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Rogers Lehenstreue (1–6). Marfisa's Vorstellung am Hofe Karls und ihrer Taufe (7–23). Astolfs Rückkehr nach Nubien, Einsperrung des Südwindes und Heereszug nach Biserta (23–35). Agramants Kriegsrat (36–64). Vertrag zwischen Karl und Agramant, ihren Streit durch einen Zweikampf zwischen Rinald und Roger entscheiden zu lassen (65–90).
1 | Ihr, die ihr freundliches Gehör mir leiht, O liebenswürd'ge Frauen, ich erkannte An euren Mienen wohl, es that euch Leid, Daß Roger seiner Braut den Rücken wandte, Zum zweiten Mal, mit solcher Plötzlichkeit; Und euch betrübt es fast wie Bradamante. Und außerdem zieht ihr daraus den Schluß, Daß nicht sehr heiß sein Feuer brennen muß. |
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2 | Crassus, der Zeitgenosse Cäsars, war der Rothschild Roms. | Ja, hätt' er sich aus irgend andren Gründen Von ihr getrennt, trotz ihrem Widerstand, (Selbst wenn ihm größre Schätz' in Aussicht stünden, Als Crösus oder Crassus sein genannt,) So schien' auch mir sein Fortgehn zu verkünden, Daß nie sein Herz des Pfeiles Macht empfand; Denn süße Wonne, solches Glück erkaufen Könnt' er um Silber nicht noch Goldeshaufen. 72 |
3 | Hier aber, wo es galt die Ehre retten, War es verzeihlich, war es rühmenswert. Die Ehre, – denn im andren Falle hätten Ihn alle für beschimpft und feig erklärt. Und hätte sie hartnäckig ihn zu ketten Gesucht und seinen Urlaub ihm verwehrt, So wär's ein Zeugniß, das sie selbst sich schriebe, Von wenig Klugheit oder wenig Liebe. |
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4 | Denn wenn der Liebende des Liebsten Leben So sehr wie seins und mehr noch lieben muß, (Das heißt, ein Liebender, dem nicht nur eben Den Rock durchbohrt hat Amors Bogenschuß,) Wie muß er erst für jenes Ehre streben, Sie vorziehn jedem eigenen Genuß, Da Ehre doch mehr als das Leben wert ist, Das mehr als jedes andre Gut begehrt ist? |
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5 | Wenn Roger seinem Herrn in diesen Tagen Heerfolge leistet, thut er seine Pflicht. Unmöglich ist's den Dienst ihm aufzusagen In Ehren, da ihm jeder Grund gebricht. Und hat Almont den Vater ihm erschlagen, So trifft den Agramant der Vorwurf nicht; Der hatte reichlich ja an Roger später Durch Gnade gutgemacht die Schuld der Väter. 73 |
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6 | Darum thut Roger seine Schuldigkeit, Und sie that auch die ihre, wie wir sehen, Daß sie ihn gehn ließ ohne Widerstreit Und nicht, wie sie gekonnt, festhielt durch Flehen. Der Liebsten kann zu jeder andren Zeit, Wenn's heute nicht geschieht, ihr Recht geschehen; Doch wer der Ehr' einmal nur Unrecht thut, Der macht es nicht in hundert Jahren gut. |
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7 | Der Jüngling ritt nach Arles, wo in fester Verschanzung sein Gebieter Zuflucht fand. Dagegen Bradamant' und Rogers Schwester, Die Freundschaft jetzt und Schwägerschaft verband, Eilten dahin, wo Kaiser Karl in bester Schlachtordnung mit dem ganzen Heere stand, Um in der Feldschlacht oder durch Belagern Frankreich zu retten vor den fremden Plagern. |
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8 | Kaum hieß es, Bradamante sei gekommen, So herscht' im Lager Jubel, Freud' und Glück. Ein jeder neigte sich, hieß sie willkommen, Und nickend gab sie jeden Gruß zurück. Sobald Rinald die Kunde hat vernommen, Geht er entgegen ihr ein gutes Stück; Die Brüder kommen, Vettern und Vasallen, Und froh wird sie begrüßt von ihnen allen. 74 |
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9 | Als ruchbar ward, das andre Fräulein sei Marfisa, deren Ruhm die Welt durchtönte, Die bis an Spaniens Marken von Katai Siegprangend komme, die triumphgekrönte, Da strömte vornehm und gering herbei, Da sprang empor, wer erst der Ruhe fröhnte, Da stieß und quetscht' und schob sich im Gedränge, Das schöne Frauenpaar zu sehn, die Menge. |
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10 | Als sie vor Karl voll Ehrerbietung traten, Sah man zum ersten Male (schreibt Turpin) Marfisa knieen. Viele Potentaten Sah sie im Leben, aber keiner schien, So reich er war, so glänzend seine Thaten, Ihr solcher Ehre würdig. Aber ihn, Den großen Karl, hielt sie für tapfrer, weiser Als irgend einen König oder Kaiser. |
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11 | Und Karl empfing sie hold und väterlich Und schritt aus seinen Zelten ihr entgegen Und setzte sie zur Rechten neben sich, Wo sonst nur Könige zu sitzen pflegen. Entlassen ward, wer nicht von selbst entwich; Nur wen'ge blieben, gute nur, zugegen; Es blieben Paladin' und große Herrn; Das niedre Volk stand draußen und von fern. 75 |
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12 | Der tirynthische Sund ist die Straße von Gibraltar, so genannt, weil Hercules, dessen Säulen den Sund kennzeichnen, in Tiryns geboren war. | Marfisa nahm mit sanftem Ton das Wort: »Erhabner Cäsar, ruhmgekrönter Sieger, Der vom tirynthischen Sund bis Indiens Bord, Vom Schnee der Scythen bis zum heißen Niger Das Kreuz gepflanzt hat, aller Gnaden Hort, Gerechter, weiser Fürst, der Wahrheit Krieger, Dein Ruhm, den keine Schrank' umschlossen hält, Hat mich hieher geführt vom Saum der Welt. |
13 | »Die Wahrheit zu gestehn, mich trieb der Neid; Krieg wollt' ich führen wider deine Heere, Damit ein Fürst von solcher Herrlichkeit Nicht andren Glaubens als ich selber wäre. Ich rötete die Fluren weit und breit Mit Christenblut und sann auf andre schwere Drangsal als deine bittre Gegnerin; Da plötzlich wandt' ein Zufall meinen Sinn. |
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14 | »Auf welche Art, will ich dir später sagen; Als ich dir schaden wollte, ward mir klar, Daß Roger, den des Bruders Tück' erschlagen, Roger von Risa mein Erzeuger war. Die Mutter hatt' im Schooße mich getragen Nach Libyen, wo sie sterbend mich gebar. Ein Zaubrer hat mich sieben Jahr erhalten; Dann raubte mich arabisch Volk dem Alten. 76 |
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15 | »In Persien verkaufte mich die Bande An einen König, und ich schlug ihn todt Und seinen Hof, als ich erwuchs; denn Schande Und Raub der Ehre hatt' er mir gedroht. Sein arg Geschlecht vertrieb ich aus dem Lande Und nahm das Reich, und wie das Glück es bot, Hatt' ich mir sieben Königreich' erstritten, Als achtzehn Jahr' ich kaum noch überschritten. |
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16 | »Und wie gesagt, aus Neid vor allen Dingen, Aus Neid auf deinen Ruhm faßt' ich den Plan, Von deiner Höhe dich herabzubringen, – Vielleicht gelang's, vielleicht war es ein Wahn. Jetzt aber senkt mein Ungestüm die Schwingen, Und jener Wunsch ist todt und abgethan, Seit ich nach meiner Ankunft ausgefunden, Ich sei durch Schwägerschaft mit dir verbunden. |
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17 | »Wie dir mein Vater treu war und verwandt, So will auch ich nun treu dir und verwandt sein, Und jener blinde Neid, den ich empfand, Soll immerdar aus meiner Brust verbannt sein. Mein ganzer Haß soll wider Agramant Und seines Vaters ganzes Haus gewandt sein Und seines Ohms; denn diese beiden haben Die umgebracht, die mir das Leben gaben.« 77 |
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18 | Und, fuhr sie fort, sie wolle Christum ehren, Und wenn es Karl erlaub' und Agramant Zuvor vertilgt sei, heim gen Osten kehren, Und taufen wolle sie ihr ganzes Land Und dann mit Waffen jene Welt bekehren, Wo man Macon verehr' und Trivigant; Auch solle, was sie noch erkämpf' auf Erden, Des Kaisers und des wahren Glaubens werden. |
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19 | Karl, der nicht weniger beredt als weise Und tapfer war und kühn im Waffenstrauß, Pries die erlauchte Maid mit hohem Preise Und ihren Vater und ihr ganzes Haus Und stand ihr freundlich Red' in jeder Weise, Und wie er's meinte, sprach sein Antlitz aus, Und schließlich mit dem letzten Worte nannte Er liebe Tochter sie und Anverwandte. |
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20 | Und dann erhob er sich, umarmte sie Und küßte wie ein Vater ihre Wange. Die von Mongrana kamen jetzt und die Von Claramont zu fröhlichem Empfange. Langwierig wär' es zu erzählen, wie Rinald sie ehrte, der im Waffengange Sie oft bewundert hatt' in jenen Tagen Als er und sie vor Schloß Albracca lagen. 78 |
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21 | Gedächtnißfehler sind so selten im R. R., daß hier einer bemerkt werden mag. Samson befindet sich als Rodomonts Gefangener in Afrika, (Ges. 35 Str. 53) und kann folglich nicht vor Arles liegen. | Verschweigen muß ich auch, wie sehr Guidon Sich freute, die Gefährtin hier zu schauen, Desgleichen Samson, Aquilant, Grifon, Die mit ihr waren in der Stadt der Frauen, Und Bovo's Söhn' und Haimons jüngster Sohn, Die ihre Hilf' erprobt beim Niederhauen Der falschen Mainzer und der schnöden Bande Von Menschenhändlern aus dem span'schen Lande. |
22 | Sie machten für die nächste Mittagszeit (Und Karl wollt' in Person nach allem sehen) Mit Pomp und Schimmer einen Platz bereit, Marfisa's Taufe festlich zu begehen. Die Bischöf' und die hohe Geistlichkeit, Die sich aufs christliche Gesetz verstehen, Ließ Karl zusammenrufen, und von diesen Ward sie im heil'gen Glauben unterwiesen. |
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23 | Im hohenpriesterlichen Festornate Kam Erzbischof Turpin und taufte sie. Karl selbst hob aus dem Bad des Heils die Pathe Mit aller schicklichen Ceremonie. Nun wär' es aber Zeit, daß Rettung nahte Dem kranken Hirn durch jene Flasche, die Astolf vom untern Himmel hat getragen, Herniederfahrend auf Elias' Wagen. 79 |
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24 | Er fuhr herab, bis auf der höchsten Spitze Des Erdballs sich der Wagen niederließ, Die Flasche tragend, die dem kranken Witze Des großen Paladins Heilung verhieß. Ein Kraut, das wunderbare Kraft besitze, Zeigt' ihm Johannes und befahl ihm, dies Zu nehmen und nach Nubien zu eilen, Des Königs Augen mit dem Kraut zu heilen, |
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25 | Damit ihm der zum Dank für die Arznei Mannschaften geb' und nach Biserta sende. Wie er dies Volk, das unerfahren sei, Bewaffnen soll' und üben zu dem Ende Und wie er sicher durch die Wüstenei Gelange, wo der Sand die Menschen blende, Was Punkt für Punkt zu thun sei auf der Reise, Das lernt' er alles von dem heil'gen Greise. |
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26 | Dann stieg er wieder auf das Flügelroß, Das Atlas einst und Roger hat getragen, Und säumte nicht dem Paradiesesschloß Und dem Apostel Lebewohl zu sagen. Dem Wege folgend, wie der Nilstrom floß, Sah er gar bald die Stadt der Nubier ragen Und senkte sich herab auf den Palast Und ward von neuem des Senapus Gast. 80 |
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27 | Groß war die Freud' und die Zufriedenheit, Als man dem Herrn die Nachricht überbrachte, Der dankbar noch an das vergangne Leid Und die Vertreibung der Harpyien dachte. Als vollends nun Astolf die Zähigkeit Des Saftes löste, welcher blind ihn machte, Und ihm das Licht zurückgab, wollt' er ihn Wie einen Gott anbeten auf den Knie'n. |
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28 | Er gab ihm nicht nur Volk, wie er's begehrte, Um mit Biserta Krieg zu führen, nein, Noch hunderttausend drüber, und erklärte, Er wolle selbst Astolfs Begleiter sein. Zu Fuß war alles Volk, gleichwohl gewährte Das offne Feld kaum Platz und schien zu klein. Denn Nubien ist ein Land, dem Pferde fehlen, Doch reich an Elefanten und Kamelen. |
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29 | Den Abend, eh der große Marsch begann, War auf sein Flügelroß Astolf gestiegen Und trieb gen Mittag es zu eilen an, Bis er den Berg sah in der Tiefe liegen, Aus dessen Schooß der Südwind kömmt, um dann Stracks auf den Himmelsbären los zu fliegen. Er fand die Höhle bald, aus deren Schacht Der wütende vorbricht, wann er erwacht. 81 |
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30 | Notus ist einer von den klassischen Namen des Südwindes. | Und nach dem Rat, den er aus heil'gem Munde Vernommen, hatt' er einen Schlauch zur Hand, Und während tief im finstren Bergesschlunde Der wilde Notus schlief, nahm er und band Den leeren Schlauch ganz leise fest am Spunde. Die Schlinge blieb dem Südwind unbekannt, Und als er Morgens nach gewohntem Brauche Ausfahren wollte, fing er sich im Schlauche. |
31 | Der Herzog kehrte froh mit seinem Fang Zurück nach Nubien, und am selben Morgen Setzt' er die schwarze Truppenmacht in Gang, Vergaß auch nicht für Proviant zu sorgen, Und führte seinen Zug die Straß' entlang Dem Atlas zu, vor aller Not geborgen, Durch all den feinen Sand der Wüstenpfade, Niemals befürchtend, daß der Wind ihm schade. |
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32 | Und als man eintraf vor den Bergeskuppen, Wo Strand und Meer sich überblicken ließ, Erlas Astolf den besten Theil der Truppen, Der sich am tüchtigsten zum Dienst erwies, Und stellt' ihn hier und dort, vertheilt in Gruppen, Vor einen Berg, der an die Ebne stieß. Da ließ er sie und stieg hinauf zum Berge, Als ob sein Geist ein groß Vorhaben berge. 82 |
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33 | Und dann die Kniee beugend, rief er laut Zu seinem Meister, dem gebenedeiten, Auf dessen Hilfe gläubig er vertraut, Und ließ vom Abhang Steine niedergleiten. O viel mag wagen, wer auf Christus baut! Die Steine, gegen ihre Art, erweiten Und dehnen sich und kommen vom Gefelse Und bilden Beine, Bäuche, Köpf' und Hälse. |
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34 | Mit hellem Wiehern kamen sie zur Erde Herabgetanzt, und angelangt im Thal, Schüttelten sie die Krupp' und wurden Pferde, Eins braun, ein andres grau, ein drittes fahl. Die Krieger unten harrten auf die Herde Und fingen sie, und so mit einem Mal War jeder wohl beritten; denn der Hügel Gebar die Pferde gleich mit Zeug und Zügel. |
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35 | So macht' Astolf aus Fußvolk plötzlich Reiter, Im ganzen achtzigtausend hundert vier. Sengend und plündernd zog der Haufe weiter Von Ort zu Ort in Agramants Revier. Der hinterließ daheim drei wackre Streiter, Den König Fersa's, den von Algazier Und seinen Freund Branzard, des Reichs zu pflegen, Und diese rückten jetzt Astolf entgegen. 83 |
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36 | Sie hatten schon ein flinkes Schiff entsandt, Das Ruder und auch Segelschwingen regte, Dem Agramant zu melden, daß ins Land Der Nubier kam und alles niederfegte. Das Schiff fuhr Tag und Nacht, bis es am Strand Der Provenzalen sich vor Anker legte. Dort fand es seinen König halberdrückt; Denn dicht vor Arles schon war Karl gerückt. |
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37 | Als er vernahm, sein Reich geh' ihm zu Grunde, Indeß er fecht' ums Erbe des Pipin, Schickt' Agramant noch in derselben Stunde Zu seinen Fürsten, sie zu Rat zu ziehn. Sein Auge schweift' ein paarmal in die Runde, Marsil zuerst anblickend, dann Sobrin, Die ältesten und klügsten in dem Kreise; Dann hob er an und sprach in dieser Weise. |
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38 | »Ich weiß, für einen Feldherrn klingt's nicht fein, Zu sagen, diesen Fall hab' ich vergessen; Doch sag' ich es; denn tritt ein Unglück ein, Das fern lag allem menschlichen Ermessen, So dünkt mich, ist der Irrtum zu verzeihn. So liegt's. Ich habe mich geirrt und dessen Mich nicht versehn, was jetzt der Nubier thut, Und Afrika blieb ohne Schutz und Hut. 84 |
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39 | »Wer aber dachte je, als Gott allein, (Denn er vermag die Zukunft zu erkennen,) Daß je ein Volk so tollkühn würde sein, Ein so entlegnes Land zu überrennen, Von dem die unwegsamen Wüstenein Wehenden Sandes seine Grenze trennen? Und dennoch ist es da und hat das Land Schon halb verhert, Biserta schon berannt. |
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40 | »Jetzt ratet, was ich thun soll? ohne Lohn Von hinnen gehn mit allen meinen Scharen? Den Krieg fortsetzen, bis mit uns der Sohn Pipins gefangen muß nach Libyen fahren? Kann ich zugleich den kaiserlichen Thron Umstürzen und den meinen mir bewahren? Wer unter euch es weiß, der rede nun, Daß wir das beste sehn und dann es thun.« |
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41 | So sprach der Herscher, und sein Auge schien Dem König von Hispanien mit dem Blicke Zu sagen, daß zu reden sich für ihn Zuerst und vor den andren Fürsten schicke. Und der erhob sich, neigte mit den Knie'n Sich ehrerbietig, auch mit dem Genicke, Und wieder auf den Ehrensessel dann Gemach sich niederlassend, hob er an: 85 |
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42 | »Ob ein Gerücht Glück meldet oder Leid, Zu wachsen pflegt es stets auf seinem Wege, Daher ich weder Hoffnungslosigkeit Noch allzu viel Vertraun zu fühlen pflege Im guten wie im schlimmen Lauf der Zeit. Stets bleibt in mir so Furcht wie Hoffnung rege, Daß kleiner sei und auch von andrer Art, Was durch so viele Zungen ihr erfahrt. |
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43 | Die Schlußzeilen spielen auf Herodots Erzählung an, daß ein persisches Heer, welches Cambyses nach dem Heiligtum des Jupiter Ammon entsandte, in der libyschen Wüste von einem Sandsturm vernichtet ward. | »Ich mess' ihm um so wen'ger Glauben bei, Je mehr es mit Wahrscheinlichkeit im Streit ist. Nun frag' ich, ob es wohl wahrscheinlich sei, Daß ein Monarch, deß Reich von uns so weit ist, Mit so viel Menschen, so viel Reiterei Afrika angreift, das so kampfbereit ist, Den Wüstensand durchschreitend, wo Cambyses Sein Heer verlor? Verloren wär' auch dieses. |
44 | »Wohl glaub' ich, daß arabisch Volk vom Rande Der Wüste kam und lästig sich erwies Und mordet' oder raubte, wo die Bande Auf wenig Widerstand der deinen stieß, Und daß Branzard, den dein Vertraun im Lande Als Vicekönig und Verweser ließ, Tausend für jede zehn in Rechnung stellte, Damit er selber für entschuldigt gelte! 86 |
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45 | »Gesetzt sogar, die Nubier wären da, Daß durch ein Wunder sie vom Himmel schneiten Oder im Nebel kamen, (denn es sah Kein Mensch zuvor sie auf den Straßen schreiten,) – Meinst du, dies Volk erober' Afrika, Wenn du nicht eilest, wider sie zu streiten? Deine Besatzung steckt in schlechter Haut, Wenn ihr vor Schwächlingen wie diesen graut. |
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46 | »Schick' ein'ge Schiffe diesen Räuberstämmen, Zeig' ihnen aus der Ferne dein Panier, – Eh wir die Taue lösen von den Dämmen, Sind sie zurückgeflohn in ihr Revier, Gleichviel ob Araber, ob Nubiens Memmen. Nur weil die Bande weiß, du weilest hier, Von deinem Reiche durch das Meer geschieden, Schwoll ihr der Kamm und brach sie dir den Frieden. |
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47 | »Jetzt nutze hier zur Rache deine Zeit, Dieweil der Neffe Karls den Ohm verlassen. Wenn Roland fern ist, widersteht im Streit Kein einz'ger dir von jenen, die dich hassen. Willst du in Blindheit oder Lässigkeit Den hohen Sieg, der deiner harrt, verpassen, So zeigt er statt der Stirn dir das Genick, Und uns erwartet Schimpf und Misgeschick.« 87 |
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48 | So redete der Spanier fein und klug, Damit der Kriegsrat sich dazu verstehe, Nicht heimzukehren mit dem Heereszug, Eh er den Kaiser nicht vertrieben sehe. König Sobrin jedoch, der klar genug Einsah, wohin der Weg des andren gehe Und daß er mehr des eignen Vortheils wegen Als für das Ganze rede, sprach dagegen: |
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49 | »Herr, hätte meine Ahnung doch getrogen, Als ich dir abriet in den Krieg zu ziehn, Ach, oder hätte (da sie nicht gelogen) Bei dir der Rat des redlichen Sobrin Mehr als die Keckheit Rodomonts gewogen, Als Marbalust, Alzird und Martasin! O daß ich jetzt sie hier an dieser Stätte, Zumal den Rodomont, vor Augen hätte, |
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50 | »Um ihn zu mahnen, daß er einst das ganze Frankreich zerknicken wollte wie ein Rohr, Daß er durch Höll' und Himmel deiner Lanze Nachschreiten wollte, wenn nicht gar zuvor. Jetzt in der Not hält er sich fern vom Tanze, Verlottert seine Zeit, kratzt Bauch und Ohr, Und ich, den sie verzagt und feige schalten, Weil ich die Wahrheit sprach, hab' ausgehalten 88 |
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51 | »Und werde stets aushalten, bis die Frist Des Lebens abläuft, das trotz achtzig Jahren Täglich bereit sich dir zu opfern ist Im Kampfe wider Frankreichs beste Scharen. Kein Mensch soll sagen, weder Mohr noch Christ, Daß meine Thaten je verächtlich waren. Wer hat denn mehr und nur so viel gethan Von allen, die auf mich herunter sahn? |
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52 | »Dies alles sag' ich nur, damit man sieht, Daß, was ich einst geraten und aufs neue Dir raten werde, nicht die Feigheit riet, Auch falsches Herz nicht, sondern wahre Treue. Ich rate dir, kehr' heim in dein Gebiet, So schnell du kannst, und spare dir die Reue; Denn thöricht ist, wer eignes Gut verspielt, Weil er nach dem Besitz des andren zielt. |
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53 | »Ob der erzielt ward, weißt du. Folgten dir Nicht zweiunddreißig König' als Vasallen? Wenn ich uns heute zähle, find' ich hier Den dritten kaum; die andren sind gefallen. Gott lass' es dabei bleiben, aber mir Ist bange, wenn du fortfährst, daß von allen Der vierte kaum, der fünfte übrig bleibt Und rettungslos dein Volk ins Unheil treibt. 89 |
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54 | »Daß Roland fehlt, ist gut: wo wen'ge blieben, Da wäre sonst kein einziger vielleicht; Es wird um etwas unsren Sturz verschieben, Denkt nicht, daß darum die Gefahr entweicht. Da ist Rinald, der euch mit scharfen Hieben Bewiesen hat, daß er dem Roland gleicht; Da sind die Paladin' und Montalbaner, Der ew'ge Schrecken unsrer Afrikaner. |
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55 | »Auch jenem zweiten Mars begegnen wir, (Ich muß ihn loben, dünkt es gleich mir bitter,) Dem tapfren Brandimart; auch der ist hier, Und Roland selbst ist kaum ein bessrer Ritter. Was er vermag, hab' ich erprobt an mir Und seh' und hör' es auch auf Kosten dritter. Auch ging ja Roland lange schon von dannen, Und wir verloren mehr als wir gewannen. |
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56 | »Verloren wir vorher, so, fürcht' ich, droht Noch mehr Verlust uns für die nächsten Tage. Den tapfren Mandricard nahm uns der Tod; Gradasso mied uns seit der Niederlage; Marfisa läßt allein uns in der Not, Nicht minder Rodomont, von dem ich sage, Wär' er, so wie er stark ist, treu und ehrlich, Gradasso wär' und Mandricard entbehrlich. 90 |
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57 | »Wo uns die beste Hilfe wird genommen, Wo Tausende vernichtet sind vom Schwert Und die noch kommen sollten, längst gekommen, Kein Schiff in See, das unsre Zahl vermehrt, – Sind vier zu Karl gestoßen, so vollkommen Wie Roland und Rinald, wie sie geehrt, Und das mit Recht: von Indern bis zu Iren Trifft man kein Gegenstück zu diesen vieren. |
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58 | »Ich weiß nicht, ob du weißt, Herr, wer Guidon ist Und Samson und Grifon und Aquilant. Vor allen fürcht' ich die. Denn kein Baron ist, Kein Herzog, ob ihn nun das deutsche Land Geboren, ob er andrer Länder Sohn ist, So furchtbar wie die vier, die ich genannt, Wennschon ich auch die andren nicht verachte, Die uns zum Schaden Karl zusammenbrachte. |
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59 | »So oft du ausrückst, wirst du vor den Thoren Den kürzren ziehn, erliegen in der Schlacht. Wenn Afrika und Spanien oft verloren, Als unser sechzehn waren gegen acht, Wie wird es gehn, nun wider uns verschworen Europa sich gesellt zu Frankreichs Macht, Zum Angriff zwölf, nur sechs zum Widerstande? Was kann daraus entstehn als Tod und Schande? 91 |
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60 | »Wenn du aus Trotz uns hier ausharren ließest, Verlörst du hier dein Heer und dort dein Reich; Dagegen wenn du heimzuziehn beschließest, So rettest du den Staat und uns zugleich. Zwar wär' es, wenn du jetzt Marsil verließest, Ein undankbarer, dein unwürd'ger Streich; Doch dem ist abzuhelfen: mache Frieden! Wenn du nur willst, ist Karl es gern zufrieden. |
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61 | »Und solltest du für schimpflich es erachten, Zu bitten, weil du der gekränkte bist, Und sehnst du dich so sehr nach Kampf und Schlachten, Obwohl man leicht, wohin es führt, ermißt, So mußt du wenigstens zu siegen trachten, Was, wenn du mir vertraust, noch möglich ist: Wähl' einen Ritter aus, und dieser fechte Den Handel aus, und Roger wär' der rechte. |
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62 | »Ich weiß und du weißt auch, Mann wider Mann Kann unser Roger mit dem Schwert und Speere Nicht wen'ger als Rinald und Roland kann, Als irgend einer kann im Christenheere. Fängt aber eine große Feldschlacht an, – Wenn seine Kraft auch übermenschlich wäre, So wär' er doch nur einer und nicht mehr Und hätt' ein Dutzend Gegner stark wie er. 92 |
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63 | »Ich meine, Herr, wenn du es meinst, daß wir Vorschlügen dort, damit der Hader endet, Damit das Blut aufhört, das beide ihr (Du seines, er das deine) hier verschwendet, Daß Karl und du ein jeder zum Turnier Von seinen kühnsten Kriegern einen sendet; Der ganze Krieg sei auf die zwei gestellt, Bis einer siegt und bis der andre fällt, |
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64 | »Mit dem Vertrag, daß der besiegte Mann Sein Volk dem andren Volk zinspflichtig mache. Ich glaube, Karl nimmt die Bedingung an, Wennschon er sieht, daß ihm das Kriegsglück lache. Auf Rogers starken Arm vertrau' ich dann, Daß er den Sieg gewinnt für unsre Sache. Wir haben so das Recht auf unsrer Seite, Daß Mars ihn nicht bezwäng' in solchem Streite.« |
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65 | Mit solchen Worten und noch stärkren wandte Sobrin die Sache zum gewünschten Ziel. Man wählte flugs die Boten aus und sandte Zum Kaiser sie. Der Kaiser, der so viel Berühmte Krieger hatte, weltbekannte, Hielt diesen Zweikampf für gewonnen Spiel, Das er dem guten Schwert Rinalds vertraute, Auf den, nächst Roland, er am meisten baute. 93 |
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66 | In beiden Heeren gab's ein Freudenfest, Als man erfuhr von diesem weisen Schlusse. Der Krieg, der Seel' und Leib nicht ruhen läßt, Ward allen lästig und zum Überdrusse. Ein jeder nahm sich vor, des Lebens Rest Der süßen Ruh zu weihn und dem Genusse; Ein jeder hatte längst den Zorn verdammt, Der all den Streit und Hader hatt' entflammt. |
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67 | Stolz war Rinald, als man ihm hinterbrachte, Daß Karl für so gewicht'gen Kampf wie den Vor allen ihn vertrauenswürdig achte, Und freute sich an solch ein Werk zu gehn. Er hielt nicht viel von Roger, sondern dachte Der könne nimmermehr vor ihm bestehn, Sei ihm nicht ebenbürtig, fast noch Knabe, Wennschon er Mandricard getödtet habe. |
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68 | Der gute Roger fühlt sich andrerseits Zwar sehr geehrt, daß ihn sein König wähle Und die Entscheidung dieses großen Streits In seine, als des besten, Hand befehle; Doch zeigt' er sich betrübt, voll Herzeleids: Nicht etwa so, als ob die Furcht ihn quäle, – Furcht vor Rinald? ihn machte Furcht nicht bleich, Käm' auch noch Roland mit Rinald zugleich. 94 |
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69 | Nein, er erschrickt, weil er an seine treue Geliebte Braut, Rinaldens Schwester, denkt, Die ihn mit Briefen peinigt, ihn zur Reue Anspornend, weil er sie so schwer gekränkt. Häuft er auf alte Sünden nun die neue, Daß er den Speer auf ihren Bruder lenkt, So wird sich ihre Lieb' in feindlich Hassen Verwandeln und sich schwer versöhnen lassen. |
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70 | Wenn Roger schweigend seinen Schmerz ertrug Ob dieses Kampfs, zu dem ihn andre zwangen, So war sein liebes Weib, das bald genug Die Kund' erfuhr, in Thränen fast zergangen. Sie raufte sich das goldne Haar, zerschlug Die schöne Brust und die unschuld'gen Wangen Und schalt mit Wehgeschrei und Jammerton Auf Rogers Undank und des Schicksals Hohn. |
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71 | Der Zweikampf mög' ausgehen, wie er wolle, Für sie kann nichts als Leid daraus entstehn. Daß Roger stirbt, – sie will das grauenvolle Nicht denken, denn ihr Herz droht stillzustehn. Hat aber Gott beschlossen, Frankreich solle Um seiner Frevel willen untergehn, Dann stirbt ihr Bruder, und am selben Tage Trifft sie das Schicksal mit noch härtrem Schlage. 95 |
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72 | Sie wird nicht anders als mit Schande dann Und von dem Zorn der ihrigen getroffen Hintreten können zu dem theuren Mann Im Angesicht der Menschen, frei und offen, Worauf sie doch, wenn sie im stillen sann, Bei Tag und Nacht nie aufgehört zu hoffen. Und ein Verlöbniß wie das ihre bricht Kein Widerruf und auch die Reue nicht. |
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73 | Sie aber, die so oft in bösen Tagen Der Bradamante hilfreich sich erwies, Melissa mein' ich, der dies bittre Klagen, Dies Schrein und Schluchzen keine Ruhe ließ, Kam sie zu trösten, Hilfe zuzusagen, Sobald es an der Zeit sei. Sie verhieß Den Kampf zu stören, eh er sich entscheide, Um den sie wein' und solche Angst erleide. |
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74 | Rinald und Roger setzten unterdessen Die Waffen für den großen Kampf in Stand. Sie zu bestimmen stand in dem Ermessen Des Ritters, den der Kaiser hatt' ernannt, Und weil Rinald zu Pferde nicht gesessen, Seitdem das gute Roß Bajard verschwand, So wollt' er, daß der Strauß zu ebner Erde Mit Dolch und Streitaxt ausgefochten werde. 96 |
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75 | Mocht' es ein Zufall, mocht' es Klugheit sein Von Malagis, der Vorsicht liebt zu pred'gen Und weiß, wie Balisarde ungemein Begierig ist, Harnische zu beschäd'gen, Kurz, beide Krieger kommen überein, Beim Kampfe sich des Schwertes zu entled'gen. Als Platz erkor man, wenig Schritte nur Vom alten Arles, eine weite Flur. |
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76 | Kaum hatte nun die Weckerin Aurore Den Kopf aus Tithons Haus hervorgestreckt Und so den Morgen und die erste Hore Des anberaumten großen Tags geweckt, Da kamen aus dem Feld' und aus dem Thore Die Ordner, und der Platz ward abgesteckt. Rechts stand das erste Zelt und links das zweite Und ein Altar an jedes Zeltes Seite. |
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77 | Bald kamen wohlgeordnet Schar auf Schar Die Heiden angerückt, in ihrer Mitte Der König, der in voller Rüstung war, Pomphaft und prächtig nach Barbarensitte. Auf braunem Roß mit schwarzem Mähnenhaar Und weißer Stirn, mit ihm in gleichem Schritte, Kam Roger, und Marsil ritt hinter ihnen, Der nicht zu stolz war Roger zu bedienen. 97 |
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78 | Hectors Helm ist durch die Ilias, den »größeren Gesang«, berühmt geworden. | Den Helm, den er in heißem Waffengang Sich vom Tartarenkönig mußt' erstreiten, Den Helm, berühmt durch größeren Gesang, Den Troja's Hector trug in alten Zeiten, Trägt ihm Marsil den ganzen Weg entlang. Die andren Reichsbaron' und Fürstlichkeiten Theilen die andren Waffen unter sich, Besetzt mit Gold und Steinen königlich. |
79 | Zugleich kam an der Spitze seines Heers Der König Karl hervor aus seiner Schanze, In solcher Weis' und Schlachtordnung, als wär's Der Zug zu einem blut'gen Waffentanze, An seiner Seite die berühmten Pairs Und auch Rinald im vollen Waffenglanze, Nur daß den Helm weiland Mambrins für ihn Der Däne Holger trug, der Paladin. |
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80 | Die eine seiner zwei Streitäxte trug Herr Naims und König Salomo die zweite. Auf einer Seite hielt der Christen Zug, Spanien und Afrika auf jener Seite, Und zwischen beiden blieb noch Feld genug, Das leer war und bestimmt zum letzten Streite. Es war verfügt, daß, wer sich dem Bezirke Zu nahe wage, seinen Kopf verwirke. 98 |
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81 | Die zweite Wahl der Waffen zu entscheiden Fiel Rogern zu. Zwei Priester traten dann, Ein christlicher und einer von den Heiden, Von rechts und links mit einem Buch heran. Das eine war die Schrift von Christi Leiden Und Tod, das andre war der Alkoran. Das Evangelium ließ Karl sich reichen, Und Agramant das andre Buch desgleichen. |
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82 | Dann trat an den Altar zuerst der Christ Und sprach daselbst mit aufgehobnen Händen: »Allmächt'ger Gott, der du gestorben bist, Um uns nicht in den ew'gen Tod zu senden, O Jungfrau, die so hoch gewürdigt ist, Daß Gott, um sich im Fleisch uns zuzuwenden, Neun Mond' in deinem heil'gen Schooß gewohnt hat Und deines Magdtums Blume doch geschont hat, |
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83 | »Bei euch und sonder Arglist und Gefährde Gelob' ich für mich selbst und für mein Haus, Daß ich dem Agramant je zwanzig Pferde, Und seinen Erben auch, Jahr ein Jahr aus, Mit seinem Gold beladen, liefern werde, Wenn unser Kämpe fällt in diesem Strauß, Und Waffenstillstand dann ihm will gewähren, Der gleich beginnen soll und ewig währen. 99 |
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84 | »Und brech' ich dies, dann treff' am selben Tage Mich euer beider schreckliches Gericht, Das mich allein und meine Kinder schlage, Und andre, die mir folgen, treff' es nicht; Damit ein jeder merke, was es sage, Wenn man die euch geschwornen Eide bricht.« So sprach er, seinen Blick gen Himmel lenkend, Die rechte Hand aufs Evangelium senkend. |
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85 | Dann trat man an den andern Feldaltar, Der prächtig aufgeschmückt war von den Heiden, Und Agramant gelobte seine Schar Nach Haus zu führen, Frankreich ganz zu meiden Und ihm Tribut zu zahlen Jahr für Jahr, Wenn Roger fall' im Kampfe jener beiden, Und ew'ge Waffenruh versprach auch er Mit den Bedingungen wie Karl vorher. |
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86 | Anrufend dann den großen Mahomed Schwört er auf jenes Buch des Heidenpfaffen, Den Pact, der zwischen ihnen jetzt besteht, Zu halten und ihm Geltung zu verschaffen. Dann trennen sie sich schleunig, jeder geht Zurück zu seinem Volk und seinen Waffen. Nun trat das Kämpferpaar zum Eide vor, Und dies enthielt der Eid, den jeder schwor: 100 |
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87 | Roger versprach, wenn Agramant darein Ihm reden sollt', um das Gefecht zu stören, So woll' er fürder nicht sein Ritter sein Und Lehnsmann, sondern Dienst dem Kaiser schwören. So schwor Rinald auch, mische Karl sich ein Und nötig' ihn mit Kämpfen aufzuhören, Eh einer falle von des andren Hand, So tret' er in den Dienst des Agramant. |
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88 | Als die Ceremonie beendigt war, Traten die Herrn zurück nach beiden Seiten. Nicht lange rasten sie, denn hell und klar Ruft der Trompetenstoß sie auf zum Streiten. Jetzt aufeinander rückt das kühne Paar, Und kunstgerecht sieht man sie näher schreiten, Und nun beginnt der Kampf, das Eisen schallt, Bald niedrig kreisend, hochgeschwungen bald. |
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89 | Jetzt fliegt der Hammer, jetzt der schwere Stiel Bald nach dem Fuß, bald wieder nach dem Haupte, Mit solcher Schnelle, so geschicktem Spiel, Daß niemand mir, wenn ich's erzählte, glaubte. Ein Bruder aber, ach, war Rogers Ziel, Deß Schwester ihm die arme Seele raubte, Und so behutsam schlug er auf Rinald, Daß er deshalb für minder tapfer galt. 101 |
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90 | Mehr sich zu decken sucht' er als zu schlagen Und schien sein eignes Herz nicht zu verstehn. Rinald zu tödten würd' ihm nicht behagen, Doch wollt' er auch nicht selbst zu Grunde gehn. Hier aber scheint der Punkt mir, muß ich sagen, Zu rasten, eh wir nach dem weitren sehn. Wollt' ihr beim folgendem Gesang nicht fehlen, Will ich's im folgenden Gesang erzählen. 102 |