Sagen aus dem Burgenland
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Der Neusiedler See (1)

Im Herzen des Burgenlandes liegt der Neusiedler See. An seinen schilfumwachsenen Ufern spielen die Wassergeister, wenn das Rohr sich im Winde wiegt, wenn die Sumpfvögel sich kreischend in die Lüfte schwingen und das Wasser sich leise kräuselt. Dann singt und klingt es um den See, und wie die Bauern erzählen, gibt es besonders um zwölf Uhr mittags dort oft viel Tumult und Lärm, man hört jauchzen und schreien, geigen und pfeifen, daß man meinen könnte, eine Bauernhochzeit werde auf dem Grund des Sees gefeiert. Das sind die Wassermänner und ihre Nixenfrauen, die sich vergnügen. Aber einmal wurde ihre Lustbarkeit gewaltsam gestört, worüber uns Christof Hanstein und Hans Kötner wahre Kunde geben.

Ein Mann aus Andau, der zum Neusiedler See gegangen war, um an seinen Ufern Schilf zu schneiden, hörte schon längere Zeit die laute Fröhlichkeit, die aus der Tiefe des Sees emporstieg. Da kam plötzlich auf einem großen Rappen ein schöner Reiter dahergesprengt. Eine lange Gerte hielt er in der Hand. Er grüßte den Mann und fragte ihn, ob dieses seichte Wasser hier der berühmte Neusiedler See sei.

»Das ist er wohl, und gar so verächtlich müßt Ihr von ihm nicht reden. In seiner Tiefe gibt es Nixen und Wassermänner genug, hört Ihr nicht, wie lustig sie eben sind?«

»Dann bin ich hier recht am Ort«, brummte der Reiter, sprang von seinem Pferd, trat ans Wasser heran, hob seine Gerte, ließ sie jedoch wieder sinken und wandte sich dem Mann aus Andau zu.

»Ich bin ein Wassermann. Man hat mir mein Weib entführt. In allen Gewässern der Welt habe ich sie schon gesucht und nicht gefunden. Vielleicht ist sie hier. Halte mir mein Pferd fest, damit es mir nicht nachspringe.« Einen Augenblick überlegte er noch, dann trat er so dicht an den See heran, daß seine Füße schon im Wasser standen, hob die Gerte hoch und schlug damit aufs Wasser. Im selben Augenblick erklang von ferne das Mittagsgeläute der Kirchenglocken herüber. Das Wasser teilte sich, und wie auf einer breiten Straße schritt der Wassermann in den See hinein und war bald darauf verschwunden.

Aus der Tiefe tönte noch immer das Jauchzen und Singen, aber mit einem Mal brach es jäh ab, und gleich darauf erhob sie ein jämmerliches Geschrei und Wehklagen. Dem Mann am Ufer des Sees wurde bang zumute, und er konnte kaum mehr das Roß halten, das ungestüm dem Wasser zustrebte.

Plötzlich färbte sich der See an einer Stelle dunkelrot. Es war, als wäre eine Blutquelle in der Tiefe entsprungen. Kurze Zeit darauf öffnete sich die Wasserstraße wieder, der Wassermann schritt dem Ufer zu, aber er war nicht mehr allein, seine Nixenfrau ging an seiner Seite.

»Die Rache ist gelungen, der Räuber ist tot«, rief er frohlockend. Er setzte sich auf sein Pferd, hob die Nixe vor sich in den Sattel und warf dem Mann aus Andau einen kleinen Beutel zu, in dem nur ein einziger Kreuzer war.

»Das dir zum Lohn, Bauer. Sooft du in diesen Beutel greifst, wirst du ihm einen Kreuzer entnehmen können.«

Der Mann ist reich geworden, denn er tat nichts anderes mehr als in den Beutel greifen und einen Kreuzer nach dem anderen herauszuholen.

Ein Zigeuner stahl ihm diesen Beutel, hatte aber nichts davon, denn für die Diebeshand war kein Kreuzer im Beutel vorhanden.

 


 


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