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VI.

Wenn der Bäckermeister Zoderer zu seinem Freunde Piffrader gesagt hatte, die Verlobung des Steuerinspektors Gritz mit Hedwig solle vorerst nicht publik werden, so war das so wenig ernst gemeint als manche Bürgerrede über das Beamtentum und die absichtlich zur Schau getragene Geringschätzung. Zoderer hatte lichte Momente, in welchen er geradezu froh zu sein schien, einen solchen Tochtermann in wenn auch nicht glänzender, so doch in auskömmlicher und sicherer Stellung bekommen zu haben. Laut schimpfte er aber über das Beamtentum. Der Gattin gegenüber that der Bäcker groß und protzig, als wenn dem Steuermenschen Wunder was für eine Gnade erwiesen worden wäre.

Hedwig selbst äußerte keine besondere Leidenschaft für den Verlobten, sie zeigte sich eher spröde, achtete jedoch sorgsam darauf, daß ihr der Bräutigam nicht abspenstig gemacht werde. Das beste Mittel hierzu schien Hedwig, die Kunde der Verlobung den Freundinnen und Feindinnen unter dem Siegel der Verschwiegenheit mit der Bitte um strengste Diskretion anzuvertrauen.

Die Folge davon war, daß man in jedem Hause alsbald von dieser Neuigkeit wußte und sie unter die Hechel nahm. Der Neid sorgte gründlich, die Zungen in Bewegung zu setzen.

Die Freundin Ida zu verständigen, zögerte Hedwig anfangs, ging aber schließlich doch zu ihr. Der herzliche Empfang befreite Hedwig vom Gefühle einer großen Bangigkeit, der heimlichen Angst, daß Ida etwa Anspielungen machen könnte; doch mit keinem Wort und Blick deutete Ida an, daß die Verlobung mit dem Inspektor eine Minderung früherer hochfliegender Pläne Hedwigs sei.

Der Glückwunsch erfolgte herzlich lieb, so warm und traut, daß Hedwig die Freundin unter Thränen der Rührung umarmte und dann eifrig zu schwatzen begann. Als Ida fragte, wo und wann die erste bedeutungsvolle Annäherung erfolgt, ward die Freundin für einen Moment verlegen, überwand aber die Befangenheit rasch und that, als hätte es gar keinen anderen Mann jemals gegeben. Ja, die alte Keckheit kam zu Tage in der Behauptung, daß eigentlich der Festabend für den Bezirkshauptmann die Annäherung mit sich gebracht habe, Graf Rothenburg daher, freilich ohne jegliche Absicht oder Beihilfe, der Gründer des bevorstehenden Eheglückes sei.

Bei Nennung dieses Namens errötete Ida.

»Verkehrt der Graf öfters bei Euch?« fragte Hedwig, nun im gewohnten Fahrwasser steuernd. »Ich hörte, er sei anfangs ja Stammgast bei Euch gewesen. Kann mir's denken: der Graf wird nicht wenig froh gewesen sein, ein Heimatl gefunden zu haben. Mein Gott, so ein Junggeselle, verwahrlost wie sie alle sind! Hascht ihm schon einen Knopf angenäht?«

»Aber ich bitte Dich, Hedwig, was fällt Dir ein!«

»Thue decht nicht so schrecklich! Dem meinigen fehlt es überall, ich sage Dir, keine Manschette ischt ganz, die Krägen ausgefranst! Du lieber Himmel! Das wird eine Arbeit werden, bis so ein Junggeselle wieder proper gemacht ischt! Ausgehungert ischt er auch! Ich mein', mit Deinem Grafen wird es auch nicht viel anders sein!«

»Hedwig, ich muß Dich dringendst bitten!«

»So? Ischt noch keine Annäherung erfolgt? Das wundert mich!«

»Aber Hedwig! Ich begreife nicht, wie Du auch nur denken magst, daß ich ...«

»Na, Du hascht ihm decht Avancen gemacht!«

»Ich? Du bischt wohl nicht bei Trost?!«

»Mir machst Du nichts weiß, Liebste! Ein Blinder hätt' es ja sehen müssen, wie vergafft der Graf in Dich war! Ich war nur Luft für ihn!«

»Wenn Du nichts anderes zu sagen weißt, wollen wir das Gespräch decht lieber abbrechen!«

»Das heißt soviel, als spazieren Sie gefälligst hinaus! Kann ich, wenn ich mag. Nein, nein, Liebste! Ich habe scharfe Augen! Wetten wir, über Jahr und Tag bischt Du des feinen Grafen Braut?!«

»Ach, du lieber Himmel!«

»So? Das klingt freilich nicht besonders zuversichtlich! Hat es einen Haken? Kann ich Dir helfen, Idele? Weißt, ich bin nicht so schlimm, als Du vielleicht meinst. Jetzt schon gar nicht; ich bin versorgt und hab' meinen Teil, ich kann mich also ganz gut um andere kümmern und für Dich will ich mich gerne ins Zeug legen. Beichte einmal!«

»Kein Wort weiter!«

»Also komplett verliebt und die Sache ischt aussichtslos für die nächste Zeit! Wahrscheinlich mag Dein Vater nix von der noblichten Gesellschaft wissen. Na, eigentlich kann ich es ihm nicht verargen. Es soll aber auch noch ein Onkel vom Grafen da sein, und der Alte hat's Geld, wie es heißt. Der Deinige hat nix!«

»Hedwig, ich will nichts weiter hören!«

»So? Wie soll ich Dir dann helfen, wenn Du mich nicht in das Verhältnis einweihst?«

»Mir ischt nicht zu helfen, ich brauche auch niemand!«

»Du bischt und bleibst eine Geheimniskrämerin! Aber ich komm' Dir schon nach auf Deine Schlich'!«

»Nun ischt's genug! Eine derartige Sprache laß ich mir auch nicht von einer Freundin bieten!«

»Ganz Gräfin! Noblicht!« höhnte Hedwig, durch die Ablehnung ihrer aufdringlich angebotenen Hilfeleistung beleidigt, und nahm steifen Abschied.

Ida blieb weinend in ihrem Kämmerchen zurück mit vor Schmerz zuckendem Herzen.


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