Sagen aus Niedersachsen
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Der Brautstein

Auf der Kolborner Heide, unfern dem Städtchen Lüchow, ragt ein rotbesprengter Granit etwa vier Fuß über den Boden hervor. Davon erzählt die Sage:

Ein Ritter und eine adlige Jungfrau liebten sich herzlich. Eines Abends saßen sie traurig auf einem Felsenstein im Birkenwald auf der Heide: denn sie sollten nun Abschied nehmen, weil der Ritter in den Krieg zog. Er fragte die Braut, ob sie ihm auch treu verbleibe, und er sie, wenn er heimkehren sollte, nicht in den Armen eines fremden Buhlen finde. Das schmerzte die Braut, sie vermaß sich teuer und Schwur, ehe solle der Fels sich von seiner Stelle rücken und sie verfolgen und lebendig in der Gruft bedecken, ehe sie dem Geliebten die Treue brechen werde.

Sie hat ihm aber dennoch die Treue gebrochen, und wie sie gesagt ist geschehen. Denn als sie mit dem Buhlen auf dem Stein gesessen, hat der Stein sich plötzlich geregt, hat sich riesengroß aus der Erde gehoben, und die Falsche, die vergeblich vor ihm geflohen, hinabgedrängt in die aufgerissene Erde. Ihr Blut hatte den Fels und die kleinen weißen Blumen der Heide gerötet.

Wie der Ritter nun heimkam und sah, daß der Fels aufrecht stand und daß blutrote Adern über seine graue Fläche liefen, und daß auch die Heide mit roten Blümlein bedeckt war, da ahnte ihm wohl, was geschehen sei. Er schlug heftig mit seinem Schwert an den Stein, und siehe: ein roter Blutstrahl sprang daraus und ein banger Klageton erscholl aus der Tiefe. Und so oft er den Stein mit seinem Schwerte schlug, so oft vergoß der Stein sein Blut und tönte der Wehlaut aus der Erde. Da erkannte der Ritter, daß er betrogen sei, nahm noch einen Strauß von der roten Heide zum Angedenken an seine traurige Liebe mit, und trieb dann sein Roß wieder hinaus in neue Kämpfe.

Der Stein wird der Brautstein genannt; Brauttreue heißt die rote Heide.

 


 


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