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In der Dunkelheit und Enge erstickten die Wagenlaternen, und zwischen schwankenden, rußigen Schatten und trüben Flecken Lichts krümmten sich zerknüllte müde Menschen.
Ssanin setzte sich neben drei Bauern.
Als er eintrat, unterhielten sie sich, und einer von ihnen, in der Dunkelheit kaum sichtbar, fragte gerade:
»Also meinst du, mit dem Land kommt nichts heraus?«
»Kann auch nichts herauskommen,« antwortete mit hoher gebrochener Stimme ein alter zottiger Bauer, der neben Ssanin saß. »Die Gutsbesitzer haben ihr Eigenes im Auge, unsertwegen wollen sie nicht zum Teufel gehen. Da kann man erzählen, soviel man will; wenn es einem an den Leib geht, so wird am Ende der das Blut austrinken, der stärker ist!«
»Aber warum braucht ihr so lange zu warten?« fragte Ssanin, der sofort verstanden hatte, um was sich das gierige, ekelhaft eintönige Gespräch drehte.
Der Alte wandte sich zu ihm und schlug die Arme auseinander.
»Was sollen wir tun? ...«
Ssanin stand auf und ging auf einen andern Platz. Er kannte diese Menschen zur Genüge, die wie Tiere lebten und dabei weder selbst zugrunde gehen, noch andere vernichten konnten. Sie lebten immer das viehische Leben fort in trüber Hoffnung auf ein Wunder, das niemals kommen wird und in dessen Erwartung Millionen ihresgleichen bereits gestorben sind.
Die Nacht verging. Alle schliefen und nur ein Kleinbürger im langen Rock zankte sich erbittert mit seiner Frau, die ängstlich schwieg und allein ihre erschrockenen Augen krampfhaft bewegte.
»Warte nur, du Aas, ich werde dir das noch beibringen!« zischte der Mann wie eine mit dem Fuß getretene Schlange.
Ssanin war schon eingeschlummert, als das leise Aechzen der Frau ihn aus dem Schlafe weckte. Der Kleinbürger zog rasch seine Hand zurück, doch Ssanin konnte noch bemerken, daß er die eine Brust der Frau um seine Finger drehte.
»Na, Brüderchen, du bist ein Biest!« schrie er zornig.
Der Kleinbürger blieb erschrocken stumm und blickte ihn nur mit kleinen bösen Augen an.
Ssanin sah voll Ekel auf ihn hin, dann trat er auf die Plattform hinaus. Als er durch den Wagen ging, sah er eine Menge Menschen, die in dichtem Gedränge fast übereinander lagen. Bei dem blassen bläulichen Licht des kommenden Morgens, das durch die Fenster des Wagens eindrang, schienen ihre Gesichter wie tot, und nüchterne, traurige Schatten, die über sie glitten, gaben ihnen einen ohnmächtigen leidenden Ausdruck.
Auf der Plattform atmete Ssanin mit vollen Zügen die frische Morgenluft ein.
»Ein widerwärtiges Ding ist doch der Mensch!« dachte er weniger, als daß er es mit seinem ganzen Körper fühlte. Und plötzlich brach in ihm das Verlangen durch, sich sofort, wenn auch nur für eine Zeit, von allen diesen Menschen, vom Zuge, von der stickigen Luft, vom Rauch und Gerassel freizumachen.
Die Morgenröte stieg schon deutlich am Horizont auf. Die letzten Schatten der Nacht verliefen, blaß und krank, spurlos in der blauen Finsternis, die sich weit in der Steppe auflöste.
Ohne sich lange zu besinnen, trat er auf das Trittbrett des Wagens, ließ seinen Koffer im Stich und sprang auf den Boden herab.
Mit Fauchen und Rasseln sauste der Zug neben ihm vorbei; der Boden glitt unter seinen Füßen hin, und er fiel auf den nassen Sand der Böschung. Die rote hintere Laterne war schon weit, als er sich erhob. Er lächelte sich selber zu.
»Auch das ist schön!« rief er laut und stieß einen freien, gellen Schrei aus.
Weit und geräumig war es um ihn her. Das Gras, noch immer grün, breitete sich in einem endlosen, ebenen Feld nach allen Seiten aus und versank erst hinten in den fernen Morgennebeln.
Leicht atmete Ssanin auf und schaute mit frohen Augen in die unendliche Weite der Erde, als er mit großen, kräftigen Schritten in den lichten, freudigen Schein der Morgenröte hineinwanderte. Und als die erwachte Steppe in der grünen und blauen Ferne aufzuleuchten begann und vor seinen Augen die ungeheure Himmelswölbung auf sich lud, als gerade vor ihm die Sonne aufging, blitzend und funkensprühend, da schien es Ssanin, daß er ihrem Lichte entgegenschreite.