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»Ein Maler sah eines Tages bei einem seiner Freunde das Bildnis einer Frau, in welche er sich leidenschaftlich verliebte; er hatte keine Ruhe, als bis er vernahm, wo diejenige sich befände, welche als Urbild desselben gedient hatte. Man sagte ihm, es wäre das Bildnis einer berühmten Sängerin des Großwesirs am Hofe von Persien.
Sogleich machte Mahmud sich auf den Weg nach Ispahan. Nachdem er Tag und Nacht gereist war, kam er in dieser Stadt an und nahm seine Wohnung bei einem Apotheker. Er säumte nicht, von seinem Wirte Erkundigungen einzuziehen, und vernahm von ihm, daß das Reich in großer Unruhe wäre wegen der Verfolgungen, welche der Sultan gegen die Zauberer anstellte. Zu gleicher Zeit entdeckte Mahmud, daß der Gegenstand seiner Liebe eine der Sklavinnen des Wesirs war: und hierauf berechnete er seinen Anschlag.
Nachdem er sich mit allen einem Räuber nötigen Werkzeugen versehen hatte, begab er sich in einer Nacht zu dem Palaste des Wesirs, in welchen er vermittelst eines Seiles leicht Eingang fand. Über das flache Dach gelangte er mitten aus einen Hof, von wo er ein hell erleuchtetes Gemach erblickte.
Er wandte sich nach dieser Seite und trat in das Zimmer: hier sah er ein Frauenbild, schön wie die Sonne am heitern Sommertage, im Schlafe liegen auf einem elfenbeinernen mit Gold ausgelegten Ruhebette, umgeben von Lampen, welche nach allen Seiten das glänzendste Licht verbreiteten. Indem er sich ihr näherte, erkannte er sogleich, daß es die Schöne war, die er suchte.
Darauf zog er einen Dolch aus seinem Gürtel und machte ihr an der Hand eine leichte Wunde, so daß sie erwachte. Die Schöne wurde von Furcht ergriffen, als sie ihn mit dem Dolch in der Hand erblickte. Sie hielt ihn für einen Räuber, bat ihn, ihr das Leben zu lassen, und bot ihm einen prächtigen Schleier, der mit Perlen und köstlichen Steinen besät war.
Mahmud nahm den Schleier und verließ den Palast des Wesirs.
Am folgenden Morgen verkleidete er sich wie ein Sofi, nahm den gestickten Schleier unter seinen Rock und trat vor den Kaiser von Persien.
»Herr,« sprach er zu ihm, »ich bin ein Geistlicher aus Chorasan; der Ruhm von Euren Tugenden ist zu mir gedrungen, und um unter einem so gerechten Fürsten zu leben, habe ich mich auf den Weg nach Eurer Hauptstadt gemacht. Angelangt an den Toren derselben, fand ich sie verschlossen und sah mich genötigt, die Nacht vor der Stadt zuzubringen. Ich legte mich nieder, aber bald erblickte ich vier Weiber: die eine ritt auf einer Hyäne, die zweite auf einem Widder, die dritte auf einer schwarzen Hündin und die vierte auf einem Leoparden.
Ich erkannte bald, daß es Zauberinnen waren; die eine nahte sich mir und begann mich mit Füßen zu treten und mit einer Geißel zu peitschen, welche in ihren Händen mir wie Feuer erschien. Ich sprach sogleich mehrmals den Namen Gottes aus, und mit einem Messer verwundete ich sie an der Hand, worauf sie mich losließ: aber im Entfliehen ließ sie in meinen Händen diesen mit Edelsteinen übersäten Schleier, welcher keinen Wert für mich hat, weil ich mich von der Welt zurückgezogen habe.«
Nach dieser Rede übergab Mahmud den Schleier den Händen des Sultans und ging hinweg.
Der Kaiser erkannte den Schleier: er hatte vor kurzem seinem Großwesir ein Geschenk damit gemacht. Er befragte diesen deshalb und vernahm bald, daß er ihn seiner Lieblingssklavin gegeben hatte.
Diese wurde nach dem Palaste geholt, und als man ihre Hand untersuchte, erkannte man die Wunde, von welcher Mahmud gesprochen hatte, und man zweifelte nicht mehr, daß er die Wahrheit gesagt hätte. Hierauf wurde sie als Zauberin verurteilt, in einer Grube zu verschmachten, deren steile Wände jede Flucht verhinderten.
Als Mahmud den glücklichen Erfolg seiner List vernommen hatte, eilte er nach der Grube, in welche man die schöne Sklavin hinabgelassen hatte, und durch Überredung der Wächter, denen er sein Abenteuer erzählte, gelang es ihm, sie zu befreien.
Zufolge des Versprechens, welches er den Wächtern getan hatte, entfloh er in sein Land, reiste Tag und Nacht und gelangte so in den Besitz des Gegenstandes seiner Wünsche.«
*
»Da habt Ihr, Herr,« fügte die Königin hinzu, »eine von den zahlreichen Listen der Männer ...«
Der Kaiser, aufgeregt dadurch, gab sogleich den Befehl zur Hinrichtung seines Sohnes.
Auf solche Weise bemächtigten sich vierzig Tage hindurch die Königin und die Wesire wechselsweise des Gemütes des Kaisers.
Am einundvierzigsten Tage mit Sonnenaufgangs bestieg der Kaiser seinen Thron, gab dem Scharfrichter seine Befehle und ließ seinen Sohn vorführen. Er ließ desgleichen die vierzig Wesire festnehmen und sie gebunden, je zehn und zehn, vor sich führen.
Der Scharfrichter verband dem Prinzen Nurgehan die Augen, zog sein Schwert und fragte den Kaiser zweimal, ob er zuhauen sollte. Nachdem es ihm verstattet worden, sagte er: »Herr, ich fordere diesen Befehl noch zum dritten Male von Euch; bedenket wohl, daß eine zu späte Reue nicht wieder gutmachen kann, was Ihr jetzt befehlet.«
Der Kaiser war im Begriff, seinen Befehl zu wiederholen, da erschien Abumaschar, der Lehrer Nurgehans. Sogleich ergriff ihn die Wache und führte ihn vor den Thron mit solcher Eilfertigkeit, daß seine Füße nicht die Erde berührten.
»Elender,« sprach Sindbad zu ihm, »dein Kopf soll deine Freveltat bezahlen. Sind es nicht deine treulosen Ratschläge, welche meinem Sohne dieses Stillschweigen auflegten?«
»Ja, Herr,« antwortete Abumaschar, »Euer Sohn mußte vierzig Tage lang dieses Stillschweigen beobachten, um die Unfälle zu vermeiden, welche die Gestirne ihm verkündigten: aber die verhängnisvolle Frist ist abgelaufen, und er kann jetzt wieder reden.«
Sogleich nahm man dem Prinzen die Binde von den Augen, und er erzählte unbefangen alles, was zwischen ihm und seiner Stiefmutter vorgegangen war. Er berief sich auf das Zeugnis der Frauen der Königin, welche bekannten, daß sie hinter einer dünnen Wand alles gehört hätten.
Auf diese Berichte bereute Sindbad herzlich, was er bisher getan hatte, und alle Herren des Hofes stimmten der Rede ihres Fürsten bei. Der Kaiser ließ seinen Sohn an seiner Seite sitzen, küßte ihm die Augen und erlaubte den vierzig Wesiren, seine Hände und seine Kniee zu küssen. Sie legten die Trauerkleider ab, welche sie während der vierzig Tage getragen hatten, und zogen prächtige Kleider an, welche der Kaiser unter sie verteilen ließ.
Die Königin aber wurde ohne Gnade hingerichtet.«
*
»Als der griechische König,« sagte der Fischer zu dem Geiste, »die Geschichte des Königs Sindbad beendigt hatte, fügte er hinzu: »Und du, Wesir, voll Neid gegen den Arzt Duban, welcher dir kein Leid getan hat, willst, daß ich ihn töten lasse; aber ich werde mich wohl davor hüten, aus Furcht, ungerecht zu sein, wie es dieser König gegen seinen Sohn war.«
Dem verräterischen Wesir war der Tod des Arztes zu wichtig, um hierbei stehen zu bleiben. »Herr,« erwiderte er, »wie kann die Furcht, einen Unschuldigen zu bestrafen, Euch hindern, den Arzt hinrichten zu lassen. Ist es nicht hinreichend, daß man ihn eines Anschlags auf Euer Leben anklagt, um Euch zu berechtigen, ihm das seine zu nehmen? Wenn es darauf ankommt, das Leben eines Königs zu sichern, so muß schon ein bloßer Verdacht für Gewißheit gelten; und es ist besser, einen Unschuldigen aufzuopfern, als einen Schuldigen unbestraft zu lassen ... Aber, Herr, dieses ist keineswegs eine noch ungewisse Sache; der Arzt Duban will Euch ermorden. Es ist nicht der Neid, welcher mich gegen ihn gewaffnet, es ist allein die Teilnahme für die Erhaltung Euer Majestät, es ist mein Eifer, welcher mich antreibt, Euch eine Anzeige von so großer Wichtigkeit zu machen. Ist sie falsch, so verdiene ich auf dieselbe Weise bestraft zu werden, wie einstmals ein Wesir bestraft wurde.«
»Was hatte dieser Wesir getan,« fragte der griechische König, »wodurch er eine solche Strafe verdiente?«
»Ich will es Euer Majestät erzählen,« antwortete der Wesir; »möge sie die Güte haben, mich anzuhören: