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Mama, denke nur, unser Gesanglehrer hat heute zu der Frida gesagt, sie hätte eine so schöne Stimme, daß sie einst eine berühmte Sängerin werden könnte,« erzählte Helene Hellwig eines Tages, als sie aus der Schule kam, mit größter Wichtigkeit.
»Nun, das ist ja sehr erfreulich,« nickte die Mutter lebhaft. »Dir, meine Leni, hat wohl der Herr Wegner keine solche Aussicht eröffnet?«
»Oh bewahre, Mütterchen, mich tadelt er nur immer. Obwohl ich mir die größte Mühe gebe, so kann ich doch keine Melodie richtig treffen.«
»Ja, du hast eben kein musikalisches Gehör, mein Kind, das ist sehr schade!«
»Ach ja, das bedaure ich auch sehr. Aber, nicht wahr, Mamachen, es gibt auch noch vieles andere, wodurch man berühmt werden kann?«
»Gewiß, doch nur wenigen Menschen sind hervorragende Talente zuteil geworden, und ohne eine solche besondere Gabe muß sich jeder genügen lassen, in anderen Dingen ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden und seine Ehre darin suchen, stets treu seine Schuldigkeit zu tun.«
»Was ist mehr, eine berühmte Sängerin oder eine Malerin?«
»Das wird sich wohl gleich bleiben; es kommt nur darauf an, wer in seinem Fach das Bedeutendste leistet.«
»Ach,« seufzte Helene, »für mein Leben gern möchte ich auch berühmt werden, wenn ich nur irgend ein Talent hätte. Was mag es wohl sein, und woher mag es kommen, daß der liebe Gott nur wenigen eine solche Gabe verliehen hat?«
»Woher das kommt, weiß ich dir auch nicht zu erklären, unser Herrgott hat sicher seine weisen Absichten dabei; den in dieser Weise Begnadigten ist wohl ein Funken mehr des großen Lichts verliehen, in welchem wir einst alle zur Klarheit darüber kommen werden, weshalb es so und nicht anders sein sollte.«
Dieses Gespräch wurde Helenen immer interessanter, und sie hätte es gewiß noch weiter fortgesetzt, wenn nicht in diesem Augenblick das Mädchen eingetreten wäre und Besuch angemeldet hätte. Die Mutter entfernte sich nun sogleich, und Helene suchte ihre Hefte vor, um mit ihren Schularbeiten zu beginnen. Doch waren ihre Gedanken noch so mit dem voraussichtlich beneidenswerten Schicksal ihrer besten Freundin Frida beschäftigt, daß sie nur mit der Feder mechanisch auf dem Papier herumkritzelte. »Gewiß sieht mich die Frida gar nicht mehr an, wenn sie erst eine berühmte Sängerin, vielleicht wie die Lucca, sein wird,« murmelte sie im Selbstgespräch vor sich hin. Da legte sich plötzlich eine Hand über ihre Augen, und eine verstellte Stimme, die sie aber doch sogleich erkannte, rief: »Rate, wer ist's!«
»Frida! Wie bist du nur so leise hereingekommen?«
»Ach, du, das war durchaus nicht so leise, du saßest nur so in Gedanken vertieft, als grübeltest du über Staatsgeheimnisse oder über eine wichtige Erfindung nach. Sage, woran dachtest du denn?«
»An dich!«
»Wirklich? Na, siehst du, da bin ich nun. Ich komme nämlich, um dir etwas ganz Neues zu erzählen, bis morgen zur Schule konnte ich damit nicht warten.«
»Nun, was ist es denn?«
»Ja, denke nur, der Papa ist heute gegen Mittag, gleich nach der Schule, mit Herrn Wegner zusammengetroffen, dieser hat sofort von meiner musikalischen Begabung angefangen und Papa dringend geraten, mich so bald als möglich von der ersten Gesanglehrerin, von Fräulein Wallois, unterrichten zu lassen.«
»Die nimmt ja für die Stunde fünf Mark; will denn dein Papa schon jetzt so viel an deinen Unterricht wenden?«
»Jawohl! Die Eltern sagen, einen Beruf müsse doch ein jedes Mädchen ohne Vermögen ergreifen, und da ich eben Lust und Anlagen zum Gesang habe, so kann es nur von großem Vorteil sein, wenn ich gleich von vornherein den besten Unterricht bekomme. O, ich werde später gewiß viel Geld verdienen, dann sollen es die Eltern auch sehr gut haben!«
»Was meinst du wohl, wer mehr verdient, eine Sängerin oder eine Malerin?«
»Du, das kann ich dir nicht sagen, das weiß ich wirklich nicht. Warum willst du das so gerne wissen? Willst du eine Malerin werden?«
»Wie gerne, wenn ich nur Talent dazu hätte!«
»Ja, aber wenn du das nicht hast, laß es lieber sein. Ich hörte neulich von einer Dame, die gar keine Beschäftigung finden kann, weil sie, wie Mama sagte, den idealen Funken nicht hat, und dann bleibt es doch nur Stümperei und Quälerei.«
»Vielleicht könnte ich auch eine Schriftstellerin werden, oder eine Dichterin; ich möchte zu gerne auch, wie du, einst berühmt werden.«
»Na, mit der Schriftstellerin, das laß nur, Mamas Cousine schreibt auch ganz nette Sachen und hat dennoch die größte Mühe, etwas anzubringen. Wer dabei nicht großes Glück hat, muß geradezu verhungern.«
»Ja,« seufzte Helene schwer, »mir wird wohl nichts weiter übrig bleiben, als, wie Papa will, mein Examen zu machen und Lehrerin zu werden. Zum Unterrichten habe ich nur leider gar keine Lust.«
»Vorläufig hast du ja auch noch lange Zeit zum Ueberlegen. Laß nur nicht etwa darüber schon jetzt den Kopf hängen. Kommt Zeit, kommt Rat! Nun aber lebe wohl und sei wieder heiter und guten Muts wie immer.« Damit eilte Frida nach Hause, während Helene ihre Schularbeiten fertig machte.
»Nun, Leni, dir haben wohl die Hühner das Brot verschleppt?« fragte der Vater in seiner gemütlichen, heiteren Laune, weil es ihm auffiel, daß Helene, die stets so redselig war, heute beim Abendbrot so schweigsam und in sich gekehrt dasaß.
»Die Kleine ist traurig, weil sie nicht wie ihre Freundin Frida die Aussicht hat, einst berühmt zu werden,« gab die Mutter statt der Tochter scherzend zur Antwort.
»So, so! Wodurch will diese denn eine Berühmtheit werden?« fragte der Vater schmunzelnd.
»Ja, Papa, der Gesanglehrer hat gesagt, sie würde gewiß einst eine große Sängerin werden. Denke nur, sie soll ja schon sogar von jetzt an bei Fräulein Wallois Unterricht bekommen.«
»In dem Falle ist das auch sehr richtig von ihren Eltern, denn eine tüchtige Vorbildung kann ihr später nur förderlich sein. Ich habe auch schon daran gedacht, dir in fremden Sprachen Privatunterricht erteilen zu lassen; denn da du darin zurück bist, könnte dir das später dein Lehrerinnen-Examen sehr erschweren.«
»Muß ich denn gerade Lehrerin werden?« seufzte Helene.
»Bewahre, du mußt nicht, wenn du zu etwas anderem mehr Lust hast! Doch irgend einen Beruf mußt du natürlich erwählen, denn ich habe außer meiner guten Praxis kein Vermögen, und ich muß dahin streben, daß meine Kinder versorgt sind, wenn Gott mich vielleicht plötzlich abrufen sollte.«
»Ich will ja auch etwas lernen, um Geld verdienen zu können, nur Gouvernante möchte ich nicht werden.«
»Nun gut, dann wähle etwas anderes. Für euch Mädchen ist ja darin heutzutage gesorgt; es sind euch ja so viele Fächer eröffnet, daß eine jede das findet, was sie befriedigt und wozu sie befähigt ist.«
Ja, Befähigung, Talent! Das war es ja gerade, was Helenen heute so viele Sorge gemacht und worüber sie sich den Kopf zerbrochen hatte. – Aber vielleicht wußte der Vater Rat, es käme auf eine Frage an.
»Väterchen,« begann sie zaghaft, »könnte ich nicht auch eine Malerin oder eine Dichterin werden?«
»Mein Kind,« lachte der Vater laut auf, »wie kommst du nur darauf? Zu beiden habe ich bei dir wirklich noch keine Veranlagung bemerkt. Das überlasse nur den dazu Begünstigten. Stümper darin haben wir leider mehr wie genug!«
»Unser Lenchen will nun einmal ihrer Freundin nichts voraus lassen und auch dahin trachten, in irgend einer Art berühmt zu werden,« neckte die heitere Mama.
»Ach, du liebe Einfalt,« klopfte ihr der Vater herzlich lachend auf die Schulter. »Wenn ihr nur wüßtet, wie steil und dornenvoll oft der Weg zu Ruhm und Ehren ist. Wie wenige und oft recht Begabte können den Berg erklimmen und zur Höhe gelangen! Bleibe du nur hübsch auf der Erde und bemühe dich vor allem, ein braves und tüchtiges Mädchen zu werden, das treu und gewissenhaft seine Pflicht auf dem Platze erfüllt, der ihr von Gott angewiesen wird.«
Helene war sonst ein fleißiges und vernünftiges Mädchen, nur der Freundin Aussichten hatten ihr jetzt den Kopf ein wenig verkehrt, darum gab sie sich auch noch nicht so leicht zufrieden, sondern bemühte sich weiter, ein Talent an sich zu entdecken. Leider tadelte aber in der nächsten Zeichenstunde ihr Lehrer ihre Arbeit, indem er scharf betonte, daß sie auch nicht eine Idee Talent und Augenmaß für die Zeichenkunst habe. Also damit war es nun auch nichts! Doch im Aufsatz war sie besser, vielleicht könnte es doch mit der Dichterin oder Schriftstellerin werden! Sie versuchte ein Märchen zu schreiben, aber nein, das erinnerte an die, welche sie einmal gelesen hatte. Eigene Schöpfung, das war doch auch solche Sache! ... Lieber wollte sie für die Mutter ein Geburtstagsgedicht machen. – Sie ging eifrig daran und reimte: Sonne, Wonne! Glück, rück! Wegen, Segen! Liebe, Hieb ... nein, das ging nicht, also »Triebe!«
»Aber – nein, lauter Unsinn!« rief sie aus, als sie dann ihren Vers durchlas und warf ärgerlich die Feder fort. Wirklich, dazu fehlte ihr das Zeug ganz und gar. Für sie blieb es das richtigste, wenn sie des Vaters Rat befolgte, ihre Zeit gewissenhaft anwendete, das weitere der Zukunft anheimstellte und Frida neidlos ihren hohen Flug nehmen ließ. Sie liebte ihre Freundin herzlich und wollte ihr die glänzenden Hoffnungen von Herzen gönnen. Allmählich schlug sie sich auch alle diese törichten Pläne und Wünsche aus dem Sinn und wurde wieder vernünftig und vergnügt wie bisher.
Eines Tages war der Vater später wie sonst von seiner Praxis zurückgekehrt. Er war auch nicht heiter wie gewöhnlich, sondern sah sehr ernst und niedergeschlagen aus. Auf der Mutter besorgte Frage nach dem Grunde seiner Betrübnis beichtete er ihr, daß er unter seinen Patienten eine schwerkranke Frau habe, bei der alle seine Bemühungen erfolglos blieben, weil sie, eine anständige und gebildete Beamtenwitwe, in zu dürftigen Verhältnissen lebe und nicht die nötige Pflege haben könne. »Es ist ein wahrer Jammer, diese Not mitanzusehen,« sagte er, »von ihren vier kleinen Kindern ist das älteste Mädchen erst acht Jahre alt, und dieses junge Kind muß nun ganz allein die kleineren Geschwister und die kranke Mutter versorgen.«
»Aber, lieber Hans,« unterbrach ihn die Gattin, »du nimmst dir stets das Leid und die Not deiner Patienten so zu Herzen, daß du selbst bitter darunter leidest. Das muß doch ein Arzt wohl schließlich gewöhnt werden, dagegen mußt du dich doch etwas abzuhärten suchen.«
»So rede doch nur nicht so etwas, Elli; ich müßte doch ein gewissenloser Arzt sein, wenn ich die arme Frau wie heute in wilden Fieberphantasien treffe, so von aller Welt verlassen, und dabei nicht auch als Mensch fühlen und als solcher meine Pflicht tun wollte. Leider sind mir nur als unvermögender Familienvater die Hände zu sehr gebunden.«
»Es sind doch aber mehrere barmherzige Schwestern hier im Orte, von denen wird doch wohl eine die Kranke unentgeltlich pflegen können.«
»Gewiß sind einige Pflegerinnen hier, aber leider noch nicht genug. Ich habe mir schon die größte Mühe gegeben, eine für meine Patientin zu bekommen, aber alle haben vollauf Beschäftigung, keine einzige ist zu haben.«
»Ja, das ist allerdings schlimm; wenn ich dir doch einen Rat zu geben wüßte!«
»In allen weiblichen Fächern und Berufszweigen herrscht die größte Ueberfülle, aber gerade an Krankenpflegerinnen ist überall Mangel und Not!« fuhr der Doktor erregt fort.
»Es ist dies leider auch ein sehr schwerer Beruf,« wendete die Gattin ein, »der viel Mut, Entsagung und dazu körperliche Kraft erfordert.«
»Sage lieber vor allem viel, sehr viel Charakterstärke und Menschenliebe. Es gibt leider wenige junge Mädchen, denen das segensreiche und opferfähige Wirken einer barmherzigen Schwester verlockend erscheint. Alle streben und jagen nach Lebensgenuß und weltlichen Freuden.«
»Das mag ja wohl wahr sein, aber es gehört doch auch eine besondere Veranlagung dazu. Wer die nicht in sich fühlt, der ist auch zu diesem Beruf untauglich.«
»Nun ja, das ist es eben, und selbst wenige Mütter würden damit einverstanden sein, wenn eine ihrer Töchter wirklich den Wunsch äußerte, ihr Leben einem so edlen Wirken weihen zu wollen.«
»Gewiß, damit kannst du schon recht haben! Würdet ihr Väter denn gern eure Töchter zu einem so geplagten Leben hergeben?«
»Ich für mein Teil würde mit tausend Freuden meine Erlaubnis dazu geben, wenn eine meiner Töchter diesen Wunsch äußerte. Welch kräftige Stütze könnte sie mir dann werden!« ...
Helene war dem Gespräch der Eltern mit regem Interesse gefolgt, bei den letzten Worten des Vaters dachte sie: »Ach, wenn ich doch die Fähigkeiten dazu besäße und den Wunsch meines Vaters erfüllen könnte! Ich würde sehr gern leidenden Menschen Liebes und Gutes erweisen. Mag dieser Beruf auch immerhin schwer sein, aber Befriedigung und Glückseligkeit muß er in sich schließen, denn alle Schwestern, die ich gesehen habe, sahen heiter und zufrieden aus.« Je länger sie darüber nachdachte, je mehr erwärmte sie sich für diesen Plan, und sie nahm sich fest vor, nächstens den Vater um seine Meinung zu befragen. Dazu sollte sich auch schon am anderen Tage die Gelegenheit bieten. Als der Vater am Mittag heimkehrte, war er nicht betrübt wie gestern, sondern rief der Mutter heiter entgegen: »Siehst du, liebe Elli, für meine arme Frau Schneider und auch für ihre Kinder wäre Rat und Hilfe geschafft, das Glück hat mich wieder einmal nicht im Stich gelassen!«
»Ei, das freut mich. Wer ist denn der rettende Engel!«
»Ja, ein Engel der Barmherzigkeit ist sie auch, diese gütige, menschenfreundliche Dame, die sich in edler Selbstverleugnung der leidenden Menschheit annimmt und überall ohne Ansehen der Person Trost und Hilfe spendet.«
»Aber wodurch hast du denn so plötzlich von dieser edlen Helferin gehört?«
»Ich machte heute meinen ersten Krankenbesuch bei Frau Professor Werkenthin, da kamen wir so zufällig auch auf die kranke Witwe und ihre Not zu sprechen, und ich sagte, in welcher Sorge ich ihretwegen sei. ›Wenn Sie sich einmal zu Frau von Buchenfels bemühen wollten,‹ riet darauf der Professor, ›die würde sicher selbst helfen oder Hilfe zu schaffen wissen.‹ Da erkundigte ich mich nun sogleich näher nach dieser Dame und hörte, daß sie sich schon in den Kriegen bei der Pflege der Verwundeten so treu und tapfer gezeigt und sich auch einen Orden für ihre Verdienste erworben habe. Ich entsann mich dann auch, schon von ihr gehört zu haben, und erforschte ihre Wohnung. Sie empfing mich sehr liebenswürdig und ging sogleich sehr bereitwillig auf mein Anliegen ein. Sie sagte, daß sie mich sofort begleiten und sich selbst von den Verhältnissen dort überzeugen wollte. Zu meiner Freude sah ich meine Erwartungen noch übertroffen. Die arme Frau in ihrer Verlassenheit und Not erregte sogleich ihr größtes Mitgefühl, und sie erbot sich, die Kranke selbst zu pflegen und auch für die Kinder sorgen zu wollen.«
»Dann ist diese Frau von Buchenfels wohl in guten Vermögensverhältnissen?« fragte die Gattin.
»Ja, sie soll sogar sehr reich sein und sich und ihr großes Vermögen in den Dienst der Wohltätigkeit gestellt haben.«
»Du hast wirklich das Herz auf dem rechten Fleck, lieber Hans, und bist ein Arzt, wie man ihn mit der Laterne suchen kann. Freilich, auf irdischen Lohn hast du bei deiner Mildtätigkeit nicht zu rechnen.«
»Oho, liebes Frauchen, da bist du denn doch gewaltig im Irrtum. Ist denn etwa das Gefühl erfüllter Pflicht und die Achtung der Menschen kein Lohn?«
»Ja, ganz gewiß, du prächtiger, uneigennütziger Mann, aber wenige würden sich damit genügen lassen.«
»Ah so! Du meinst ohne klingende Belohnung? Das laß nur gut sein, wenn wir auch keine vermögenden Leute sind, so haben wir doch unser gutes Auskommen. Mehr verlange ich nicht, dafür bin ich dem lieben Gott sehr dankbar.«
»Papa!« rief Helene mit leuchtenden Augen, als der Vater jetzt schwieg, »ich will nach der Einsegnung die Krankenpflege erlernen. O bitte, bitte, laß mich Schwester und dir eine treue Gehilfin werden!«
»Was, du Töchterchen, hättest Lust, Krankenpflegerin zu werden? Hat meine Erzählung den Wunsch in dir erweckt?«
»Ja, Papa, ich habe schon seit gestern viel darüber nachgedacht, als du von der kranken Frau Schneider sprachst und dabei äußertest, welch schöner Beruf dies sei und daß ihn doch so wenige erwählten.«
»Das ist ein guter Gedanke, Kindchen. Es soll mich herzlich freuen, wenn du später noch geneigt wärest, ihn zur Ausführung zu bringen. Wie dem aber auch sei, einen Samariterkursus sollst du auf alle Fälle durchmachen, denn das ist für jedes Mädchen, welchen Standes sie sei, und in welchen Verhältnissen sie auch leben mag, von großem Wert. Kommen in der Familie Krankheitsfälle vor, so weiß sie gleich in der rechten Weise zu helfen, besonders kann sie, wenn nicht sogleich ärztliche Hilfe zu haben ist, in bedenklichen Fällen sogar die Retterin von Menschenleben werden.«
»Ach, Väterchen, wie glücklich würde es mich machen, dir eine Stütze werden zu können!« rief Helene begeistert.
»So hast du also deine Wünsche nach Ruhm und Ehre aufgegeben, mein Töchterchen?« fragte die Mutter lächelnd.
»Wieso denn?« entgegnete der Vater; »doch nicht etwa damit, daß sie Krankenpflegerin werden möchte? Im Gegenteil, dadurch ist sie auf dem besten Wege, diese Wünsche dereinst erfüllt zu sehen. Kann es wohl für ein weibliches Wesen einen besseren Ruhm und eine höhere Ehre geben, als Selbstverleugnung und treues, opferfähiges Wirken?«