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Straße zu Sevilla.
Im Hintergrunde das Haus des Bustos Tabera mit einem Balkone.
Don Arias. Die Sklavin treten aus dem Hause.
Sklavin.
Hier seht Ihr den Balkon. Ihr wißt das Zeichen. –
Braucht alle Vorsicht, Herr; kommt nicht vor Nacht.
Verhüt' es Gott, daß auch Bustos Tabera
Nur träumen möge, was geschehen soll;
Mein Leben wär' verloren!
Arias.
Sey getrost;
Der, dem zu Willen du dich mühen sollst,
Hat Macht genug, du weißt es, dich zu schützen,
Und reicher Lohn erwartet deinen Dienst.
Der König liebt – was brauchst du mehr zu wissen,
Um sicher deines künft'gen Glücks zu seyn?
Sklavin.
Nun gut! – Ihr sollt die Thüre offen finden,
Die aus dem Garten in den Vorsaal führt:
Erwartet mich. Wenn Alles still im Haus,
Erschein' ich mit dem Licht auf dem Balkone.
Jetzt geht. Lebt wohl! – Rühmt meinen Eifer, Herr,
Und was ich wage! Hört – vergeßt das nicht.
(Sie geht in das Haus.)
Arias (allein).
Zwar ist der Plan gefährlich! – Wie, gefährlich?
Für Andre wohl, doch für den König nicht.
Was kann ein König wagen? Ist sein Rang
Nicht Schild und Waffe, die ihn deckt und schirmt?
Er zeigt sich nur, und das gezogne Schwert
Sucht ängstlich seine Scheide. Aus der Hand
Fällt der gezückte Dolch, das grimme Auge
Blickt scheu zu Boden und vergißt zu drohn,
Sobald der Herrscher ihm entgegentritt! –
Doch sich! – Welch' ein Gewühl? – Das ist der König,
Ihm nach von allen Seiten strömt das Volk,
Lautjubelnd, wenn's ihn irgendwo erblickt,
Und wirft die Hüte! – Ganz Sevilla ist
Im Freudentaumel, seit in seine Mauern
Der theure König nur den Fuß gesetzt.
Arias. Der König. Don Guzmann, Don Ribera, Don Bustos, Don Perez und Don d'Ulloa. Volk.
König.
Ja, meine Edlen, glaubt; der schönste Stein
In meiner Krone dünket mich Sevilla.
Auch sind Wir fest entschlossen, nicht fortan
Nur im Vorbeigehn diese Stadt zu grüßen;
Wir halten künftig Hof in ihren Mauern
Auf läng're Zeit, und denken hier zu weilen.
Ribera.
Der alte Ruhm ziert wenigstens Sevilla,
Daß sie an Treue keiner andern weicht
Von Spaniens Städten.
König.
Auch an Schönheit nicht.
(Für sich.)
So reizend schien, was ich in ihr gesehen,
Daß es seitdem um meine Ruh' geschehen.
Guzmann
Die Sevillianer sind, seit du, o Herr,
Dein königliches Antlitz uns gezeigt,
So hoch beglückt, daß rings die Freude laut
In tausendfachem Jubel wiederhallt!
Die Trauer findet keine Stätte mehr
Und muß von hinnen ziehn.
König.
Und doch, Don Pedro,
Seh' ich hier in der Nahe einen Mann,
Der ihre Farbe tragt. – Wer seyd Ihr? – Sprecht!
d'Ulloa.
Gonzalo von Ulloa nenn' ich mich,
Mein königlicher Herr!
König.
Euch starb der Vater
Und Uns in ihm ein treu' bewährter Diener;
Zu früh entrafft der Tod ihn Unsrer Gnade. –
Sein Stab ist ledig, und in würd'ge Hand
Möcht' ich ihn legen.
d'Ulloa.
Seines Namens Erbe
Und seiner Lieb' und Treue, wag' ich, Herr,
Um seines Amtes Würde dich zu bitten.
Perez.
Mit gleichem Wunsche steh' auch ich vor dir.
Ich bin ein alter Diener deines Hauses,
Und ohne Ehre nicht bin ich ergraut.
König.
Ihr seyd mir Beide werth; doch ist das Amt,
Um das Ihr werbet, von so wicht'ger Art,
Daß ich zu schnell den Mann nicht möchte wählen,
Dem ich's vertraue. Beide kenn' ich euch.
(Zu Perez.)
Ihr habt Verdienst!
(Zu d'Ulloa.) Man lobt mir Euern Eifer,
Und seyd gewiß, ich denk' Euch zu befördern,
Sey's auch nicht eben jetzt.
Arias (sich nahend).
Mein königlicher Herr! –
König
(ihn erblickend).
Ha, du! – Tritt näher!
(Das Gefolge zieht sich zurück,)
Rede, berge nichts!
Kennst du die Dame? weißt du, wer sie ist?
Arias.
Stella Tabera.
König.
Wie? Stella Tabera?
Ja wohl ein Stern! Sevilla's schönster Stern! –
Doch wie des Himmels Sterne, hell und fern,
Zieht er im weiten Aether seine Bahn,
Und nirgend führt ein Weg zu ihm hinan.
Arias.
Sie ist die Schwester eines tapfern Mannes,
Bustos Tabera, der sich Ruhm erwarb
Und hoch geehrt wird von den Sevillianern.
Du stehst hier an der Schwelle seines Hauses.
König.
So nah' am Himmel? – Doch, wer läßt mich ein?
Arias.
Dir wird die Pforte nicht verschlossen seyn.
König.
Ja wohl ein Stern! Der herrlichste von allen,
Die in dem Aether auf und nieder wallen! –
Es war der Saal von Damen rings erfüllt,
Doch däuchten da um sie die andern Frauen
Wie todte Himmelskörper, die vom Bronnen
Der ew'gen Sonne Licht und Glanz gewonnen;
Denn Aller Reiz schien nur von ihr zu thauen!
Was noch an Schönheit war im Saal zu schauen,
War schön zu nennen nur, weil
ihre Schöne
Den schimmervollen Abglanz rings verbreitet!
So stand sie still und schweigend unter ihnen,
Und dennoch war's, als ob es laut ertöne:
Ihr Frau'n,
mein ist der Preis, mir müßt ihr dienen!
Arias.
Zwar malst du glühend, doch du schmeichelst nicht.
König.
Tabera heißt ihr Bruder? Rede weiter!
Was weißt du noch von ihr?
Arias.
Nichts, hoher Herr,
Daß deiner Neigung kann willkommen seyn.
Die Dame ist verlobt, so hör' ich sagen.
König.
Verlobt? – Doch nicht vermählt? Nein, nicht vermählt!
Verlobt durch Neigung? – Wie? – Du schweigest? – Rede!
Verlobt mit ihres Herzens Wunsch? – Nein, nein! – An wen?
Arias.
Nicht Alles zu erkunden blieb mir Zeit.
Den Namen des Beglückten weiß ich nicht;
Doch hört' ich, daß an einen Freund das Wort
Des Bruders sie versagt.
König.
Ich muß sie sehen,
Sie sprechen, unverweilt! Aus ihrem Munde
Will ich es hören, ob zu diesem Bunde
Sie Liebe ruft; ob nicht mit Widerstreben
Sie nur des Bruders Drängen nachgegeben;
Sie soll mir's sagen, soll es mir bekennen!
Schließt
sie das Band, so will ich es nicht trennen;
Doch hat ihr Herz den Gatten nicht gewählt,
Beim höchsten Gott! – dann bleibt sie unvermählt! –
Such' einen Weg, daß ich sie sprechen mag,
Nur eine kurze Stunde, ungestört!
Was du auch thust, ich heiß' es wohlgethan.
Nicht zu gefährlich dünk' ein Mittel dich,
Führt es zum Ziele, unternehm' ich's gern.
So wie ein andrer Ritter steh' ich hier,
Zu werben um Sevillens schönsten Stern;
Nichts ist so kühn, daß ich's nicht freudig wagte! –
Denk' nicht an meinen königlichen Rang,
Nicht, wie ich hochgeschmückt vor Andern rage;
Denn in der Liebe wundersamem Reich
Ist Alles ebenbürtig, Alles gleich!
Arias.
Zuvorgekommen bin ich deinem Willen,
Und was du wünschest, ist bereits geschehn.
Du sollst die Dame sprechen, heut' zu Nacht;
Die Mittel sind gefunden, – Doch, fürwahr! –
Dort steht Bustos Tabera selbst.
König.
Der dort?
Arias.
Ja, Herr, der ist's.
König.
Er sucht nicht meinen Blick,
Und wünscht, so scheint es, nicht bemerkt zu seyn?
(Er wendet sich zum Gefolge.)
Wir haben, däucht Uns, nun, was sehenswerth
In dieser Stadt, zur G'nüge uns betrachtet;
Wir kehren zum Palast. –
(Zu Don Bustos.) Wie heißt Ihr, Ritter?
Bustos.
Bustos Tabera, königlicher Herr!
König.
Bustos Tabera? – Euern Namen kenn' ich.
Ihr habt Verdienst gehabt um meine Krone,
Und seyd gerühmt um Eure Tapferkeit
Und adlige Gesinnung. Sprecht, wie kommt's,
Daß Ihr vor Unserm Auge Euch verbergt,
Indeß sich Andre ihm entgegen drängen?
Bustos.
Kein Platz ist so entfernt, daß nicht der Strahl
Vom Glanze deiner Hoheit ihn beschiene.
König.
Es hätt' Euch wohl geziemt, Uns aufzusuchen. –
Ihr seyd ein Mann von strenger Tugend, sagt man,
Und solche Männer, Bustos, thun Uns noth!
Ihr sollt Uns näher treten. – Don Ulloa
Ist jüngst verstorben und sein Amt erledigt; –
Ich suche einen Mann für seinen Stab.
Ihr seyd damit belehnt, Bustos Tabera.
Bustos.
Großer Don Sancho von Castilien!
Nicht zürne deine Hoheit ihrem Knechte,
Den du mit unverdienter Würde zierst,
Wenn er, dir frech erscheinend, deine Huld,
Indeß sie eine Gnade ihm gewährt,
Schon um die andere zu flehen wagt.
Hab' ich dir treu gedient und glaubst du werth
Mich eines Lohnes, königlicher Herr –
Gewähre meine Bitte.
König.
Sprecht! es sey!
Nichts kann Don Bustos bitten, das mit Fug
Ihm Unsre Gnade nicht gewähren könnte.
Bustos.
Nicht mir den Stab! Hier steht ein treuer Mann,
Fernan Medina, der sich ihn erbat;
Sein Haupt ist grau, bedeckt mit Ruhm und Wunden
Ist er des Amtes würdiger als ich.
Ihm sey's verliehn, und Gonzalo Ulloa
Nehm' seine Stelle; Beide sind befriedigt!
Mich aber, der nichts sucht, Herr, und nichts wünscht,
Mich laß fortan wie sonst mein gutes Schwert
Im Kampfe messen mit den Mauren. Dort
Werb' ich um Ehr' und Ruhm, wie's Spaniern ziemt!
So thaten meine Väter, so auch ich.
Zufrieden mit dem Platz, auf dem ich stehe,
Möcht' ich ihn nicht vertauschen, hoher Herr,
Auch nicht um einen bessern; laß mir ihn!
Nichts Andres bitt' ich, und ich nenn' es Gnade,
Darf ich es künftig halten wie bisher.
König.
Es sey, wie Ihr verlangt, ich zwing' Euch nicht,
Und bleib' auch so Euch hold und wohlgewogen,
(Zu dem Gefolge.)
Kommt und geleitet uns.
(Zu Bustos) Gehabt Euch wohl.
(Er entfernt sich mit dem Gefolge.)
Bustos (allein).
Seltsam, fürwahr! – Wie soll ich da« erklären?
Der König gibt ein Amt mir ungesucht,
Indeß er es dem Suchenden verweigert?
Das dünkt mich räthselhaft! Was kann er wollen?
Ich bin nicht besser als ein Anderer,
Wenn auch so gut; warum vor Andern mich
Auf ungewohnte Weise denn erheben? –
Was kann ich glauben? Sollt' er – nein! – und doch!
Der König hat Estrellen ja gesehn –
Rasch, wie er ist, voll Jugendglut und Leben –
War's so unmöglich denn? – Was bebst Du, Herz? –
Würd' ich belohnt, um Lohn erst zu verdienen?
Beim Himmel! kennt man mich? Bustos Tabera! –
Doch warum ras' ich denn? Was ist geschehen? –
Da steh' ich nun und träum' von Schand' und Unbill,
Und habe keinen Grund als meinen Argwohn
Und meine kranke Milz! – Doch seine Gnade,
Ist die kein Grund? – Die Welt thut nichts umsonst!
Wer gibt, will haben. – O, ich sehe klar!
Dem Hunde, der des Hauses Thor bewacht,
Wirft man behutsam einen Brocken hin
Und meint, er wird nicht bellen. – Bustos, Bustos! –
Ich geh' voll Sorgen! Ohne mich zu kennen,
Mir Huld erweisen, unverdient mich ehren,
Scheint, dir mich zu entziehn, o Ehre, nicht, dich mehren.
(Geht ab.)
Saal in Bustos Hause.
Im Hintergrunde eine Glasthür, die nach dem Balkon führt. Zwei Seitenthüren.
Donna Estrella. Don Ortiz.
Estrella.
Wie schnell die Zeit verrinnt! Schon ist es dunkel!
Du mußt nun fort, mein Ortiz.
Ortiz.
Wie verhaßt
Sind mir die Sterne jetzt, die ich sonst liebte!
Kaum daß der erste fern mit bleichem Schein
Auftaucht am Himmel, ruft er mich von dir!
Estrella.
Mein theures Leben! gehst du auch von hier,
So glaube nicht, daß ich dich deßhalb lasse;
Sey wo du willst, und du bist doch bei mir!
Braucht's denn, daß ich dich in die Arme fasse?
Ich seh' dich stets vor mir; es küsset
Dich meine Seele, wenn mein Aug' dich misset.
Ortiz.
Nicht glauben kann ich's und doch auch nicht zweifeln;
Denn frei ja warst du, Niemand sprach dir zu;
Aus eigner Wahl hast du dich mir gegeben!
Doch wenn ich denke, daß du eben mir
Aus so viel Werbern deine Hand gereicht,
Nach der Sevilla's Blüthe sich gedrängt,
Ein Ritterkreis, wie jene Paladine,
Die noch im Klange der Romanzen leben:
Dann ruf' ich selbst mir zu: es ist unmöglich!
Was liebst du denn an mir? wer bin ich denn?
Ich bin ein Mann, wohl tüchtig in den Schlachten;
Doch keinem Jüngling bin ich gleich zu achten,
Dem süßer Liebreiz spielt um Mund und Wangen.
Soll Jugend denn nach Jugend nicht verlangen,
Nach Schönheit Schönheit nicht? Bei meinem Blut!
Was liebst du denn an mir?
Estrella.
Ich will Dir's sagen:
Dein Herz, das nur für Edles hat geschlagen,
Und deine Treu' und deinen kühnen Muth,
Und daß du mild bei mir wie Maienhauch,
Indeß die Mauren deinem Anblick beben;
Daß dir die Ehre lieber als das Leben:
Dieß Alles lieb' ich. Sieh, dann lieb' ich auch,
Daß, wenn du reitest durch Sevilla's Gassen,
Die Sevillianer ihre Arbeit lassen,
Und ihre Kinder an die Fenster heben
Und rufen: »Seht, dort reitet Sancho Ortiz!
Beschütz' ihn Gott, daß er Sevilla schütze!« –
Dann lieb' ich, daß Bedrängte ihre Stütze,
Die Schwachen ihren Hort, die Armen
Dich ihren Vater nennen;
Ortiz.
Stella! meine Stella!
Estrella.
Dieß Alles, mein Geliebter, lieb' ich sehr.
Und wär's noch nicht genug, und willst du mehr,
So sagt' ich noch –
Ortiz.
Genug! Was dir erwiedern?
Mein Glück, mein Leben! – Sag' ein Wort mir, Traute,
Gib eine Sprache mir, gib neue Laute
Für meine Wehmuth und für mein Entzücken!
Wenn ich mich spiegeln kann in deinen Blicken,
Und seh' in ihrem feuchten
Krystall zurück die eignen Wonnen leuchten,
Aus all' den Reizen, die dich reich umblühen,
Die schöne Seele mild verkläret glühen –
Beim höchsten Gott! dann möcht' ich aus dem Leben,
Von Luft getragen, wie ein Adler schweben!
Estrella.
Die Flügel dir zu binden,
Will ich dich bald mit fest'rem Band umwinden;
Denn sieh, mein Freund, befürchten müßt' ich immer,
Daß du zu weit mir flögst und kehrtest nimmer.
Ortiz.
O, ließe Bustos doch, uns zu vereinen,
Recht bald den lang' ersehnten Tag erscheinen!
Warum, da er beschloß, uns zu vermählen,
Will er uns länger noch mit Aufschub quälen?
Estrella.
Was sollte ihn zu größrer Eile treiben?
Er kennt mein Herz und weiß, es wird dir bleiben.
Doch nun leb' wohl! – Noch nicht! bleib' noch! – Nein, geh'!
's ist sonderbar! je länger ich dich sehe,
Je schwerer, Sancho, kann ich von dir scheiden!
Ortiz.
Sprich nicht so süß, willst du, ich soll dich meiden.
Estrella.
Leb' wohl, mein Herz!
Ortiz.
Mein Leben, süße Ruh'!
Estrella.
Mein holder Freund!
Ortiz.
Mein süßer Stern bist du!
(Er geht links ab.)
Estrella.
(allein, geht an das Fenster und blickt ihm nach.)
Er sieht herauf. – Noch einmal blickt er her! –
Nun ist er fort – nun seh' ich ihn nicht mehr!
(Sie bleibt gedankenvoll am Fenster stehen.)
Estrella. Bustos (durch die Thür links).
Bustos
War Sancho hier?
Estrella.
Vor wenig Augenblicken
Ging er von hier; er kann noch fern nicht seyn.
Bustos
Es thut mir leid, daß ich ihn nicht getroffen.
Ich muß ihn sprechen.
Estrella.
Willst du, send' ich hin.
Bustos (schweigt nachdenkend).
Estrella
(nach einer Pause).
Was bist du so verloren in Gedanken?
Was ist dir? Laß mich's wissen.
Bustos.
Nichts.
Estrella.
Und doch?
Bustos.
Dieß Eine wollt' ich fragen, liebe Schwester:
Sahst du den König? sprachst du je mit ihm?
Estrella.
Du weißt! beim Fest. – Sevilla'« edle Frau'n
Versammelt sah er dort: ich war dabei,
Weil du es schicklich hieltst. – Was fragst du mich,
Mein theurer Bruder, da du's selbst geboten?
Bustos.
Ganz recht, ganz recht! Doch sahst du nicht, Estrella,
Ob seine Blicke mehr auf dir geruht
Als flüchtig dich betrachtend? Sahst du nichts?
Sprich, was du weißt.
Estrella.
Was ist's? – Was fällt dir ein
Bustos.
In solchen Fällen sehen Frauen scharf.
Estrella.
Soll ich bekennen,
So däucht mich in der That, es habe oft
Des Königs Blick sich auf den Ort gerichtet,
Wo ich im Kreise saß mit andern Frau'n.
Doch saßen viele dort, wo ich; wer weiß,
Ob seine Blicke eben mir gegolten?
Bustos.
Ich frage nicht, wie du sie aufgenommen;
Du bist ja, mein' ich, Bustos Schwester und
Nennst dich Tabera.
Estrella.
Darum zweifle nicht!
Nicht mehr als sich geziemt, hat sich mein Auge
Zu ihm erhoben. Ortiz war im Saal,
Und wo Er weilt, wen könnt' ich dort noch sehen?
Bustos.
Der König sprach mit dir?
Estrella.
Mit Andern mehr. –
Er nahte sich zweimal, als ich allein,
Vom Tanz entfernt, in einem Erker stand.
Nicht dacht' ich mehr daran; doch ich gestehe,
Nun du mich fragst und es dir wichtig scheint:
Sein Ausdruck war bewegt, bald sank sein Blick
Verwirrt zu Boden; bald erhob er ihn
Und sah mich forschend an. – So kam mir's vor;
Doch leicht wär's, daß ich irrte.
Bustos.
Und was sprach er?
Estrella.
Bescheidne Worte, doch mit seinem Lobe,
Wie Männer wohl es pflegen, wenn sie Frau'n
Sich angenehm und artig zeigen wollen.
Doch warum fragst du das?
Bustos.
O, meine Schwester!
Mein Herz ist unruhvoll!
Estrella.
Was ist geschehen?
Bustos.
Nichts, nicht! Und doch zu viel fast, um es nichts
Zu nennen.
Estrella.
Du erschreckst mich!
Bustos.
Sey getrost!
Vielleicht ist's nur ein Hirngespinst, gebrütet
In Augenblicken düstrer schwarzer Laune,
Wie sie mich oft befallen. Laß es seyn,
Denk' nicht an dieß Gespräch und geh' zur Ruh',
Ich will es auch. – Leb' wohl! – Noch Eines! – Sende
An Ortiz morgen deinen Diener ab
Und schreib' ihm, daß er komme; denn vermählen
Will ich euch morgen.
Estrella.
Bruder!
Bustos.
Weiß ich doch,
Daß er der Stunde sich entgegen sehnt!
Ich will sie fern nicht länger halten. – Ruhig!
Blick' nicht so ängstlich her auf mich, 's ist nichts!
Ich liebe dich und Ortiz wie mich selbst,
Ihr seyd mir werth, was soll ich länger säumen?
Ruf' ihn zu dir, wir feiern die Vermählung.
Estrella.
Du machst, daß ich erschrecke, theurer Bruder!
Warum jetzt solche Eile?
Bustos.
Mein Gemüth
Ist oft von trüben Ahnungen ergriffen –
Ich habe heißes Blut, das Gleichmaß nicht
In der Bewegung hält, oft schlägt es fiebrisch
Und stürmt, wie einen Rachen auf der Fluth,
Von einem Vorsatz jählings mich zum andern.
Deßhalb sey ruhig! 's ist nichts Wirkliches,
Du brauchst dich nicht zu fürchten; Träume sind's,
Das ist mein Unglück. Nun, 's wird besser werden;
Mein Wahnsinn liegt im Blut.
Estrella.
Er theilt sich mit;
Denn ohne daß ich weiß, was mich bewegt,
Mich zittern macht, verwirren meine Sinne
Sich wie im wachen Traume.
Bustos.
Lebe wohl!
Auf morgen die Vermählung. Send' an Ortiz.
(Geht rechts ab.)
Estrella (allein).
Was ist ihm? – Ist er krank? – Ich bin voll Angst! –
Voll Angst? – Wovor? – Bei Gott, ich selbst bin krank.
Ist er denn nicht wie sonst? Was schreckt mich denn? –
Ortiz wird mein und Stella sollte zagen?
Fort, thöricht Bangen! Hat des Glückes Blume,
Wie Blüthen des Jasmin im Hauch der Nacht,
Nicht die geschloss'nen Blätter aufgeschlagen,
Geöffnet ihrer Kelche Farbenpracht,
Um sie als Kranz mir in das Haar zu schlingen? –
O süßes »Morgen!« komm' auf goldnen Schwingen!
(Sie geht durch dieselbe Thür rechts, durch welche sich Bustos entfernt hat.)
Nacht. Pause.
Die Sklavin mit einem Licht in der Hand, aus der Thür rechts.
Jetzt ist es Zeit! Don Bustos ist zur Ruh',
Jetzt kann's geschehn. – Mir pocht das Herz vor Angst! –
Wenn's nicht gelingt – weh' dann! – Geschwind! ich sehe,
Ob jemand naht!
(Sie horcht an der Thür rechts.)
Kein Mensch! 's ist Alles still.
So sey es denn gewagt!
(Sie geht mit dem Lichte auf den Balkon und kommt dann nach einer Pause zurück.)
Er hat's gesehn!
Gott sey mir gnädig! – Wär' es nicht der König,
Um keinen Berg Dublonen thät' ich's mehr. –
Mir schnürt's den Athem zu bis an die Kehle!
Still! – horch! Geräusch! – Weh' mir! 's ist nicht der König!
Man naht von jener Seit'! – Ich bin des Todes!
Die Sklavin, Bustos (mit brennendem Lichte und bloßem Degen
aus der Thür rechts).
Bustos.
Was machst du hier im Saal? Sprich, Unglücksel'ge!
Wem galt das Zeichen? Rede, eh' du stirbst!
Sklavin.
Ihr irrt Euch, Herr! ich war allein.
Bustos.
Das Licht
Trugst du auf den Balkon! Ich hab's gesehen!
Sprich, denn du stirbst! Schlepp' keine Lüge mit!
Bekenne!
Sklavin (auf den Knien).
Habt Erbarmen!
Bustos.
(ruft aus der Thür links).
Schließt die Pforten!
Sklavin.
Er tödtet mich! ich fliehe!
(Sie entflieht durch die Seitenthür rechts.)
(Indem
Bustos von der Thür kommt, tritt der
König, eine Maske
vor dem Gesicht, durch die Glasthür des Balkons.)
Bustos.
Hierher, Verweg'ner!
Daß dieses Schwert den Rückweg dir erspare!
Du kommst nicht mehr von hinnen!
König (für sich).
Bustos ist's!
Was ist zu thun? – Fürwahr, hier gilt's den Degen!
(Indem er den Degen zieht, entfällt ihm die Maske)
Bustos.
(erkennt den König, für sich).
Hilf Gott! es ist der König!
(Er bläst das Licht aus)
(Der König zielt sich durch die Glasthür zurück, Bustos allein. Nach einer Pause.)
Was ist geschehn? – Ist Athem noch in mir?
Ihr Wände, stürzet ein, mich zu begraben!
Ein lebend Bild der Schande steh' ich hier!
Was nützt's, den Degen in der Hand zu haben?
Eh' müss' er dringen in mein eigen Leben,
Eh' ich vermöcht', ihn gegen den zu heben,
Den ich gesehn! – O Schmach! – Wo ist die Schlange!
Daß ich sie würge! – Dort in jenem Gange!
(Er stürzt durch die Seitenthür rechts. Man hört gleich darauf einen Schrei.)