Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Geschichte des Königs Dabdyn und seiner beiden Wesire.

»Herr,« sprach Bacht-jar, »die alten Jahrbücher der Vorzeit erzählen von einem König Dabdyn, der zwei Wesire namens Kamkar und Kardar hatte.

Der erste dieser beiden Minister besaß eine Tochter von unvergleichlicher Schönheit. Nun hatte er eines Tages, da er genötigt war, den König auf die Jagd zu begleiten, alle Sorgen der Reichsverwaltung seinem Genossen Kardar überlassen. Dieser hatte die Tochter Kamkrars in einem Garten gesehen und war sterblich in sie verliebt, so daß es um seine Freiheit geschehen war. Ihr reizendes Bild, welches sich Tag und Nacht vor seine Seele stellte, ließ ihm keinen Augenblick Ruhe, und sein verstörter Geist sann nur auf Mittel, den Gegenstand seiner Begierden zu erlangen.

Folgendes war endlich der verruchte Anschlag, bei welchem er stehen blieb. »Kamkar,« sprach er bei sich selber, »wird mir nimmer seine Tochter geben wollen, es gibt für mich also nur ein Mittel, sie zu erlangen: sobald der König von der Jagd zurückkommt, will ich ihm die Schönheit der Tochter seines Wesirs so anpreisen, daß er sie zur Gemahlin begehren wird; nach der Hochzeitsfeier wird es mir nicht schwer fallen, durch eine falsche Anklage der Untreue den König zu ihrer Verstoßung zu vermögen: er wird mir auftragen, sie umzubringen, und ich werde diese Wendung schon zu meinem Vorteil und zur Ausführung meiner Absicht benutzen.«

Als der König zurückkam, befahl er Kardar, ihm von der Verwaltung des Reichs während seiner Abwesenheit Rechenschaft abzulegen und ihm zu berichten, was sich unterdessen Wichtiges zugetragen hätte. Der Wesir antwortete ihm. »Herr, alle Eure treuen Untertanen sind den Geboten Euer Majestät gehorsam gewesen, und ich habe Euch nichts Wichtiges vorzutragen. Aber ich habe in Eurer Abwesenheit etwas so Reizendes und Außerordentliches gesehen, daß es die ganze Aufmerksamkeit Euer Majestät verdient; nämlich eine Schönheit, deren Augen den Glanz des Vollmondes haben, deren Wuchs so schlank ist wie eine Zypresse, deren Locken die Wohlgerüche Arabiens und den Moschus der Tatarei ausduften; ihre Zartheit erinnert an das furchtsame Rebhuhn; ihr Schmuck gleicht einem vollen Blumenbeete: mit einem Worte, sie ist eine Göttin in Menschengestalt; denn sie vermag auf gleiche Weise die Menschen und die Götter zu besiegen.«

Diese Worte Kardars erregten heftig die Begierde des Königs, welcher sich dringend nach den Mitteln erkundigte, einen so reizenden Gegenstand zu erlangen.

»Herr,« antwortete der Wesir, »Ihr braucht nicht erst durch eine Gesandtschaft, noch durch reiche Geschenke um sie zu werben: Ihr dürft nur Kamkar rufen lassen und ihm Eure Absicht kundtun; denn die, von welcher ich Euch gesagt habe, ist seine Tochter.«

»Laß ihn auf der Stelle zu mir kommen,« sprach der König.

Kardar beeilte sich, seinen Genossen davon zu benachrichtigen; und dieser begab sich sogleich zu dem Könige und drückte ihm durch seine Gebärden all die Ehrfurcht aus, mit der er für ihn durchdrungen war.

Der König ließ ihn neben sich niedersitzen und sprach zu ihm: »Kamkar, ich habe vernommen, daß du eine Tochter hast, die mit unvergleichlicher Schönheit und allen erdenklichen guten Eigenschaften begabt ist: willst du sie meinem Harem überlassen, so verspreche ich dir die schmeichelhaftesten und glänzendsten Belohnungen dafür: ich will dich mit Ehren und Reichtümern überhäufen und über die mächtigsten Fürsten und größten Herren meines Reichs erheben; denn ich will deinen Händen meine ganze Macht und mein ganzes Ansehen anvertrauen.«

»Herr,« antwortete Kamkar, »der Antrag, dessen Euer Majestät mich würdigt, ist zu glänzend und zu verführerisch, als daß ich ihn nicht mit Vergnügen annehmen sollte; wenn der Himmel mir hundert Töchter geschenkt hätte, so würde ich es mir zum Vergnügen machen, sie Euch darzubieten. Ich bitte Euch gleichwohl, mir Zeit zu vergönnen, damit ich diejenige, der Ihr eine so hohe Ehre zugedacht habt, davon unterrichten und alles zu der Feierlichkeit vorbereiten kann, welche den Gesetzen des Hofes gemäß vollzogen werden muß.«

»Du hast recht,« sprach der König, »geh ohne Zeitverlust hin, deiner Tochter meine Absicht kundzutun, und beendige schleunig diese Angelegenheit.«

 

Vierhundertundsechsundvierzigste Nacht.

Kamkar begab sich auf der Stelle nach Hause und erzählte seiner Tochter die soeben mit dem Könige gehabte Unterredung. Er war sehr erstaunt, als er sie folgendermaßen antworten hörte: »Es ist mir sehr schmeichelhaft, mein Vater, daß der König geruhet hat, seine Gedanken aus mich zu richten; aber ich fühle, daß ich für den Glanz des Hofes nicht geeignet bin, und daß ich nicht imstande sein würde, alle die Obliegenheiten zu erfüllen, welche ein so hoher Rang, wie der mir angetragene ist, mir auferlegen würde. Die Weltweisen haben mit voller Wahrheit die Könige den beiden Elementen des Wassers und des Feuers verglichen: wie diese sind sie wandelbar und zerstören stets, was ihnen zu nahe kommt: Ihr werdet es also nicht auffallend finden, daß ich die mir erbotene Ehre ablehne.«

»Ich will deinen Wünschen nicht entgegen sein, meine Tochter,« erwiderte Kamkar, »aber bedenke die Folgen, welche dein Entschluß nach sich ziehen kann. Wenn ich dem Könige deine Antwort überbringe, so wird der erzürnte Fürst mich unfehlbar hinrichten lassen. Wie wollen wir uns aus dieser schwierigen Lage ziehen?«

»Ich sehe nur ein Mittel dazu,« antwortete seine Tochter; »nämlich dem Könige zu sagen, daß ich einwillige, seine Gemahlin zu werden, aber einen Aufschub von zehn Tagen begehre; diese Zeit wird hinreichen zu unserer Flucht aus dem Königreiche.«

Kamkar billigte diesen Vorschlag und begab sich wieder zu dem Sultan, um die Ausführung desselben zu beginnen. »Herr,« sprach er zu ihm, »die Tochter Eures Sklaven fühlt sich durch die Güte höchst geehrt, womit Euer Majestät sie zu überschütten würdigt, und sie freut sich der ausgezeichneten Gnade, welche Ihr ihr zugedacht habt; sie bittet Euch nur um einen Aufschub von zehn Tagen, um sich auf eine so wichtige Feierlichkeit vorzubereiten.«

»Ich bewillige sie ihr gern,« sprach der König, »und überdies gebe ich dir einen Urlaub von zehn Tagen, damit du dich ausschließlich mit den Vorbereitungen zu unserer Verbindung beschäftigen und dafür sorgen kannst, daß alles auf angemessene Weise vollzogen werde.«

Kamkar küßte den Boden und kehrte zu seiner Tochter heim. Sogleich begannen beide alles vorzubereiten, was zu ihrer Flucht nötig war; und noch in derselben Nacht verließen sie in Begleitung zweier ergebener Sklaven die Stadt.

Als der Sultan am folgenden Morgen die Nachricht von der Flucht des Wesirs mit seiner Tochter vernahm, geriet er in großen Zorn und gab sogleich Befehl, ihnen nachzusetzen. Der Wesir Kardar wollte keinem andern diese Verfolgung überlassen und versprach, die Flüchtlinge aufzusuchen, wo sie auch immer verborgen sein möchten. Der König vertraute diese Angelegenheit seiner Sorgfalt und dankte ihm sehr für seinen Eifer.

Kardar ließ es sich so angelegen sein, daß er nach zwei Tagereisen die beiden Flüchtlinge einholte; er ließ sie unerbittlich binden und führte sie so nach der Hauptstadt zurück.

»Elender,« rief der Sultan bei dem Anblicke Kamkars wütend aus, »wo haben deine frechen Schritte dich hingeführt?«, und zu gleicher Zeit warf er einen Stuhl mit solcher Gewalt nach ihm, daß er dem unglücklichen Wesir den Schädel einschlug, der auf der Stelle verschied. Hierauf blickte er die Tochter seines Schlachtopfers an und wurde sogleich entwaffnet durch ihre Schönheit, ihre Anmut, den Ausdruck ihrer schönen Augen, die Schlankheit ihres Wuchses und die Sanftmut in allen ihren Zügen. Er fühlte auf der Stelle den tiefen Eindruck einer leidenschaftlichen Liebe und dachte nur auf die Mittel, eine so schöne Frau zu besitzen.

Er ließ sogleich den Kadi und die Ulemas kommen und befahl ihnen, den Heiratsvertrag aufzusetzen. Hierauf hieß er sie in seinen Harem bringen und ließ alle ihre Sklaven, welche sie gewöhnlich bedienten, bei ihr; nur einen Lustigmacher, der sie erzogen hatte, nahm er davon aus und verbot ihm den Eingang des Harems.

Diese Trennung betrübte den alten Diener sehr; er schrieb mehrmals an seine Herrin, bat sie, sich bei dem Könige um seine Zulassung bei ihr zu verwenden, und erklärte, daß er vor Gram sterben würde, wenn seine Bitte unerhört bliebe.

Die neue Sultanin bat ihren Gemahl um diese Gnade, welche er ihr nicht versagen konnte.

Die Gefälligkeit und die Sorgfalt, welche der König der Tochter seines Wesirs widmete, ließen diese allmählich ihren grausamen Verlust vergessen, und sie begann schon, sich an das Leben im Harem zu gewöhnen.

Aber während dieser Zeit war Kardar stets mit dem Gedanken beschäftigt, wie er diejenige, die eine so heiße Begierde in ihm entzündet hatte, in seine Gewalt bekäme, und sann unaufhörlich auf eine List, sie dem Könige verdächtig zu machen, so daß sie aus dem Palaste gejagt würde.

Der Zufall begünstigte sein verbrecherisches Vorhaben: ein Krieg brach aus, und der König war gezwungen, sich an die Spitze seiner Heere zu stellen, und vertraute während seiner Abwesenheit die Verwaltung seines Reiches dem Wesir. Kardar fand durch dieses gänzliche Zutrauen seines Herrn umso leichter Mittel, der Sultanin zu nahen.

Er erblickte sie eines Tages von der Höhe eines flachen Daches, welches die Aussicht auf die Gärten des Harems hatte: sie war allein und saß in nachdenklicher Stellung da. Bei ihrem Anblicke war die Freude des Wesirs so groß, daß er sich beinahe von seinem Standorte herabgestürzt hätte, er ergriff schleunig ein Steinchen und warf es nach der Gegend, wo die Tochter Kamkars saß. Dieser Wurf veranlaßte sie, die Augen aufzuschlagen, sie senkte sie aber gleich wieder, sobald sie den Wesir erblickt hatte. Als dieser sah, daß sie schweigend sitzen blieb, redete er sie mit einem Gruße an, welchen sie erwiderte. Dreister gemacht durch diese leichte Gunstbezeigung, rief er aus:

»O meine Seele, Ihr kennet die Liebe, welche Ihr mir eingeflößt habt: sie ist so heftig, daß sie mir Tag und Nacht keine Ruhe läßt; und ohne Euch muß ich mein Leben traurig und schmachtend hinschleppen. Würdiget mich Eures Mitleids und erhöret meine Wünsche, ich verheiße Euch Glückseligkeit. Wenn Ihr mein Herz nicht verschmähet, so fliehen wir mit unermeßlichen Reichtümern, welche in meiner Gewalt sind, aus diesem Reiche, oder ich kann Euch auch den Thron desselben erhalten, indem ich mich durch ein Gift von demjenigen befreie, der allein der Erfüllung meiner Wünsche im Wege steht.«

»Wie?« antwortete die Sultanin unwillig, »Ihr seid es, Kardar, der, zugleich Gott und den Menschen trotzend, sich erfrecht, mir so verbrecherische Anträge zu machen? Ihr wollet es wagen, den Kreis des Harems zu entweihen und Eure mörderischen Hände gegen Euren Herrn aufzuheben?«

»Ja, ist es nicht eben dieser Herr, der ohne allen Grund Euren Vater getötet hat? Ziemt es Euch also, ihn zu verteidigen und ihn zu lieben? Ohne Zweifel bereitet er Euch einst dasselbe Schicksal: aber dann wird es zu spät sein, der Anerbietungen zu gedenken, welche ich Euch heute mache.«

»Ich weiß nicht, welches Los mir die Vorsehung bestimmt hat, und der Mensch vermag nicht, sich dem weisen Ratschlusse Gottes zu widersetzen; er hat den Tod meines Vaters gewollt, und ich muß seine Beschlüsse verehren: mit derselben Hingebung werde ich auch künftighin seine Gebote erwarten. Seid also versichert, Wesir, was mir auch beschieden sein mag, ich werde mich ohne Murren unterwerfen.«

Mit diesen Worten stand sie aus und ging wieder in den Harem.

Diese Antwort ließ Kardar nicht mehr zweifelhaft über die Empfindungen der Sultanin gegen ihn; und er sah nun wohl, wenn er es nicht hintertriebe, so würde sie nicht verfehlen, ihn anzuklagen und bei seinem Herrn zu stürzen. Er beschloß also, ihr zuvorzukommen und sie einer entehrenden und verbrecherischen Handlung zu zeihen, um den Eindruck ihrer Anklage zu vereiteln, welche unter solchen Umständen nur als eine ungegründete Gegenbeschuldigung erscheinen mußte.

Kurze Zeit nach diesem Vorgange hatte der Sultan den unternommenen Feldzug ruhmvoll beendigt und kehrte siegreich nach seiner Hauptstadt zurück. Die Großen des Reichs und die vornehmsten Beamten mit Kardar an ihrer Spitze kamen ihm mehrere Tagereisen entgegen, um ihm ihre Glückwünsche und Lobeserhebungen darzubringen und ihre Freude zu bezeigen, daß sie ihn so gesund und glücklich wiedersähen. Der König nahm alles gnädig auf und zog mit ihnen nach der Stadt heim.

Als die Feierlichkeit beendigt war, fragte der Sultan angelegentlich seinen Wesir, wie in seiner Abwesenheit alles ergangen wäre, und erkundigte sich nach dem Zustande seines Reiches.

»Herr,« antwortete Kardar, »alles ist, während Ihr zur Besiegung Eurer Feinde ausgezogen seid, ruhig und still gewesen, und Eure getreuen Untertanen sind stolz darauf, unter der Herrschaft Euer Majestät zu leben. Nur ein einziges Verbrechen ist vorgefallen, von welchem ich das Unglück gehabt habe Zeuge zu sein, und welches ich Euch nicht mitteilen kann.«

Als der König nun darauf bestand, dieses Verbrechen zu wissen, fuhr der treulose Wesir fort: »Nein, Herr, meine Zunge kann die Worte nicht aussprechen, welche Euch so tief verwunden müssen.«

»Aber die Unruhe, in welche deine Rede mich versetzt,« sprach der Sultan, »ist noch hundertmal ärger als die Wahrheit selber: säume drum nicht, meiner Beängstigung ein Ziel zu setzen!«

»Wohlan denn, Herr,« fuhr Kardar fort, »so will ich reden (wenn ich es nur vermag), weil Ihr doch immer von mir oder von einem andern die traurige Neuigkeit erfahren müßt, die ich Euch mitteilen soll.«

»Rede ohne Scheu,« sprach der König, »du hast nichts zu fürchten, was du mir auch zu verkünden haben magst.«

»Herr,« sagte nun Kardar, »Ihr kennt den weisen Spruch: wenn du die Schlange tötest, so töte auch alle ihre Jungen; was ich Euch zu erzählen habe, wird Euch die Richtigkeit desselben bewähren.

Eines Tages, als ich mich in einem der abgelegensten Teile Eures Palastes befand, hörte ich zwei Personen leise miteinander sprechen, und vermittelst eines Vorhanges, der mich verbarg, konnte ich nahe genug herankommen, um die Tochter Kamkars zu erkennen, welche sich mit einem ihrer Sklaven unterhielt. »Du warest schon groß,« sprach sie zu ihm, »als ich noch sehr jung war; aber ich liebte dich schon von meiner zartesten Kindheit an. Ach! wieviel Tränen habe ich während unserer grausamen Trennung vergießen müssen! Des Nachts sah ich dich im Traume; des Tages dachte ich nur an dich: endlich hat der Sultan deinen Eintritt in den Harem bewilligt. Aber warum erwiderst du meine Zärtlichkeit mit solcher Kälte? Muß ich, die dich mehr als meine Augen liebt, dich stets in dieser Gleichgültigkeit und Zurückhaltung gegen mich finden? Höre, ich habe einen Anschlag ersonnen, welchen du mir mußt ausführen helfen. Der Sultan hat meinen Vater getötet, und diese Freveltat darf nicht ungestraft bleiben; willst du mir nur in meinen Plänen beistehen, so soll Gift mich für seine Grausamkeit rächen, und sein Tod wird uns verstatten, aus dieser Stadt zu entfliehen und einen andern Ort aufzusuchen, wo wir eines ungestörten Glückes genießen können.«

Ich war nicht imstande,« fuhr Kardar fort, »länger diese Greuel anzuhören, und zog mich schweigend zurück, um mich den traurigen Betrachtungen zu überlassen, welche dieses Abenteuer in mir erregte. Seit dieser Zeit habe ich mit lebhafter Ungeduld die Rückkehr Euer Majestät erwartet, um Euch diesen entsetzlichen Anschlag zu entdecken.«

Diese Anklage seines Wesirs erregte dem Fürsten ebensoviel Erstaunen als Abscheu. Er entließ sogleich seine ganze Umgebung; und als der Lustigmacher wie gewöhnlich vor ihm erschien, um seine Späße zu machen, ließ er ihn sogleich ergreifen, und ohne ihm Zeit zu Erklärungen zu lassen, hieb er ihn eigenhändig mitten durch.

Hierauf ließ er die Sultanin vor sich kommen und sprach zu ihr: »Ihr also, meine Frau, habt die Verwegenheit gehabt, einen Anschlag gegen mein Leben zu machen, und habt diesen elenden Lustigmacher dem mächtigsten Fürsten der Erde vorgezogen?«

Die Tochter Kamkars durchschaute die Treulosigkeit Kardars und wollte sich verantworten; aber der König ließ ihr nicht Zeit dazu, sondern fuhr also fort:

»Wohlan denn, weil du diesen nichtswürdigen Spaßmacher so sehr liebst, so sollen deine Wünsche erfüllt und du mit ihm wieder vereinigt werden.«

Bei diesen Worten aber warf sich der listige Kardar dem Könige zu Füßen und rief aus: »O Herr, könntet Ihr ein Weib töten? Besudelt nicht Euren Palast mit dieser unseligen Bestrafung, welche stets Unheil ankündigt; begnüget Euch damit, sie mit gebundenen Händen und Füßen auf ein Kamel zu setzen und sie so in der Wüste vor Hunger und Durst verschmachten zu lassen.«

Der König befolgte den Rat seines Ministers, und auf der Stelle wurde ein Kamel herbeigeführt, auf dessen Bücken man die unglückliche Sultanin festband und es so auf den Weg nach der Wüste brachte.

 

Vierhundertundsiebenundvierzigste Nacht.

In dieser grauenvollen Lage empfand die Tochter Kamkars bald alle Qualen des Hungers und Durstes; ihre Lippen brannten, ihre Kehle, ihre Zunge und ihr Gaumen trockneten aus: aber mitten unter diesen Leiden verließ das Vertrauen auf Gott sie nicht. Sie hob ihre vor Schwäche erloschenen Augen gen Himmel und rief aus: »Großer Gott! Ich unterwerfe mich den Beschlüssen deiner Vorsehung; und wenn einige Wassertropfen mein Leben noch um einige Augenblicke verlängerten, so würde ich sie auch zur Verherrlichung deines heiligen Namens anwenden. Du kennst meine Unschuld und die Ungerechtigkeit der Menschen, die mich verurteilt haben, ich beschwöre dich, vergönne mir noch vor meinem Tode, wenn mein Leben so schleunig enden soll, daß mein Mund wenigstens meinen nichtswürdigen Ankläger beschäme. Barmherziger Gott, Stütze der Schwachen und Unterdrückten, auf dich allein habe ich meine Hoffnung gesetzt!«

Kaum hatte die Sultanin dieses Gebet ausgesprochen, als plötzlich ihre Bande sich lösten und abfielen; zu gleicher Zeit sprang eine Quelle lebendigen und reinen Wassers hervor, und die Gegend um sie her bedeckte sich mit frischem Rasen und anmutigem Gebüsche. Das Kamel bot mit seinem Leibe ihr Schatten. Die Tochter Kamkars trank von diesem heilvollen Wasser unter herzlichen Danksagungen zu Gott.

Zu derselben Zeit durchlief ein Kamelhüter, der etliche von seinen Kamelen verloren hatte, die Wüste in der Hoffnung, sie hier wiederzufinden; aber bisher war sein Suchen vergeblich gewesen. Diese Kamele gehörten dem Könige, und ihr Hüter irrte noch aus gut Glück umher, weil er nicht wagte, ledig nach dem Palaste zurückzukehren, aus Furcht, durch seine Nachlässigkeit den Zorn des Königs zu erregen. Als er nun von ferne ein Kamel erblickte, wähnte er eins von seinen verlorenen wiedergefunden zu haben; aber er erkannte bald seinen Irrtum; zu gleicher Zeit war er höchst überrascht, mitten in der Wüste auf einem reichen Rasenteppiche eine holdselige Frau im Gebete zu Gott zu erblicken.

Von Ehrfurcht bei diesem Anblick ergriffen, wartete er, bis die Sultanin ihr Gebet geendigt hatte, und stand schweigend neben ihr. Als er sah, daß ihr Gebet vollendet war, näherte er sich mit großer Höflichkeit und grüßte sie ehrerbietig. »Schöne Frau,« sprach er zu ihr, »Ihr seid so allein in der Wüste; wollt Ihr meinen Schutz annehmen, so will ich Euch als Beschützer und Vater dienen, und ich hoffe, mir dadurch die Gnade des Allmächtigen zu verdienen.«

Die Sultanin nahm mit Freuden die ihr so unerwartet sich darbietende Hilfe an; und der Kamelhüter gab ihr sogleich, was er an Vorrat mitgebracht hatte, und fragte sie, welche Veranlassung sie so allein mitten in diese wilde Wüste geführt hätte. Die Sultanin antwortete nicht auf diese Fragen; hierauf erzählte ihr der Kamelhüter, wie er die seiner Obhut anvertrauten Tiere verloren und sie in dieser Wüste gesucht hätte, ohne sie wiederfinden zu können; und in der Voraussetzung, die Königin wäre eine jener andächtigen, unaufhörlich der Anbetung und dem Dienste des Herrn geweihten Personen, empfahl er sich ihrem Gebete und bat sie, sich zu seinen Gunsten zu verwenden, damit er seine Kamele wiederfände.

Die Sultanin betete auch wirklich für ihn; und kaum hatte sie ihr Gebet angefangen, als der Kamelhüter aus dem nahen Gehölze alle seine verlorenen Kamele hervorkommen und herbeilaufen sah. Dieses Ereignis erfüllte ihn mit Freuden. »Meine Tochter,« sprach er, »die Löwen und Tiger, welche diese Wüste durchstreifen, machen den Aufenthalt darin sehr gefährlich: laßt uns eilig nach der Stadt zurückkehren: ich will Euch in meinem Hause ein Betzimmer einrichten lassen, wo Ihr ganz nach Eurer Gemächlichkeit Euch Euren frommen Übungen hingeben könnt.«

Hierauf band er die Kamele aneinander, setzte die Sultanin aus eins derselben und bestieg selber ein anderes. Um die Stunde des Abendgebetes erblickten die beiden Reisenden das Stadttor; der Kamelhüter ließ seine Gefährtin in seinem Hause absteigen, und wie er versprochen hatte, baute er ihr ein Betgemach, wo sie sich gänzlich der Anbetung Gottes widmen konnte.

Kurze Zeit darauf, als der Kamelhüter zu dem Könige kam und ihm von seiner Reise Bericht abstattete, sprach er zu ihm: »Herr, ich bin Zeuge eines der außerordentlichsten Abenteuer gewesen, wovon Euer Majestät jemals gehört hat; wenn Ihr geruhet, mich einige Augenblicke anzuhören, so will ich es Euch erzählen.« Und da der König neugierig schien, es zu hören, so fuhr er fort: »Es ist ungefähr einen Monat her, daß ich einige von den Kamelen Euer Majestät hatte laufen lassen. Um meine Unachtsamkeit wieder gutzumachen, durchrannte ich die benachbarten Wüsten, wo meine Aufmerksamkeit durch den Anblick eines Kamels angezogen wurde, welches neben einer lebendigen Quelle und auf einer grünen Wiese mit seinem Schatten eine ganz junge Frau schützte; diese Frau schien in ein heißes Gebet versunken, und ich glaubte, daß sie ihrer Andacht die wunderbare Umgebung verdankte, in welcher ich sie sah. Meine Vermutung bewährte sich auf der Stelle; als ich mich ihr genaht hatte, teilte ich ihr meine Verlegenheit mit: und kaum hatte sie einige Worte ausgesprochen, so sah ich meine verlorenen Kamele aus mich zulaufen. Ich habe diese von der Gottheit so sichtbar begnadigte Frau gebeten, bei mir zu wohnen, und ihr ein Betgemach bauen lassen, worin sie sich Nacht und Tag der Anbetung Gottes widmet.«

 

Vierhundertundachtundvierzigste Nacht.

Diese Erzählung reizte die Neugier des Königs; er gebot auf der Stelle dem Kamelhüter, ihn zu dieser Wunderfrau hinzuführen, in der Absicht, sich ihrem Gebete zu empfehlen; und sogleich begab er sich nach ihrem Bethäuslein. Hier, hinter einem Vorhange verborgen, sah er sie sich mit Inbrunst den Büßungen und der heißesten Frömmigkeit hingeben; aber wie groß war seine Überraschung, als bei einer Wendung zu der gewöhnlichen Anrufung die Unbekannte ihn ihre Gestalt sehen ließ und er die Tochter Kamkars erkannte! Er konnte seine Freude nicht zurückhalten, sondern sprang aus seinem Verstecke hervor, drückte sie in seine Arme, und in Tränen zerfließend, flehte er sie an, ihm die Missetat, deren er sich gegen sie für schuldig bekannte, zu vergeben, ihm ihre Liebe wiederzuschenken und in alle Rechte der Königin, deren er sie so grausam beraubt hatte, wieder einzutreten.

»Herr,« antwortete sie ihrem Gemahl, »ich setze eine Bedingung auf die Verzeihung, um welche Ihr mich bittet: ich fordere, daß Ihr noch einige Augenblicke in diesem Hause verweilet, damit Ihr Euch selber von der tiefen Treulosigkeit und der teuflischen Arglist überzeugen könnet, deren Euer Wesir sich bedient hat, um mich Eures Vertrauens zu berauben.«

Der König war zu dieser Prüfung bereit, und die Tochter Kamkars bat den Kamelhüter, hinzugehen und Kardar zu melden, daß eine bei ihm wohnende Frau lebhaft wünschte, mit dem Wesir auf einige Augenblicke eine geheime Unterredung zu haben.

Kardar kam ungesäumt zu dem Stelldichein, und seine Überraschung war ebensogroß wie seine Freude, als er in der Frau, welche nach ihm verlangt hatte, die Tochter seines alten Genossen erkannte. Er wähnte, nun endlich wäre der Augenblick zur Erfüllung seiner Wünsche gekommen, und voll Entzücken rief er aus: »Licht meines Lebens, welcher glückliche Zufall hat Euch vor dem grausamen Tode bewahrt, welcher Euch bestimmt war? Ach, es hat nicht an meiner Sorgfalt gelegen, daß Ihr nicht gerettet worden seid; denn noch denselben Tag, als der König Euch auf das Kamel binden ließ, sandte ich Leute nach allen Seiten aus mit dem Auftrage, Euch nach meinem Palaste zurückzubringen; aber alle ihre Nachforschungen waren vergeblich, und ich vernahm mit Schmerzen, daß es ihnen unmöglich gewesen war, Euch aufzufinden. Seit dieser Zeit war ich ein Raub des herzzerreißendsten Kummers: Eure Rückkehr gibt mich endlich dem Glücke und dem Leben wieder. Ach! welche Leiden und Kümmernisse hättet Ihr uns beiden erspart, wenn Ihr damals schon, als ich in dem Garten des Palastes Euch jenen Stein hinabwarf, meinen Anträgen Gehör hättet geben wollen! Sagte ich Euch nicht die Behandlung voraus, welche Ihr nun erfahren habt? Sagte ich Euch nicht, daß ein Mann, der imstande gewesen, ungerechterweise Euren Vater zu töten, einst auch gegen Euch selber ungerecht sein würde? Wir hatten ein Mittel, uns von diesem verhaßten Tyrannen zu freien, ein Gift hätte unsere Ruhe für immer gesichert. Ihr habt damals die Anerbietungen eines Mannes verschmähet, der Euch anbetete; Ihr habt mir zur Antwort Eure gewissenhafte Treue gegen Euren Gemahl und Eure gänzliche Ergebung in die Beschlüsse der Vorsehung entgegengestellt: Ihr seht nunmehr, in welchen Abgrund von Leiden diese so edlen Gesinnungen Euch gestürzt haben. Aber verbannen wir jetzt dieses unnütze Bedauern, entfernen wir jetzt die Erinnerung der vorgefallenen Unfälle, und denken wir nur an unser gegenwärtiges Glück und an die Güte des Himmels, welche Euch unsern Wünschen und meiner Liebe wiedergibt.«

Mit diesen letzten Worten nahte sich Kardar der Sultanin und wollte sie umarmen: aber in demselben Augenblicke sprang der Sultan, welcher die Geduld verlor, hervor und durchbohrte ihn mit seinem Kandschar, so daß der Wesir sogleich niederstürzte und den letzten Seufzer ausstieß.

Der König führte nun die Königin nach dem Palast zurück, wo beide ein ungestörtes Glück genossen hätten, wenn der Gedanke an die Ungerechtigkeit des Fürsten gegen Kamkar nicht ihre Glückseligkeit getrübt hätte.

Ihr seht, Herr,« setzte Bacht-jar hinzu, »wie gefährlich die Übereilung war, mit welcher der König Dabdyn den Wesir Kamkar und seine Tochter verurteilte. Hätte er auf die Stimme der Vorsicht gehört und nicht eigenhändig diesen Minister getötet, so würde er sich eine herbe Reue und die Vorwürfe erspart haben, welche sein ganzes übriges Leben verbittern mußten.

Es wird Euer Majestät ebenso ergehen, wenn Ihr mir nicht vergönnet, Mittel und Beweise meiner Unschuld zu finden; ich flehe Euch nur um etliche Tage, Euch dartun zu können, daß ich mich in derselben Lage befinde wie die unglückliche Fürstin, deren Geschichte ich Euch soeben erzählt habe.«

Asad-bacht, gerührt durch diese Erzählung, ließ Bacht-jar ins Gefängnis zurückführen.

Um folgenden Tage trat der siebente Wesir vor den König hin und sprach zu ihm: »Herr, es ist den Ministern Euer Majestät unmöglich, länger die Vorwürfe zu ertragen, womit man sie von allen Seiten überhäuft. Man spricht unter dem Volke von nichts anderm als von dieser Haremsgeschichte, und dieses anstößige Abenteuer wird überall umgetragen, in den Bädern, aus den Gassen, an den Ecken und auf den öffentlichen Plätzen. »Der König,« spricht man, »hat den Bacht-jar in seinen eigenen königlichen Kleidern nachts ertappt und ist noch nicht überzeugt!« Wir möchten gern auf diese Schmachreden antworten, aber man stopft uns den Mund mit den Worten: »Was habt ihr zu reden? Es ziemt sich auch recht für einen Sklaven, seine Stimme zu erheben, wenn der Herr selber schweigen will!«

Diese Reden entrüsteten den König: er ließ die Königin rufen und fragte sie, was er nun tun sollte. Diese Fürstin antwortete ihm ohne Anstand, er müßte den Angeklagten hinrichten lassen, und alle Frauen des Harems erwarteten seinen Tod mit Ungeduld. Jedoch fügte sie hinzu, es gebühre der Weisheit des Königs, zu entscheiden, was hierin am besten zu tun wäre.

Asad-bacht ließ nun Bacht-jar vor sich kommen. »Herr,« sprach der Jüngling zu ihm, »bevor Ihr einen entscheidenden Beschluß fasset, so überlegt nochmals das Urteil, welches Ihr aussprechen wollt, und bedenket wohl, daß, wenn es auch in Eurer Macht steht, einem Menschen das Leben zu nehmen, es Euch jedoch unmöglich ist, den wieder ins Dasein zu rufen, welchen Ihr desselben beraubt habt.« –

»Du behauptest noch immer, deine Unschuld zu beweisen, und überall verurteilt dich die Stimme des Volkes, und selbst die Frauen des Harems fordern deinen Tod.«

»Herr,« antwortete Bacht-jar, »die Frauen schwatzen viel, sie haben einen erfinderischen und anschlägischen Geist und wissen alle Kunstgriffe zu benutzen, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Aber so groß ihre Gewandtheit, so unvorsichtig ist es, ihren trüglichen Einflüsterungen das Ohr zu leihen und sie in einer bedenklichen Angelegenheit zu Rate zu ziehen.«

Dieser Ausfall gegen die Frauen erregte das Lächeln des Königs.

»Ich berufe mich darüber nur,« fuhr Bacht-jar fort, »auf die Geschichte, wie die Tochter eines Königs von Persien mit Hilfe und Rat ihrer Hofmeisterin ihren Zweck erreichte, wenn Euer Majestät es mir erlaubt, so will ich Euch diese Geschichte erzählen.«

Asad-bacht willigte ein, den Angeklagten zu hören, welcher folgendermaßen fortfuhr:

 


 << zurück weiter >>