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Im Sitzungssaale des Tiroler Landtages hatten sich die Abgeordneten fast vollzählig zu einer wichtigen Sitzung eingefunden. Die Spannung äußerte sich im Gemurmel, in Gruppenbildungen, in welchen der einzige hochwichtige Gegenstand der heutigen Tagesordnung mit den Chancen einer Annahme oder Ablehnung je nach der Parteischattierung lebhaft besprochen wurde. Die Tribüne ist gut besetzt, es bekundet also Innsbrucks Bevölkerung ein Interesse, wie es nicht immer zu finden ist. Auf der Regierungsbank finden sich Beamte der Statthalterei ein, der Oberbaurat, die Referenten, kühl ruhig in den Saal blickend, nur ab und zu durch ein Kopfnicken einen befreundeten oder bekannten Abgeordneten begrüßend.
Am Präsidium erschien der Landeshauptmann-Stellvertreter Doktor von Theisinger, würdevoll und gewichtig, seinen Beisitzern, den Schriftführern, zunickend. Seine Grüße an die Regierungsbank erwidern die Herren von der Statthalterei höflich, doch ohne Wärme, es ist, als liege ein Gefühl der Unsicherheit auf den Gemütern.
Wenige Minuten nach neun Uhr trat der Statthalter, Graf Kueffstein, ein, auf dessen schlanke, elegante Gestalt aller Blicke sich richteten. Der Landeschef ist schon in der äußeren Erscheinung jeder Zoll der vornehme Edelmann; das geistvolle Antlitz kündet zielbewußte Energie, hell blitzen die Augen. Ein kleiner, weißer Schnurrbart schmückt die Oberlippe, an die »Fliege« reiht sich ein Spitzbärtchen, das dem schönen Kopf trotz der weißen Farbe etwas Jugendliches verleiht. Mit scharfem Blick mustert der Landeschef Saal und Abgeordnete, eine leichte, höfliche Verbeugung zum Gruß an das Plenum und Graf Kueffstein nimmt Platz und öffnet das große Aktenportefeuille.
Wie der Präsident zur Glocke greift, beginnen die Deputierten ihre Plätze aufzusuchen. Im Lärm der vielen Tritte und der gellenden Glocke gehen die Worte des Präsidenten zur Eröffnung der Sitzung verloren. Doch mählich tritt Ruhe ein. Der Vorsitzende stellte den Oberbaurat Kitt als Regierungskommissär vor und erteilte dem Berichterstatter zum Gegenstand der heutigen Tagesordnung das Wort, das sehr kurz ausfiel, weil sich der Referent auf die vorliegenden Ausschüsse-Beschlüsse bezog, welche die Annahme der Regierungsvorlage betreffend Erbauung von neunzehn Straßen im Kostenaufwand von fünfeinviertel Millionen Gulden zu Lasten von Reich, Land und Interessenten empfehlen. Zum Schluß der kurzen Ausführung fügte der Referent jedoch bei, daß dem Plenum auch eine Resolution zur Beschlußfassung unterbreitet sei, des Inhaltes, daß der Landtag von Tirol von der Regierung erwarte, sie werde eventuelle Kostenüberschreitungen bei solchen Straßen, welche vorwiegend militärischen Erwägungen ihre Aufnahme in das Straßenbaugesetz verdanken, allein aus Staatsmitteln bezahlen.
Eine Bewegung lief durch die Reihen der Landboten, die diesen Zündstoff zu fühlen schienen, und halblaute Rufe wurden hörbar.
Graf Kueffstein wandte den Kopf zum Präsidenten und meldete sich damit zum Wort.
»Seine Excellenz der Herr Statthalter haben das Wort!« verkündet der Vorsitzende. Von den hintersten Reihen kamen Abgeordnete näher, darunter auch Piffrader, um ja kein Wort der Ausführungen des Landeschefs zu verlieren.
Anfangs leise, dann aber rasch bestimmter, sicheren Tones sprach der Statthalter: »Meine Herren: Wiederholt hat die Regierung bewiesen, daß sie reges Interesse für die Entwickelung des Landes hegt und zu fördern stets bereit ist. Entsprang der Ihnen zur Beschlußfassung vorliegende Gesetzentwurf in erster Reihe der Initiative der Regierung, so ist es selbstverständlich, daß die Regierung für diese Vorlage voll einzutreten entschlossen ist. Die endgültige Beschlußfassung wie die schließliche Beurteilung der Vorlage muß sich die Regierung bis nach Abschluß der Landtagsverhandlungen jedoch vorbehalten und zwar aus dem Grunde, weil in den Ausschüssen Abänderungen vorgenommen wurden, welche den Standpunkt der Regierung nicht unberührt gelassen haben. Man hat die Aufwandssumme geschmälert, die Staatslast zu erhöhen versucht. Hierbei muß noch in Betracht gezogen werden, daß unter den Straßen, für welche der Aufwand eingeschränkt wurde, sich auch eine Straße befindet, welche vermöge ihrer weitgreifenden Bedeutung, die ihr als Verbindungslinie der zwei Länder Tirol und Kärnten zukommt, für die von der Regierung zunächst wahrenden Interessen einen vielleicht verhältnismäßig größeren Wert hat.
»Es ist weiteres immer der Wunsch der Regierung gewesen, daß bei dieser großangelegten Aktion, wozu selbstverständlich das Land, aber auch der Staat sehr bedeutende Mittel im Interesse der volkswirtschaftlichen Landesentwickelung bietet, ein Standpunkt besser zum Ausdruck gelangen möge, nämlich der Standpunkt, daß die in die Konkurrenzen einbezogenen Gemeinden nicht wieder jene Überbürdung erfahren, wie sie so häufig bei früheren Anlässen zu beklagen war. Diesem Standpunkt ist durch Erhöhung der gemeindlichen Konkurrenzquote ebenfalls nicht Rechnung getragen worden.
»Ein weiteres Bedenken gegen die Abänderung der Vorlage liegt für die Regierung im Folgenden. Es ist für uns von besonderer Wichtigkeit, daß die Konkurrenzgemeinden bei der Straßenerhaltung nicht gänzlich sich selbst überlassen werden; daß dort, wo Staat und Land so bedeutende Bauherstellungsmittel geleistet haben, auch das Land zur Überwachung wie zu den Kosten der Straßenerhaltung herangezogen werde. In Ihren Ausschußverhandlungen zeigte sich hierfür seitens der Straßenbaukommission ein erfreuliches Verständnis, der Budgetausschuß hingegen hat diese Bestimmung zu Gunsten der Gemeinden gestrichen, ja, sogar den Passus des Landesbeitrages der Straßenerhaltung eliminiert. Die Regierung hat geglaubt, im Ausschuß für den von ihr richtig gehaltenen Standpunkt eintreten zu sollen, weil sie das Gefühl hatte, daß sie für die Erhaltung des Straßennetzes, welches den Gegenstand der Vorlage bildet, gewiß redlich das ihrige thut und zwar in der Weise, daß sie lange und nicht leicht zu erhaltende Straßenstrecken in eigene Verwaltung übernimmt. Dieses Bedenken zu überwinden, wird der Regierung vielleicht am meisten Mühe kosten. Deswegen habe ich allen Anlaß, die vorsichtige Haltung, welche die Regierung der veränderten Vorlage gegenüber einnehmen muß, auch heute am Verhandlungsbeginn im Plenum zum Ausdruck zu bringen.
»Zur Resolution selbst genügen wenige Worte. Die Staatsverwaltung übernimmt die ganze Verantwortung für die technische und administrative Leitung des großen Unternehmens, sie wird daher den größten Anlaß haben, Forderungen von sich zu weisen, die durch weitgehende Ansprüche die ganze Präliminierung etwa zu verschieben drohen.«
Noch hatte sich der Statthalter nicht niedergesetzt, da rief eine schrille Stimme: »Ich bitte ums Wort!«
»Der Herr Abgeordnete Doktor Florer hat das Wort!« verkündigte gemessen der Präsident.
Im heiseren Tenor legte der Landbote Doktor Florer los: »Für Hebung des Verkehrs und Straßen, die von volkswirtschaftlicher Bedeutung sind, bin auch ich, aber diesem Regierungsprogramm muß ich Opposition entgegenstellen, weil wir keine Gewähr haben für die Fortdauer unserer Landeseinnahmen aus dem tirolischen Getreideaufschlag. Wir sollen schwer zahlen, können aber in die Lage kommen, daß wir kein Geld haben. Aus dem Getreideaufschlag erzielen wir jährlich vierhundertfünfzigtausend Gulden Reingewinn. Wer garantiert uns dafür, daß uns die Regierung nichts eines Tages diesen Aufschlag nimmt? Wir sollen rund eine Million siebenhunderttausend Gulden für die in Rede stehenden Straßen zahlen, es wird aber bei dieser Summe gar nicht bleiben, wir haben Kostenüberschreitungen von zweihundert Prozent schon erlebt. Was dann, wenn wir mit den Mitteln nicht ausreichen? Stecken lassen können wir die Sache nicht! Das ischt das eine meiner Bedenken! Ein nicht minder wichtiger Grund zur Opposition ischt die Haltung der Regierung und die heutige Rede des Herrn Statthalters. Das Land und die interessierten Gemeinden müssen sich rechtsverbindlich verpflichten, die nominierte Beitragsquote zu leisten. Von einer rechtsverbindlichen Erklärung betreffs des vom Staat zu leistenden Beitrages ischt aber keine Rede! Im Gegenteil sagt ein Paragraph des Gesetzentwurfes, daß die staatliche Beitragsleistung von der jedesmaligen verfassungsgemäßen Bewilligung der Jahresraten abhängig sei. Die eine Partei ischt also verpflichtet, die andere, der Staat, läßt sich eine Hinterthür offen! Solange also der Staat sich nicht zur Zahlung von rund zweieinhalb Millionen rechtsgültig verpflichtet, solange halte ich es für unklug, daß wir uns rechtlich verpflichten! Und dann erscheint mir die Kostenberechnung höchst oberflächlich! Ich weiß wahrhaftig nicht, wie man bei solch oberflächlicher Taxierung dem Landtag zumuten kann, eine solche Last und noch dazu rechtsverbindlich zu leisten.
»Außerdem ischt es auffällig, daß man Straßen, für die sich das Militär interessiert, mit einer Kronenbreite von fünf Meter projektiert, während eine Serie anderer Straßen, die wohl eigentlich als Verkehrsvermittler zwischen den Seitenthälern und den Hauptverkehrsadern des Landes betrachtet werden können, mit einer geringeren Kronenbreite bis zu dreieinhalb Meter herab aufgenommen erscheint. Ich muß da doch fragen, ischt denn die staatliche Beitragsleistung, die, wie ich der Wahrheit gemäß gerne zugestehen will, bei diesen Militärstraßen mit einem höheren Prozentsatze vorgesehen ischt, in einem Verhältnis zur Erhöhung der Kosten, welche die vergrößerte Kronenbreite dieser Straßen zur Folge haben wird? Wir brauchen in Tirol für den Verkehr über die Jöcher keine Straßen mit einer Kronenbreite von fünf Meter zur Förderung des volkswirtschaftlichen Interesses, und wenn die Staatsverwaltung aus strategischen Erwägungen solche Straßen für notwendig findet, so soll sie für die Mehrkosten auch ganz allein aufkommen. Davon ischt aber im Gesetzentwurf nichts gesagt!
»Überhaupt sind zu viel militärische Straßen im Entwurf. Was wird, wenn diese gebaut sind und der Staat kein Geld mehr hat? Dann wird man die übrigen Straßen ins Wasser fallen lassen, oder wir, das Land, müssen noch mehr zahlen, um diejenigen nicht zu verkürzen, denen wir Hoffnungen erweckt haben. Ich beantrage daher eine Abänderung in dem Sinne: Es wolle der hohe Landtag beschließen erstens: der Landtag ischt erst dann in der Lage, in die Beratung und Beschlußfassung des Straßenbauprogrammes einzutreten, wenn die Angelegenheit des tirolischen Getreideaufschlages in einer dem Rechte und den Landesinteressen entsprechenden Weise klar gestellt sein wird, wenn ferner der Staat sich mit seinen Beiträgen gleichfalls rechtsverbindlich verpflichtet und wenn schließlich eine genauere Kostenberechnung vorliegt.«
Das Häuflein der Opposition spendete diesen Ausführungen lebhaften Beifall, insbesondere der dicke Bräuer Piffrader von Lienz klatschte aus Leibeskräften.
Auf die Frage, wer das Wort weiter wünsche, meldete sich ein Deputierter aus dem Unterinnthal, der beweglich über die unerhörten Kosten, jährlich über hunderttausend Gulden, jammerte. »Wir haben viele Straßen, auf denen man nur mit einem Heuwagen fahren kann, zu erhalten, wir haben aftn das Nachschauen und dürften zu den neuen Straßen, die uns im Unterinnthal gar nichts kümmern, zahlen. Aftn kriegen wir wieder neue Umlagen, ich bin daher gegen das Gesetz!«
In starrer Ruhe saß der Statthalter, nur der fachtechnische Baurat zuckte nervös mit den Fingern, ihn mochte der Vorwurf leichtfertiger Kostenaufstellung ärgern. Mit großem Interesse wandte sich Kitt dem nächsten Redner zu, dessen erster Satz schon erkennen ließ, daß er gewillt sei, für den geschmähten Regierungskommissär einzutreten.
Der Abgeordnete Lardschneider führte des weiteren aus: »Die Ausarbeitung von Detailprojekten verursacht bedeutende Kosten. Man kann nicht Detailprojekte mit minutiöser Berechnung verlangen, solange ein Straßenzug überhaupt noch nicht gesichert ischt. Daß Techniker zu den approximativen Kostenvorschlägen beigezogen worden sind, unterliegt gar keinem Zweifel und einem Baudepartement der Kaiserlich Königlichen Statthalterei können wir decht wohl alles Vertrauen entgegenbringen.«
Mit dröhnender Stimme führte nun ein anderer Landbote aus: »Der erste Redner will anscheinend das ganze Gesetz zu Fall bringen, wozu er sich einiger Schreckensgespenster bediente. So traurig ischt die finanzielle Lage Tirols decht noch nicht, wir dürfen uns nicht durch vage Befürchtungen, auch nicht durch übertriebene Hoffnungen leiten lassen. Wenn die Herren glauben, der Ausbau der Straßen sei das Geld nicht wert, dann stimmen sie einfach gegen die Vorlage. Was die Gefahr eines Verlustes des Getreideaufschlages anlangt, so ischt im Landtag schon früher und des öfteren die Rechtsbeständigkeit dieses Aufschlages erörtert und begründet worden. Eine Beseitigung ohne Zustimmung des Landtages ischt nicht denkbar. Würden wir hierzu gezwungen, so werden wir jedenfalls einen Ersatz erhalten. Im äußersten, geradezu undenkbaren Falle von Willkür und Gewalt stellen wir eben einfach die Straßenaktion ein. Ultra posse nemo tenetur! Auch das Gesetz kann uns nicht zwingen, das zu leisten, was wir nicht leisten können. – Der Vorredner hat sich ferner an dem Umstand gestoßen, daß für die Einzahlung der Staatsquoten die verfassungsmäßige Genehmigung vorbehalten ischt, und er scheint zu befürchten, daß die Regierung die betreffenden Postulate im Staatsbudget einmal nicht einstellen könnte, oder daß der Reichsrat einmal eine solche Post abzulehnen geneigt sein dürfte. Ich halte das eine wie das andere für nicht denkbar. Hat das Gesetz die Sanktion des Kaisers erhalten, so möchte ich die Regierung kennen, welche sich nicht für verpflichtet erachten sollte, einen Posten, der durch ein Landesgesetz und durch die Sanktion des Kaisers als Verpflichtung von der Regierung übernommen worden ischt, in das Staatsbudget einzustellen. Ich halte also den Vorbehalt der verfassungsmäßigen Reichszustimmung nur für eine Formalität ohne praktische Bedeutung, für ein Kompliment, welches der verfassungsmäßigen Stellung des Reichsrates gemacht werden muß. Schließlich bitte ich zu bedenken, daß die Straßenbauten in erster Linie dem Bauernstande zu gute kommen werden. Bisher wurden Eisenbahnen gebaut oder Reichsstraßen; für die Abzweigungen wurde wenig gethan. Ich glaube, wir haben allen Grund, dem Wirken unseres verehrten Statthalters, seinem weiten, vorausgerichteten Blick, seiner Initiative dankbar zu sein; ich glaube, daß wir den Landeschef eher unterstützen sollen, auf daß er nicht erlahmen möge in seinem segensreichen Wirken für Tirol. Anderswo beneidet man uns um diesen Statthalter, und hier wirft man ihm womöglich Knüttel in den Weg.«
Während ein nächster Redner zu Gunsten eines Amendements sprach, wonach die Kronenbreite je nach den örtlichen Verhältnissen verschmälert werden sollte, hatte sich Piffrader auf seinen Platz begeben, und an seinem Gebaren war unschwer zu erkennen, daß er eine Rede im Leibe hatte, die nun bald heraus muß, sofern nicht sein Körperbefinden darunter leiden soll.
Den hochgeröteten Kopf zum Redner gerichtet, lauerte er auf den Schluß, und kaum hatte der Kollege das letzte Wort ausgesprochen, hob Piffrader die Hand in die Höhe und gröhlte: »Jetzt muß ich reden!«
Ganze Reihen lachten hell auf, die Aufmerksamkeit wandte sich Piffrader zu, der nach Zuerteilung des Wortes anhub: »Meine Herren! Weil die Iselthalstraße im Entwurf steht und ich in Lienz wohne, auch öfters auf dieser künftig zu verbessernden Straße fahre, könnten Sie auf den Gedanken kommen, daß ich pro Cicero spreche –«
Schallendes Gelächter unterbrach Piffrader, der verdutzt auf die amüsierten Kollegen blickte und dann fortfuhr: »Ich weiß zwar nicht, warum Sie so lachen –«
» Pro domo!« rief ein Abgeordneter dazwischen.
»Ah so wohl! Na, sell ischt gleich, Sie wissen ja decht, wie ich's meine, und das ischt die Hauptsache. Auch bin ich schon viel länger Parlamentär –« scholl es Piffrader entgegen.
»Lassen Sie decht die Fremdwörter weg, selle taugen nichts! Ich bin in diesem hohen Hause schon viel länger als manche der Herren, die alles viel besser wissen wollen. Also ich will sagen, daß eigentlich nach den Ausführungen des Kollegen Florer nichts zu sagen ischt ...«
»Bravo! Schluß!« ertönte es in Piffraders Umgebung.
»Den Schluß mache ich, nicht die Herren, die es nicht erwarten können, verstanden! Also für die Iselstraße könnte man ja sein, weil unsereins in Lienz wohnt und öfters in Windisch-Matrey zu thun hat. Aber was die übrigen Straßen betrifft, so muß ich schon sagen, mit der Großmut der Regierung ischt es nicht so weit her! Eine Regierung ischt überhaupt nie großmütig, sie ischt im Gegenteil allweil darauf aus, daß sie ihren Profit findet. Ein Geschäftsmann könnte von der Regierung noch was lernen! Schauen Sie decht die Ziffern genau an! Die Regierung und das Militär haben das größte Interesse an den neuen Straßen; was zahlt aber die Regierung dazu? Das Bissele von jährlich rund einhundertdreiundsiebzigtausend Gulden. Wir, das Land, müssen aber rund einhundertelftausend Gulden dazuschießen. Ischt das etwa ein Verhältnis? Von anderer Seite ischt behauptet worden, daß bloß eine Straße und die nur halbwegs eine reine Militärstraße sei. Nun, ich bin wahrhaftig kein Generalstäbler, aber soviel verstehe ich auch, um sagen zu können, daß mindestens vier Straßen nur fürs Militär sind und für das Kriegsministerium die größte Bedeutung haben. Wir sollen dafür über siebenhunderttausend Gulden zahlen, das Militär und die Regierung zahlt aber noch nicht die Hälfte, wer's glaubt! Und was sind das für Straßen? Sie gehen über die dümmsten Jöcher, sind im Winter verschneit, diemalen, wenn Grobwetter ischt, auch gleich im Sommer; die Bauern haben keinen Pfifferling von sellen Straßen, das Bedürfnis ischt gleich Null. Wenn man's Militär spazieren führen will, sind, wer's glaubt, andere Straßen schon da, und wir können das viele Geld für neue Soldatenstraßen sauber sparen! Und dann möcht' ich fragen: Hat denn der Staat nicht schon früher wichtige tirolische Straßenzüge mit bedeutenden Beiträgen unterstützt? Warum wird denn jetzt uns das mehrere zum Zahlen zugeschanzt? Das Gesetz schaut aus, als wäre Wunder was von der Regierung gethan, und dieweil sind decht wir es, die schwer zahlen müssen! Die Wohlthaten sind zu teuer erkauft! Als gewissenhafter Abgeordneter muß ich zurückhalten, fünfzehn Jahre soviel zahlen, sall ischt bedenklich, und die Renaissancen des Landes ...«
»Ressourcen!« ertönte ein Zwischenruf.
»Lassen S' mich mit diesen Fremdwörtern in Ruh'! Und mit dem Getreideaufschlag ischt es auch eine böse Sach'! Ich persönlich bin als Roßfütterer überhaupt gegen diesen Aufschlag, aber das Land braucht ihn, kann diese Einnahme nicht entbehren, und auf die Regierung, die alleweil vor den Ungarn Buckerl macht ...«
Die Glocke des Präsidenten unterbrach den Redner, der verdutzt aufblickte.
Der Präsident rügte: »Ich finde den eben gebrauchten Ausdruck nicht passend!«
Piffrader begann eigensinnig zu werden: »Aber es ischt decht so!«
»Ich kann den Ausdruck nicht zulassen!« erwiderte der Präsident.
»Na, also nicht! Wir Tiroler haben Erfahrungen! Hat vielleicht die Regierung an Ungarn nicht Konzessionen gemacht, ohne den tirolischen Landtag auch nur mit einem Wörtel zu befragen? Das werden Sie mir nicht abstreiten können! Und dann noch was, meine Herren! Der Entwurf, wie er jetzt ischt, kostet ein Heidengeld. Eine Unmasse kleiner Straßen, die das Land recht notwendig braucht, kann auf lange Zeit hinaus nicht gebaut werden, weil das Geld dazu fehlt. Das muß eine Menge Leute verschnupfen, macht Unzufriedene, was nicht nötig ischt. Wir dürfen keine Socialistenzucht betreiben. Überhaupts bin ich von je Feind eines Zwanges gewesen. Das Gesetz ischt ein Zwang, bindet uns Händ' und Füß' und bringt uns ums Geld. In Tirol sind bisher Straßen gebaut worden, und das wird auch späterhin geschehen. Ein Programm dazu können wir immer haben. Das Plenum braucht nur dem Landesausschuß Auftrag zu geben, so und so viel Straßen auf Landeskosten zu bauen, dazu brauchen wir die Regierung nicht und keinen Beamten! Es geht auch so! Und die Hauptsache ischt: Wir sind ohne Fesseln!«
Die Opposition acclamierte Piffrader, der sich in voller Zufriedenheit im Bewußtsein, es dem Statthalter gründlichst besorgt zu haben, niedersetzte.
Was sich der Landeschef ob solcher kurzsichtiger Opposition wohl denken mochte? Keine noch so geringe Mienenveränderung ist im feingeschnittenen, geistvollen Antlitz wahrnehmbar, Graf Kueffstein bewahrt eine olympische Ruhe trotz der unglaublichen Schwierigkeiten, die man in der Landstube den nützlichsten Unternehmungen bereitet.
Als der Beifall, welcher Piffrader gespendet wurde, sich legte, wandte sich der Statthalter in halber Kopfdrehung zum Oberbaurat Kitt und nickte diesem Herrn zu, worauf dieser sich zum Worte meldete.
Klar und streng sachlich führte dieser Sachverständige aus, daß man in so kurzer Zeit keine Detailprojekte schaffen könne, die außerdem momentan zwecklos seien für Straßen, die erst in zehn oder zwölf Jahren gebaut werden dürften. Über Kostenvoranschläge lasse sich heute noch nichts Genaues sagen, weil die Löhne sich in so langer Frist wesentlich ändern können. Als Basis für die Voranschläge im Gesetzentwurfe dienten die bisher gemachten Erfahrungen des Baudepartements und diese Erfahrungen seien in Tirol sehr reiche. Die Terrainverhältnisse seien dem Baudepartement genau bekannt und ebenso sei diese Behörde wohl in der Lage, Projekte in verschiedenen Thälern Tirols zu beurteilen. Aus diesen beiden Faktoren wurde die Kostenziffer pro Kurrentmeter berechnet, und das Ergebnis ist ziemlich verlässig. Wenn nicht Elementarereignisse großartiger Natur eintreten, werde es mit den Kostenvoranschlägen sein Bewenden haben. Was die Straßenbreite anlangt, die von den Vorrednern als nicht notwendig bezeichnet wurde, sei darauf hingewiesen, daß das Ausmaß von fünf Metern sich auf die Kronenbreite, die Konstruktionsbreite bezieht, die nutzbare Breite zum Ausweichen der Wagen beträgt nur vier Meter. Die Herren Abgeordneten wollen sich erinnern, daß Straßen mit einer Kronenbreite von drei Metern dem Verkehr absolut nicht entsprechen. Unter vier Meter Kronenbreite könne unter keinen Umständen herabgegangen werden. Das schließe nicht aus und werde bei der Ausführung gewiß berücksichtigt werden, daß bei kostspieligen Strecken, Eindämmungen, Felssprengungen, Anlage von Mauerwerken, bei Steigungen man unter die Normalbreite herabgehen, sich mit Ausweichstellen begnügen und den Terrainverhältnissen anfügen werde. Luxusstraßen werden nicht gebaut, das sage schon der Ansatz von fünfzehn bis achtzehn Gulden pro Meter. Dagegen müsse solid gebaut werden, schon aus dem Grunde, weil die Straßenerhaltung den Gemeinden zugewiesen werden soll. Früher habe man Straßen schlecht gebaut, dadurch wuchsen die Erhaltungskosten zu einer unerschwinglichen Last für die Gemeinden. Das Baudepartement stehe für die Ansätze solange ein, als nicht gewaltige Elementarereignisse eintreten. Die Straßen, welche in den ersten Baujahren gebaut werden sollen, dienen hauptsächlich volkswirtschaftlichen Interessen, das zu erkennen, würde nicht schwer sein. Es lasse sich nachweisen, daß vielleicht zwei der ins Gesetz aufgenommenen Straßen ein militärisches Interesse haben, doch dienen auch diese Straßenzüge dem volkswirtschaftlichen Interesse. Bei vielen Tracen habe man die höchsten Kosten angenommen, wie die größten Schwierigkeiten. Soweit ein Techniker einen Kostenvoranschlag fachgemäß feststellen könne, seien alle möglichen Eventualitäten und Erfahrungen bis in die letzten Tage berücksichtigt und diese Rücksichten und Erfahrungen in den Vorschlägen festgehalten, man dürfe also behaupten, daß mit den eingesetzten Ziffern ohne Zwischenfälle elementarer Natur das Auslangen gefunden werden könne.
Die Ausführungen des Sachverständigen nahm das Haus mit eisiger Ruhe auf.
»Wünscht noch jemand das Wort?« fragte der Präsident.
Aus einer Gruppe, die sich an der Beifallspendung für Piffrader nicht beteiligt hatte, erhob sich die markige Gestalt des Abgeordneten Pattigler.
»Der Herr Abgeordnete Pattigler!« rief der Präsident.
Und dieser Landbote begann: »Ich möcht' den Herren einen Vermittlungsvorschlag machen! Es geht nicht an, über die Regierung bloß loszuziehen, ebensowenig geht es an, die gutgemeinte Vorlage schlankweg unter den Tisch zu werfen. Lassen Sie sich nicht von der Strömung hinreißen, die das ganze große Projekt zu Fall bringen möchte! Mit der Ablehnung allein ischt es nicht gethan, es muß etwas Positives an die Stelle der verworfenen Vorlage gestellt werden. Die Anträge schädigen die Vorlage, alterieren das Gesetz, sind formell gar nicht zu behandeln, denn Sie, meine Herren, schicken sich an, das, was Sie beschließen, im nächsten Atemzuge wieder abzuändern. Geschehen muß etwas Positives. Inopportun ist die Ablehnung wie die Amendierung, ich möchte vorschlagen, die Vorlage zur nochmaligen Beratung an den Ausschuß zurückzuweisen und hoffe, daß die Situation sich bis dahin klärt.«
Ein würdevoller Prälat erhob sich und führte aus: »Der Mangel eines detailierten Voranschlages erzeugt in mir Bedenken gegen die Vorlage, die ich um so weniger beschwichtigen kann, als der Herr Statthalter erklärt hat, dem ganzen Programm kühl gegenüber zu stehen. Das kann ich auch, ich stelle mich daher auf die Seite des Antrages Florer und werde dafür stimmen.«
Zum Wort meldete sich Florer, um sein Kindlein, den Antrag, zu verteidigen. Im speciellen hieb der hitzige Deputierte auf den sachverständigen Regierungskommissär los mit den bissigen Fragen: »Wenn es heißt, man könne mit geringerer Straßenbreite heutzutage nicht auslangen, warum hat man denn früher bei einer Reihe von Straßen, die einen viel größeren Verkehr aufzuweisen haben als die neuen Straßen über die Jöcher, die geringere nutzbare Kronenbreite projektiert? Wie kann man bei Straßen, welche die Verbindung von Seitenthälern mit den Hauptthälern zum Zweck haben, diese reduzierte Kronenbreite für ausreichend halten und bei Jochstraßen nicht? Und wenn man sie bei diesen letzteren Straßen nicht für ausreichend hält, wie kann man es verantworten und uns im Gesetzentwurf zumuten, daß jene anderen Straßen mit reduzierter Kronenbreite zum Ausbau kommen?« Der grimme Redner schloß: »Es wurde geäußert, mein Antrag werfe die Vorlage unter den Tisch, da kann ich den Herren nur erwidern, entweder haben Sie meinen Antrag nicht gelesen, oder Sie muten mir eine Unehrlichkeit zu. Das letztere weise ich zurück, das erstere fordere ich; bevor man einen Antrag kritisiert, muß man denselben gelesen haben. Ich verlange lediglich einen Beschluß des Landtages dahin, daß das hohe Haus so lange die Beratung des Straßengesetzes zurückstellt, bis die unklare Situation entsprechend geklärt sein wird. Kommt es dazu nicht in der nächsten Zeit, so warten wir eben bis zur nächsten Session! Ich will Klarheit und verwahre mich entschieden gegen die Unterstellung, daß ich das Gesetz umbringen will!«
Feierlich erhob sich jetzt der Statthalter.
Im Hause machte sich sofort eine Spannung bemerkbar, der etwas überraschte Präsident beeilte sich, Seiner Excellenz das Wort zu geben.
Mit vornehmer Ruhe begann der Landeschef zu sprechen: »Ich hatte nicht die Absicht, noch einmal das Wort zu ergreifen, sehe mich aber genötigt, einige Bemerkungen zu machen. Der unbefangene Zuhörer wird heute die Meinung bekommen haben, es sei angesichts der Fülle von Anträgen, Meinungen, Anregungen die Vorlage noch gar nicht im Ausschusse behandelt worden, die Angelegenheit hat aber schon drei Kommissionen und den Landesausschuß selbst und gründlich beschäftigt; es wird die Fülle von Meinungen und Anträgen im parlamentarischen Leben wohl eine ziemlich seltene Erscheinung sein. Ich erwähne das nicht, um hier an dem Vorgehen des Hauses Kritik zu üben. Ich bedaure nur, daß manche Anregung erst jetzt erfolgte, zur Zeit der Vorberatung hätte man sie prüfen, vielleicht berücksichtigen können. Insbesondere ist es ein Moment, das vom Herrn Abgeordneten Florer mit dem größten Nachdruck betont, früher in den Ausschüssen aber nur nebenbei berührt worden ist: Der Mangel der rechtlichen Verpflichtung des Staates gegenüber dem Lande und den Interessenten. Das Land und die Interessenten, heißt es, werden durch das Landgesetz verpflichtet, der Staat aber nicht.
»Nun ist es allerdings wiederholt vorgekommen, daß neben dem Landesgesetz zur Sicherstellung der Staatsverpflichtungen ein Reichsgesetz geschaffen worden ist, und gerade in Tirol wäre man um Präcedenzfälle in dieser Beziehung nicht verlegen.
»Im vorliegenden Falle ist unserseits ein Reichsgesetz nicht in Aussicht genommen und in den Ausschußberatungen ist ein solches Begehren auch nicht in einer Weise zum Ausdruck gekommen, daß ich, der ich allen Verhandlungen mit der größten Aufmerksamkeit gefolgt bin, mich veranlaßt gesehen hätte, den Herren zu empfehlen, zuzuwarten, bis man in diesem Punkte nochmals eine ausdrückliche Erklärung der Regierung erhalten hätte. Nun aber glaube ich wohl, daß die Erfahrung, die man hier zu Lande mit Landesgesetzen, in denen sich die Regierung zu einem Staatsbeitrag verpflichtete, ohne daß gleichzeitig ein Reichsgesetz zu stande kommt, keine so üble ist, daß man sagen kann, in diesem Falle, wo es sich um eine größere Summe handelt, sei es absolut notwendig, die Leistung des Staates durch ein Reichsgesetz sicher zu stellen. Ich glaube auch, falls es dazu käme, daß einmal unter dem Druck ganz außerordentlicher Verhältnisse, die wir nicht voraussehen, noch weniger wünschen können, der Reichsrat die Einstellung einer solchen Jahresquote verweigern sollte, so könnte dies wohl nur zur Folge haben, daß die ganze Aktion ein oder zwei Jahre zum Stillstand käme, niemals aber, daß das Land oder die Interessenten herangezogen werden könnten zu einseitigen Leistungen für Landesstraßen, während die korrespondierende Verpflichtung des Staates ausbliebe. Wenn der Staat nicht zahlt, zahlt auch das Land nicht und zahlen auch die Interessenten nicht. Es wäre dies also gewiß eine bedauerliche Störung, aber daß eine gewisse Haftung auf das Land oder die Interessenten überginge, ist wohl ausgeschlossen. Zur Wortergreifung haben mich hauptsächlich die Worte des hochwürdigsten Herrn Prälaten bestimmt, und ich bedaure lebhaft, daß meine Worte zu Beginn der heutigen Verhandlung von demselben nicht so verstanden worden sind, wie ich sie gemeint habe. Wiederholt habe ich erklärt, daß die Regierung sich noch eine Frist ausbedingt, bevor sie erklärt, daß sie rückhaltlos mit dem zu gewärtigenden Landtagsbeschlusse einverstanden sei. Klagen die Herren Abgeordneten, daß sie in ihren Entschließungen gedrängt seien und fordern sie Zeit zur Überlegung, so ist das auch bei der Regierung der Fall, und ich muß gestehen, ich würde das der Regierung nimmer empfehlen, hier im hohen Landtag etwas in Aussicht zu stellen, was man dann nicht durchführen, etwas zu versprechen, was man nicht halten kann; das ist für einen Privatmann sehr zu vermeiden, für die Regierung gilt das aber noch mehr und Tirol ist vielleicht das letzte Land, wo man eine nicht erfüllte Versprechung der Regierung zu übersehen geneigt ist. Darauf ist gewiß die im Hause empfundene Kühle meiner Rede zurückzuführen. Die Regierung hält nach wie vor dafür, daß die ganze Aktion zum Wohl des Landes wäre, daß sie das meint, hat sie dadurch bewiesen, daß sie, was den Bau anbelangt, bedeutende Beträge zur Verfügung gestellt hat, insbesondere aber dadurch, daß sie die schwere Erhaltungslast gerade bei jenen Straßen, deren Bau im Hause die meisten Bedenken wachrief, voll und ganz übernommen hat, so daß weder dem Lande noch den Interessenten aus der Erhaltung dieser Straßen irgend eine Last erwachsen wird.
»Die aufgeworfene Frage, ob nach Durchführung des jetzigen Straßenprogammes das Bedürfnis nach weiteren Straßen in Tirol erschöpft sei, kann ich verneinen. Mein Gedanke war, einmal mit den wichtigsten Straßen zu beginnen, später dann andere. Ich muß gestehen, der Anschauung zuzuneigen: Seien wir froh, daß wir diese Straßen bauen können, daß wir sie bekommen; es ist ja nur ein Vorteil, der dem Lande zugewendet wird, es erwächst niemand anderem ein Schaden hieraus. Für kleinere Forderungen werden sich Subventionen erzielen lassen, dieser Pflicht wird sich der Staat wie das Land nicht entschlagen.
»Bezüglich der befürchteten Aufhebung des Getreideaufschlages und dadurch erfolgender Minderung der Landeseinkünfte habe ich bereits im Namen der Regierung erklärt, was ich mir hier zu wiederholen erlaube: Die Staatsregierung nimmt die Aufhebung des Getreideaufschlages allerdings in Aussicht, hat jedoch die Absicht, dies nur mit voller Wahrung der Landesinteressen und unter sorgfältigster Berücksichtigung der Landesfinanzen zu thun. Persönlich nehme ich keinen Anstand zu sagen, daß das Recht des Landes aus diesem Getreideaufschlag, die Rechtsüberzeugung in der Landesbevölkerung so tief wurzelt, daß an ein Hinwegsetzen über dieses Recht seitens der Staatsregierung nicht gut gedacht werden kann. Ich glaube nicht, daß es Absicht der Regierung sei, dem Lande rechtlich oder thatsächlich irgendwie Gewalt anzuthun, das Recht des Landes zu ignorieren oder dessen Interessen zu schädigen. Ich glaube, wenn von seiten der Landesvertretung der Regierung nicht zu wenig entgegengekommen wird, so wird die Regierung vielleicht eher die Neigung haben, die Gelegenheit zu ergreifen, um die Landesfinanzen zu stärken.
»Wenn das hohe Haus den Antrag Florer annimmt, wird die Inangriffnahme des Straßenbauprogrammes wohl außerordentlich weit hinausgeschoben, vielleicht auf zwei, ja drei Jahre. Ich möchte das Ihrer Erwägung sehr empfehlen; es giebt der Dinge mehr, die Wert haben, und eine Sache, die vielleicht hier zu Lande nicht genügend hoch angeschlagen wird, ist der Wert der Zeit! Es handelt sich nicht nur darum, daß man die Sache macht, sondern daß man sie auch rechtzeitig macht, es ist nicht gleichgültig, ob man es heute oder erst in zehn Jahren thut!
»Bezüglich der Kostenüberschreitung wollen Sie bedenken, daß im Gesetze die Summen ziffernmäßig bestimmt, also nicht überschreitbar sind. Sollten die Mittel erschöpft werden, so ist ein weiteres Gesetz, mit der Landesvertretung vereinbart, nicht ausgeschlossen, damit ein gutes Werk auch gut vollendet werde. Schließlich kann ich die Herren nur bitten, nach bestem Wissen und nach reiflicher Erwägung den Schluß zu fassen, das Programm abzulehnen oder anzunehmen, ich knüpfe aber die Bitte daran, im Wege der Specialdebatte nicht Bestimmungen in das Gesetz und in das Programm aufzunehmen, die schließlich nur dazu führen, daß die vom Gesetz erwarteten Wirkungen verkümmert werden. Wir sollen Straßen bekommen, die wir brauchen können, gut gebaute Straßen, nicht solche, welche die Baukosten in Erhaltungskosten umwandeln, und solche Straßen kommen vor, ich will nicht sagen in welchem Lande, aber sie kommen vor. Diese letzte Bitte stelle ich unbedingt. Im übrigen stelle ich die Sache dem Beschlusse des hohen Landtages anheim.«
Hatte der Statthalter geglaubt, die bessere Einsicht werde siegen, die Rede Piffraders, der sich sofort zum Worte meldete, konnte ihn vom Gegenteil überzeugen.
Piffrader stellte sich breit vor den Landeschef hin und apostrophierte ihn in folgendem: »Habe ich vorhin schon gesagt, daß ich gegen das Gesetz stimmen werde, so thue ich es nach allem, was ich inzwischen gehört habe, erst recht! Jawohl! Das Gesetz ischt nicht so neu, als uns die Regierung weismachen will, etwas dergleichen haben wir schon in der letzten Session, wer's glaubt, gehabt, und damals waren es auch ganz gescheite Leute, die gesagt haben: Warten wir decht ein bissele! Die Pressiererei taugt nicht viel! Der Herr Statthalter Excillenz hat bemängelt, daß im Ausschuß wegen der Festlegung der staatlichen Beitragspflicht nichts Besonderes gesagt worden ischt. Ich konstatiere, daß der Abgeordnete Florer jener Sitzung präsidierte und gesagt hat, er könne als Vorsitzender nicht ein Verlangen auf Diskussion in diesem Sinne stellen, er werde im Plenarium aber darauf zurückkommen. Sall hat er heut gethan, sall ischt sein Recht, er braucht sich dessentwegen nicht bemängeln zu lassen. Jawohl! Ich und meine Freund', wir stimmen also dagegen!«
Ein Redner sprach noch für das Gesetz, dann wurde die Generaldebatte geschlossen, das Schlußwort nahm der Referent, der einem Amendement zu Gunsten sprach.
Die verschiedenen Anträge riefen ein wahres Chaos hervor, man stritt sich, welche zuerst zur Abstimmung gelangen sollten, und schließlich kam es zur Ablehnung der verschiedenen Anträge, es fand sich doch eine wenn auch kleine Mehrheit von Einsichtsvollen, die im Interesse des Landes das wohlthätige Gesetz retten wollten. Nach vierstündiger Redeschlacht und unglaublicher Opposition siegte der Statthalter mit der Regierungsvorlage.
Ein leises Lächeln der Befriedigung huschte über Graf Kueffsteins Lippen, eine elegante Verbeugung zum Präsidium, dann verließ er, gefolgt von seinen Beamten, die Stätte heißen und interessanten Kampfes.
Piffrader saß eine Weile auf seinem parlamentarischen Ehrensitz, um die erlittene Niederlage zu verdauen und des Gefühles Herr zu werden, daß er sich und das nicht wenig blamiert habe. Dann aber sagte er sich selbst, daß die Genehmigung speciell der Iselthalstraße ein wahres Glück sei, das ihm und seinem Biertransport zu gute komme. Denn die alte Straße ist miserabel, das Frachten schlecht und teuer. »Ich bin aber decht ein tüchtiger Parlamentär!« murmelte Piffrader und schlich dann aus dem Landschaftshause, um sich beim »Breinößl« mit Atzung und Trank zu stärken.