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Zweiter Aufzug.

Gemach im königlichen Palast.

Erster Auftritt.

Der König. Don Arias.

Arias.

Du kennst ihn nicht! ich aber kenn' ihn, Herr!
Ein stolzes, finstres, gallerfülltes Herz,
In jedem Fall zum Aeußersten bereitet,
Zwiefach gefährlich, wenn es schweigt.

König.

Was nützt
Die späte Warnung, nun die That geschehn?
Nichts bleibt mehr übrig als der eigne Vorwurf!
War dieß mein Platz? So dürft' er vor mir stehn?
O Schmach! o Schmach!

Arias.

Ein schlimmer Zufall war's;
Ich wünschte selbst, ihn ungeschehn zu machen.
Doch weil's ein böses Schicksal so gefügt,
Daß zwischen seinem Tode nur die Wahl,
Und bösen Leumund, der dich treffen muß,
So rette deine Würd' und laß ihn fallen!

König.

Thöricht Geschwätz! Könnt' ich nur vor mir selbst
Verbergen, was gescheh'n; – ich sorge nicht,
Daß Andre es erfahren. Bustos schweigt;
Wie könnt' er wagen, so gefährliches
Geheimniß Preis zu geben?

Arias.

Wenn er's wagt?

König.

Dann, ja – dann freilich muß – er wird es nicht,
Sey unbesorgt.

Arias.

Und wenn er doch? – Warum
Die Möglichkeit ihm lassen, daß er's kann?

Zweiter Auftritt.

Vorige. Ein Page tritt ein, hernach Pedro Guzmann.

Page.

Don Pedro Guzmann ist im Vorgemach,

König.

Er komme. –

(Der Page geht ab.)

Nein! – Die Sache, schlimm an sich,
Soll nicht noch schlimmer werben! Kann es seyn,
So will ich sie vergessen.

Don Guzmann tritt ein,

König.

Pedro Guzmann!
Was Neues zu Sevilla?

Guzmann.

Einen Frevel,
Der diese Nacht geschehn, komm' ich zu melden: –
Bei Tages Anbruch fand ein todtes Weib,
Gemordet mit drei Stichen in die Brust,
Man vor dem Thore des Palastes liegen.
Für eine Sklavin ward das Weib erkannt
Des Bustos von Tabera.

König (für sich).

Ha! Entsetzlich!

Guzmann.

Noch ist der Fall nicht vom Gericht erhoben,
Doch hoff' ich, soll es unbekannt nicht bleiben,
Wer sich der kühnen That verwogen.

König.

Sprecht,
Hat man Vermuthung? – sind Wahrzeichen da,
Die den Zusammenhang begreifen lassen?

Guzmann.

Bis jetzt noch keine.

König.

Wohl! Gebt mir Bericht,
Wenn Ihr der Sache auf den Grund gekommen!
(Guzmann geht ab.)

Arias.

Wer hat nun Recht? Wer hat den Mann gekannt?
Der Sklavin Leichnam legt er vor das Thor
Mit kecker Unverschämtheit!

König.

Welch ein Hohn!
Darf er so weit es treiben, ungestraft?

Arias

Nicht Schranken kennt ein Rasender wie er!

König.

Er soll sie kennen, der Verwegene!
O, wär' ich König nicht! – Beglücktes Vorrecht,
Beleidigung mit eignem Arm zu rächen!
Dem Ehre wiedergeben durch die Waffen,
Dem Schmach man angethan, und die empfangene
Hinweg zu waschen in des Gegners Blut,
Mann gegen Mann! Beglücktes Vorrecht
Der Ritterschaft! – O, daß ich, ebenbürtig,
Mit Bustos messen könnte meinen Stahl,
Bald sollte mir und ihm genug geschehn,
Und die gereinte Ehre aus dem Kampfe,
Wie ein verjüngter Phönix aus den Flammen,
In neuem Glanze leuchtend sich erheben!

Arias

Nicht du hast ihn gestürzt, er stürzt sich selbst.
Wenn du gefehlt als König, sollt' er nicht
Den kleinen Fehl dem Aug' der Welt verbergen?
Ward er gekränkt durch dich, bist du sein Herr
Und hast vielleicht die Kränkung schon bereut.
Er aber zeigt ein ungebändigt Herz,
Indem er kühn sich seiner Blutthat rühmt,
Was wirb er weiter thun, wenn nicht dein Arm
Den blut'gen Stahl dem Wüthenden entwindet?
Die Schwester mordet er so wie die Sklavin.

König.

Da sprichst du wahr.

Arias.

Weil er dich schwach gesehn,
Gibt das ein Recht ihm zu Verbrechen?

König.

O!

Arias.

Du sahst ihn vor dir mit entblößtem Schwert
Und hast verziehn, und bist sein Herr und König;
Ihn aber treibt der ungemess'ne Stolz,
Selbst seinem Herrn in's Antlitz Trotz zu bieten!
Wie nennst du dieß Vergehn? Ich, hoher Herr,
Ich nenn' es Hochverrath.

König.

Bei Gott, so ist's!
nicht tödten wollt' ich ihn, ich wollt' es nicht:
Nun aber muß ich! Jener Sklavin Mord
Wird den geheimen Antrieb dieser That
Ans Licht ziehn und Don Bustos kühner Frevel
Wird offenkundig vor der Welt! Beim Himmel!
Nicht soll Sevilla wissen, daß ein Mann
Gelebt, der das gewagt. – Er sterbe, Arias! –
Nicht ich, nicht ich; er gab sich selbst den Tod.

Arias.

So ist's, mein hoher Herr!

König.

Doch weil um Ehre
Er Unrecht that und Ehre sein Verbrechen,
So fall' er rühmlich. Einen Mann erkies' ich,
Dem sich kein zweiter mag so leicht vergleichen,
Der soll ihn strafen. Ruf' mir Ortiz her!
Ich hab' ihn fechten sehen neben mir –
So hohen Sinn trägt Keiner. – Ruf' ihn her! –
Eid von Sevilla nennet ihn das Volk;
Er sey der Mann, dem ich mein Schwert vertraue.

(Arias geht ab)

König (allein).

Unsel'ger Bustos! Kennst du nicht die Sage
Vom edlen Hermelin, das keinen Flecken
Auf seines Felles weißem Grunde duldet?
Sahst du's auf diesem Purpurmantel nicht,
Und thatest dennoch, was Dein Herz gewagt?
Zwar war es Nacht, doch hast du es gesehn,
Und daß du's sahst – es kostet dich das Leben!

Dritter Auftritt.

Der König. Der Page. Hernach Bustos.

Page.

Bustos Tavera bittet um Gehör.

König.

Laß ihn herein.

(Der Page geht ab.)

Ja, Arias hat Recht!
Der unbeugsame Stolz, er ist zu fürchten!

Bustos (tritt ein und kniet).

Bustos Tabera nenn' ich mich, mein König.

König.

Ich kenn' Euch wohl. Erhebt Euch! Was verlangt Ihr?

Bustos.

Zu deinen Füßen werf' ich mich, o Herr,
Und steh', ein Klagender, dich an um Recht.

König.

Es soll Euch werden.

Bustos.

Dank, da du's versprichst! –
Ich habe eine Schwester, hoher Herr,
Der Apfel meines Auges, theurer mir
Als meines Herzens Blut! – Man preist sie schön,
Und sie ist ehrbar, Herr!

König.

Sie heißt Tabera.

Bustos.

Ja, Herr, so heißt sie! – Still in meinem Haus
Ist diese Blum' erblühet, und fürwahr,
Selbst vor dem Aug' der Sonne schützt' ich sie,
Kein Makel ist an ihr; sie kennt das Blut,
Aus dem sie stammt, und weiß es wohl zu ehren.
Selbst der geschäftige Neid, der nichts verschont,
Verstummt und wagt nicht ihren Ruf zu schmäh'n.
Sie zeigt sich im Gewühl der Menge nicht,
Und selten steht man sie bei einem Feste.
Wenn sie zur Kirche geht, ist sie begleitet
Von ihren Frau'n, ihr Antlitz ist gehüllt
In dichte Schleier und, Begegnung meidend,
Blickt scheu sie auf den Weg nur, den sie geht.
So meint' ich sie geschützt vor jedem Unglimpf,
Durch strenge Hut und ihren eignen Werth.

König.

Gewiß, sie ist's, Don Bustos, zweifelt nicht.

Bustos.

Wer schützte Schönheit vor vermess'nem Wunsch?

König.
Der Schönheit Vorzug ist, daß man sie wünscht.

Bustos.

Nur wo man sie getrennt glaubt von der Zucht,
Wird sie versucht mit Werbung, die sie schmäht.

König.

Ihr geht zu weit in Eurer Furcht. Glaubt mir,
Wer sich der Schönheit naht, will sie verehren.

Bustos.

Wer sie verehrt, wird ihr den Glanz nicht rauben.
Das Glas zu trüben, Herr, genügt ein Hauch.

König.
Ihr fürchtet ohne Grund! Glaubt mir, Don Bustos,
Der frühern Meinung könnt Ihr kühn vertrau'n,
Estrella ist geschützt durch ihren Werth.

Bustos.

Du irrst, o Herr! – O, war' es, wie du sagst!
Doch Feinde gibt es, die so mächtig sind,
Daß, nächst dem Himmel, du nur schützen kannst.
Urtheile selbst, mein König! – Dunkel war's,
Da sah ich eine Magd mit hellem Lichte
Zu später Abendzeit auf dem Balkon«:
Das nimmt mich Wunder, und wie ich's bedenke,
Hör' ich ein Zeichen aus dem Garten schallen.
Ich stürze in den Saal; erstarrt vor Schrecken,
In Todesblässe, zitternd steht die Sklavin,
In ihren Zügen malt sich ihre Schuld.
Schon droht mein Arm ihr Tod – da eben dringt
Ein Mann, vermummt das Antlitz, durch die Thüre:
Das Schwert in meiner Hand fall' ich ihn an;
Sein Leben schwebt auf meines Degens Spitze –
Da fällt die Mask' ihm vom Gesicht herab;
Doch, daß ich fürder ihn nicht sehen könne –
Verlöscht – ein Hauch – das Licht in meiner Hand,
Und durch die Thüre, wo er eingedrungen,
Verschwindet er! – Ich aber blieb im Dunkel
Mit meinem Schwert und meiner Schmach allein.

König.

Habt Ihr den Mann erkannt, der Euch genaht?

Bustos.

Nicht kennen will ich ihn! – Die Sklavin starb,
Durchbohrt von mir, und litt des Frevels Strafe!
Die rasche That, o Herr, vergebt dem Thäter!
Beigebt mir auch, wenn eine Thrän' Ihr seht
In meinem Auge, der ein Mann ich bin;
Die erste ist's in meinem ganzen Leben! –
Doch eine Schmach bringt leicht die andre mit.
Auf Erden lebt, der Unglimpf mir gethan
Und mir die Ehre kränkte unverdient,
So tiefer Gram, verschlossen in der Brust,
Tritt nun, ein salzig Naß, in diese Augen,
Denn keinen andern Ausgang findet er!

König.

Ihr seyd beleidigt, Bustos, ich bekenn' es;
Doch seyd gewiß – ich leist' Euch deß Gewähr
Mit meinem königlichen Wort – es soll
Euch, wie's die Kränkung will, genug geschehn.
Darauf vertraut und geht getrost von hier.

Bustos.

Mein Leben, zehnfach, sei dir hingegeben!

König.

Doch staunet nicht, wenn das, was kühn begann,
Sich kühn auch endet. Nicht umsonst, Don Bustos,
Sollt Ihr das Schwert gezogen haben, und,
Gelüstet Tuch nach Kampf – sollt Ihr ihn finden.
Nicht ohne Strafe laß ich das Vergeh»!
Geht nun mit Gott! – Ihr seyd von mir entlassen.

Bustos.

Des Rechtes Urquell bist du selbst, o Herr!,
Was du beschließest, findet mich gefaßt,
Und wie ich mich verging, so strafe mich.
Geschehen aber soll, o Herr, was muß.

(Geht ab.)

König (allein).
Verweg'ner sah ich nimmer einen Mann! –
Der thut nichts halb. Wohlan, so mag er's haben!
Er lerne kennen, welch ein Abstand sey
Von mir zu ihm, und büße seinen Trotz!
Doch ziemt es, seine Ehr' ihm herzustellen.

(Er tritt an einen Tisch und schreibt)

Vierter Auftritt.

Der König. Don Arias.

Arias.

Don Sancho Ortiz harret deines Willens.

König.

Laß ihn herein. Es soll sich niemand nah'n.

(Arias geht ab.)

König (allein).

Hier dieses Blatt enthält Urtheil und Namen,
Und dieses meinen königlichen Freibrief;
So ist der Mann geschützt, den ich erwähle.
Die Ursach' aber bleibt ihm tief verborgen. –
Gerechte Ahndung glaub' er zu vollziehn,
Indeß Don Bustos, kündig meines Sinns,
Herstellung seiner Ehre soll erkennen,
Und Lohn und Straf' empfang' er so zugleich.

Fünfter Auftritt.

Der König. Don Ortiz.

Ortiz. (kniet).

Gewärtig deines Willens sieh mich hier.
Ich ward zu dir entboten. –

König.

Ja. – Steht auf!
Ihr seyd ein tapfrer Mann! Getreu und fest,
Verschwiegen, wo es noth – so kenn' ich Euch,
Und ausgeschieden hab' ich aus der Menge
So glänzendes Verdienst. – Ich will Euch ehren
Und mein Vertrau'n Euch schenken, Ihr verdient's.

Ortiz.

An Treue weich' ich keinem! Glaub', o Herr,
Daß in Castilien niemand lebt, der lieber
Dir Blut und Leben weiht.

König.

Ich will's erproben.
Vernehmt, warum Wir Euch hierher entboten,
Und merkt auf Unsern Willen. – Im Vertrau'n –
Es lebt ein Edelmann in dieser Stadt,
Deß Haupt verfallen ist um ein Vergehn,
Das ich nicht nennen will; drum ist mir's wichtig,
Daß im geheim er sterb'.

Ortiz.

Um Hochverrath? –

König.

Ja! – Eurem Schwert vertrau' ich die Vollstreckung
Des Urtheils, das verschwiegen bleibt; 's ist wichtig,
Daß niemand seines Todes Grund erfahre.

Ortiz.

Sprich,
Warum ein solch' Geheimniß, hoher Herr?
Laß deine Audienza sich versammeln,
Und ist er schuldig, spreche sie sein Urtheil.
Auf offnem Markte falle dann sein Haupt,
Ein warnend Beispiel! Wenn geheim er stirbt,
Bezweifelt man den Grund, und Mancher denkt.
Daß man vielleicht ihn ohne Schuld getödtet.
Was er verbrochen, laß die Welt es wissen;
Doch ist des Armen Schicksal, daß er dich
Vielleicht gekränkt durch ein gering Vergehn,
Dann laß ihm Gnade werden, hoher Herr!

König.

Wenn ich des Todes schuldig ihn erkenne,
Dann ist er's, zweifelt nicht. Doch urtheilt selbst:
Was haltet Ihr den werth, Don Sancho Ortiz,
Der Uns in's Antlitz Trotz zu bieten wagt,
Der seinen Degen zog –

Ortiz.

Ha, sprich nicht weiter!
Laß sein verruchtes Haupt vom Rumpf ihm hau'n,
Bevor er betet!

König.

Nun, er hat's gethan,

Ortiz.

Und wenn er's dachte nur, so laß ihn sterben!

König.

Er soll's, Don Ortiz! Und wenn dennoch ich
Bei solchem todeswürdigen Vergehn
Ihn öffentlich nicht strafe, könnt Ihr denken,
Mir müsse wichtig das Geheimniß seyn.
Auch will ich Euch nicht bergen, Sancho Ortiz,
Wie groß der Frevel sey des Schuldigen;
War Ehre doch der Antrieb seiner That.
Darum erleid' er Tod, doch keine Schande,
Durch eines Ritters Hand, in gutem Zweikampf;
Nicht durch das Richtbeil will ich ihn bestrafen.

Ortiz.

Ganz fass' ich dich, mein König! – Weil um Ehre
Er ward Verbrecher, geb' ihm Ehre Tod.

König.

So ist's.

Ortiz.

Dank, daß du mich gewählt!
Und wär's mein Vater, Herr, ich wollt' ihn strafen!

König.

Gebt Euern Handschlag mir.
(Reicht ihm die Hand )

Ortiz.

(Des Königs Hand küssend).
Mein Wort – ein Eid!

König.

Eilt denn zur That, vollbringt sie und verstummt!
Ein ewig Schweigen berge sie der Welt.

Ortiz.

Vertraue mir! Es wird die Zeit bewähren,
Ob Sancho Ortiz dieses Zutrau'ns werth.
Bezeichne mir den Mann, daß ich ihn finde! –
Du nennst ihn strafbar, und so ist er's auch,
Da er's nun ist, o Herr, richt' ich ihn hin.
Wenn er bis morgen lebt, heiß' mich Verräther!
Ich such' ihn auf! Wo ich ihn immer finde,
Auf offner Straß', am Markt, vor ganz Sevilla
Ruf' ich ihn auf: er soll für sein Vergehn
Einstehn mit seinem Leben!

König.

Nehmt dieß Blatt
Mit meiner Handschrift. – Lest; ein Freibrief ist's,
Der Euch beschützt vor der Alkalden Arm.

Ortiz.
Mir diese Handschrift, Herr? Warum? – Wofür?
Das wolle Gott nicht, daß Dein Königswort
Mir minder als die Handschrift gelten sollte!
Hegst du so niedre Meinung denn von mir,
Daß ich mich sichern würde gegen dich? –
Nicht also, Herr! – Vernichte dieß Papier.
Wo du befiehlst, braucht's keiner andern Vollmacht,
Und mich zu schützen g'nügt dein fürstlich Wort.
(Der König zerreißt die Schrift.)

Ortiz.

So dien' ich dir mit besserem Vertrau'n!
Ich thue, was ich soll; du, hoher Herr,
Wirst mich vertreten, wo mir Hülfe noth.

König.

Ihr handelt wie ein würdiger Vasall!
Seyd meiner königlichen Huld versichert.
Dieß andre Blatt hier nennet Euch den Namen
Des Schuldigen.

(Er gibt ihm ein zweites versiegeltes Blatt.)
Erschreckt nicht, wenn Ihr's öffnet,
Denn in Sevilla steht der Mann in Ansehn.
Lebt wohl! und was Ihr wißt, verschweigt es streng.

(Geht ab.)

Ortiz.

Sey unbesorgt! Im Handeln wie im Schweigen
Thut Ortiz von Roellas seine Pflicht.
(Geht ab.)

Sechster Auftritt.

Platz vor dem königlichen Schlosse.

Don Ortiz aus dem Palaste tretend, Clarindo kommt ihm entgegen.

Clarindo.

Mit froher Kunde
Such' ich dich, Herr, schon seit der Morgenstunde,
Nimm diesen Brief von deiner Dame Hand.

Ortiz.

Estrella? –

Clarindo.

Ja. Von ihr bin ich gesandt.
(Uebergibt den Brief.)

Ortiz liest).

»Der erste Strahl der Sonne
Erwecke dich zu lang' ersehnter Wonne,
Mein theurer Sancho! – Eile
In meinen Arm und theile
Estrella's Glück! – Bustos will uns verbinden:
Er sucht dich auf, dir den Entschluß zu künden, –
Noch heut dein Weib! – O fliege,
Daß, eh' du kommst, ich nicht dem Glück erliege!
Estrella.«

Da nimm den Hyacinth! – Ach, geben
Möcht' ich die Seele hin, mein Herz, mein Leben!
Ich bin so reich, so reich durch diese Zeilen,
Daß, um mein Glück zu theilen,
Ich jubelnd möcht' in alle Lüfte schreien:
Kommt her, euch mit zu freuen,
Ihr, die ihr Freud' entbehret!
Kommt, nehmt, was mir gehöret!
Ihr schöpft nicht leer den Bronnen
Von Ortiz Glück! Was ihr auch nehmt, ich fasse,
Wenn ich die Erd' auch lasse,
Dafür den Himmel an mit seinen Wonnen;
Fort! Laß mein Haus sich schmücken!
Selbst von den Wänden leuchte mein Entzücken!
Mit reichen Stoffen zieret alle Hallen,
Laßt Teppiche von allen Stufen wallen;
Bekränzt die Pforten prangen,
Die schönste Frau der Erde zu empfangen!
Indeß ich hin zu ihren Füßen eile,
Besorge – nein – verweile! –
Mich ruft des Königs Dienst. Selbst nicht die Liebe
Entschuldigt, daß ich zaudernd das verschiebe,
Was er mir aufgetragen.
Bald folg' ich dir! Geh', das ihr anzusagen,

( Clarindo geht ab,)

Ortiz (allein)

Nun, schicksalsvolle Schrift, laß dich befragen?
Wer ist der Schuldbeladne, dessen Name,
Find' ich ihn hier auf diesem Blatt, zum Tode
Den Mann urplötzlich rufet, der ihn trägt? –
Das Siegel öffn' ich – und sein Leib gehört
Der Erde und die Seele Gott!

(Oeffnet und liest.)

»Sancho Ortiz! Der Mann, den du bestrafen sollst,
Ist – Bustos Tabera.« –
Weh' mir!
Nein, nein! Der Name steht nicht hier! Bustos –
Bustos Tabera?! – Gott! allmächt'ger Gott!
Nein, Bustos nicht! Bustos Tabera nicht!
Das ist ein Irrthum! nein! – Laß sehn – »Bustos Tabera!« –
So ist's, so steht es hier! – Er ein Verräther?
Er Frevels schuldig gegen seinen Herrn?
Nein, nimmermehr! Bustos? – Was zweifl' ich denn?
Steht nicht sein Name hier? – sagt's nicht der König?
O furchtbares Geschick! – er ist des Todes!
O, Stella! Stella! unglücksel'ge Stella!
Hätt' ich dich nie gesehn, dir wäre besser!
Deßhalb hast du an meiner Brust geruht,
Dein holdes Auge süß mir zugewandt,
Geliebter mich genannt, dein Glück, dein Leben? –
Weh' über dich und über Bustos Weh'!
Und hundertfaches Wehe über mich!
Den Unglückseligsten! – So muß er sterben!
Sterben durch meine Hand? Der Freund, der Bruder!
Durch diese Hand? – Er Hochverrates schuldig?
Bustos das Schwert gezücket auf den König? –
Allmächt'ger Gott! – Dann freilich muß er sterben!
O, hätt' ein Blitz dich, Rasender, getroffen,
Eh' du gefrevelt gegen deinen Herrn!
Du könntest leben noch, dir wär' zu helfen;
Nun bist du todt, nun rettet dich kein Gott!
Der König will's – und Ortiz gab sein Wort.

Siebenter Auftritt.

Ortiz. Bustos.

Bustos.

Ha! endlich find' ich dich!

Ortiz (für sich).

O Gott!

Bustos.

Ich komme,
Ein lang ersehntes Glück dir zu verkünden!
Mein Freund! mein Bruder!

Ortiz.

Fort, zurück!
Nenn' mich nicht Bruder! laß die Hand mir los!

Bustos.

Was ist dir, Sancho? Rede! was geschah?
Kennst du mich nicht?

Ortiz.

O, daß ich dich nicht kennte!
Daß dich die Erde bärge meinem Blick!

Bustos.

In Räthseln sprichst du, ich versteh' dich nicht!
Noch Einmal: was geschah?

Ortiz.

Du fragst, Verräther?

Bustos

(nach dem Schwerte greifend).
Verräther? Ha! – Doch nein! –

Ortiz (für sich).

O, gib mir Stärke,
Barmherz'ger Himmel!

Bustos.

Sancho, du bist krank.
Komm' in mein Haus, Estrella soll dich pflegen,
Bis du genesest,

Ortiz.

Nie betret' ich's mehr!

Bustos.

Beim höchsten Gott, mir schwindet die Geduld!
Bist du bei Sinnen, so erkläre dich;
Wo nicht –

Ortiz.

Ich bin bei Sinnen. Wär' ich's nicht,
Das Blut aus meinen Adern gäb' ich drum! –
O Bustos! Bustos! Bustos! – Zieh' dein Schwert
Und schirm' dein Leben, wenn du kannst!

Bustos.

Mein Bruder!

Ortiz.

Nichts mehr davon! – Dein Wort geb' ich zurück!

Bustos.

Ortiz!

Ortiz.

Nichts von Vermählung mehr! Fortan
Bin ich dein Feind und raube dir das Leben!
Nicht Bruder dir, Unsel'ger, kann ich sehn,
Der ich zu deinem Todfeind mich geschworen!
Deßhalb such' ich dein Blut! – Doch daß ich's muß,
Und daß es so gekommen – darum wein' ich!

Bustos.

Treibst du dein Spiel? Bei Gott, nun wird's zu arg!
Sprich was du weißt, und ich will Antwort geben;
Denn, Ortiz, meinem Herzen bist du werth.

Ortiz.

Was ich dir sagen mußte, weißt du nun;
Nichts weiter red' ich, Unglückseliger!

Bustos.

Ist, was ich höre, wahr? Bin ich noch Bustos? –
Nun, wenn ich's bin, wenn ich nicht toll und nicht
Der Wahnsinn mein gesundes Hirn zerrüttet,
So laß mich diesen Buben niederstoßen,
Gerechte Vorsicht! den Erbärmlichen,
Der mich beschimpft und die Vermählung flieht,
Vorwand erfindend, meine Ehre kränkt! –
Schnell zieh' dein Schwert; denn bei dem höchsten Gott,
Den Degen schlag' ich um die Schulter dir!
(Er dringt mit dem Schwerte auf ihn ein.)

Ortiz (zieht).

So wahre dich! Es sucht mein Stahl dein Herz!
(Sie fechten, Bustos fällt)

Bustos

Ich bin des Todes!

Ortiz

(wirft sein Schwert weg).
Weh! Deckt mich, ihr Mauern!
O, Bustos! Bruder! Freund! – Mein eignes Leben
Hab' ich im Wahnsinn grausam hingewürgt!

Bustos.

Flieh', wenn Du kannst, – Die Wunde traf in's Leben!

Ortiz.

O harte Pflicht! – Auf, stoß' in diese Brust
Dein Schwert! Hier, hier! – Ich preise deine Milde,
Wenn Du mich tödtest! – König Sancho! – Weh'!

Bustos.

Wie? – König, sagtest du? – Ich weiß genug!
Gib deine Hand mir. – Ha – dem König dank ich!
Er hat mich hoch geehrt, wie noch kein Spanier
Geehrt ward! – Und die Hand, die ihn vertreten –
Hier – statt der seinen – küss' ich sterbend sie!
Ortiz! – leb' wohl! – Estrella ist dein eigen.
Sag' ihr, ich sank, in Ehre reich gehüllt –
Sie soll nicht trauern! – Bruder – lebe wohl!
Gott sey mir gnädig!

(Er stirbt.)

Ortiz.

O! – Er ist dahin!
Er stirbt! – Wohlan! So laß ihn meine Seele
Geleiten, und im Tode wie im Leben
Geh' Ortiz mit Tabera Hand in Hand!

(Er will sich in sein Schwert stürzen.)

Achter Auftritt.

Vorige. Don Guzmann. Don Ribera. Gefolge.

Ribera.

Was thut Ihr? Haltet ein!

Ortiz.

Laßt mich! Hinweg!

Ribera.

Herr, seyd Ihr rasend?

Guzmann (folgt).

Gott! – Was ist geschehn?
Bustos Tabera schwimmt in seinem Blut!

Ortiz.

Ihr schaudert? – staunt? – Gebt mir den Tod! – den Tod!
Kein Mord ist noch geschehn bis diese Stunde!
Ich bin der Mörder, ich! – der Brudermörder,
Kain von Sevilla! – Abel liegt im Blut –
Von dieser Hand erschlagen!

Guzmann.

Faßt Euch, Ortiz!

Ortiz.

Wohl steht ihr stumm und bleich, und ängstlich Grau'n
Macht euch die Bärte zittern! – Welche That! –
Nichts Schauderhaftes habt ihr noch gesehn! –
Wenn Feind den Feind erschlägt, was ist es mehr?
Ich hab' gewüthet in mein eigen Fleisch!
Den Bruder, Vater hab' ich mir getödtet!

Guzmann.

Erzählt der Sache Hergang, gebt uns Aufschluß!
Was hat Euch zu der blut'gen That bewogen?

Ortiz.

Fragt mich nicht, Pedro, Ihr erfahrt es nie!
Eh' treffe Schande mich, eh' meine Zunge
Es ausspricht!

Ribera.

Fiel Euch Bustos an?

Ortiz.

Nein, nein!

Ribera.

So war es Nothwehr nicht?

Ortiz.

O, es war Mord!

Guzmann.

Hier liegt sein Degen. – Nicht Verrath hat ihn,
Nicht Meuchelmord gefällt.

Ortiz. (auffahrend).

Don Pedro! – O!

Guzmann.

Warum dieß Schweigen? Redet, sprecht ein Wort! –
Ihr seyd ein Edelmann von Werth und Ehre,
Nicht Argwohn zeiht Euch einer niedern That;
Darum erklärt Euch.

Ortiz.

Nimmermehr!

Guzmann.

Den Grund
Sagt uns.

Ortiz.

Ich weiß ihn – doch ich schweige.

Ribera.

War's Rache, die Euch trieb?

Ortiz.

Nein, Herr; ich liebt' ihn.

Ribera.

Er hat Euch nicht beleidigt, nicht gekränkt?

Ortiz.

Mit nichts; er hat nur Gutes mir erwiesen.

Guzmann.

Nun, so verhaft' ich Euch als Mörder dann.

Ortiz.

Da thut Ihr recht. Ihr seyd ein Ehrenmann!

Guzmann.

Ihr, der ein Spiegel reiner Ehren war't,
Zierde von Spaniens Rittern!

Ortiz.

Wie's geschah,
So richt' es Gott! Dennoch mein' ich durch Worte
Nicht aufzuhalten den erhobnen Arm
Des Rechts. Thut, Herr, was Eures Amts. – Dieß Schwert,
So lang' ich's trug, zu eigen einem Mann
Von Ehre, nehmt es hin! Aus guter Hand
Kommt's nun in eine bessre, und dieß Zeichen,

(Er nimmt eine Gnadenkette vom Halse)

Das mir die Brust geschmückt durch meines Herrn
Und Königs unverdiente Huld und Gnade,
Nicht dem Verbrecher ziemt es mehr! Ich gebe
Es knieend hier zurück. – Frei ist der Hals
Dem Stahle.

Ribera.

Ortiz!

Ortiz.

Und nun mahn' ich Euch,
Säumt länger nicht, des Amtes Pflicht zu üben.
Gestanden ist die Schuld, nichts braucht es mehr.
Vollzieht des Rechtes Ausspruch, der begehret
Unweigerlich: daß, eh' die Sonne sinkt,
Das Haupt des Schuld'gen falle.

Guzmann.

O, entsetzlich!

Ortiz.

Doch wollt Ihr, alter Freundschaft eingedenk,
Mir Eines noch gewähren, sey es dieß:
Daß heimlich Ihr vollziehen laßt und schnell,
Was ihr nicht hindern könnt.

Ribera.

Unglücklicher!

Ortiz.

Nicht zaudert mehr! – Wie Andre um ihr Leben,
Fleh' ich Euch, Herr, mir schnell den Tod zu geben.


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