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Der Weltstoff ist fügsam und leicht verwandlungsfähig, und die alles beherrschende Vernunft hat in sich keine Veranlassung, Böses zu tun; denn sie ist ohne Bösartigkeit, tut also auch nichts Böses, und nichts wird von ihr beschädigt; alles aber gestaltet und vollendet sich ihr gemäß.
Bei Erfüllung deiner Pflicht soll dir nichts darauf ankommen, ob du vor Kälte starrst oder vor Hitze glühst, ob du schläfrig bist oder genug geschlafen hast, ob man dich tadelt oder lobt, ob du darüber dem Tode nahe kommst oder etwas anderes der Art zu leiden hast. Auch das Sterben ist ja eine von den Aufgaben unseres Lebens. Genug also, wenn du auch sie glücklich lösest, sobald sie dir vorgelegt wird.
Schau jedem Ding auf den Grund. Seine eigentümliche Beschaffenheit so wenig wie sein Wert entgehe deinem Blicke!
Alle Gegenstände der Sinnenwelt verwandeln sich sehr schnell und lösen sich entweder in Rauch auf, wenn die Körperwelt ein Ganzes bleibt, oder werden sonst zerstreut.
Die alles beherrschende Vernunft weiß wohl, in welcher Stellung sie sich befindet, und wie und auf welchen Stoff sie wirkt.
Die beste Art, sich an jemand zu rächen, ist die, nicht Böses mit Bösem zu vergelten.
Darin suche deine ganze Freude und Befriedigung, immer Gottes eingedenk von einer gemeinnützigen Tat zu einer andern fortzuschreiten.
Die im Menschen herrschende Vernunft ist es, die sich selbst weckt und lenkt und zu dem macht, was sie ist und sein will, und jedem Vorfall das Aussehen verleiht, das es in seinen Augen haben soll.
Der Natur des Ganzen gemäß geschieht alles und jedes, nicht aber nach irgendeiner andern Natur, die etwa die Dinge von außen umgibt oder in ihrem Innern eingeschlossen oder völlig von ihnen getrennt ist. 10.
Die Welt ist entweder ein zufälliges Gemisch von Dingen, die sich bald miteinander verflechten, bald voneinander lösen, oder ein Ganzes, worin Einheit und Ordnung und Vorsehung walten.Marc Aurel selbst stand auf Seite derjenigen, die glaubten, daß die Welt durch Gottes Vorsehung regiert werde. Ist sie nun das erstere, warum sollte es mich verlangen, in einem ordnungslosen Gewirr, in solch einem Gemengsel zu verweilen? Was könnte mir dann erwünschter sein als einst wieder Erde zu werden? Warum mich auch beunruhigen? Denn was ich auch tun mag, die Auflösung wird über mich kommen. Im andern Falle verehre ich den Allbeherrscher, bin ruhigen Gemütes und vertraue ganz auf ihn.
Solltest du je einmal durch die Gewalt der Umstände in eine Art von Gemütsunruhe versetzt werden, so kehre bald zu dir selbst zurück. Laß dich nicht über Gebühr aus dem Takte bringen. Denn wofern du stets wieder zu einer harmonischen Stimmung der Seele zurückkehrst, wirst du ihrer immer mächtiger werden.
Wenn du zugleich eine Stiefmutter und eine leibliche Mutter hättest, so würdest du zwar jene ehren, aber doch bei deiner rechten Mutter beständig deine Zuflucht suchen. Ebenso steht es bei dir mit dem Hofe und mit der Philosophie. Weile immer wieder bei der letzteren und erhole dich bei ihr. Um ihretwillen wird dir auch das dortige Leben erträglich und du selbst an deinem Hofe erträglich werden.
Gleichwie man bei Fleischgerichten und anderen Eßwaren der Art denken soll: das ist also der Leichnam eines Fisches, das der Leichnam eines Vogels oder eines Schweines und hinwiederum beim Falernerwein: er ist nichts als der ausgedrückte Saft einer Traube; oder beim Purpur: er ist nur Schafswolle, in das Blut einer Schnecke getaucht; und beim geschlechtlichen Umgang: er ist die Reibung eines Eingeweides und Ausscheidung von Schleim mit Zuckungen verbunden; solche Vorstellungen sind nämlich den Gegenständen wirklich ganz entsprechend und durchdringen ihr Wesen, so daß man sieht, was eigentlich an ihnen sei: ebenso nun muß man's im ganzen Leben machen, und wo einem Dinge in noch so beifallswürdiger Gestalt vorgespiegelt werden, sie entlarven, ihren Unwert sich anschaulich machen und ihnen die schimmernde Einkleidung, womit sie sich brüsten, nehmen. Denn der Schein ist ein furchtbarer Betrüger, und gerade wenn man glaubt, sich mit den allerbedeutendsten Dingen zu beschäftigen, bezaubert er am meisten. Denke daran, was Krates selbst von einem XenokratesXenokrates, Schüler des Plato und später sein Nachfolger in der Akademie. Er setzte die Glückseligkeit in den Besitz der Tugend. Obwohl er wegen seiner Rechtlichkeit in hohem Ansehen stand, wurde er doch vom Zyniker Krates angefeindet, der ihn des Hochmuts und der Verstellung beschuldigte. sagte.
Das meiste von dem, was die Menge bewundert, gehört zu den allergewöhnlichsten Dingen der Welt: Gegenstände von festem und natürlichem Zusammenhalt; dahin gehören Steine und Holzarten, wie Feigenbäume, Weinstöcke, Ölbäume. Andere, schon von etwas höherem Sinne, lieben beseelte Gegenstände, wie Herden von Klein- und Großvieh. Leute von noch höherer Bildung schätzen Wesen, die eine gebildete Seele haben, nicht sowohl, eine weltbürgerliche, als vielmehr eine zu Künsten aufgelegte oder sonstwie gewandte Seele. Leute dieser Art legen oft einen hohen Wert auf den Besitz einer Menge von Sklaven. Wer aber eine vernünftige, welt- und staatsbürgerliche Seele hochachtet, der hat kein anderes Interesse mehr; dagegen sucht er seine eigene Seele in vernünftiger und gemeinnütziger Verfassung und Tätigkeit zu erhalten und hierzu auch den Mitgenossen seines Geschlechts behilflich zu sein.
Jenes eilt ins Dasein, dieses aus dem Dasein, und von dem, was im Werden begriffen ist, ist manches bereits wieder verschwunden. Eine unaufhörliche Flut von Veränderungen erneuert stets die Welt, so wie der ununterbrochene Lauf der Zeit uns immer wieder eine neue, unbegrenzte Dauer in Aussicht stellt. Wer möchte nun in diesem Strome, wo man keinen festen Fuß fassen kann, irgendeines von den vorübereilenden Dingen besonders wertschätzen? Das wäre gerade so, als wenn sich jemand in einen vorüberfliegenden Sperling verlieben wollte, der ihm in einem Augenblicke wieder aus den Augen entschwunden ist. Ist doch selbst jegliches Menschenleben von ähnlicher Art, nichts anderes, als das Aufdampfen von Blut und das Einatmen der Luft. Denn ganz dasselbe ist es, die Luft einmal einzuziehen und sie dann wieder von sich zu geben, was wir alle Augenblicke tun, oder dein ganzes Atmungsvermögen, das du gestern oder vor kurzem mit deiner Geburt bekamst, wieder dahin zurückzugeben, von wo du es anfänglich an dich gezogen hast.
Nicht das ist der Beachtung wert, daß wir ausatmen, denn das haben wir mit den Pflanzen gemein, oder Atem holen, denn das tun auch die Tiere, ebensowenig, daß wir durch unser Vorstellungsvermögen Eindrücke von der Außenwelt bekommen oder durch unsere Triebe in Bewegung gesetzt werden, uns zusammengesellen und Nahrung in uns aufnehmen; denn dies ist von gleichem Belang wie das Wiederausscheiden der verdauten Nahrungsmittel. Was ist denn nun der Beachtung wert? Etwa, daß man uns mit den Händen Beifall klatscht? Keineswegs. Mithin auch nicht die Beifallsbezeigungen mit der Zunge. Denn die Lobeserhebungen von seiten des großen Haufens sind doch nichts anderes als ein Zungengeklatsch. Laß also dein bißchen Ruhm fahren. Was bleibt aber wirklich Achtungswürdiges übrig? Mich dünkt dieses: deiner eigentümlichen Naturanlage gemäß dich zu rühren und an dich zu halten. Und darauf leiten auch die Gewerbe und die Künste hin. Denn jede Kunst hat das Ziel im Auge, ihr Erzeugnis dem Zwecke anzupassen, zu dessen Behuf es hervorgebracht worden ist. Dies beabsichtigt der Gärtner, indem er den Weinstock pflegt, dies der Rossebändiger und der Hundewärter. Erziehung aber und Unterricht der Jugend, worauf zielen diese hin? Hier liegt also das Achtungswürdige. Bist du von dieser Wahrheit überzeugt, so wirst du dir um andere Dinge keine Sorge machen, und warum willst du nicht aufhören, so viele andere Dinge hochzuachten? Dadurch kannst du eben kein freier, selbstgenügsamer, leidenschaftsloser Mensch sein. Denn so mußt du gegen diejenigen neidisch, eifersüchtig, argwöhnisch werden, die dir jene Dinge entziehen können, und denen nachstellen, die das von dir Hochgeachtete besitzen. Überhaupt muß der, dem etwas davon fehlt, in Verwirrung geraten und zudem die Götter tadeln. Dagegen wird die Ehrerbietung und Hochachtung gegen deine eigene denkende Seele dich mit dir selbst zufrieden, deinen Nebenmenschen wohlgefällig und mit den Göttern einträchtig machen, das heißt, du wirst alles, was ihnen gefällt, dir zuzuschicken, mit Dank annehmen.
Aufwärts, niederwärts, im Kreislauf bewegen sich die Grundstoffe.Des Menschen Seele gleicht dem Wasser: vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es, und wieder nieder zur Erde muß es, ewig wechselnd. (Goethe.) Die Bewegung der Tugend aber geht nach keiner von diesen Richtungen; sie ist vielmehr etwas Göttlicheres und schreitet auf guter, wenn auch schwer zu begreifender Bahn vorwärts zum Ziele.
Wie lächerlich doch die Menschen verfahren! Ihren Zeitgenossen, mit denen sie zusammenleben, verweigern sie das Lob, sie selbst aber schlagen das Lob von seiten der Nachkommen hoch an. Diese sollen alsdann rühmen, was sie weder kennen noch gesehen haben. Das ist aber fast ebenso, als wenn jemand sich darüber betrüben wollte, daß auch die Vorfahren auf ihn keine Lobreden gehalten haben.
Denke nicht, wenn etwas dir schwer ankommt, daß es nicht menschenmöglich sei. Vielmehr, wenn etwas für einen Menschen möglich und seiner Natur angemessen ist, so glaube, es sei auch für dich erreichbar.
Beim Turnen ritzt uns wohl einmal jemand mit dem Nagel, bringt uns auch wohl durch einen Stoß am Kopf eine Beule bei; aber wir äußern deshalb kein Mißfallen, werden auch nicht ärgerlich noch für die Zukunft argwöhnisch gegen ihn, als trachte er uns nach dem Leben. Doch nehmen wir uns vor ihm in acht, aber nicht als vor einem Feinde oder einem verdächtigen Menschen, sondern wir gehen ihm nur gelassen aus dem Wege. Ebenso benimm dich denn auch in den übrigen Verhältnissen meines Lebens und laß uns über vieles bei denen hinwegsehen, die sozusagen mit uns turnen; denn, wie gesagt, es steht dir frei, ohne Argwohn und Groll gewisse Leute zu meiden.
Kann mir jemand überzeugend dartun, daß ich nicht richtig urteile oder verfahre, so will ich's mit Freuden anders machen. Suche ich ja nur die Wahrheit, sie, von der niemand je Schaden erlitten hat. Wohl aber erleidet derjenige Schaden, der auf seinem Irrtum und auf seiner Unwissenheit beharrt.
Ich tue meine Pflicht, alles übrige kümmert mich nicht; denn dies ist entweder unbeseelt oder vernunftlos oder verirrt und des Wegs nicht kundig.
Die vernunftlosen Tiere und überhaupt alle Sinnenwesen, die keine Vernunft haben, behandle als vernünftiger Mensch hochherzig und edel, die Menschen aber, weil sie Vernunft haben, behandle mit geselliger Liebe; bei allem aber rufe die Götter an. übrigens kümmere dich nicht darum, wie lange du noch dies tun wirst: denn selbst drei solcher Stunden sind hinreichend.
Alexander von Mazedonien und sein Maultiertreiber haben nach ihrem Tode dasselbe Schicksal erfahren. Denn entweder wurden sie in dieselben Lebenskeime der Welt aufgenommen oder der eine wie der andere unter die Atome zerstreut.
Bedenke, wieviel bei einem jeden von uns in einem und demselben Augenblicke vorgeht, Leibliches zugleich und Geistiges. Dann wirst du dich nicht wundern, daß noch viel mehr, ja daß alles, was da ist, in der einen Gesamtheit, die wir die Welt nennen, zugleich sein Dasein hat.
Wenn dir jemand die Frage vorlegte, wie der Name Antoninus geschrieben wird, würdest du nicht jeden einzelnen Buchstaben mit gehobener Stimme hervorstoßen? Wie nun, wenn man dich darüber zornig anführe, würdest du etwa wieder zürnen? Ober würdest du nicht vielmehr die einzelnen Buchstaben sofort gelassen einen nach dem andern nennen? So bedenke denn nun auch, daß sich jede Pflicht aus einzelnen Gemessenheiten zusammensetzt. Diese mußt du folglich auch einhalten und fern von Beunruhigung und Erbitterung wider Erbitterte das, was dir obliegt, auf dem rechten Wege vollbringen.
Wie grausam ist es doch, den Menschen nicht zu gestatten, nach dem zu streben, was ihnen angemessen und zuträglich erscheint! Und doch gestattest du ihnen gewissermaßen nicht, dies zu tun, wenn du über ihre Vergehungen ungehalten bist. Denn sie lassen sich ja überall durch den Schein des für sie Angemessenen und Zuträglichen dazu fortreißen. Du sprichst: Sie betrügen sich. So belehre sie und zeige es ihnen, ohne über sie ungehalten zu sein.
Der Tod ist das Ende von den Widersprüchen der sinnlichen Wahrnehmungen, von den Aufregungen der Triebe, von den fortwährenden Arbeiten der Denkkraft und von der Dienstbarkeit gegen das Fleisch.
Schändlich ist es, wenn deine Seele schon ermüdet, ohne daß der Leib schon müde ist.
Hüte dich, daß du nicht ein tyrannischer Kaiser wirst! Nimm einen solchen Anstrich nicht an, denn es geschieht so leicht. Erhalte dich also einfach, gut, lauter, ernsthaft, prunklos, gerechtigkeitsliebend, gottesfürchtig, wohlwollend, liebreich und standhaft in Erfüllung deiner Pflichten. Ringe danach, daß du der Mann bleibest, zu dem dich die Philosophie bilden wollte. Ehre die Götter, fördere das Heil der Menschen! Kurz ist das Leben, und es gibt nur eine Frucht des irdischen Daseins: eine unsträfliche Gesinnung und gemeinnützige Werke. Sei in allem ein Schüler Antonins, so beharrlich wie er im Gehorsam gegen die Gebote der Vernunft, so gleichmütig in allen Stücken, so unsträflich und so heiter in deiner Miene, so freundlich und frei von eitler Ruhmbegierde, so eifrig bemüht um die Erkenntnis der Dinge! Wie ließ er doch nirgends etwas an sich vorübergehen, ohne es zuvor recht genau betrachtet und reiflich erwogen zu haben! Und wie geduldig ertrug er seine ungerechten Tadler, ohne sie wieder zu tadeln! Wie übereilte er nichts, wie gab er keiner Verleumdung Gehör, und wie sorgfältig beobachtete er seine Sinnesart und seine Handlungen! Wie fern war er von Schmähsucht, Ängstlichkeit, argwöhnischem und klügelndem Wesen! Mit wie wenigem war er zufrieden, zum Beispiel in Wohnung, Nachtlager, Kleidung, Nahrung, Dienerschaft. Wie arbeitsam und langmütig war er! So war er auch bei seiner einfachen Lebensweise imstande, es bis zum Abend auszuhalten, ohne das Bedürfnis der Entleerung anders als um die gewöhnliche Stunde zu verspüren. In seinen freundschaftlichen Verbindungen treu und sich immer gleich bleibend, duldsam gegen diejenigen, die seinen Ansichten freimütig entgegentraten, und sogar erfreut, wenn jemand ihn eines Besseren belehrte, gottesfürchtig ohne Aberglauben – so war er. Möchtest doch auch du, wie er, der letzten Stunde mit so gutem Gewissen entgegensehen!
Wache auf und komm wieder zu dir selbst! Und wie du beim Wiedererwachen erkannt hast, daß es nur Träume waren, die dich beunruhigten, so sieh auch im wachenden Zustande die Unannehmlichkeiten als Träume an.
Ich bestehe aus Leib und Seele. Für den Körper ist alles gleichgültig; denn er ist unfähig, Unterschiede wahrzunehmen. Für meine Seele ist auch alles gleichgültig, was nicht eine Wirkung von ihr ist. Ihre eigenen Wirkungen aber hängen lediglich von ihr selbst ab. Dies ist jedoch bloß von denen zu verstehen, die sich auf den gegenwärtigen Augenblick beziehen; denn ihre künftigen und vergangenen Wirkungen sind für sie gleichfalls bereits gleichgültig.
Keine Verrichtung der Hand oder des Fußes ist widernatürlich, solange der Fuß die Funktion des Fußes und die Hand die der Hand verrichtet. So ist mithin für den Menschen als solchen keine Bemühung widernatürlich, solange er die Funktion des Menschen verrichtet. Widerstreitet sie aber seiner Natur nicht, so ist sie für ihn auch kein Übel.
Wie viele Sinnesfreuden haben nicht Räuber, Unzüchtige, Vatermörder, Tyrannen genossen?Sinnesfreuden und Reichtum sind also kein wahres Gut, weil sie auch Böse genießen können.
Siehst du nicht, wie die Künstler sich bis auf einen gewissen Grad nach dem Geschmack der Ungebildeten richten, jedoch nichtsdestoweniger an den Vorschriften ihrer Kunst festhalten und von diesen sich nicht abbringen lassen? Ist es nicht schmachvoll, daß der Baukünstler und der Arzt vor den Gesetzen seiner Kunst mehr Achtung hat als der Mensch vor den Gesetzen seiner Vernunft, die er doch mit den Göttern gemein hat?
Asien, Europa – Winkel der Welt; der ganze Ozean – ein Tropfen des Alls! Der Athos – ein winziger Erdhaufen des Weltganzen; die ganze Gegenwart – ein Augenblick der Ewigkeit! Alles klein, veränderlich, verschwindend! Alles hat einerlei Ursprung, von demselben gemeinsamen Allbeherrscher unmittelbar oder infolge seiner Wirksamkeit herrührend. Also sind auch der Rachen des Löwen, das Gift, alles Schädliche, wie Dornen und Sümpfe, ein Zubehör der prachtvollen und schönen Welt. Fort also mit dem Wahne, als stünden sie mit dem Wesen, das du verehrst, in keiner Verbindung, beachte vielmehr die wahre Quelle aller Dinge.
Wer das jetzt Vorhandene gesehen hat, der hat alles überschaut, was von jeher war und was in alle Ewigkeit sein wird. Denn alles ist von derselben Natur und Form.
Bedenke oft die Verkettung aller Dinge in der Welt und ihr Verhältnis zueinander. Gewissermaßen sind sie ja alle miteinander verflochten und insofern alle untereinander verwandt. Denn das eine folgt aus dem andern, und zwar kraft des örtlichen Zusammenwirkens, der Übereinstimmung, und der Einheit der Körperwelt.
Füge dich in die Umstände, in die du durch dein Los versetzt bist, und den Menschen, mit denen das Schicksal dich zusammengeführt hat, erweise Liebe, aber aufrichtig.
Jede Maschine, jedes Werkzeug, kurz jedes Gerät ist in gutem Zustande, wenn es leistet, wozu es gebildet worden ist, und doch ist hier der Bildner vielleicht ferne. Bei den Gegenständen aber, die die Natur umfaßt, ist und verbleibt die bildende Kraft im Innern. Sie sollst du demnach um so mehr verehren und dabei bedenken, daß, wenn du nur nach ihrem Willen beständig lebst, auch alles nach deinem Sinne sich richten wird. Denn so richtet sich auch im Universum alles nach der Seele der Welt.
Wenn du irgendeines von den Dingen, die nicht in deiner Willkür stehen, als ein Gut oder als ein Übel ansiehst, so mußt du notwendig, wenn ein solches Übel dich trifft oder ein solches Gut ausbleibt, über die Götter murren und die Menschen hassen, die schuld daran sind oder nach deinem Argwohn am Ausbleiben oder Eintreffen in Zukunft schuld sein sollen; und so begehen wir manche Ungerechtigkeit, weil uns diese Dinge nicht gleichgültig sind. Wenn wir hingegen bloß die von uns abhängigen Dinge für Güter oder Übel erklären, so bleibt kein Grund übrig, die Gottheit anzuklagen oder gegen irgendeinen Menschen eine feindliche Gesinnung zu hegen.
Wir alle wirken zusammen auf ein Ziel hin, die einen mit Bewußtsein und Einsicht, die anderen unbewußterweise. Ja sogar die Schlafenden sind, wie, glaube ich, Heraklit sagt, Arbeiter und Mitarbeiter an dem, was in der Welt geschieht. Jeder aber arbeitet auf andere Art mit, selbst der Tadler wirkt viel, der dem, was geschieht, entgegenzutreten und es, wenn möglich, zu beseitigen sucht. Denn auch eines solchen Menschen bedurfte die Welt. Siehe du nun übrigens zu, welchen du dich anschließen willst. Zwar wird der Beherrscher des Alls dich auf jeden Fall zweckentsprechend zu verwenden wissen und dich als ein Glied unter die Zahl der Mitarbeiter und Gehilfen aufnehmen. Du aber hüte dich, daß du kein solches Glied darunter werdest, wie jener bedeutungslose und lächerliche Vers in der Komödie, von dem Chrysipp gesprochen hat.Chrysipp meinte, die Laster in der Welt seien mit den lächerlichen Stellen in einer Komödie zu vergleichen, die an und für sich keinen Wert haben, aber doch zum Ganzen gehören.
Verlangt etwa die Sonne die Dienste des Regens, Äskulap die Dienste der Fruchtspenderin zu leisten? Und – wirken die Gestirne nicht allesamt, trotz ihrer Verschiedenheit auf ein Ziel hin?So soll jeder Mensch zum gemeinschaftlichen Nutzen arbeiten.
Wenn die Götter über mich und über das, was mir begegnen soll, etwas beschlossen haben, so bin ich versichert, sie haben mein Bestes beschlossen, denn ein Gott ohne Weisheit ist nicht leicht denkbar; und dann, aus welchem Grunde sollten sie mir wehtun wollen? Denn was könnte für sie oder das Ganze, wofür sie, doch vorzüglich Sorge tragen, dabei herauskommen? Haben sie aber nicht über mich insbesondere, so haben sie doch wenigstens über das Ganze im allgemeinen etwas beschlossen, und ich muß daher auch mein daraus sich ergebendes Schicksal willkommen heißen und liebgewinnen. Fassen sie aber etwa über gar nichts Beschlüsse – was zu glauben freilich gottlos wäre – wozu dann unsere Opfer, unsere Gebete, unsere Eidschwüre, wozu die übrigen Handlungen, die wir im Glauben an die Gegenwart und Lebensgemeinschaft der Götter mit uns verrichten? Wenn also selbst, sage ich, die Götter in das, was uns betrifft, nicht eingreifen, nun so steht's bei mir, über mich selbst etwas zu beschließen, und ich kann das mir Zuträgliche in Erwägung ziehen; zuträglich aber ist jedem Wesen, was seiner Anlage und Natur entspricht. Meine Natur aber ist eine vernünftige und für das Gemeinwesen bestimmte; meine Stadt und mein Vaterland aber ist, insofern ich Antonin heiße, Rom, insofern ich ein Mensch bin, die Welt. Nur das also, was diesen Staaten frommt, ist für mich ein Gut.
Was überall einem jeden widerfährt, das ist dem Ganzen zuträglich. Schon dies wäre hinreichend; doch du wirst bei genauer Beobachtung überall auch das noch finden: was dem einzelnen Menschen zuträglich, ist auch anderen nützlich. Hier ist nämlich der Ausdruck »zuträglich« im allgemeineren Sinne auch von den Mitteldingen zu verstehen.
Wie die Vorstellungen auf dem Amphitheater und an ähnlichen Plätzen als ein ewiges Einerlei für den Zuschauer dir widerstehen und das Gleichförmige derselben ihren Anblick dir überdrüssig macht, so erfährst du das gleiche im ganzen Leben. Denn über und unter dir hat alles dieselbe Natur und denselben Ursprung. Aber bis wie lange noch?
Erwäge beständig, wie viele Menschen aus allen Ständen, aus allerlei Berufsarten und aus allen Völkern bereits gestorben sind, und steige in dieser Reihe bis zu einem Philistion, einem Phöbus und OriganionNur zu Marc Aurels Zeiten bekannt. hinunter. Dann gehe zu den anderen Klassen über. Auch wir müssen ja unsere Wohnung dorthin verlegen, wo so viele gewaltige Redner, so viele ehrwürdige Philosophen wie Heraklit, Pythagoras und Sokrates, ferner so viele Helden der Vorzeit, so viele Heerführer und Gewaltherrscher späterer Tage, und außer diesen Eudoxus,Aus Knidos, bedeutender Astronom, Schüler und Freund Platos. Seine letzten Jahre verlebte er auf dem Gipfel eines hohen Berges, um den gestirnten Himmel immer vor Augen zu haben. Hipparch,121 v. Chr. Begründer der wissenschaftlichen Astronomie und mathematischen Geographie. Archimedes und andere scharfsinnige, hochherzige, arbeitslustige, allgewandte, selbstgefällige Geister, ja selbst jene, spöttischen Verächter des hinfälligen, kurzdauernden Menschenlebens, wie ein Menippus und so viele andere seiner Art verweilen. Von diesen allen stelle dir vor, daß sie schon längst im Grabe liegen. Was liegt nun für sie Furchtbares darin? Was denn für die, deren Namen überhaupt nicht mehr genannt werden? Da ist eins nur von hohem Werte, das nämlich, der Wahrheit und Gerechtigkeit getreu durchs ganze Leben selbst gegen Lügner und Ungerechte Wohlwollen zu üben.
Willst du dir ein Vergnügen machen, so betrachte die Vorzüge deiner Zeitgenossen so die Tatkraft des einen, die Bescheidenheit des andern, die Freigebigkeit eines dritten und so an einem vierten wieder eine andere Tugend. Denn nichts erfreut so sehr wie die Muster der Tugenden, die aus den Handlungen unserer Zeitgenossen uns in reicher Fülle in die Augen fallen. Darum habe sie auch stets vor Augen.
Bist du etwa ärgerlich, daß du nur soundsoviel und nicht dreihundert Pfund wiegst? Nun, so sei's auch nicht darüber, daß du nur soundsoviel und nicht noch mehr Jahre leben sollst! Denn gleichwie du mit dem dir bestimmten Körpergewicht zufrieden bist, so sei es auch mit der dir zugemessenen Lebensdauer.
Wir wollen andere zu überzeugen suchen! Jedenfalls tue auch gegen ihren Willen, was die Gerechtigkeit und Vernunft erheischen. Wenn sich indes jemand mit Gewalt dir widersetzt, so wende dich der Zufriedenheit und Gemütsruhe zu und benütze jenen Widerstand zur Übung in einer andern Tugend. Denke daran, daß du nur bedingungsweise nach etwas strebest und nicht nach Unmöglichem trachtest. Nach was also? Eben nach solch einer Willensbestimmung. Sie gewinnst du, auch wenn das Ziel, worauf du zuschreitest, unerreicht bleibt.
Der Ehrsüchtige findet sein Gut im Benehmen eines andern gegen ihn, der Wollüstling in seiner eigenen Leidenschaft, der Vernünftige aber in seinen ihm eigentümlichen Handlungen.
Es steht bei dir, über dies und das dir keine Meinung zu bilden und so deiner Seele alle Unruhe zu ersparen. Denn die Dinge selbst können ihrer Natur nach uns keine Urteile abnötigen.
Gewöhne dich auf die Rede eines andern genau zu achten und versetze dich so viel möglich in die Seele des Redenden.
Was dem ganzen Bienenschwarme nicht zuträglich ist, das ist auch der Biene nicht zuträglich.D.h. was dem Ganzen nicht zuträglich ist, ist es auch nicht dem einzelnen.
Wollten die Schiffsleute den Steuermann, die Kranken den Arzt schmähen, würden sie da sonst noch auf jemand achten? Oder wie sollte da jener den Eingeschifften die glückliche Landung oder dieser seinen Kranken die Gesundheit verschaffen?
Wie viele, die mit mir zugleich in die Welt gekommen, sind bereits wieder daraus geschieden.
Gelbsüchtige finden den Honig bitter, die von einem tollen Hunde gebissen werden, scheuen das Wasser, Kindern gefällt ein Ball am schönsten. Was ereiferst du dich also? Oder meinst du, daß der Irrtum weniger Einfluß habe als die Galle beim Gelbsüchtigen oder das Gift beim Wasserscheuen?
Dem Gesetze deiner Natur gemäß zu leben, kann niemand dich hindern; dem Gesetze der gemeinsamen Natur zuwider kann nichts dir widerfahren.
Wer sind die, denen man gefallen möchte, und um welcher Vorteile willen und durch welcherlei Mittel? Wie schnell wird die Zeit alles verschlingen, und wie vieles hat sie bereits verschlungen!