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Reisen in das neue Jerusalem.

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Reise in das neue Jerusalem.

Deren machte sie zwölf, welche ebenfalls zusammen genommen werden müssen, weil ihre Angaben meistentheils gleichlautend waren.

Zu einer Hinreise gebrauchte sie 30 Minuten, zu der Herreise aber nur 18, – denn abwärts, sagte sie, gehe es viel schneller – ihr Aufenthalt dauerte nie länger als 12 Minuten, so daß in einer Stunde jedesmal eine Reise vorüber war. Schon in der ersten Reise hatte sie angegeben, daß sie die Herrlichkeiten immer gleich schön beschreiben müsse; sie sagte weiters:

»Es ist nicht nur eine Stadt, in welcher Gott eine solche Wohnung wie hier hat, Gott habe deren noch mehrere, welcher dieser an Herrlichkeit nicht nur nichts nachgeben, sondern sie weit übertreffen. Meine Führer sagen mir: sie selbst seyen noch nicht befähiget, diese höheren Herrlichkeiten zu bereisen, nur allein diejenigen Seligen seyen es, welche sich in dem neuen Jerusalem befinden; diese können Reisen dahin machen, aber so wie meinen Führern, so bleibe es selbst diesen unmöglich, die Größe Gottes zu ergründen, denn die Schöpfungen Gottes dauern in ewige Ewigkeiten fort. Meine Führer sagen mir, daß Gott hier auch in einer Sonne wohne, die viele viele Millionen Meilen von der uns sichtbaren Sonne entfernt sey. Ich sehe von hier aus wieder eben so viele Sterne, als ich von unserer Erde und von der Sonne aus gesehen habe; ich weiß gar nicht, was ich aus Verwunderung über Verwunderung, von der so unendlichen Größe Gottes sagen soll.«

»Ach, wenn die Menschen die Größe Gottes nur nach der ihnen von Gott geschenkten Vernunft, und nach dem, was jedem täglich in die Augen fällt, beachten möchten, so sollte es gar nicht möglich seyn, daß es auch nur noch einen Gottesläugner auf dieser Erde geben könnte. Wenn ich mir die Größe Gottes in wachendem Zustande so lebhaft denken und vorstellen könnte, als sie mir im somnambülen Schlafe gezeigt wurde, so wäre es mir gar nicht mehr möglich, nur auf dieser Welt noch zu wohnen.«

Bei jeder Reise bewunderte sie die Größe Gottes immer mehr und mehr, so zwar, daß sie gar nicht aufhören konnte, und wenn alle ihre Schilderungen wörtlich ausgenommen werden wollten, damit mehrere Seiten angefüllt werden würden.

Ueber das neue Jerusalem sagte sie gleich in ihrer ersten Reise dahin:

»Wäre ich dazu bei meiner Einsegnung nicht besonders gestärkt worden, ich könnte diese Herrlichkeiten unmöglich ertragen. Johannes hat es zwar in seiner Offenbarung im Ganzen richtig beschrieben, aber es ist noch viel viel herrlicher. Die Stadt ist ihrer Größe wegen gar nicht zu übersehen, sie ist ganz viereckigt, die Länge, Breite und Höhe ist gleich. Ganz im Mittelpunkte der Stadt stehet die Wohnung des Allerhöchsten. Die Stadt hat viele und unsäglich große Gassen, welche nicht sehr breit sind, die Hauptstraßen aber haben eine ordentliche Breite. Es gehen immer Thore auf Thore, nämlich je drei auf drei, welche von Engeln bewacht werden; dieses seyen große Ehrenstellen. Meine Führer sagen mir, daß auch Ablösungen Statt finden, die Wächter stehen aber nicht am Eingang der Thore, sondern oben, auf den Thoren, denn sie seyen nicht wegen Beschützung der Stadt, sondern einzig zur Verherrlichung derselben da, weil Unreines und Gemeines nicht eingehen könne.«

»In meinen 12 Reisen wird mir jedesmal nur ein Thor gezeigt, von welchem aus ich keine gar zu lange Strecke in die Stadt geführt werde. Die Thore sind von Edelsteinen, aber nicht zusammen gefügt, sondern jedes wie aus einem Gusse.«

Sie beschrieb die Thore folgendermaßen:

Das erste sey marmorweiß; das zweite wie himmelblau; das dritte wie feuerroth, es spiele aber etwas ins dunkelrothe; das vierte grün, wie frischgewachsenes Gras; das fünfte sey wie hellroth, und habe hie und da wie weiße Streifchen; das sechste sey noch heller roth; das siebente hochgelb; das achte wie dunkelgrün; das neunte habe wieder eine andere grüne Farbe, es komme ihr vor, als wenn das grüne in das gelbe übergehen wolle; das zehnte sey dem vorigen in der Farbe nicht viel ungleich, nur etwas gelblichter; das eilfte sey mehr gelb als roth, und das zwölfte violet, wie mit dunkelrothen Streifen vermischt. Sie äußerte sich unter anderm darüber so: »Was aber diese Thore für einen Glanz von sich geben, das kann ich unmöglich aussprechen, wenn sie mir nicht von der Entfernung aus entgegen strahlten, und wenn mir meine Führer nicht eine Erklärung von der Verschiedenheit der Farben der Edelsteine gegeben hätten, so wäre es mir gar nicht möglich gewesen, nur etwas Bestimmtes davon zu sagen. In einem Spiegel kann man sich sehen, aber der Glanz der Edelsteine ist so stark, daß man sich nicht darinnen sehen kann; es kommt mir gerade so vor, als wenn man sich in der Sonne spiegeln wollte.«

»Die Mauern um die Stadt sind glänzend weiß, die Gebäude vom gediegensten Golde, hierin kann man sich sehen, eben so sind auch die Straßen der Stadt. Die Gebäude sind alle ganz gleich, einzig das, in welchem die Gottheit selbst wohnt, macht eine große Ausnahme; wenn ich nur einen Blick darauf fallen lasse, so glaube ich nicht anders, als ich müsse niedersinken, es wäre mir nicht möglich, diesen Glanz unausgesetzt, auch nur eine halbe Minute lang anzusehen. Die Sonne selbst ist gegen diese mehr als überschwengliche Klarheit ein dunkler Körper, der Sterne will ich gar nicht gedenken. Die Fenster in den Gebäuden sind so weiß, daß deren Klarheit beinahe ganz unerträglich ist. Denke man sich nun auch noch die Höhe der Gebäude, so muß es einleuchten, daß das Ganze alle Begriffe weit übersteige.« »Die Thore stehen je auf einer Seite oder Flügel, deren drei eben nicht gar nahe beisammen, sie sind aber sehr schön abgetheilt, und doch kann von jedem Thore aus die Wohnung des Allerhöchsten gesehen werden. Ich werde von meinen Führern nicht ganz nahe dazu hingeleitet, ich sehe der Diener viele herum wandeln, mehrere davon sind mir von meinen Führern namentlich angegeben worden.«

»Ich fragte nun auch um die 144,000, um welche ich mich schon in der Sonne erkundiget habe, darauf sagten mir meine Führer, daß diese innerhalb des Gebäudes seyen und wirklich singen. – Vor Betrachtung der Größe, Schönheiten und Herrlichkeiten, ist mir alles Hören vergangen; erst als ich darauf aufmerksam gemacht wurde, hörte ich neben den Harfen auch einen starken Posaunenschall; es wäre mir nicht möglich, das schöne und herrliche dieser Musik lange zu ertragen. In meinen 4 lezten Reisen in die Sonne habe ich auch Harfen- und Posaunen-Musik gehört, welche mir beinahe unerträglich war, aber mit dieser hier ist sie in gar keinen Vergleich zu stellen.« »In allen Straßen der Stadt sehe ich unzählig viele Engel, unter welchen sich eine große Anzahl befinden sollen, die von unserer Erde hinüber kamen, aber derjenigen, die sogleich von unserer Erde aus hinüber gekommen sind, sollen es nur gar zu wenige sein. Unter mehreren, die mir meine Führer nannten, kenne ich einzig den Johann Arndt, welcher mich für diese Reisen eingesegnet hat. Andere, die ich früher als Diener Gottes angab, und die auch gleich hohe Seligkeiten erhielten, haben noch eines Wachsthumes bedurft, sie sind aber jezt nicht weniger selig als Arndt

»Jedes Thor in das neue Jerusalem hat seinen eigenen Namen, sie sind an denselben in hebräischer Sprache angeschrieben; da ich zweimal wie entzückt und jedesmal über die Schönheiten derselben sehr erstaunt war, so bin ich deshalb zu keinen Fragen gekommen. – Wenn ich soviel Zungen hätte, als Sandkörner in allen Meeren der Welt sind, so wäre ich doch bei weitem nicht vermögend, die Größe und Herrlichkeiten Gottes, welche mir nur in diesem kurzen Zeitraume gezeigt worden sind, auszusprechen.«

»Die Seligkeiten und Herrlichkeiten in dem neuen Jerusalem übertreffen alle andern um ein Großes, und doch sind gewiß diese alle auch herrlich und göttlich schön. Um dasselbe herum sind nichts als Gärten, welche den Straßen nach abgetheilt sind. In einen Garten selbst aber werde ich nicht geführt, ich sehe übrigens in diesen Gärten größere und stärkere Bäume, als in den übrigen Himmelskörpern, die ich bereist habe. Von Blumen und Gewächsen weiß ich ebenfalls nichts anzugeben, aber den Wohlgeruch derselben empfinde ich; die ganze Luft ist damit angefüllt. Unsere schönsten Tageszeiten, sind gegen die Helle, in welcher Gott wohnt, wie eine finstere Nacht zum hellen Mittag. Kein Sterblicher wäre im Stande, diese Lichthelle nur eine Secunde zu ertragen, er würde plözlich in einen bewußtlosen Zustand versinken. – Wie groß die Sonne sey, in der Gott wohne, und was noch für andere Städte in derselben sind, kann ich nicht angeben; ich habe über die allzugroßen Herrlichkeiten gar viele Fragen unterlassen.«

»Wenn es aber meine Führer für nothwendig erachtet hätten, mir weiter zu offenbaren, so hätten sie es auch ohne mein Zuthun thun können, allein von meiner ersten Reise an war ihr Hauptzweck immer der: die Menschen zur Buße, Bekehrung und Sinnesänderung mittelst Anweisung des Thuns und Haltens der Gebote Gottes aufzufordern.«

Während jeder Reise in der Sonne, so wie im neuen Jerusalem, gab sie stets die kräftigsten Ermahnungen zur Buße und Bekehrung; sie schilderte mit Begeisterung die großen und hohen Seligkeiten, aber auch den Zustand der Unseligen und Verdammten mit allen seinen Schrecknissen.

Obgleich, so oft sie sich im sprechenden Zustande befand, 2 Personen protokollirten, so war es denn doch nicht jedesmal möglich, Alles ganz wörtlich aufzuzeichnen; wenn aber alle ihre Bußreden, – welche stets dem lautern Worte Gottes getreu waren – alle Angaben der Seligkeiten, vom Monde an, bis in das neue Jerusalem; die furchtbaren Schilderungen der Unseligen und Verdammten und ihres Zustandes; die vielen Heilmittel in so mancherlei Fällen; wenn dieses Alles hätte wörtlich aufgenommen werden wollen, so würde dieses Buch mehr als noch einmal so stark geworden seyn.

Nach der zwölften und lezten Reise in das neue Jerusalem hat ihr zweiter Führer, weil sie weiters keine Reisen in höhere Regionen zu machen bestimmt war, Abschied von ihr genommen; sie gab darüber folgendes an:

»Mein Freund Gölz sagte zu mir: ›Theure Freundin! Ob du dich gleich der vielen und höhern Offenbarungen, die dir gezeigt worden sind, in deinem wachenden Zustande nicht erinnern wirst, was die ewige Weisheit Gottes mehr als wohlweislich so anordnete, so sey doch dessen, was von den Deinigen aufgenommen und dir gesagt worden ist, stets eingedenk; grabe dir Alles ja recht tief, nicht nur in dein Herz, sondern auch in deine Seele ein; bei einem Rückfall und Nichthalten der Gebote Gottes würdest du mehr als eine schwere Verantwortung auf dich nehmen. Ich bitte dich bei Allem was göttlich und heilig ist, hier in den Ewigkeiten und auf deiner sündenvollen Welt, bleibe dem dreieinigen Gott ja recht getreu, daß dir Niemand deine Krone raube. Bestrebe dich nach allen deinen Leibes- und Seelenkräften, daß du dermaleinst in unsere Gesellschaft kommest. Es kostet zwar Verläugnung von Allem was nur sündlich und Gott mißfällig ist und heißt; aber Alles kann mit der Belohnung dafür im mindesten und allergeringsten in gar keine Vergleichung gebracht werden.‹ – Ach, wie bedenklich sagt er mir: ›Denke dir die Ewigkeit, die herrlichen Seligkeiten und das beständige Wachsthum.‹

Nach einem tiefen Seufzer fuhr sie fort:

»Ich bedaure nur allzusehr, daß ich die Worte nicht so kraftvoll ausdrücken kann, als er sie aussprach; seine lezten Worte waren:

›Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dich und sey dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir seinen Frieden! Amen.‹ – Welch eine Liebe, und unschuldsvoller An- und Rückblick, mit dem er mich verläßt! – Mein erster Führer sagt, er verabschiede sich noch nicht, er mache noch mehrere Besuche, aber keine Reisen mehr mit mir: er sagte blos: »Meine liebe Schwester! der Allmächtige sey mit dir! bald sehen wir uns wieder.«

* * *


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