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Der Sultan Mahmud und sein Wesir.

Gleichnis.

Ein Derwisch kam eines Tages zu Chas-Ayas, dem Wesir des Sultans Mahmud, und bat denselben, ihm ein Gehalt bei diesem Fürsten auszuwirken.

»Ihr sollt es erhalten,« antwortete der Wesir, »aber unter der Bedingung, daß Ihr dem König versprechet, mich die Sprache der Vögel zu lehren.« Der Derwisch verstand sich zu diesem Betruge, und der Sultan bewilligte ihm ein Gehalt von zehn Goldstücken täglich.

Einige Zeit darnach, als der Sultan mit seinem Wesir auf der Jagd war, sprach er zu ihm: »Chas-Ayas, hast du schon von dem Derwisch etwas gelernt? Ich möchte wohl wissen, was diese beiden Eulen dort auf den beiden Bäumen einander zu sagen haben. Höre ihnen zu und berichte mir ihre Unterhaltung.«

Der Wesir nahte sich den Bäumen und stellte sich eine Zeitlang, als wenn er den Eulen ein aufmerksames Ohr liehe; dann kam er wieder zu seinem Herrn und sagte zu ihm: »Herr, ich habe einen Teil ihres Gespräches vernommen, aber erlasset mir, es Euch mitzuteilen.« – »Und warum scheuest du dich, es mir zu sagen?« rief der Sultan. »Herr,« antwortete Chas-Ayas, »weil diese beiden Vögel sich von Euer Majestät unterhielten.« – »Und welchen Teil kann ich an ihrem Gespräche haben?« erwiderte Mahmud; »ich will durchaus, daß du mir nichts verhehlst, und befehle dir, mir Wort für Wort alles zu sagen, was du vernommen hast.« –

»So will ich Euch denn gehorchen, Herr,« antwortete der Wesir. »Eine der beiden Eulen hat einen Sohn und die andere eine Tochter, die wollen sie miteinander verheiraten. Der Vater des Sohnes sagte zu dem Vater der Tochter: »Bruder, ich willige in diese Heirat unter der Bedingung, daß du deiner Tochter fünfhundert verwüstete Dörfer mitgibst.« – »He,« antwortete sogleich der Vater der Tochter, »du forderst nicht mehr als das? Ich will dir wohl tausend anstatt der fünfhundert geben, wenn du es verlangst. Gott gebe dem Sultan Mahmud glückliches und langes Leben! Solange er König von Persien ist, wird es uns daran nicht fehlen.«

Der Sultan verstand wohl das sinnreiche Gleichnis seines Wesirs, und er nahm es sich zu Herzen. Er beschäftigte sich sogleich damit, die zerstörten Städte wieder aufbauen zu lassen, und dachte fortan nur daran, seine Völker glücklich zu machen; und seitdem begann man den Namen und die Tugenden dieses großen Fürsten zu preisen, wie man noch heute ihn preiset.«

Als die Königin Chansade dieses Gleichnis erzählt hatte, drängte sie den Sultan von neuem, den Prinzen hinrichten zu lassen. Er versprach ihr, daß am nächsten Morgen ihre Rache befriedigt werden sollte.

Am folgenden Tage trat Sindbad mit wütiger Gebärde in den Thronsaal und sprach zu dem Scharfrichter: »Man führe sogleich meinen Sohn hierher und schlage ihm ohne Aufschub den Kopf ab.« –

»O König der Welt!« rief da der dritte Wesir aus, indem er sich am Fuße des Thrones niederwarf, »alle Eure Wesire, Eure treuen Sklaven, beschwören Euch, die Bestrafung des Prinzen noch zu verschieben, bis daß Ihr die Geschichte des Brahmanen Padmanaba gehört habt. Euer Majestät könnte sich wohl noch besinnen, wenn sie dieselbe mit Aufmerksamkeit anhörte.« – »Ich bewillige, daß du sie mir erzählest,« antwortete der König, »aber darnach werde ich meinen Sohn doch hinrichten lassen.«

 

Vierzehnte Nacht.


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