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Vom Ruhme der Frauen und ihren Sängern (1–24). Ullania's und ihrer Begleitung Beschimpfung durch Marganorre und Entschluß Rogers, Marfisa's und Bradamante's den letzteren zu züchtigen (25–37). Geschichte Marganorre's und seiner Söhne (38–85). Züchtigung Marganorre's (86–121). Abschied Rogers von Bradamante (122).
1 | Wenn so, wie beim Erwerben andrer Gaben, Die uns Natur nicht mühelos verleiht, Die Frau'n sich Tag und Nacht befleißigt haben Mit höchstem Fleiß und langer Emsigkeit Und Werk' erschaffen, die das Aug' erlaben, – Wenn, sag' ich, so die Frauen ihre Zeit Den Künsten widmeten, durch die auf Erden Sterbliche Tugenden unsterblich werden, |
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2 | Und selbst im Stande wären zu erzählen, Was groß an ihnen ist und rühmenswert Und nicht bloß betteln gingen bei den scheelen Autoren, die, von blassem Neid verzehrt, Das gute, das man sagen kann, verhehlen, Indeß das schlechte jedermann erfährt, – Dann würd' ihr Lob vielleicht zu Höhen fliegen, Die männliche Berühmtheit nie erstiegen. 31 |
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3 | Nicht nur daß viele Männer sich verbünden Und sich einander loben vor der Welt, Sie forschen auch begierig und verkünden, Was etwa bei den Frau'n sich schlecht verhält. Sie möchten nicht, daß Frauen höher stünden Und rennen jede nieder, bis sie fällt, – Die Alten mein' ich, – als ob ihre Kränze Verwelkten, wenn das Lob der Frauen glänze. |
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4 | Nie aber kann und konnte Zung' und Hand, Nie kann und konnte Reden oder Schreiben (Sei's durch Verkleinern, wo sich gutes fand, Sei's durch die Kunst, was schlecht zu übertreiben) Bewirken, daß der Frauen Ruhm verschwand. Ein Theil davon wird stets erhalten bleiben. Jedoch daß er das rechte Maß erreicht, Ihm auch nur nahe kömmt, sieht man nicht leicht. |
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5 | Berühmte Kriegerinnen des Alterthums werden aufgezählt, Harpalyce, die thracische Königstochter, welche ihr Reich gegen den Sohn Achills Neoptolemus verteidigte; Tomiris, die Königin der Massageten, deren Sieg über Cyrus Herodot erzählt; die von Virgil besungene Camilla, des Königs Turnus Bundesgenossin; die Amazone Penthesilea, die den Trojanern beistand; ferner die Königinnen Dido, Zenobia und Semiramis. | Nicht Harpalyce, nicht Tomiris nur, Nicht Hectors und des Turnus Helferinnen, Nicht jene, die zur See nach Libyen fuhr, Ein neues Reich für Sidon zu gewinnen, Nicht nur Zenobia noch, auf Babels Flur, Die mächtigste von Asiens Königinnen, Nicht diese nur sind wegen ihrer Siege Wert, daß ihr Waffenruhm die Welt durchfliege. 32 |
6 | Und treue Frauen, keusche, starke, weise, Gab es nicht bloß in Rom und Griechenland; Dergleichen hat die Sonn' auf ihrer Reise Vom Indus nach Hesperien stets gekannt. Sie sind nur todt mit ihrem Ruhm und Preise; Ein Name kaum von tausend wird genannt, Und das, weil die Autoren ihrer Zeit Verlogen waren und regiert vom Neid. |
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7 | Trotzdem, o Frauen, die ihr Tugend liebt, Geht euren Weg und laßt nicht das gerechte Und hohe Werk im Stich, das ihr betriebt, Aus Furcht, daß es euch keine Ehren brächte. Denn wie es keine gute Sache giebt, Die immer dauert, so auch keine schlechte. War Dint' und Schreibpapier für euch nicht da In frührer Zeit, heut ist es anders ja. |
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8 | In dieser und den folgenden Stanzen nennt Ariost Dichter seines Zeitalters, welche den Frauen gehuldigt haben. Michael Marullo, ein Grieche von Geburt, s. Z. ein gepriesener Hymnensänger und Epigrammendichter; Johannes Pontano; zwei Mitglieder der bekannten Florentiner Familie Strozzi, von denen besonders der jüngere sich durch lateinische und italienische Verse und als Kenner der griechischen Sprache hervorthat; der berühmte Cardinal Pietro Bembo, Ariosts getreuer Freund; Bernardino Capella aus Rom, Verfasser lateinischer Gedichte; Luigi Alamanni aus Florenz; endlich die beiden Herren aus Mantua, Franz Gonzaga, der Schwager des Herzogs Alfons, und Luigi Gonza zubenannt Rodomonte, zweiter Graf von Sabbioneta. Diesem letzteren gelten die vier folgenden Strophen. Er vermählte sich 1531 mit Isabella Colonna, welche, obwohl der Papst dieser Verbindung sich heftig widersetzte, ihrem Verlobten die Treue hielt. Sie wird deshalb in Str. 11 mit einer festen Säule (colonna) verglichen. Der in dieser Strophe erwähnte »Bildner der Höflinge« ist der s. Z. weltberühmte Balthasar Castiglione, dessen Buch il Cortigiano (der Höfling) lange Zeit in Europa als Autorität in allen Fragen der Eleganz und feinen Sitte gegolten hat. |
Schon geht für euch Marull, schon geht Pontan, Zwei Strozzi, Sohn und Vater, gehn ins Feuer, Und er, der, so wie wir ihn selber sahn, Die Höflinge gebildet hat, ist euer. Auch Bembo und Capell und Alaman Und jene zwei, Mars wie den Musen theuer, Beid' aus dem Fürstenhause, dessen Land Der Menzo spaltet und der See umspannt; 33 |
9 | Davon der eine schon aus eignem Hange Euch alle Ehr' und Huldigung erweist Und den Parnaß erfüllt mit lautem Klange, Der eure Tugend bis zum Himmel preist; Jedoch die Lieb' und Treu' und der vom Drange Der Unglücksfälle nie gebeugte Geist, Den Isabellens Tugenden ihm zeigen, Macht, daß er euer mehr ist als sein eigen; |
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10 | So daß er nie ermüdet, niemals ruht Mit seinen muntren Liedern euch zu preisen, Und wenn euch einer schmäht und Unrecht thut, Greift niemand hurtiger als er zum Eisen. Kein Mann kargt minder mit dem eignen Blut, Wenn's gilt der Tugend Dienste zu erweisen. Zum Schreiben pflegt er andren Stoff zu geben, Und was er schreibt, hält andrer Ruhm am Leben. |
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11 | Und würdig ist er, daß so reiche Frau, So reich an jedem Wert, an allen Zeichen Der Trefflichkeit, in Tagen schwarz und rauh Geschworen hat niemals von ihm zu weichen, In Wahrheit eine Säul' an seinem Bau, Erhaben trotzend allen Schicksalsstreichen, Er würdig ihrer, seiner würdig sie: Besser gepaarte Seelen gab es nie. 34 |
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12 | Der »Nachbarfluß« ist der Mincio, an welchem Mantua, die Stadt Virgils, liegt. – Hercules, aus dem bolognesischen Herrengeschlechte der Bentivogli, war ein Neffe des Herzogs Alfons von Ferrara, an dessen Hof er, als Ariost den R. Roland schrieb, als Jüngling lebte. Trivulzio, Guidetto und Molza waren angesehene Schriftsteller derselben Zeit. | Er pflanzt am Ogliostrand Trophäen wieder; Denn unter Waffenlärm und Kriegsgespann Flattern die schön beschriebnen Blätter nieder, Die wohl der Nachbarfluß beneiden kann. Gleich ihm euch rühmend stimmt gerühmte Lieder Ein Hercules von Bentivoglio an. Trivulz und mein Guidetto folgen diesen, Und Molza, den Apoll selbst unterwiesen. |
13 | Herzog von Carnutum wird der ferraresische Prinz genannt, weil sein Schwiegervater Ludwig XII von Frankreich ihn zum Herzog von Chartres (lateinisch Carnutum) gemacht hatte. – »Mein Herr von Vasto« ist der mehrfach genannte Markgraf dieses Namens, Alfons von Avalos. | Carnutums Herzog, meines Herzogs Sohn, Hercules breitet wie der Schwan die Schwingen, Und singt im Fluge mit so hellem Ton, Daß eure Namen bis zum Himmel klingen. Da ist mein Herr von Vasto, selber schon Für tausend Musenchöre Stoff zum Singen; Auch er, so seh' ich, taucht die Feder ein, Um die Unsterblichkeit euch zu verleihn. |
14 | Und nicht nur daß ihr die und andre habt, Die euch geehrt und die euch ferner ehren, Ihr seid euch selbst zu ehren selbst begabt. Seit euer viele sich von Zwirn und Scheren Zum Musenhain gewendet und gelabt Von Aganippe's Born nun wiederkehren Mit solcher Kraft, seitdem bedürfen wir Mehr eurer Hilfe denn der unsren ihr. 35 |
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15 | Wenn ich sie nennen soll, daß keine fehlen, Und jede nach Verdienst lobpreisen soll, So kann ich heut nichts andres mehr erzählen Und schreibe mehr als einen Bogen voll. Und wollt' ich ihrer fünf bis sechse wählen, Weckt' ich vielleicht der andren Zorn und Groll. Was mach' ich also? nenn' ich ihrer keine? Oder erwähl' ich mir aus vielen eine? |
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16 | Ich wähl' mir eine, und ich wähle sie, Die Hohe, die den Neid zum Schweigen brachte, Daß keine mir's verargt, wenn ich nur die, Nur eine lob' und keiner andren achte, Die eine, die durch holde Poesie, Noch nie gehörte, sich unsterblich machte Und jeden auch, von dem sie spricht und schreibt, Dem Grab' entreißt, daß er unsterblich bleibt. |
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17 | Maja soll hier für Mercur stehen. Es giebt indeß auch einen Fixstern, welcher Maja heißt. | Wie Phöbus einen Glanz von hellrem Scheine Der silberweißen Schwester hat verliehn, Als Venus oder Maja oder eine Der andren Sphären hat, die droben ziehn, So gab er reichre Kunst ihr, die ich meine, Als andren Frauen, süßre Melodien Und hoher Worte Kraft, daß uns zur Wonne Sie unsren Himmel schmückt als zweite Sonne. 36 |
18 | Str. 18 bezieht sich auf die berühmte Vittoria Colonna (geb. 1490), Gemalin des Markgrafen Francesco von Pescara (gest. 1525), welche außer anderen Gedichten auch mehrere zum Ruhme ihres verstorbenen Gatten verfaßt hat. Sie starb 1547. – Artemisia, die Gemalin des Königs von Carien Mausolus, dem sie als Witwe das berühmte Grabmal errichtete. | Victoria ist der Nam', und wie sie heißt, So kam sie auf die Welt, von Sieg umgeben, Und triumphirend, ob sie ruht, ob reist, Sieht man Victorien ihr zur Seite schweben. Wenn man der Artemisia Treue preist Zum Mausolus, wie muß man sie erheben, Die größres thut! Denn schöner ist's den Gatten Emporziehn aus der Gruft als ihn bestatten. |
19 | Laodamia stürzte sich in den Scheiterhaufen, auf welchem ihr von Hector getödteter Gatte Protesilaus lag; Portia »schlang Feuer«, weil sie den Brutus nicht überleben wollte; Euadne starb wie Laodamia, als ihr Gemal Capaneus vor Theben fiel; Arria, des Römers Pätus Gemalin, ist durch ihr »non dolet« allen bekannt. | Man lobt Laodamia, Portia, Euadne, Arria, wegen des Entschlusses Dem todten Gatten auch im Tode nah Zu bleiben; um wie viel ruhmvoller muß es Dann uns erscheinen, wenn Victoria Den theuren Gatten vor des Höllenflusses Neunfachen Armen und vor Lethe's schwarzen Gewässern hat bewahrt, trotz Tod und Parcen! |
20 | Die »mäonische Trompete« ist Homer, von seiner angeblichen Heimat so geheißen. Alexander von Macedonien soll bekanntlich es beklagt haben, daß seinen Thaten ein solcher Sänger fehlen werde, wie Achill ihn fand. | Beneidet' Alexander den Peliden Um die mäonische Trompete schon, Wie würd' er dich erst, lebt' er noch hienieden, Beneiden, Franz, Pescara's großer Sohn! Dir war das theure, keusche Weib beschieden, Das deinen Ruhm singt mit so hellem Ton, Daß du nicht nötig hast, nach solchen Ehren, Klangvollere Trompeten zu begehren. 37 |
21 | Wenn ich von dieser alles, was ich weiß, Und alles, was ich möchte, niederschriebe, Das würde lang, und doch bei allem Fleiß Besorg' ich, daß noch vieles übrig bliebe; Auch gäb' ich dann ja die Geschichte preis Von Rogers und von Bradamante's Liebe, Die fortzusetzen ich gleichwohl versprach, Als ich das letzte Mal sie unterbrach. |
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22 | Jetzt, da ihr mich zu hören Willens seid, Und ich hier bin, um euch mein Wort zu halten, Spar' ich es auf für eine frei're Zeit, Die Kunst an ihrem Lobe zu entfalten. Zwar braucht sie's nicht, daß man ihr Verse weiht, Denn sie versteht es selbst der Kunst zu walten; Doch werd' ich's thun, weil ihren hohen Wert Zu loben immerdar mein Herz begehrt. |
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23 | Drum schließ' ich kurz, daß unter euch, o Damen, Gar manche ruhmeswert gewesen ist, Nur daß wir nichts von solchem Ruhm vernahmen Durch der Autoren Neid und Hinterlist. Das wird nun anders, weil ihr eure Namen Durch eigne Werke zu verew'gen wißt. Wüßten die Schwägerinnen auch dergleichen, Man wüßte mehr von ihren Heldenstreichen. 38 |
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24 | Ich rede von Marfis' und Bradamante, Deren Triumph' und hohe Sieg' ans Licht Zu ziehn ich redlich allen Fleiß verwandte, Und dennoch kenn' ich neun von zehnen nicht. Sehr gern erzähl' ich alles mir bekannte, Theils weil man schöne Thaten ins Gesicht Der Menschen rücken soll, theils um die Frauen, Die ich verehr' und liebe, zu erbauen. |
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25 | Ich hab' erzählt, wie Roger sich empfahl Und nach der Stadt zurückzukehren dachte. Er zog aus der Cypresse seinen Stahl, Und niemand war, der es ihm streitig machte, Als plötzlich ein Geschrei aus nahem Thal Erscholl und er sein Pferd zum Stehen brachte Und dann in Trab sich setzten alle drei, Um da zu helfen, wo es nötig sei. |
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26 | Sie ritten schnell, und immer näher kamen Die Klagen; bald verstand man jedes Wort; Und jetzt im Thalgrund fanden sie drei Damen, – Gar wenig paßt' ihr Aufzug für den Ort: Die Scheren irgend eines Unholds nahmen Die Röcke bis zum Nabel ihnen fort, Und weil sie nichts sich zu bedecken hatten, Saßen sie auf der Erd' im Waldesschatten. 39 |
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27 | Erichthonius, der aus dem Staube der Erde geborene Sohn Vulcans, hatte Schlangenfüße. Um sie zu verbergen, zeigte er sich nur in einem von ihm erfundenen Wagen. Aglauros war eine Priesterin der Minerva; sie erzog auf Befehl der Göttin das Kind. | Wie jener Sohn Vulcans, von dem sie sagen, Daß ohne Mutter er aus Erd' entstand Und den, um Sorge für das Kind zu tragen, Aglauros annahm aus Minerva's Hand, Die garst'gen Füße sitzend in dem Wagen Verborgen hielt, den selber er erfand, So saßen jene drei im Grase nieder, Um zu verbergen die entblößten Glieder. |
28 | Die Rosen von Paestum waren im Alterthum berühmt. | Die beiden edelmüt'gen Kriegerinnen Sehn diese unerhörte Büberei; Kein Wunder, wenn sie zu erglühn beginnen, Wie Paestums Rosen glühn im Monat Mai. Als Bradamante nun die Dulderinnen Anschaut, erkennt sie eine jener drei: Ullania ist es, die vom fernen Norden An Frankreichs Herscher war entsendet worden. |
29 | Und auch die andren hat sie schon gesehen, Denn mit Ullania reisten sie vereint; Doch läßt sie ihre Wort' an die ergehen, Die solcher Ehr' am würdigsten erscheint. Sie fragt, wie diese Frevelthat geschehen Und wer es sei, der, aller Sitte feind, Den Schleier von den Heimlichkeiten hebe, So die Natur tief zu verhüllen strebe. 40 |
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30 | Ullania erkennt an Stimm' und Wort Und an den Farben, dies sei Bradamante, Die neulich bei dem ersten Stoß sofort Die drei Gewalt'gen übern Haufen rannte, Und sie erzählt ihr, wie nicht weit von dort Ein roher Haufe, der kein Mitleid kannte, Die Kleider ihnen kürzt' und überdies Sie schlug und andre Schmach erdulden ließ. |
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31 | Von ihrem Schilde wisse sie nichts mehr Und könn' auch von den Königen nichts sagen, Den dreien, die mitkamen übers Meer, Ob sie gefangen seien, ob erschlagen. Jetzt habe sie zu Fuß den Weg hieher, So schwer der Gang ihr werde, eingeschlagen, In Hoffnung, daß, wenn sie am Hof Beschwerde Anbringe, Karl den Schimpf nicht dulden werde. |
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32 | Die Kriegerinnen sind, wie ihr Begleiter, Nicht minder gut als stark und voll Vertrau'n. Die schöne Stirn wölkt sich, die erst so heiter, Da sie den Frevel hören und ihn schau'n. An andre Sorgen denken sie nicht weiter, Und ehe noch die drei betrübten Frau'n Um Rache flehn, sind sie mit aller Schnelle Schon unterwegs nach der benannten Stelle. 41 |
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33 | Erst aber gaben sie ihr Oberkleid Der Abgesandten und den andren beiden, Das wohl genügt', um eine kurze Zeit Die Blöße dieser ärmsten zu bekleiden. Daß nun Ullania noch einmal so weit Zu Fuße geh', will Haimons Kind nicht leiden; Sie hebt sie hinter sich aufs Pferd, Marfise Nimmt jene Magd, der gute Roger diese. |
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34 | Ullania, hinter Bradamante, wies Den Weg zum Schlosse jenes Ungerechten, Und Bradamant' an ihrem Theil verhieß Ihr volle Rach' und Sühne zu erfechten. Bald wand der Weg sich, der das Thal verließ, Bergan, zur Linken jetzt und jetzt zur Rechten, Und keiner war, der Rasten nötig fand, Solange nicht die Sonn' im Meer verschwand. |
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35 | Als sie die steile Höh' emporgeklommen, Bot sich ein Dörfchen ihren Blicken dar. Sie fanden Zehrung dort und Unterkommen, So gut es an dem Ort zu finden war. Als sie den Platz in Augenschein genommen, Begegneten sie vielen Weibern zwar, Jungen und alten, aber unter ihnen War nicht ein einz'ger Mann dem Blick erschienen. 42 |
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36 | Die Geschichte von den Frauen von Lemnos, welche aus Eifersucht ihre Männer umbrachten, wird in der Thebaïs des Statius erzählt. Die Argonauten landeten auf der Insel und fanden nur Weiber dort. | So mag sich Jason einst gewundert haben, Als ihn die Argo trug an jenen Strand, Wo er die Väter, Gatten, Brüder, Knaben Von Töchtern, Müttern, Frau'n getödtet fand, Und als die Schiffer sich ans Land begaben, Kein einz'ger Mann an Lemnos' Ufer stand, Wie Roger jetzt, und die mit Roger kamen, Sich wunderten, als sie Herberge nahmen. |
37 | Ullanien und den beiden Dienerinnen Ließ Bradamante hier in aller Eil Drei Röcke geben, nicht vom feinsten Linnen, Auch nicht sehr zierlich, aber ganz und heil. Roger indeß rief von den Weibern drinnen Sich eins heran und fragte, wo derweil Die Männer seien, daß man keinen sehe, Und sie begann und sagt' ihm, wie es stehe. |
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38 | »Was euch ein Wunder scheint, (sprach sie gar kläglich) Daß viele Weiber hier sind ohne Mann, Ist eine Qual für uns, schwer, ja unsäglich; Denn ach, wir leben hier in Acht und Bann. Und um das Elend vollends unerträglich Zu machen, hat der grimmige Tyrann Die Väter, Söhn' und Gatten, die wir lieben, Grausam getrennt von uns und weggetrieben. 43 |
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39 | »Aus seiner Herrschaft, wenig Stunden nur Von hier entfernt, (denn dort sind wir geboren,) Hat er uns fortgejagt in diese Flur Nach tausendfachem Unglimpf und geschworen, Uns selbst und unsre Männer mit Tortur Und Tod zu strafen, käm' ihm je zu Ohren, Daß jene zu uns kämen oder wir Den kommenden Einlaß gewährten hier. |
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40 | »So feindlich dem Geschlecht ist der Barbar, Daß er uns nicht in größrer Nähe leidet. Als bring' ihm der Geruch der Frau'n Gefahr, Verlangt er, daß uns Sohn und Gatte meidet. Zweimal schon hat der Wald sein grünes Haar Verloren, zweimal schon sich neu bekleidet, Seit er in diesem Wüten sich gefällt, Und niemand ist, der ihn zur Rede stellt. |
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41 | »Denn alles bebt vor ihm, wie Menschen nur Vor dem leibhaft'gen Teufel sonst erbeben. Zum bösen Willen hat ihm die Natur Die Stärke, mehr als menschlich Maß, gegeben. Sein Leib ist von gigantischer Statur, Und hundert könnten ihm nicht widerstreben. Auch quält er nicht nur uns, nicht nur die sein'gen, Die fremden Frau'n pflegt er noch mehr zu pein'gen. 44 |
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42 | »Wenn eure Ehr' euch lieb ist, wenn ihr gern Die drei beschützen wollt, die euch begleiten, So ist es sichrer, klüger, besser, fern Von dieser Straße sonstwohin zu reiten. Sie führt gerad' ans Schloß des bösen Herrn, Von dem ich red', und zu den Schändlichkeiten, Die er verübt an Rittern und an Frau'n, Sobald sie sich in sein Gebiet getrau'n. |
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43 | »Der böse Marganorre, – denn so heißt Der Schloßherr, der Tyrann, deß blut'ge Strafen Kein Nero, oder wenn du schlimmre weißt, Auch diese nicht an Wildheit übertrafen, – Er lechzt nach Blut der Menschen und zumeist Nach Blut der Weiber, wie der Wolf nach Schafen; Mit Schimpf und Hohn jagt er die Frauen fort, Die ihr Verhängniß führt an diesen Ort.« |
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44 | Die edlen Gäste wünschten zu erfahren, Wie diese Wut auf solchen Punkt gedieh, Und baten höflich jene fortzufahren, Vielmehr recht anzufangen baten sie. »Der Schloßherr (sprach sie) war seit jungen Jahren Grausam und wild, und gütig war er nie; Nur daß er erst sein böses Herz versteckte Und man nicht gleich, was drinnen war, entdeckte. 45 |
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45 | »Als noch die Söhne lebten, ihrer zwei, Die, von der väterlichen Art verschieden, Gern fremde Gäste sahn und Tyrannei Und Grausamkeit und rohen Frevel mieden, Da blühten edle Sitten, Gasterei Und vornehm Wesen in des Schlosses Frieden. Der Vater, ob er selbst auch geizig war, Ließ ihnen ihren Willen ganz und gar. |
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46 | »Wenn Ritter oder Fraun des Weges kamen, War stets der freundlichste Empfang bereit, Und alles war verliebt, so Herrn wie Damen, In dieser Brüder hohe Höflichkeit. Die beiden Jüngling' aber übernahmen Die heil'ge Ritterpflicht zur selben Zeit, An Mut und edlem Aussehn gleich einander Man nannte sie Tanacrus und Cilander. |
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47 | »Wir kannten sie und würden heute noch Nur Ehr' und Lob den beiden zuerkennen; Indessen sie gerieten in das Joch Des mächt'gen Triebes, den wir Liebe nennen, Und so verirrten sie zuletzt sich doch, Um blind ins Labyrinth der Schuld zu rennen, Und alles gute, was sie sonst geübt, Ward plötzlich jetzt besudelt und getrübt. 46 |
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48 | »Ein Ritter kam hieher aus Griechenland Vom Hof des Kaisers, und der Ritter brachte Ein Weib mit, artig und von edlem Stand, So schön, daß euch das Herz im Leibe lachte. Cilander war im Nu verliebt und fand, Er stürbe, wenn sie ihn nicht glücklich machte, Und als sie mit dem andren weiter ritt, War's ihm, als nehme sie sein Leben mit. |
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49 | »Daß Bitten ihm nichts halfen, war ihm klar, So hofft' er mit Gewalt sie zu gewinnen. Bewaffnet lauert' er, wo jenes Paar Vorüberkam, nah bei des Schlosses Zinnen. Gewohnte Keckheit, Glut der Liebe war Zu stark in ihm, um viel sich zu besinnen; Kaum also kam der Gast des Wegs daher, So sprengt' er auch zum Angriff Speer an Speer. |
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50 | »Im ersten Anlauf hatt' er sich gedacht Den Sieg und die Geliebte zu erringen; Der Gast jedoch, ein Meister in der Schlacht, Ließ seines Gegners Stahl wie Glas zerspringen. Dem Vater ward die Kund' ins Schloß gebracht; Er ließ den Sohn auf einer Bahre bringen Und todt ihn findend setzt' er mit Geschrei Und Jammer in der Ahnengruft ihn bei. 47 |
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51 | »Trotzdem ward hier der Fremdling nach wie vor Gut aufgenommen und blieb wohlgelitten. Denn wie der Bruder war, den er verlor, So war Tanacrus höflich, fein von Sitten. Im selben Jahr kam an des Schlosses Thor Ein fremder Herr mit seiner Frau geritten, Er stattlich wie nicht leicht ein zweiter Mann, Sie lieblich schön, wie ich's nicht sagen kann, |
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52 | »Und nicht nur schön, auch sittsam und voll Güte Und wahrlich jedes hohen Lobes wert: Der Ritter selbst aus adlichstem Geblüte Und wie nur je ein Held im Kampf bewährt. Und das ist recht, daß solche seltne Blüte Der Schönheit nur dem tapfren wird gewährt. Olinder hieß der Herr, von Longavilla, Und seiner Gattin Name war Drusilla. |
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53 | »Geblendet ward Tanacrus nun von der, Wie sich sein Bruder ließ von jener blenden, Der andren Frau, um dann für sein Begehr Nach fremdem Gut so bitterlich zu enden. Und wie Cilander also wollt' auch er Lieber die Heiligkeit des Gastrechts schänden, Als daß die neue Glut, die er verspürte, Mächtig und grimmig in den Tod ihn führte. 48 |
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54 | »Doch weil des Bruders Loos ihm allzu klar Vor Augen stand, den jener Griech' erschlagen, Wollt' er den Raub nur sicher vor Gefahr Und sicher vor Olinders Rache wagen. Erloschen bald, nicht bloß erschüttert, war In ihm die Tugend, die ihn sonst getragen, Daß er im Meer des Lasters nicht ertrinke Und wie sein Vater auf den Grund versinke. |
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55 | »Er legte Nachts bewaffnete Vasallen, Wohl ihrer zwanzig in den Hinterhalt Weitab von seinen väterlichen Hallen, Doch nah am Weg in Schlucht und dichtem Wald. Dort ward Olinder Morgens überfallen Und ihm der Weg verschlossen mit Gewalt. Zwar setzt' er sich zur Wehr, jedoch vergebens; Er ward beraubt der Gattin und des Lebens. |
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56 | »Tanacrus kehrte heim mit seinem Fange; Die Gattin aber ließ nicht ab zu schrein, Sie wolle nimmer leben und verlange Den Tod als eine Gnad' in ihrer Pein. Sie sprang hinab vom steilen Felsenhange Und wollte sterben auf dem harten Stein; Doch konnte sie nicht sterben; voller Wunden Lag sie am Boden, blutig und zerschunden. 49 |
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57 | »Tanacrus konnte nur in einer Sänfte Zurück sie schaffen in des Vaters Haus, Wo Kunst und Pflege dann den Tod bekämpfte; Denn ungern gäb' er solchen Raub heraus. Indeß der Arzt nun ihre Krankheit dämpfte, Dachte der Jüngling an den Hochzeitsschmaus; Denn Weib, nicht Buhle, schien der rechte Name Für eine so sittsame, schöne Dame. |
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58 | »Tanacrus denkt nichts andres, sieht und kennt Nichts andres, scheint für andres nicht zu leben. Wohl sieht er, daß er sie gekränkt hat, nennt Sich selber schuldig, möcht' ihr Sühne geben, Doch alles ist umsonst: je mehr er brennt Und sie versöhnen will mit heißem Streben, Je tiefer wird ihr Haß, und ihr Entschluß Wird um so fester, daß er sterben muß. |
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59 | »Doch ihr Verstand war nicht bei diesem Grolle So blind geworden, um nicht einzusehn, Daß, wenn sie ihren Zweck erreichen wolle, Sie heucheln müss' und schlau zu Werke gehn. Und daß der Wunsch, wenn er gelingen solle, (Ihr einz'ger Wunsch, Tanacrus todt zu sehn,) Sich zu verstellen hab', als ob zu Ende Die Trauer sei und sie zu ihm sich wende. 50 |
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60 | »Ihr Antlitz heuchelt Frieden, aber Rache Schreit laut ihr Herz und fragt nicht nach dem Rest. Viel Pläne spinnt sie, prüfend, ob die Sache So oder so sich besser wenden läßt. Sie meint, wenn sie nur sterben wolle, mache Sich alles leicht, und daran hält sie fest. Wie kann sie besser sterben oder wann, Als Rache nehmend für den theuren Mann? |
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61 | »Sie zeigt sich fröhlich, stellt sich hochbeglückt, Daß sie sobald die Hochzeit feiern sollen. Was stören kann, wird aus dem Weg gerückt, Und keine Spur zeigt sich von Trotz und Schmollen. Sie geht geputzt, wie keine sonst sich schmückt; Olinder scheint vergessen und verschollen. Nur eins bedingt sie aus, daß man das Fest Nach ihrem Landesbrauch begehen läßt. |
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62 | »Der Landesbrauch, den sie zur Sprache brachte, Bestand in Wahrheit keineswegs: genug, Ihr eigner Geist, der an nichts andres dachte Und stets sich nur mit einem Plane trug, Ersann die Lüge, die ihr Hoffnung machte, Zu tödten den, der ihren Herrn erschlug. Sie sagte, daß sie um Vermählung bitte Nach Heimatsbrauch, und sie beschrieb die Sitte. 51 |
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63 | »Die Witwe, die sich zu vermählen denkt, (So sprach Drusilla) muß die Seele dessen Versöhnen, vor der Hochzeit, den sie kränkt, Mit feierlichem Todtenamt und Messen, Und zwar im Tempel, wo man ihn versenkt; Sonst würde nie die Kränkung ihr vergessen. Nach diesem Opfer erst empfängt die Braut Den Ring vom Bräutigam und wird getraut. |
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64 | »Inzwischen aber muß von einem Priester Wein, den man zu ihm bringt, gesegnet sein. Sich über dem Getränk verneigend liest er Ein schickliches Gebet, um es zu weihn, Und aus der Flasch' in einen Becher gießt er Und giebt den Gatten den geweihten Wein. Den Wein muß aber die Verlobte geben, Sie auch zuerst den Trunk zum Mund' erheben. |
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65 | »Tanacrus, dem es unerheblich scheint, Auf welche Weise man die Hochzeit mache, Antwortet: wenn man uns nur rasch vereint, So thu', was dir beliebt, in dieser Sache. Der unglücksel'ge ahnt nicht, wie sie's meint Und daß sie nichts im Sinne hat als Rache. Ein einz'ger Wunsch erfüllt sein Herz zu sehr, An andres als an den denkt er nicht mehr. 52 |
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66 | »Drusilla's alte Magd war auf der Reise Mit ihr gefangen und mit ihr in Haft. Die rief sie jetzt und sagt' ins Ohr ihr leise, Als keiner da war von der Dienerschaft: Brau' mir ein rasches Gift nach deiner Weise, Wie du es kannst, und füll' mir auf den Saft. Ich weiß ein Mittel, den verruchten Erben Des Marganorre sicher zu verderben. |
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67 | »Und wie ich dann mein Leben rett' und deines, Das weiß ich auch, und später sag' ich's dir. Die Alte ging und braute solch ein feines Tödtliches Gift und überbracht' es ihr. In eine Flasche süßen Candia-Weines That sie das mörderische Elixir Und sorgt' es bis zur Hochzeit aufzuheben; Denn Aufschub konnt' es nun nicht länger geben. |
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68 | »Als nun der Tag erschien, kam sie gegangen In schönen Kleidern, Perlen und Gestein Und schritt zum Tempel, wo auf ihr Verlangen Man aufgerichtet hatt' Olinders Schrein. Das Hochamt ward gefeiert, Priester sangen, Und zuzuhören eilte groß und klein, Und mit dem Sohn kam Marganorr' inmitten Der Freunde, lustiger als je, geschritten. 53 |
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69 | »Kaum war das Todtenamt zum Schluß gediehn, Kaum hatte samt dem Gift der Wein den Segen, So trug, wie sie's gewollt, der Priester ihn In einem goldnen Becher ihr entgegen. Sie trank davon, so viel ihr nötig schien Sowohl des Scheins als auch der Wirkung wegen; Dann reichte sie ihn lächelnd dem Gemal; Der leerte bis zum Boden den Pokal |
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70 | »Und gab den Kelch zurück, und voll Vergnügen Streckt' er nach ihr die Arme zärtlich aus. Da schwand der sanfte Schein aus ihren Zügen, Und mit der heitren Ruhe war es aus. Als ob aus ihrem Antlitz Flammen schlügen, Stößt ihn Drusilla fort und weicht ihm aus. Mit fürchterlicher Stimme, schier von Sinnen, Schreit sie: Verräter hebe dich von hinnen! |
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71 | »Meinst du, ich soll das Leben dir versüßen, Indeß du meins den bittren Thränen weihst? Jetzt stirb von meiner Hand, zu meinen Füßen! Der Wein war Gift, wenn du es noch nicht weißt. Mich schmerzt, daß ich zu leicht dich lasse büßen, Daß dir der Henker zu viel Ehr' erweist, Doch wär's unmöglich, daß man Straf' und Hände, So greuliche wie dein Verbrechen, fände. 54 |
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72 | »Es schmerzt mich, dem Gemal mit deinem Leben Ein unvollkommnes Opfer nur zu weih'n. Könnt' ich ihm eins, so wie ich möchte, geben, Es sollte frei von jedem Mangel sein. Mein lieber Gatte wird mein redlich Streben Hinnehmen für die That und mir verzeih'n. Wie ich's gewollt, so konnt' ich's nicht verrichten; Drum that ich, was ich kann, dich zu vernichten. |
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73 | »Die Foltern aber, die ich nicht hienieden Nach meinem Wunsch an dir vollstrecken kann, Im Jenseits, hoff' ich, wird es mir beschieden, Daß du sie duldest, und ich seh' es an. – Die dunklen Blicke schlug sie dann zufrieden Gen Himmel auf und sagte: Theurer Mann, Dies Opfer siehe dir zur Sühne fallen, Nimm es von deinem Weib mit Wohlgefallen |
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74 | »Und bitt um Gnade Gott für mich, daß heute Ich schon im Paradiese sei mit dir. Und wenn er sagt, daß nur Verdienst die Leute Dahinführt, sag' ihm nur, nicht fehl' es mir: Dem heil'gen Tempel bring' ich Siegesbeute, Dies falsche Scheusal, dieses wilde Thier, Und welch Verdienst wär' höher wohl zu rühmen Als Kampf mit so verruchten Ungetümen? 55 |
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75 | »Hier schwieg sie; denn das Leben war verglommen, Und noch im Tode lächelt' ihr Gesicht, Daß er, der ihr den lieben Mann genommen, Ereilt sei von dem strafenden Gericht. Ob ihr des Mörders Geist zuvorgekommen, Ob ihr hernach gefolgt ist, weiß ich nicht; Ich glaub', er ging voran; der Lebensfunke Erlosch in ihm zuerst, vom tiefren Trunke. |
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76 | »So unerwartet brach der Schlag herein, Daß Marganorre, wie er seinen Erben Hinstürzen sah, besiegt von Todespein, Nahe daran war mit dem Sohn zu sterben. Zwei Söhne hatt' er, nun war er allein! Zwei Weiber stürzten beid' in ihr Verderben: Die eine ward dem einen unheilvoll; Den andren tödtete der andren Groll. |
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77 | »Mitleid und Lieb' und Zorn und Schmerz und Wut, Der Wunsch zu sterben und der Durst nach Rache, Das alles reißt ihn hin wie Wirbelflut; Er brüllt, als ob an Felsen Brandung krache. Er sucht die Mörderin, er will ihr Blut Und sieht, daß sie auf Erden nie erwache. Jedoch gepeitscht von Schmerz, von Haß entbrannt, Schlägt er den Körper, der nichts mehr empfand. 56 |
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78 | »So wie den Jagdspieß, der durchbohrt sie hält, Die Schlange mit den Zähnen pflegt zu fassen, Wie auf den Kieselstein die Dogge fällt, Den ihr der Wandrer zuwarf auf den Gassen,. Und wütend einbeißt und voll Ingrimm bellt Und will ihn ungestraft nicht fahren lassen, So, unbarmherziger als Schlang' und Hund, Schlägt er den schon entseelten Körper wund. |
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79 | »Und als das Hacken und Zerhaun der Glieder Die Wut des schändlichen nicht kühlt noch stillt, Stürzt er sich auf uns Frauen hin und wider, Gleichgültig ob es der, ob jener gilt. Sein fürchterliches Schwert mäht alles nieder, Wie eines Schnitters Sichel das Gefild. Da war kein Schutz, im Augenblicke lagen Hundert verwundet, dreißig Frau'n erschlagen. |
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80 | »Keiner der Männer hat die Stirn erhoben, So fürchten ihn die seinen, jung und alt. Die Weiber und das niedre Volk zerstoben; Niemand, wer laufen konnte, machte Halt. Am Ende hemmten das verrückte Toben Der Freunde Flehn und redliche Gewalt. Man bracht' ihn oben in des Schlosses Kammern, Und unten blieben wir in Angst und Jammern. 57 |
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81 | »Doch statt von seinem Zorn nun abzustehn, Beschloß er alle Weiber fortzujagen, Weil ihn der Freund' und seiner Diener Flehn Verhindert hatt' uns alle todtzuschlagen. Denselben Tag ließ er Befehl ergehn: Wir müßten alle fort, ließ er uns sagen Und wies uns aus und bannte hier uns fest; Weh ihr, die sich am Schloß betreffen läßt! |
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82 | »Getrennt ist nun die Mutter von dem Sohn, Der Gatte von dem angetrauten Weibe. Kömmt einer zu uns dem Verbot zum Hohn, So rat' ich ihm, daß er es heimlich treibe. Denn Marganorre hat gar manchen schon An Hab' und Gut gestraft und auch am Leibe. Im Schlosse hat er ein Gesetz gemacht, Das schändlichste, das je ein Mensch erdacht. |
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83 | »Wenn man im Thal etwa auf Weiber stößt, So stäupt man sie mit Ruten auf dem Rücken Und jagt sie aus dem Land'; erst aber löst Man diesen ärmsten von den Kleidungsstücken Den untern Theil und zeigt also entblößt, Was die Natur und Scham dem Blick entrücken. Und kömmt ein Weib mit reisigem Geleit, So ist sie sichrem Untergang geweiht. 58 |
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84 | »Wenn sie mit Rittern kömmt und reis'gem Troß, So schleift der Frevler, der kein Mitleid achtet, Sie wie ein Opferthier hinauf ins Schloß Zur Gruft der Söhne, wo er selbst sie schlachtet. Wer mit ihr kam, dem nimmt er Wehr und Roß Und sperrt ihn ein, bis er im Thurm verschmachtet. Und wohl vermag er das, denn um ihn her Sind Tag und Nacht wohl tausend Mann und mehr. |
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85 | »Und wenn's ihm einfällt einen freizugeben, Der muß, um aus der Haft sich zu befrein, Erst auf die Hostie schwören, stets im Leben Dem weiblichen Geschlechte feind zu sein. Wollt ihr die drei verderben und daneben Euch selbst, so kehrt in seinen Mauern ein Und sehet zu, was er bei seinem Werke Am meisten kundgiebt, Bosheit oder Stärke.« |
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86 | So sprach sie, und in beiden Kriegerinnen Erwachte Mitleid erst und Zorn sodann. Sie wären sicher ohne viel Besinnen Zum Schloß geeilt, jedoch die Nacht brach an, Und also blieben sie und ruhten drinnen. Doch als Aurora kundzuthun begann, Daß Sternenlicht der Sonne weichen werde, Bewaffnete man sich und stieg zu Pferde. 59 |
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87 | Zum Aufbruch waren alle schon bereit, Als sie vom Rücken her mit einem Male Hufschlag vernahmen, daß zu gleicher Zeit Sie alle sich umschauten nach dem Thale. Da sahn sie etwa einen Steinwurf weit Zwanzig Bewaffnete durch eine schmale Hohlgasse kommen, einige beritten, Zu Fuß die andren, die geschlossen schritten. |
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88 | Sie hatten eine Frau mit sich gebracht, (Nach ihren Zügen war sie alt zu nennen,) Ganz so wie man's mit armen Sündern macht, Um sie zu köpfen, hängen oder brennen. Wer diese sei, war an Gestalt und Tracht Trotz der Entfernung deutlich zu erkennen; Die aus dem Dorfe sahn nach kurzer Schau, Es sei Drusilla's alte Kammerfrau, |
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89 | Die Alte, die vom Räuber mitgefangen Ins Schloß gekommen war, wie wir gesehn, Und die von ihr den Auftrag hatt' empfangen, Ihr mit dem gift'gen Tranke beizustehn. Sie war nicht in die Kirche mitgegangen, Ahnend, es werde schreckliches geschehn, Und machte mittlerweile sich von hinnen, Dem Unheil, wie sie hoffte, zu entrinnen. 60 |
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90 | Nach Oesterreich gelang ihr zu entfliehn; Doch ließ es Marganorr' an Müh nicht fehlen, Als er's erfuhr, sie in sein Netz zu ziehn, Damit er sie verbrennen könn' und pfählen; Und schließlich that's der schnöde Geiz für ihn. Gelockt von Haufen Goldes und Juwelen, Hatt' ein Baron, zu welchem sie entwich, Sie ausgeliefert an den Wüterich. |
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91 | Der ließ sie dann zuerst nach Constanz bringen Auf einem Saumthier, wie man Waaren führt, Geknebelt, um zum Schweigen sie zu zwingen, In einer Kiste, die man fest verschnürt. Dann hatten Knechte, die Befehl empfingen Von jenem Mann, den Mitleid nie gerührt, Sie abgeholt, damit er seinem Grolle Luft machen könne, wann und wie er wolle. |
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92 | Wie jener große Strom der Alpenquellen, Je mehr er vordringt und dem Meere naht Und Lambro's Flut verschlingt, Ticino's Wellen Und die Vasallen all' auf seinem Pfad, Um desto mächt'ger wächst mit stolz'rem Schwellen, So schwillt bei jeder neuen Frevelthat, Die sie vernehmen, die Entrüstung drinnen In Roger und den beiden Kriegerinnen. 61 |
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93 | Sie brannten jetzt von solchem Zorn und Hasse Um seiner Frevel willen wider ihn, Daß sie beschlossen, ihn trotz jener Masse Bewaffneter zur Rechenschaft zu ziehn. Weil aber, wenn man rasch ihn sterben lasse, Dies allzu mild für solche Sünden schien, Deucht' ihnen es gerecht, wenn er sein Ende In langer Marter und Tortur empfände. |
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94 | Erst aber gilt's, die Alte von den Wachen, Die sie zum Tode führen, zu befrein. Verhängte Zügel, scharfe Sporen machen Für schnelle Pferde die Entfernung klein. Die angegriffnen scheinen nicht so jachen Und mächt'gen Überfalls gewohnt zu sein; Wenn sie nur flüchten können, freu'n sie sich Und lassen Weib und Sack und Pack im Stich, |
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95 | Dem Wolfe gleich, der einen Stall beraubte Und mit der Beute nach der Höhle zieht Und plötzlich, da er schon am Ziel sich glaubte, Vor sich den Jäger und die Hunde sieht: Er wirft die Bürde weg, ins dichtbelaubte Gebüsch verbirgt er schleunig sich und flieht. Nicht minder schnell sind diese jetzt im Laufen Als jene erst im Angriff auf den Haufen. 62 |
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96 | Nicht nur die Waffen ließen sie zurück, Nicht nur die Alte, sondern selbst die Pferde, Und stürzten sich in Schlucht und Dornenstück, Hoffend, daß dort kein Feind sie suchen werde. Für Roger und die Frauen war's ein Glück: Drei Rosse fing man von der flücht'gen Herde Für die drei Fräulein, unter deren Sitzen Am Tag zuvor die Hengste mußten schwitzen. |
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97 | Nun eilen sie die Straß' entlang zu reiten Nach jenem Ort, wo solche Schmach geschehn. Die Alte soll sie nach dem Schloß begleiten, Die Rache für Drusilla anzusehn. Die fängt aus Furcht vor Widerwärtigkeiten Zu zetern an, zu weinen und zu flehn, Doch Roger hebt sie hinten auf die Keulen Frontins und trabt voran und läßt sie heulen. |
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98 | Am End' erblickten sie nach schnellem Ritte Ein reiches Städtchen unter sich im Land. Auf keiner Seite hindert' es die Schritte, Kein Graben und kein Wall hielt es umspannt. Ein hoher Felsen lag in seiner Mitte, Auf dessen Rücken stolz ein Schloßbau stand. Kühn ritten sie des Wegs nach jenen Zinnen, Wohl wissend, Marganorre hause drinnen. 63 |
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99 | Kaum waren sie im Ort, als ein'ge Mann, Die Wache standen, hinter den Genossen Den Schlagbaum sperrten, und sie sahen dann, Der Ausgang sei schon ebenso verschlossen. Und nun kam Marganorre selbst heran Mit Fußvolk und mit Reisigen und Rossen Und meldet' ihnen kurz mit stolzem Wort, Was schmählich Rechtens war an diesem Ort. |
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100 | Marfisa, die zuvor des Angriffs wegen Mit ihren Freunden alles abgemacht, Warf statt der Antwort ihm ihr Pferd entgegen, Und voll Vertraun auf ihres Armes Macht Verschmähte sie die Lanze einzulegen, Ihr Heldenschwert ward nicht ins Spiel gebracht; Ein Faustschlag hatt' ihm so den Helm zerdroschen, Daß ihm die Sinne schwanden und erloschen. |
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101 | Nun spornte Frankreichs junge Heldin auch Den Renner, und auch Roger hielt nicht lange. Von seiner Lanze macht' er so Gebrauch, Daß sechs er niederstach im ersten Gange, Zwei durch die Brust und einen durch den Bauch, Je einen durch den Hals und durch die Wange; Beim sechsten brach die Stange, doch die Spitze Fuhr, weil er floh, vom Rücken bis zur Zitze. 64 |
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102 | Die Tochter Haimons, alles niederschmetternd, Fuhr mit der goldnen Lanze durch den Troß. Dem Blitze glich sie, der am Himmel wetternd Alles zermalmt mit prasselndem Geschoß. Das Volk entfloh, theils auf den Felsen kletternd, Theils in die Ebne; mancher Flüchtling schloß In Kirchen sich, in Häuser ein, in Ställe, Und außer Todten blieb kein Mensch zur Stelle. |
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103 | Dem Marganorre mittlerweile band Marfisa beide Hände hintern Rücken Und gab ihn wehrlos in der Alten Hand, Die jetzt zufrieden war und voll Entzücken.. Der Ort, so hieß es dann, werd' abgebrannt, Wenn er nicht reuig ob der alten Tücken Das schändliche Gesetz des Herrn vernichte Und das annehme, welches sie errichte. |
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104 | Das zu erreichen machte wenig Not, Theils weil man sorgte, daß in ihrem Grolle Marfisa mehr thun werd' als sie gedroht, Und alles tödten und verbrennen wolle; Theils war verhaßt beim Volke der Despot Und gleichfalls sein Gesetz, das grauenvolle; Es hatt' indeß gehorcht, wie immer fast Das Volk je mehr gehorcht, je mehr es haßt. 65 |
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105 | Weil keiner keinem traut, weil man die Klagen Einander nicht gestehn mag, läßt man ihn Die einen tödten, andere verjagen, Noch andren Hab' und Gut und Ehr' entziehn. Doch schrein die Herzen, was sie hier nicht sagen, Bis sie den Zorn des Himmels wach geschrien, Der, wenn auch spät, am Ende doch die Sache Ausgleichen wird mit ungeheurer Rache. |
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106 | Dies Volk nun, das von wildem Hasse brennt, Sucht sich durch Schmähn und Mishandlung zu rächen; Denn, wie das Sprichwort sagt, ein jeder rennt, Vom umgewehten Baume Holz zu brechen. Bedenkt dies Beispiel, ihr im Regiment! Dem bösen Thun wird böser Lohn entsprechen. Zu sehn, wie man den Frevel ihm vergalt, War ein Vergnügen jetzt für jung und alt. |
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107 | Sie, deren Schwestern, Töchter, Frau'n er bluten Und sterben ließ, jetzt kamen sie gerannt, Nicht mehr verbergend ihres Hasses Gluten, Um ihn zu tödten mit der eignen Hand. Und mühsam ward dies von den hochgemuten Jungfrauen und von Roger abgewandt, Die andrer Meinung waren: sterben sollt' er An Schmerzen und Entbehrungen und Folter. 66 |
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108 | Der Alten, die ihn haßte, wie ein Mann Nur jemals ward gehaßt von einem Weibe, Ward nackend überliefert der Tyrann, Gebunden, daß er unbeweglich bleibe, Und sie, zur Rache für ihr Leid, begann Ihn rot zu färben an dem ganzen Leibe Mit einem Stachel, einem Treiberstab, Den ihr ein Bauer in die Hände gab. |
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109 | Die Botin und die beiden Zofen nun, Die den erlittnen Schimpf noch nicht vergaßen, Ließen die Hände nicht im Schooße ruhn Und kamen sich zu rächen gleichermaßen. Indessen die Begier ihm wehzuthun Erschöpfte bald die Kraft, die sie besaßen; Doch jede stach mit Nadeln ihn, zerriß Ihn mit den Nägeln, steinigt' ihn und biß. |
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110 | Wie Bergstrom, wann das Schmelzen der Lawinen Und lange Regenflut ihn trotzig macht, Verwüstend mit den Felsen, mit Ruinen, Mit Wald und Saatfeld von den Bergen kracht, – Dann kömmt die Zeit, wo ihm die stolzen Mienen Vergehn, wo er beraubt wird seiner Macht, So daß ein Weib, ein Kind mit aller Muße Durchschreiten mag, und oft mit trocknem Fuße, – 67 |
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111 | So Marganorre: sonst, wer von ihm sprach, Wer seinen Namen hörte, bebt' erschrocken; Jetzt kam ein stärkrer über ihn und brach Die Hörner ihm; der Strom geriet ins Stocken; Und nun erweisen ihm die Kinder Schmach, Eins rauft den Bart, ein andres ihm die Locken. Roger inzwischen mit den Mädchen schlug Den Weg zum Berg ein, der die Festung trug. |
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112 | Die drinnen gaben ohne Widerstreben Das Schloß und reiches Gut in ihre Hand; Das wurde theils der Plündrung preisgegeben, Theils ward es auch Ullanien zuerkannt, Die dort den goldnen Schild auch und daneben Die drei gefangnen Kön'ge wiederfand. Ich glaub', ich hab' erzählt, wie sie zur Buße Das Land durchzogen, waffenlos, zu Fuße. |
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113 | Seit jenem Tag, wo Bradamante's Speer Sie aus dem Sattel hob, marschirten immer Sie ohne Waffen und zu Fuß einher Und wichen von Ullania's Seite nimmer. Ich weiß nicht ob der Mangel jeder Wehr Für diese damals besser war, ob schlimmer: Zwar besser war's, wenn sie ihr Schutz verliehn, Doch schlimmer, in dem Kampf den kürzren ziehn. 68 |
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114 | Sie wär' in diesem letztren Fall gerade Wie jede andre, die verteidigt ward, Zur Ahnengruft geschleppt, und ohne Gnade Hätt' ihrer da der Opfertod geharrt. Und im Vergleich mit Sterben ist der Schade, Entblößt zu werden, minder schlimm und hart; Der Schimpf, wie jeder Schimpf, erlischt, sobald Man sagen kann: ich litt ihn durch Gewalt. |
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115 | Eh sich die Kriegerinnen fortbegeben, Muß jeder schwören sonder Hinterlist Das Regiment den Frau'n zu übergeben Über die Stadt und was darinnen ist, Und den zu strafen, wer zu widerstreben Und dies Gesetz zu brechen sich vermißt. Kurz, was dem Mann zusteht in andren Landen, Wird hier als Recht dem Weibe zugestanden. |
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116 | Und noch geloben müssen sie sodann, Nie einem Fremden, der des Weges führe, Er sei nun Ritter oder Bauersmann, Einlaß zu gönnen in des Hauses Thüre, Der nicht bei allen Heil'gen schwören kann, (Wenn man nicht bessre weiß und stärkre Schwüre) Freundschaft den Frauen allezeit zu weihn Und immer ihrer Feinde Feind zu sein, 69 |
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117 | Und wenn er eine Frau hab' oder doch Einst haben würde, dann in seiner Ehe Gehorsam stets einherzugehn im Joch, So daß der Gattin Wille stets geschehe. Sie werde, sprach Marfisa, ehe noch Das Laub gefallen sei, nachschaun, und Wehe, Wenn dann nicht alles sei, wie sie's begehrt! Die Stadt gewärt'ge Feuer dann und Schwert. |
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118 | Und für Drusilla sorgten sie nicht minder. Man hob sie aus dem Kehricht und dem Kot Und legt' in eine Gruft sie und Olinder Mit allem Pomp, den diese Gegend bot. Die Alte macht' indeß dem Menschenschinder Den Rücken mit dem scharfen Stachel rot; Ihr that nur leid, daß ihr der Atem fehlte Und sie deshalb ihn nur mit Pausen quälte. |
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119 | Auf einem Platz vor einem Tempel fanden Die Kriegerinnen eine Säul', auf der Die Worte der verruchten Satzung standen, Die hier gegolten hatt' und weit umher. Die Jungfraun, gleichsam als Trophäe, banden An diese Säule Marganorre's Wehr Mit Schild und Helm, und ließen dann daneben Die Satzung schreiben, die sie selbst gegeben. 70 |
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120 | Sie blieben da, damit man Wort für Wort Marfisa's Regeln an die Säule schreibe. Das Gegentheil der andren, welche Mord Und Ungebür androhten jedem Weibe. Noch länger blieb Ullania an dem Ort, Die Kleider herzustellen; denn bei Leibe Will sie nicht an den Hof des Kaisers gehn Als in dem Staat, den sie sich ausersehn. |
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121 | Ullania blieb, und unter ihrer Wache Blieb Marganorre; doch ihr wurde bang, Er könnte, wenn er etwa los sich mache, Von neuem Mädchen plagen. Also zwang Sie ihn zu einem Sprung vom höchsten Dache, So hoch wie er noch nie im Leben sprang. Nichts mehr von ihr; wir müssen die begleiten, Die jetzt den Weg zurück nach Arles reiten. |
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122 | Den ganzen Tag ritt Roger mit den Damen, Und auch den zweiten Tag, hinab zum Meer, Bis sie an zwei getheilte Straßen kamen, Rechts nach der Stadt, links nach dem Christenheer. Die Liebenden umarmten sich und nahmen Vielmal'gen Abschied, – immer blieb er schwer. Zur Stadt ritt Roger, zu den Franken stießen Die Jungfraun, und für heute will ich schließen. 71 |