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Vor langer Zeit, als Wien noch ein kleines Städtchen war, stand an der Straße, die nach Wiener Neustadt führte, auf dem Wienerberg in der Nähe von Siebenhirten eine einsame Mühle. Rechtschaffene Müllersleute waren dort zu Hause und übten in aller Redlichkeit ihr Gewerbe aus. Aber wie es schon geht im menschlichen Leben, so trat auch hier eine Veränderung ein. Der Müller wurde alt und krank und sah sich schließlich genötigt, sein Anwesen zu verkaufen. So kam die Mühle in den Besitz des Ritters Kilian von Drachenfels. Dieser aber war ein wüster Raubgeselle, der die Mühle und die damit verbundene Schankhaft nur zum Schein betrieb, um desto ungestörter seinem räuberischen Handwerk nachgehen zu können. Mit einer Anzahl gleichgesinnter Halunken machte er die Gegend unsicher, und mancher einsame Wanderer, der ahnungslos in der Mühle Herberge suchte, mußte hier sein Leben lassen. Dabei ging der abgefeimte Schurke so heimlich und geschickt zu Werk, daß man dem Übeltäter nicht auf die Spur kam.
Die Gattin des Ritters war eine fromme, herzensgute Frau. Mit Grauen und Entsetzen sah sie, welche Schandtaten ihr Gemahl verübte. Oft bat sie ihn kniefällig, er möge sich von seinen Spießgesellen trennen, keine bösen Taten mehr verüben und ein anderes Leben anfangen. Wenn er seine Sünden bereue und Gott um Barmherzigkeit anrufe, werde es ihm noch möglich sein, der Hölle zu entrinnen, die ihm sonst sicher sei. Eines Tages geriet der finstere Geselle über die ständigen Vorwürfe seiner Gattin so sehr in Wut, daß er die Frau packte und in den tiefen Mühlbrunnen warf, wo sie den Tod fand.
Mit dieser scheußlichen Untat aber war das Maß seiner Sünden voll. Kaum hatte er sich mit teuflischem Grinsen vom Brunnen abgewandt, als sich ein gewaltiger Sturm erhob. Ein gräßliches Heulen toste in den Lüften heran, und der Teufel selbst mit allen höllischen Geistern erschien über der Mühle und holte den Ritter samt allen Schandbuben, um sie der gerechten Strafe in der Hölle zuzuführen.
Die Mühle verödete, kein Nachfolger fand sich, Disteln und Dornen wuchsen im Hof, und ein dumpfes Grauen lagerte über dem verlassenen Haus, so daß die Leute gruselnd ihre Schritte beschleunigten, wenn sie in die Nähe des unheimlichen Baues kamen, der fortan nur mehr die Teufelsmühle am Wienerberg hieß. Man wußte auch zu erzählen, daß der Teufel selbst in der Mühle hause und den Ritter mit seinen Kumpanen jede Nacht Schlag zwölf Uhr aus der Hölle heraufberufe. Da müßten sie dann, von den höllischen Geistern angetrieben, unter Ächzen und Stöhnen und lautem Gejammer schwere Getreidesäcke herbeischleppen und in den Mühlkasten schütten, die schweren Mühlräder aber setzten sich unter lautem Gepolter von selbst in Gang. Das werde solange geschehen, bis der Leichnam der unglücklichen Rittersfrau aus dem Brunnen geholt und in geweihter Erde bestattet sei. Wer ihre arme Seele erlöse, werde reichen Lohn dafür finden.
So vergingen viele Jahre. Da kam einmal in später Nachtstunde ein junger Ritter, Günter von Schwarzenau, mit seinem Knappen an der Mühle vorbei. Ein grimmiges Unwetter zwang sie, in dem verrufenen Bau Schutz zu suchen. Während draußen der Sturm tobte und unter Blitz und Donner schwere Regenschauer niedergingen, war es in der Mühle totenstill. Mit dem Schwert in der Hand saßen der Ritter und sein Knappe beim Tisch, um wachend den Morgen zu erwarten.
Langsam verstrich die Zeit, und der Ritter hatte Muße, über sein trübes Schicksal nachzudenken. Er fühlte sich todunglücklich. Zwar war er angesehen und wohlgelitten bei jedermann, sein kühner Mut hatte ihm viele Freunde erworben, und seine Feinde fürchteten ihn. Aber er besaß nur eine kleine Ritterburg und nannte nur wenig Land und Leute sein eigen. Aus diesem Grund versagte ihm sein reicher, mächtiger Nachbar, Kuno von Löwenstein, die Hand seiner Tochter, die der junge Ritter herzlich liebte. Auch das holde Mädchen hatte sein Herz dem tapferen Schwarzenauer zugewandt, aber Ritter Kuno wollte seine Tochter nur dem reichsten und mächtigsten Freier zur Frau geben, niemals dem armen Günter von Schwarzenau; es kümmerte ihn wenig, daß die beiden jungen Leute ob seiner Hartnäckigkeit vor Schmerz fast vergingen.
So sann der Ritter traurig über sein großes Leid nach; da schlug die alte Wanduhr schnarrend die zwölfte Stunde. Kaum war der letzte Schlag verhallt, begannen sich die Räder der Mühle mit gewaltigem Gepolter zu drehen. Und schon raste der dem Teufel verfallene Ritter Kilian bei der Tür herein, einen schweren Getreidesack auf der Schulter schleppend. Hinter ihm kamen eilfertig alle seine Knechte, jeder mit einem großen Sack beladen. Klagend und jammernd schritten sie an dem erschrockenen Günter vorüber. Aber augenblicklich faßte sich der Ritter wieder, erhob sein Schwert und rief. »Bei Gott und allen Heiligen beschwöre ich euch, sagt mir, wie ich euch erlösen kann! So wahr mir Gott helfe, ich werde es tun.«
Da wurde es mit einemmal grabesstill, und eine Frauenstimme rief laut:
»Ritter von Schwarzenau, deine Gottesfurcht und Güte befähigen dich, mich zu erlösen. Mein ruchloser Gatte stürzte mich einst in den Brunnen dieses Hauses; meine Seele kann ihre Ruhe nicht finden, solange der Leib nicht in geweihter Erde ruht. Wenn du mich von dieser Qual erlösest, wird Gott auch meinem Mann gnädig sein, und seine Seele wird zur ewigen Ruhe eingehen. Mache dich furchtlos ans Werk; es wird dir gelingen!«
In diesem Augenblick schlug die Uhr die erste Stunde, und der Spuk war verschwunden, nichts rührte sich mehr. Wie aus einem Traum erwachend, blickte der Ritter um sich und sprach dann zu dem schreckensblassen Knappen: »Du hast gehört, zu welchem Werk ich soeben berufen wurde. Meine Ritterpflicht befiehlt mir, alles zu tun, was zum Segen der armen Menschen dient Darum auf zur Tat!«
Gleich beim Morgengrauen machten sich beide daran, den Brunnen zu suchen. Sie fanden ihn bald, auch Leitern waren rasch zur Stelle. Mit festem Mut stieg der Ritter in den dunklen Schacht, wortlos folgte der treue Knappe seinem Herrn. Ihren vereinten Bemühungen gelang es in kurzer Zeit, den Leichnam der Rittersfrau aus dem Brunnen zu schaffen. Man brachte die Tote auf den Friedhof und ließ sie in geweihter Erde bestatten. Als der Ritter nach dem Begräbnis den Gottesacker verlassen wollte, hörte er eine Stimme, die ihm zuriet »Hab Dank dafür, du edler Rittersmann, daß du meine arme Seele erlöst hast! Auch mein Gemahl wird von nun an Ruhe finden. Kehre nun in deine väterliche Burg zurück! Dort wirst du auf dem Tisch im Saal einen reichen Schatz finden, auf dem kein Unrecht lastet Der Vater deiner Braut wird seinen Widerstand aufgeben, und du magst binnen kurzem dein Mädchen als Ehefrau heimführen.«
Wirklich traf alles ein, was die Stimme dem Ritter verheißen hatte. Der Teufelsspuk in der Mühle aber kehrte von dieser Stund an nicht wieder, und heiter und sorglos konnten die Menschen nunmehr an der einst so verrufenen Stätte vorüberwandern.