könnt' ich nicht leben, sterben ohne sie!
Nun ich sie sah, bin ich gefaßt! – Mein Freund,
Glaubt mir, das war der Abschied, ja, er war's!
O, mein weissagend Herz, es täuscht mich nicht!
Sie wollen meinen Tod; so lang' ich lebe,
Bin ich im Kerker selbst nicht fern genug!
Vorige. Montecatino. Angioletta.
Tasso.
Schon jetzt? – Ganz recht! Ich weiß, warum Ihr kommt.
Mein Todesurtheil mir verkünden? Sey's!
Ich tausche meinen Kerker mit dem Grab,
Was mehr?
Montecatino.
So ist mein Auftrag nicht; vielmehr
Betrifft –
Tasso.
Sprecht's aus mit Einem Wort,
Und glaubt nicht, weil ich blaß, es sey aus Furcht.
Sonst, wenn ich einen Ritt that über Land,
Nahm ich, wie's Brauch ist, ein Visir von Sammt:
Das will ich nehmen, wenn's zum Richtplatz geht;
Denn nicht mein Antlitz will ich, daß sie schauen!
Sie möchten sagen, ich sey bleich geworden;
Denn feige Henker sind's, die gern verleumden.
Ich aber, kommt's zum Sterben, will getrost
Drein schau'n und ihrer spotten selbst im Tode!
Montecatino.
Entschlagt Euch doch so nichtiger Gedanken!
Wer will denn Euren Tod, wem soll er nützen?
Der Herzog hielt Euch hier in diesem Hause,
Weil es gefährlich schien, Euch frei zu lassen,
Weil – Ihr mit Eurer Freiheit schlecht gebart –
Genug, der Herzog wollt' Euch zu Sankt Anna,
Drum bliebt Ihr hier; hätt' er Euch todt gewollt,
So würde man Euch hingerichtet haben.
Doch von dem allen ist die Rede nicht.
Bereitet Euch zu freudenvoller Kunde:
Nicht länger ist Euch dieses Thor versperrt,
Euch hält nicht Schloß noch Riegel mehr verwahrt;
Torquato, Ihr seyd frei!
Tasso.
Um Gott!
Montecatino.
Ja, Ihr seyd frei!
Tasso.
Frei! – Haltet! – sprecht nicht weiter.
Montecatino.
Nehmt und les't.
Tasso.
Mir schwimmt es vor dem Blick!
Angioletta.
Erholt Euch, Tasso!
Tasso (nach einer Pause).
O, halte dich, mein Herz, nur jetzt brich nicht! –
Frei, wirklich frei nach siebenjähr'gen Ketten!
Ach, in dem ganzen weiten Reich der Sprache
Gibt's keinen Laut, der so entzückend klingt!
O, gib mir Worte, Himmel, gib mir Töne,
Musik für meiner Seele innern Jubel,
Daß ich die Lust ausschrei' in alle Winde,
Die meine Brust erfüllt, für die kein Name
Im ganzen Umfang menschlicher Empfindung!
Montecatino.
Doch nur bedingungsweise seyd Ihr frei.
Euch ist der Aufenthalt an diesem Hofe,
In dieser Stadt, selbst in des Herzogs Staaten
Auf immer untersagt. Wofern Ihr wagt,
Noch einmal in Ferrara zu erscheinen,
Ist eine härt're Ahndung Euch gewiß.
Ihr seyd verbannt für immer! – Diese Nacht
Noch müßt Ihr fort, nicht läng'rer Aufenthalt
Ist Euch gestattet. Achtet Euch danach.
Tasso.
Mir ist's genug! Laßt mich ein Bettler fort,
In här'nen Kleidern laßt mich wandernd ziehn,
Auf meinen Füßen nicht, auf meinen Knien,
Gleich einem Büßenden, laßt mich von hinnen!
Montecatino.
Thut wie Ihr wollt, nur thut es heute noch.
Tasso.
Sterben ist nichts, leben ist nichts, frei seyn ist Alles!
Frei seyn aus düsterer Gefangenschaft,
Von Ort zu Ort, durch Berg, Wald, Thal zu dringen,
Nacht sehn und Tag, und Licht und Farb', und Luft
Einsaugen mit der sehnsuchtskranken Seele! –
Das nur heißt
seyn, das nur heißt wirklich seyn!
O, könnt' ich schweifen, wie der wilde Aar,
Und schau'n und schau'n, und satt mich schau'n der Erde!
Angioletta.
O, Gott sey Dank, das dürft Ihr nun, Torquato!
Tasso.
Ich hätt' es nicht geglaubt, daß ich mehr frei
Seyn sollte, daß ich's überleben könnte,
Das Wort zu hören: »Tasso, Du bist frei!«
Nun bin ich's! – Hätt' in dieser langen Zeit,
Hätt' ich nur Einmal meines Vaters Haus,
Hätt' ich den Rauch des glühenden Vesuvs
Von fern nur kräuseln sehn in blauer Luft:
Ich glaub', ich wär' gestorben an dem Glück!
Nun werd' ich's sehn, der Heimath Erde sehn,
Und sie berühren grüßend mit dem Haupt,
Ein Freigelassener! Und meine Schwester sehn,
Ach, meine gute, gute, gute Schwester! –
Castellan.
Die Freude macht Euch schwärmen wie der Schmerz,
Tasso.
Montecatino, sagt dem Herzog Dank,
Dank aus der vollen, tiefgerührten Seele!
Sagt ihm, vergessen sey, was ich gelitten,
Und seiner Wohlthat nur sey ich gedenk. –
Sagt der Prinzessin, daß –
Doch wessen Bitte war's, die ihn bewegen,
Nachdem so Viele fruchtlos sich bemüht? –
Wem hab' ich noch zu danken? – Ach, ich möchte
Undankbar nicht in dieser Stunde scheinen,
Nicht gegen Gott, nicht gegen Menschen, ja
Selbst gegen meine Feinde möcht' ich's nicht!
Montecatino.
Wohl haben Viele sich deßhalb bemüht,
Doch Euer Dank gebührt zumeist – ich glaube, –
Dem wackern Herzoge von Mantua,
Der sich verbürgt für Euch.
Tasso.
Gott segne ihn!
Montecatino.
Und nun lebt wohl! Wir werden Euch nicht sehen,
Doch von Euch hören, Gutes, wie wir hoffen.
Daß Ihr des Herzogs Gunst mit Dank erwiedert,
Und Eure Freiheit wohl zu nützen wißt,
Damit es nicht den Herzog reuen möge,
Sie Euch gewährt zu haben. – Lebet wohl!
Tasso.
Lebt wohl auch Ihr! Ich wünsch' Euch alles Gute!
(Montecatino, vom Castellan begleitet, entfernt sich.)
Tasso. Angioletta.
Tasso.
Ich bin so freudenvoll, daß alle Galle
Geschwunden ist aus meinem frohen Herzen,
Und mich kein Wort aus seinem Mund verletzt'. –
So seh' ich heute euch zum letztenmale,
Ihr Mauern, die ich sieben Jahr' bewohnt!
Ihr Zeugen meiner Leiden, meines Grams,
Meiner Verzweiflung, ich verlass' euch heut;
Und sieh, solch Räthsel ist des Menschen Brust, –
Fast möcht' es mich bedünken, – wehmuthsvoll!
Angioletta.
Ihr geht, Torquato, kehrt nicht mehr zurück,
Ich soll Euch niemals, niemals wieder sehn?
Tasso.
Auch du, mein Kind! Von dir auch muß ich scheiden?
Ein bitt'rer Tropfen in den Freudenwein,
Der mich berauscht! – Viel warst du meinem Herzen,
Mehr als du ahnest und ich sagen kann!
Daß ich noch bin, vielleicht verdank' ich's dir!
Angioletta.
Von Euch mich trennen – ich ertrag' es nicht!
Tasso.
Ich habe dich gewiegt auf meinen Knieen,
Ein lieblich Kind hast du um mich gespielt;
Zur Jungfrau bist du neben mir erwachsen,
Ich merkt' es nicht, fast seh' ich's heut zuerst! –
Durch tausend süße Fäden der Gewohnheit
Hing ich an dir, du warst Erholung, Trost,
Und deine Stimme, deiner Zither Klang
Hat, gleich der Harfe Davids, Ruh' und Friede
Gehaucht in meine wundenvolle Brust!
Gott segne dich mit seinem besten Segen!
Angioletta.
Torquato, nehmt mich mit, ich lass' Euch nicht!
Tasso.
Angioletta.
Nehmt mich mit Euch, Torquato!
Ich kann von Euch, ich will von Euch nicht lassen!
Allein in diesem Haus, Euch nicht mehr sehn,
Euch nicht mehr hören – nimmermehr! O, nehmt,
Nehmt mich mit Euch! Ich will Euch folgen, Euch
Begleiten, wo es sey, will Eurer pflegen,
Wie ich Euch hier gepflegt.
Tasso.
Wo denkst du hin? –
Angioletta.
Ihr seyd so krank, bedürft der fremden Sorge!
Ihr seyd
sehr krank, viel kränker als Ihr glaubt!
Und ich, ich ließ Euch ziehen in die Welt,
Allein, verlassen – ohne mich, Torquato!
Tasso.
Das eben ist's! Ich bin ein morscher Stamm,
Wenn ihn der Sturm nicht bricht, fällt er von selbst;
Und in die dürren Wipfel solches Baumes
Soll meine Taube sich ihr Nest erbaun?
Nein, Angioletta, nein! Du bist ein Kind,
Dein Leben fängt erst an, das meine endet;
Wie bräch' ich grausam diese junge Rose
Von ihrem Busche, wo so hold sie knospet,
Auf meines Sarges Decke sie zu legen?
Angioletta.
Ich war ein Kind bis heut, ich bin's nicht mehr!
Wie es geschehen, was mit mir geschehn,
Ich weiß es nicht, doch anders ist's mit mir.
Was ich jetzt fühle, fühlt' ich nicht bis heut! –
Mein Raum ist, wo Ihr seyd, Ihr seyd mein Licht
Und meine Luft: ich kann nur blühn bei Euch,
Und ich muß welken, wenn Ihr von mir geht!
Ich habe ohne Euch zu leben nicht
Gelernt, Torquato! Seid so grausam nicht,
Mich zu verstoßen, mich, die Euch gehört! –
Tasso.
Angioletta!
Angioletta.
Ja, ich lieb' Euch, Tasso!
Mir fiel's nicht ein bis jetzt, bis diese Stunde,
Denn meine Liebe wuchs mit mir empor,
Ein Teil von meinem Selbst, sie war die Luft,
Die ich bis jetzt geathmet unbewußt.
Tasso.
O, sprich nicht weiter! Daß es Gott verhüte,
An meiner Tage düstres Mißgeschick
Dein blühend freud'ges Leben anzuknüpfen!
Laß Jugend Jugend suchen, Lust die Lust,
Den Frühling Blumen, Glückliche das Glück!
Das alles wohnt nicht mehr in meiner Brust,
Für deine Locken hab' ich keine Kränze,
Nicht einen Zweig, den ich dir bieten kann.
Die Gegenwart, die Zukunft ist dein Teil;
Doch meines Lebens kurze Sonnenstunden,
Sie liegen hinter mir, in weiter Ferne;
Sie sind erloschen, alle meine Sterne;
Erinnerung allein ist nicht geschwunden.
Doch mög' ein mitleidsvoller Gott dich wahren,
Daß du erführest je – was ich erfahren! –
(Er küßt sie auf die Stirn und geht ab.)
Angioletta (allein).
Er geht, er geht! – Ich kenne mich nicht mehr!
Mir hemmt's den Athem; unbekannte Angst
Schnürt mir die Brust zusammen mit Gewalt,
Und alles Blut stürzt jählings mir zum Herzen! –
So war ich nie, so nie! O, Herr des Himmels! –
So soll er fort? Mein Engel von mir scheiden?
Fortziehn auf immer, ohne Wiedersehn? –
Nein! nimmermehr! – Ich bin an ihn gebannt,
Ich kann ihn nicht, ich kann ihn nicht verlassen!
(Sie geht ab.)
Platz dem herzoglichen Schlosse zu Ferrara. Der Palast ist hell erleuchtet und Masken gehen aus und ein.
Tasso (tritt auf).
Ich kann nicht fort von hier; das ist das Haus,
Das Alles, was an Freude mir im Leben,
An Schmerz geworden ist, in sich verschließt.
Ich muß es einmal sehn noch, eh' ich scheide!
Hier steh' ich, ausgetrieben aus dem Garten
Des Paradieses meiner Jugend da,
So wie, verjagt einst durch des Cherubs Schwert,
Der erste Mensch nach seinem Sündenfalle!
Und doch, du weißt, o Himmel über mir,
Ob ich mich schuldig darf vor dir bekennen,
Du nenntest denn, wie sie, die Liebe
Schuld! –
Hier wandl' ich nun, ein abgeschiedner Geist,
Den's aus dem Grabe lockt, die alte Stätte,
Die ihm im Leben theuer, zu umirren,
Und dessen Sehnsucht selbst der Tod nicht stillt! –
Erleuchtet ist das Schloß. – Ein fröhlich Leben,
So scheint's, hat seinen Markt hier aufgeschlagen –
Es tönt Musik, es wird ein Fest gefeiert! –
Die Thore stehen offen dem Gewimmel,
Ich aber muß umkehren auf der Schwelle,
Und darf nicht wandeln mit den Glücklichen!
So ruf ich denn, ein Paria der Erde,
Von dem die Frohen sich mit Abscheu wenden,
Aus meiner Nacht in deinen hellen Glanz,
Aus meiner Oede in des Reigens Schall:
Auf ewig, Leonore, lebe wohl!
Tasso. Ein Edelmann.
Tasso.
Sagt mir, beliebt's, was für ein Fest ist hier?
Edelmann.
Ihr seyd ein Fremder, wie die Frage zeigt.
Tasso.
Ja wohl, ein Fremder!
Edelmann.
Einen Ball gibt's hier,
Und jeder Maske steht der Eintritt frei.
Der ganze Hof, der Herzog selbst erscheint
Unter der Menge heut in Maskentracht,
Und will erkannt nicht seyn, die Lust nicht stören.
Viel fremde Gäste sind an unsrem Hof
Und, wie man hört, ist ein Verlobungsfest.
Tasso.
Verlobungsfest? – Von wem? Mit wem?
Edelmann.
Prinzessin Leonore wird vermählt
Dem Herzoge von Mantua, so heißt es.
Tasso.
Prinzessin Leonore sich vermählen?
(Für sich.)
Hab' ich die Freiheit nur um solchen Preis?
Edelmann.
Dort neben an, seht Ihr? dort gibt es Masken
Um wenig Geld zu leihn, wagt's dran! kommt mit,
Und tretet ein. 's wird Euch nicht reuen. Seht,
Ich selbst, ich will mein Liebchen überraschen.
Tasso.
In eines Andern Arm? – Das kann geschehn.
Edelmann.
Ei, Herr, es ist ein sittsam treues Mädchen.
Tasso.
Thor, der es glaubt! Ich, Herr, ich weiß es besser!
Falsch sind sie, wie der Pfuhl, deß grüne Decke
Das Auge täuschet; wenn Ihr ihn betretet,
So sinkt der Boden, der Euch Wiese schien,
Und der Morast ersäuft Euch! – Fort damit!
Edelmann.
Ich habe sie nur gut und fromm gesehn.
Tasso.
Was Ihr gesehn, ja wohl! – Was Ihr gesehn,
War fromm und heilig, wie die Tugend selbst,
Doch was Ihr nicht gesehn – pfui! pfui! mich schaudert!
Edelmann.
Ihr seyd, so scheint's, nicht allzu froh gestimmt.
Tasso.
Mehr ekles Laster liegt versteckt im Dunkel,
Als unsre Seele ahnt und wir begreifen.
Je schöner, je verruchter! – Jener Busen,
Den kalt Ihr achtet wie den Alpenschnee,
Er deckt mehr Gluth und eingekerkert Feuer,
Als der Vulkane allesammt! Glaubt mir,
Je schöner, je verruchter!
Edelmann.
Ei!
Wer wird so unhold denken von den Frauen!
(Er geht in den Palast.)
Tasso.
O, blas't! – Trompeten, schmettert! – Pauken, tönt!
Um meiner Seele Angstschrei zu betäuben!
Nun ist der letzte schöne Wahn verloren,
Der Traum des Glücks, der mir einst Alles war! –
Doch warum tob' ich? warum soll sie nicht? –
Wirst du nie lernen, unglücksel'ges Herz
Allein stehn in der Welt, auch nicht am Grabe?
Unedler Wunsch, der nur sich selbst bedenkt!
Das ist kein Tropfe deines bessern Blutes;
Pfui, Tasso! stoß ihn' aus und sey Du selbst! – –
Nun aber will ich hin! ich will sie sehen,
Ich will sie sprechen, stände Tod darauf,
Zehn Leben zehnfach gäb' ich hin! Ich muß,
Noch Einmal muß ich ihr ins Auge schauen
Und dann, – wie's Gott gefällt! ich bin bereit!
(Geht ab.)
Festlich geschmückte Gallerie im herzoglichen Palaste. Aus den Sälen erschallt Musik. Masken gehen und kommen.
Lucretia und Leonore in Masken, im Gespräche.
Lucretia.
Wie sein Geschick sich ferner auch gestalte,
Ward Eines doch erreicht: daß er nun frei.
Leonore.
Zu sterben, was ihm gut dünkt.
Lucretia.
Und auch das
Ist Freiheit.
Leonore.
Und mit Müh' errungen!
Lucretia.
Auch bin ich ruhig nicht, bis daß er fort,
Daß nicht ein neuer Unstern ihn erreiche.
Leonore.
Er ist ja fort, der Unglückselige!
Indeß hier Jubel tönt und Festgelag,
Wandert er seine öde, dunkle Straße,
Gedankenvoll, verlassen und allein!
Ihm rief zum Abschied niemand Lebewohl,
Als ich vielleicht, und meines hört' er nicht!
(Sie gehen vorüber.)
Tasso.
(als Pilger, die Maske vor dem Gesicht).
Dort geht sie hin, das ist ihr Gang, ich kenn' ihn!
Ich kennte sie heraus aus Tausenden,
Und fänd' ich sie am Strom der Unterwelt!
Ihr Bild, nicht Zeit, nicht Lethe löscht mir's aus,
Und keine Hülle kann es mir verbergen.
(Er folgt ihnen.)
Montecatino maskirt. Eine zweite ganz gleiche Maske.
Maske.
Irrt Ihr Euch nicht, Montecatino?
Montecatino.
Nein.
Torquato ist's.
Maske.
Ihr sagtet ihm bestimmt:
Er solle heute Nacht noch reisen, den Palast
Nicht mehr betreten?
Montecatino.
Ja.
Maske.
Und ist doch hier?
Wohlan, ich red' ihn an, ob er mich kennt.
(Sie gehen ab.)
Tasso und Leonore kommen.
Leonore.
Was wollt Ihr? warum drängt Ihr Euch an mich?
Ein Pilgersmann zieht seinen Weg allein;
Er meidet die Begleitung, sucht sie nicht.
Tasso.
Doch eh' er fortzieht seinen weiten Weg,
Wirft er sich nieder vor dem heil'gen Schrein,
Und stärkt sich zu der Ungewissen Reise,
Von der er keine Wiederkehr mehr hofft.
Leonore.
Gott! – welche Stimme? – Himmel, ja, Ihr seyd – ?
Tasso.
Ein Abgeschiedener, vom Grab erstanden,
Und wiederkehrend in ein tiefres Grab! –
Und nähm' ich meine Maske vom Gesicht,
Ihr würdet schaudern vor dem Schreckensbild!
Leonore.
Tasso.
Tasso – ja, ich bin's!
Leonore.
Unglücklicher! O, welch ein Wiedersehn!
So wiederfinden muß Euch Leonore?
Tasso.
Was ich nie hoffte mehr, mir ist's geworden,
Mein Blick versenkt sich wieder in den Euren,
In jene unergründlich tiefen Sterne,
In denen meine Seele schmolz wie Gold,
Das reiner wird und glänzender im Feuer.
Leonore.
Und wißt Ihr, was Ihr wagt? Wißt Ihr – ?
Tasso.
Ich weiß
Ich habe nichts zu wagen, zu verlieren. –
Ich geh' von hinnen und mir sagt's ein Gott:
Ich gehe größrer Freiheit bald entgegen,
Als mir des Herzogs Gnade zugemessen,
Und weil die Augenblicke schon gezählt,
Laßt mich sie schnell noch fassen auf der Flucht,
Noch einmal schwelgen in vergangnem Glück.
Leonore.
Ach, daß Ihr wüßtet, was ich fühle, leide! –
Tasso.
Ich trug ein Urbild tief in meiner Brust
Von allem Herrlichen in Lieb' und Leben,
Und hielt es fest in Leiden und in Lust!
Im tiefsten Elend hab' ich es bewahrt,
Es war die Leuchte meiner finstern Seele,
Und hielt mich aufrecht, wenn des Unglücks Fluth
Empordrang an mein unglückselig Haupt,
Das, Leonere, dank' ich sterbend Euch!
Leonore.
O, nichts, nichts dankt Ihr mir, als Euer Elend.
Tasso.
Und wenn das Werk, das ich der Welt gegeben,
Den Beifall bessrer Geister mir gewann,
So dank' ich Euch auch das, Eleonore!
Und zürnt mir nicht, wenn jener Zeit ich denke,
Die zu vergessen Ihr vielleicht Euch müht –
Ihr habt nicht zu erröthen und nicht ich –
Daß ich gelebt im Himmel Eurer Liebe,
Daß ich gekostet vom Ambrosia,
Zum Gott entzückt, mich einen Gott geglaubt,
Ich dank es Euch und dank's Euch bis zum Tode,
Ward ich auch, gleich dem Ixion, als er
Zur Schwester Jupiters sein Aug' erhob,
Vom Göttermahl zum Tartarus gestürzt!
Leonore.
Ach, könnt' in Einem Wort all' mein Gefühl,
Mein Seyn, mein Leben ich vor Euch erschließen!
Tasso.
Euch Einmal noch zu sehn, das Schloß zu lösen,
Das Mund und Herz qualvoll gefangen hielt,
Das war der Bann, der meine Seele zwang,
Das war der Wahnsinn, der mich überfiel,
Die Todessehnsucht, die mich aufgezehrt! – –
Ein milder Gott hat mir die Gunst gewährt,
Nicht ohne Abschied zieh' ich fort – und nun –
Nichts mehr von mir. Lebt wohl! und wenn Ihr könnt,
Vergeßt mich! – Ja, laßt mich begraben seyn,
Und wendet Euch vergnügtem Tagen zu!
Gott lasse sie Euch lang' und glücklich währen! –
Ihr feiert, hört' ich, Euere Verlobung –
Leonore.
Verlobung? Tasso! welch ein Wort von Euch!
Tasso.
Wie, nicht? – Ihr wäret nicht verlobt?
Leonore.
Niemals!
Nie werd' ich's seyn! Nehmt meinen Schwur!
Tasso.
O, jetzt, jetzt haltet mich, ihr Himmelsmächte!
Leonore.
So hört auch mich, und achtet auf mein Wort,
Als ob ich's spräche in der Sterbestunde!
Ja, mein Torquato, ja! ich liebt' Euch sehr,
Ich lieb' Euch noch, ich werd' Euch ewig lieben!
Vorige. Lucretia tritt schnell ein, ergreift Leonorens Hand und zieht sie fort.
Lucretia.
Die Maske vor's Gesicht! Fort, fort von hier!
(Zu
Tasso.)
Entfernt Euch schnell, wenn Euch das Leben lieb!
Tasso.
O, noch ein Wort! Bei allen Heil'gen, bleibt!
Lucretia.
Wagt's nicht, zu folgen! – Fort, wenn Ihr sie liebt!
(Sie eilt mit Leonoren fort.)
Tasso.
O, stürzet ein, deckt mich, ihr hohen Säulen,
Begrabt zugleich mein Unglück und mein Glück!
Ich muß ihr nach – ihr nach! Noch Einmal –
Tasso. Die Maske tritt ihm entgegen.
Maske.
Halt!
Tasso.
Was wollt Ihr? Laßt mich, ich muß fort!
Maske.
Ein Wort!
Ich seh', Ihr seyd ein Pilger, der, des Weges
Nicht kundig, sich verirrt; laßt Euch bedeuten:
Nicht dieses Haus ist Eurer Wand'rung Ziel,
Weit abwärts führet Eure Straße. – Geht
Und scheut Euch, diese Schwelle zu betreten.
Hier hält ein Riese Wache an der Pforte,
Der Euch zermalmt mit seiner Keule Schlag;
Dankt's seiner guten Laune, die Euch schont.
Doch findet er Euch Einmal noch wie heute,
Bei meinem Haupt! seyd Ihr dem Tod verfallen! –
Armsel'ger Thor! seyd Ihr noch nicht geheilt?
Und glaubt Ihr immer noch in Eurem Wahn,
Daß Fürstentöchter ebenbürt'ge Bräute
Für Einen, dessen ganzes Erb' und Eigen
Ein irrer Geist, die Zither und ein Stab?
(Geht ab.)
Tasso.
Das war die Stimme meines bösen Geistes!
Wenn ich bei Sinnen bin, war das der Herzog!
Tasso. Angioletta.
Angioletta.
Kommt schnell von hier! Ihr seyd erkannt; entflieht!
Euch droht Gefahr, wenn Ihr noch länger weilt.
Bist du's, Angioletta? Was bedeutet –
Angioletta.
Ich bin's, fragt mich nicht länger! Flucht nur frommt!
Hier ist nicht ferner Eures Bleibens. Kommt!
Ich lass Euch nicht, ich folg' Euch – zieh' mit Euch –
Wohin Ihr immer geht, mir gilt die Straße gleich.
(Der Vorhang fällt.)