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Das neue Gesetz gegen die Freiheit aller Farbigen, so wie gegen jede Aufklärung derselben, wurde in diesen Tagen in der Gesetzgebung von Virginien berathen, und die Verhandlungen darüber erregten insbesondere das lebhafteste Interesse der Einwohnerschaft von Richmond.
Lincolns Thätigkeit wurde sehr in Anspruch genommen, da er die erste Veranlassung zu obigen Berathungen gegeben hatte, und wenn er auch dabei nicht selbst mitwirken konnte, so machte er doch seine Ansichten bei den Mitgliedern des gesetzgebenden Körpers geltend, und suchte sie dafür zu stimmen. Dies geschah nun in den Zeiten, wo keine Sitzung stattfand, besonders in den Trinkhäusern, auf den Promenaden und in den Straßen. Alles hatte sein Augenmerk auf den talentvollen jungen Advokaten gerichtet, und wo er sich sehen ließ, sammelte sich das Volk um ihn und veranlaßte ihn, den Gegenstand zu besprechen. Das Gesetz erschien dann auch wirklich, wonach kein freier Farbiger mehr im Staate verweilen und keinem, frei oder Sclave, gestattet werden durfte, lesen zu lernen, es wurde mit einstimmigem Jubel begrüßt, und Lincoln gab man den Beinamen »die Negerpeitsche«. Wenn nun dieser Titel auch gerade kein sehr schmeichelhafter war, so wurde er doch als solcher angesehen, und selbst Lincoln war es nicht unangenehm, ihn zu hören, da er eine Anerkennung seiner Verdienste um die öffentliche Sicherheit darin erkannte.
Mit der Gunst, die er in der Meinung des Volkes sich erworben hatte, hob sich aber auch sein Geschäft schnell, und von allen Seiten wurde er als Advokat gesucht und verwandt. Er hatte sich in dem unteren Theile der Stadt, dem, wo das Geschäft herrschte, eine kleine Office, oder Geschäftslocal, gemiethet, welches in einer Stube gleicher Erde bestand, deren Thüre nach der Straße hinaus führte, hatte dieselbe mit einem Schreibtisch und zwei Stühlen möblirt, und außerhalb neben der Thür auf die Mauer ein großes schwarzes Schild angebracht, auf dem sein Name mit goldenen Buchstaben geschrieben stand. Hier war er nun meist immer von Morgens acht Uhr bis Mittags drei Uhr in voller Arbeit zu finden, zu welcher Zeit er sich nach dem Powattamhause zu Tisch begab, und oft ging er noch nach dem Abendessen wieder hierher zurück, um noch spät in die Nacht hinein bei der Lampe zu arbeiten, während alle andere Geschäftslocale geschlossen waren, und Jedermann sich der Erholung hingab. Trotzdem aber blieb er seinem gefaßten Beschlusse treu, wanderte jeden Morgen vor dem Frühstück durch den westlichen Theil der Stadt und begab sich jeden Abend nach dem Mittagsessen auf die Insel im Flusse, wo er bis nach Sonnenuntergang verweilte. Seine Freunde in dem Gasthause hatten es bereits aufgegeben, ihm Vorwürfe über seinen auffallend verminderten Verkehr mit ihnen zu machen, und Fehrmann und Franval mußten ihn in seinem Geschäftslokal aufsuchen, wenn sie nicht ganz auf seine Gesellschaft verzichten wollten; denn bei den Mahlzeiten in dem Hôtel hielt er sich nie mehr länger auf, als nöthig war, dieselbe einzunehmen.
So waren einige Wochen verstrichen und Rosiana hatte die Insel noch nicht wieder besucht. Auch hatte sie Lincoln eben so wenig wiedergesehen, als er sie. Es zog sie aber täglich mehr mit einer fast unwiderstehlichen Gewalt nach der Insel hin, und so bestimmt sie sich auch jeden Morgen vornahm, es nicht zu thun, so war es ihr an jedem Abend, wenn sie die Sonne untergehen sah, doch kaum möglich, ihrer Sehnsucht danach zu widerstehen.
Nach einem sehr heißen Tage, an welchem ihr bei allen ihren Beschäftigungen die Insel beinahe nicht aus dem Gedächtniß gekommen war, ging sie, als die Sonne sich neigte, auf ihr Zimmer und blieb, in Gedanken versunken, am Fenster vor ihrem Arbeitstisch stehen. Man sah es ihr an, daß sie mit sich selbst um Etwas im Kampfe war und nicht zu einem Entschluß kommen konnte. Wiederholt hatte sie nach der Sonne hingeblickt, die sich jetzt hinter einem blühenden Granatbaum verbarg. Plötzlich verließ Rosiana den Tisch, nahm aus der Kommode ein Tuch und den Schleier hervor und schritt damit auf den Spiegel zu, der an der Fensterwand hing. Auf halbem Wege aber blieb sie einige Augenblicke stehen, als hielt sie sich selbst gewaltsam zurück, wandte sich dann rasch wieder zur Kommode und legte das Tuch und den Schleier wieder hinein. Sie ging nun abermals an den Tisch, nahm eine Näharbeit aus demselben hervor und setzte sich in dem Stuhl am Fenster nieder. Nicht lange aber hatte sie gearbeitet, als sie abermals zum Fenster hinaussah und die Sonne ihr durch die Laubmasse des Granatbaums entgegenblitzte. Einen Augenblick ließ sie ihre Arbeit in den Schooß sinken, dann warf sie dieselbe auf den Tisch, sprang rasch auf, holte das Tuch und den Schleier aus der Kommode, befestigte mit zitternder Hand diesen mit einer silbernen Nadel in ihrem Haar, warf noch einen Blick in den Spiegel und eilte, sich in das Tuch hüllend, aus dem Zimmer und aus dem Hause. Mit raschem schwebenden Schritt folgte sie der Straße, die den Berg hinab nach dem Flusse führte und hatte in kurzer Zeit dessen Ufer da erreicht, wo der Fußpfad nach der Insel leitete. Sie blieb einen Augenblick, wie zögernd, stehen, sah an dem Flusse hinauf und hinab, blickte sich noch einmal um, und betrat nun entschlossen den Fußsteig. Die Sonne war bereits versunken und der Himmel spiegelte sich in brennender Gluth auf den brausenden Wogen des Flusses. Rosiana zog den Schleier dichter zusammen und glitt zwischen den Felsen hin und her über die Insel, demselben Platze zu, wo sie vorigesmal die Blumen gepflückt hatte. Spähenden Auges trat sie jetzt zwischen dem hohen Gestein hervor, und ihr Blick fiel auf das Felsstück, neben welchem sie damals den jungen Mann gesehen hatte. Dort stand er wieder, sie erschrak heftig und ihre Glieder bebten, obgleich sie auf dem ganzen Wege ihn in Gedanken dort hatte stehen sehen. Noch hatte er sie nicht bemerkt, noch war es Zeit, umzukehren, es waren aber nur noch wenige Schritte bis zu dem Ufer, wo sie die Blumen gepflückt hatte, dort konnte sie sich hinter dem Gestein verbergen. Sie beeilte ihren Gang, sah abermals nach dem Fremden hin, aber jetzt, – jetzt hatte er sie gesehen – als ob er vom Blitz getroffen wäre, so fuhr er zusammen, wahrhaftig, er kam auf sie zu. Rosiana sah nach der anderen Richtung hin und that mit bebenden Füßen die wenigen Schritte bis zu dem Ufer, wo sie sich schnell niederbeugte und ihre Hand nach einer Blume ausstreckte.
»Lassen Sie mich die Blumen für Sie sammeln, Fräulein, Sie werden mich durch diese Huld unaussprechlich glücklich machen,« sagte Lincoln mit bittender, schüchterner Stimme, indem er dicht hinter Rosiana trat und sich halb zu ihr niederbeugte. Rosiana fuhr nicht zusammen, denn sie wußte es ja, daß er hinter sie getreten war, sie sah sich aber auch nicht nach ihm um, sondern neigte sich noch mehr in die Blumen und stützte sich auf ihre kleine Hand, sie gab ihm keine Antwort. Sie fühlte, daß sie zitterte, es wäre ihr im Augenblick nicht möglich gewesen, aufzustehen, das Gras, auf dem sie kniete, schien sich mit ihr zu drehen und es sauste ihr verwirrend vor den Ohren.
»Nennen Sie meine Bitte nicht unverschämt, Fräulein, und sollte sie, oder überhaupt meine Gegenwart Ihnen unangenehm sein, so will ich mich wieder entfernen. Ich habe nun schon wochenlang, jeden Abend, hier auf diesen Augenblick gewartet, von dem ich fühle, daß er mein ganzes Lebensglück entscheiden wird. Sein Sie barmherzig, Fräulein, lassen Sie mich die Blumen für Sie sammeln.«
Diese, Worte sprach Lincoln noch bittender, noch flehender und man hörte deutlich an seiner Stimme, daß er tief bewegt war.
»Ich will es Ihnen gern erlauben, mein Herr,« antwortete Rosiana mit bebender Stimme, indem sie sich aufrichtete und mit gesenktem Haupte einige Schritte seitwärts trat, als wolle sie Lincoln den Platz bei den Blumen freigeben.
»Ich danke Ihnen aus tiefster Seele, Fräulein, Sie würden mich sehr unglücklich gemacht haben, hätten Sie mir meine Bitte abgeschlagen,« sagte Lincoln und warf sich dann schnell am Ufer auf seine Kniee nieder, um die, tief über dem Wasser hängenden prächtigsten Blumen zu erreichen. Rosiana stand schweigend neben ihm und blickte, wie in einen Traum versunken, auf ihn nieder, sie hielt ihre Hand fest auf ihr Herz gepreßt, als wolle sie dessen rasche Schläge dämpfen und drückte zugleich den dichten schwarzen Schleier, der vor ihrem Antlitz herab hing, gegen die Brust.
Lincoln brach tief unten am Ufer die schönsten Blumen, legte sie, ohne sich umzusehen, neben sich in das Gras und strich seine glänzend schwarzen Locken zurück, die beim Niederbeugen über die schäumende Fluth des Wasserfalles hinab hingen. Beide schienen den Augenblick gern noch zurückzuhalten, in dem sie ihren Gefühlen, ihren Gedanken wieder Worte geben sollten. Beiden schien die eingetretene Pause wohl zu thun, und beider Verlegenheit war es willkommen, ihre Blicke von einander abwenden zu können. Jetzt hatte Lincoln abermals eine Hand voll Blumen gepflückt, er nahm die bereits im Grase liegenden gleichfalls auf, wandte sich auf dem Knie liegend nach Rosiana um und hielt ihr den- Strauß schweigend, aber mit einem Blick entgegen, der ihr deutlich sagte, was in seinem Herzen vorging.
Rosiana fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoß, die eingetretene Dämmerung und der Schleier waren ihr Trost, sie setzte ihren kleinen Fuß zögernd dem jungen Mann um einen Schritt naher, streckte ihre schöne Hand nach den Blumen aus, ein Luftzug warf den Schleier von ihrem Antlitz zurück, und Lincoln schaute ihr nun offen in die großen, prächtigen Augen.
Das glühende Carmin des dunkelnden Abendhimmels warf seinen Widerschein auf Rosiana's wunderbar schöne Gestalt und verwandelte den Anflug von Gelb ihrer zarten Haut in einen Hauch von Rosa. Wie ein Engel des Abends stand sie, von den schwarzen Felsen und der dunkeln schäumenden Fluth umgeben, vor Lincoln, der staunend, wie von einem Zauber umfangen, zu ihr aufsah und für einige Augenblicke keine Worte finden konnte. Aber beider Blicke drangen gegenseitig tief in ihre Herzen, und was ihre Lippen nicht aussprachen, hatten sich ihre Seelen einander gesagt.
»Dank, ewigen Dank, Fräulein, für die Erfüllung meiner Bitte, womit habe ich solche Wonne, solche Seligkeit verdient!« rief Lincoln nun im Uebermaße seines Glücks, indem er sich aufrichtete und die Hand auf sein Herz legte.
»Ich muß gehen, es ist schon spät!« sagte Rosiana mit halblauter Stimme.
»Darf ich Ihnen die Blumen tragen?« bat Lincoln.
»Nur bis an das Ufer, nicht weiter. Sie dürfen mir nicht folgen, wenn Sie mir wirklich dankbar sind.«
»Soll ich nur in den Himmel gesehen haben, um ihn wieder zu verlieren und der Verzweiflung überlassen zu werden?« sagte Lincoln flehend, »o, nennen Sie mir wenigstens ihren Namen, schönes Mädchen, sagen Sie mir, wer Ihr Vater ist, mein Leben hängt davon ab!«
Rosiana preßte beide Hände gegen ihre Brust, es fuhr wie ein Dolchstoß durch ihr Herz und ihr Athem stockte.
»Nein – nein – den kann ich Ihnen nicht nennen – mein Herr,« sagte sie mit halb erstickter Stimme, und schlug die Augen nieder.
»Sie kennen meine Gefühle nicht, Fräulein, mein Lebensglück liegt in Ihrer Hand; seien Sie barmherzig! ich bin Ihres Vertrauens werth, und werde es rechtfertigen.«
»Jetzt nicht – Sie dürfen mir nicht folgen, das versprechen Sie mir!« sagte Rosiana bittend und sah flehend zu Lincoln auf.
»Werde ich Sie denn wiedersehen?«
»Wenn Sie mir versprechen, daß Sie nicht nach meinem Namen forschen wollen, ja.«
»So sagen Sie wenigstens, wie ich Sie nennen soll, himmlisches Mädchen, die Heiligen, die Engel haben doch Namen.«
»Nennen Sie mich Rosiana, das ist mein Name. Ich muß aber gehen, es wird düster, leben Sie wohl,« sagte die Mulattin und wandte sich dem Rückweg zu.
»Bis an das Ufer haben Sie mir es vergönnt, in Ihrer beseligenden Nähe zu bleiben, nehmen Sie es nicht zurück,« flehte Lincoln und trat an ihre Seite.
»So lassen Sie uns eilen,« antwortete Rosiana und glitt nun schnellen Schrittes über die Insel hin, während Lincoln an ihrer Seite blieb.
»Glauben Sie sicher, daß ich die Minuten zähle, bis ich Sie wiedersehe, theure Rosiana!« sagte Lincoln im eiligen Vorwärtsschreiten, »wird mir der nächste Sonnenuntergang meinen Himmel wieder öffnen?«
»Ich kann es nicht versprechen, ob ich Morgen wieder kommen werde,« antwortete Rosiana vor sich hinblickend.
»Ohne Sie, süße Rosiana, ist das Leben mir eine Qual; lassen Sie mich bald wieder in Ihre Himmelsaugen schauen.«
»Sobald ich kann, ich verspreche es Ihnen. Da sind wir aber am Ufer. Jetzt müssen wir scheiden. Darf ich um die Blumen bitten?« sagte Rosiana, indem sie stehen blieb und nahm Lincoln den Strauß ab.
»So geben Sie mir eine davon zurück, sie soll mir zeigen, ob Sie meiner gedenken. Wenn die Blume im frischen Wasser welkt, und ich habe Sie noch nicht wiedergesehen, so werde ich denken, daß Sie mich vergessen haben.«
»Das werde ich nicht, wenn auch die Blume welken sollte, ehe wir uns wiedersehen. Leben Sie wohl,« sagte Rosiana, zog eine Blume aus dem Strauß hervor, und reichte sie Lincoln hin.
»Das ist das »Maidensheart« (Mädchens Herz), darf ich mir denken, daß es Rosiana's Herz ist?« fragte Lincoln, indem er ihre Hand erfaßte.
»Gute Nacht,« erwiederte Rosiana mit einem seelenvollen Blick, Lincoln preßte einen glühenden Kuß auf ihre Hand und im nächsten Augenblick stand er allein auf dem Ufer und sah der davon schwebenden Gestalt des schönen Mädchens nach, sah, wie sie bald darauf die Häuser erreichte, und dann zwischen denselben verschwand.
Ohne sich umzusehen, durcheilte Rosiana die Straßen, ihre Schritte schienen mit den Schlägen ihres Herzens zu wetteifern, es war ihr so voll, so beklommen in der Brust, und der Funke, der schon seit dem ersten Zusammentreffen mit Lincoln in ihrem Herzen geglüht hatte, war zur lodernden Flamme angefacht. Vergebens warf sie den Schleier von ihrem Antlitz zurück und ließ die Nachtluft um ihre Wangen spielen, vergebens holte sie tief Athem und fächelte sich mit den Blumen Kühlung zu, die Luft schien ihr heute Abend unerträglich warm und drückend. Bald hatte sie ihre Wohnung erreicht und wollte schnell auf ihr Zimmer eilen, als die Stimme des Pfarrers sie an der Treppe zurückhielt und sie vor die hintere Thür des Hauses rief. Dort saß der alte Mann auf seinem Lieblingsplatz unter den Magnolien und ließ sich von dem Blüthenduft des Gartens umwehen.
»Hast Du Dir wieder Blumen von der Insel geholt, Rosiana? « fragte er sie, als sie bebend aus der Thür hervortrat.
»Ja, Herr, schöne Blumen,« antwortete sie mit Beklommenheit und hielt ihm den großen Strauß hin. Der Geistliche nahm mit der einen Hand die Blumen, mit der anderen erfaßte er Rosiana's Hand und sagte:
»Deine Hand zittert ja, Rosiana, ist Dir etwas Unangenehmes auf dem Wege begegnet?«
»O, nein, Herr, gar Nichts, es ist so warm und ich bin rasch gegangen, der Berg ist so steil,« erwiederte die Sclavin und zog ihre Hand zurück, da sie fühlte, daß sie heftig zitterte.
»Du bist in letzter Zeit weniger sorglos, weniger froh und heiter gewesen, Rosiana,« fuhr der Geistliche fort, »nur zu wohl kenne ich die Ursache Deines Ernstes, Deines Kummers. Die Hand Gottes ruht schwer auf Dir und Deinen farbigen Brüdern und Schwestern! Ergebung, demüthiges Beugen unter den Willen des Herrn allein kann und wird Dich trösten und aufrichten, er sendet dem Menschen die Prüfungen zu seinem Besten, wenn wir auch die Weisheit und Gnade seiner Fügungen nicht verstehen können. Oft habe ich mir Vorwürfe darüber gemacht, daß ich Dir Deine Erziehung gab, immer habe ich aber bald meinen Irrthum eingesehen und mich davon überzeugt, daß ich Recht handelte. Der vom Unglück belastete Mensch kann sich über das Schicksal erheben, wenn er es klar erkennt, und kann sich in sich selbst durch ein reines, edles Bewußtsein im eigenen Busen einen Himmel schaffen; der, welcher nur das Unglück fühlt, wird wie das Thier, in ohnmächtiger Hingebung von ihm erdrückt. Deine Bildung gab Dir das Gefühl für Alles Schöne und Edele und in Deinem Herzen wirst Du Dir dadurch jenes Glück schaffen, welches Dir die weißen Menschen absprechen: Das Bewußtsein, Gott wohlgefällig und ähnlich zu sein. Auf ihn allein, liebe Rosiana, kann ich Dich verweisen, er wird Dir beistehen und Dir Kraft genug verleihen, die Prüfungen, die er über Dich verhängt, mit Geduld und Demuth zu tragen und wird Dich dereinst für Deine Leiden in dieser Welt um so viel näher seinem himmlischen Throne stellen. Lasse Dich deshalb nicht von Deinem harten Geschick niederbeugen und erkenne es an, daß Du so viel glücklicher bist, als Tausende Deiner ungebildeten Brüder und Schwestern, die von den weißen Menschen hart an die Seite des Thieres gestellt sind. Und dann baue auch auf mich, Rosiana, ich werde, so weit mir der Allmächtige die Macht dazu giebt, für Dich sorgen; Deine Seele habe ich gepflegt, Deine Haut zu bleichen, hat mir der Herr nicht erlaubt.«
Hier schwieg der Pfarrer, drückte aber innig die Hand der Mulattin, als wollte er damit tröstend ihr lautes Schluchzen beantworten. Nach einer kurzen Pause sagte er:
»Nun gehe in das Haus, Morna wird das Abendbrod für Dich bereit halten und dann lege Dich mit Gott zur Ruhe und lasse mich Morgen wieder Dein heiteres freundliches Lächeln sehen. Gute Nacht, liebe Rosiana.«
Die Mulattin küßte die Hand des Geistlichen und ging mit ihren Blumen und mit den, in ihrer Seele laut wiederhallenden Worten ihres Wohlthäters auf ihr Zimmer. Sie dankte ihrer Mutter für das angebotene Abendbrod und sank wieder am offenen Fenster in den Stuhl, um den Sternen ihre Seligkeit, ihre Verzweiflung zu offenbaren.
Ihr junger Freund hielt sie für ein weißes Mädchen, darüber hatte sie die vollste Gewißheit; daß er sie liebte, innig liebte, war ebenso sicher; liebte er sie aber nur unter der Bedingung, daß kein farbiges Blut in ihren Adern floß, und war es ein Unrecht, daß sie ihn in seinem Irrthum ließ? Sie wußte, sie konnte nie die Seine werden, weil das Gesetz der weißen Menschen es verbot; welches Gesetz der Welt aber konnte zweien Herzen verbieten, einander anzugehören! Er hatte ihr gesagt, daß ihm das Leben ohne sie eine Qual wäre, sie selbst fühlte es deutlich, daß sie ohne ihn nicht mehr leben möchte; war es nun recht, wenn sie durch das Bekenntniß ihrer Abkunft sie Beide unglücklich machte, oder war es besser, wenn sie ihr Beider Glück so lange als möglich erhielt? Er hatte ihr ja versprochen, daß er nicht nach ihrem Namen forschen wollte, und das hielt er sicher, das konnte man in seinen treuen Augen lesen; sie hatte ihm ja auch nicht gesagt, daß sie weiß sei, und er war ihr gut geworden, so wie sie war, weiß oder gelb; sie hatte ihn nicht aufgesucht, sie hatte ihn ja nicht veranlaßt, ihr gut zu sein, und jetzt, nachdem auch sie ihm gut war, jetzt konnte sie ihn nicht wieder meiden, und wenn es ihr das Leben gekostet hätte! Er war so lieb, so bescheiden, so offen, so schön, er hatte sie seinen Engel, seinen Himmel genannt, und nun sollte sie ihn von sich stoßen, – sollte sie ihn elend machen – nimmermehr! Konnte ihre Liebe ihn wirklich beglücken, dann sollte er wahrlich glücklich werden, das war die Beantwortung der vielen Fragen, die Rosiana's Herz stürmisch bedrängten, und sie fühlte, daß sie mit diesem Beschluß kein Unrecht beging.
Ihr Arm ruhte auf der Fensterbank, die Blumen lagen in ihrem Schooße, ihre Wangen gab sie der kühlenden Nachtluft hin und in ihren dunkeln Gazellenaugen spiegelten sich die funkelnden Sterne über ihr. Die Nacht war dunkel, die leuchtenden Insekten schwebten wie feurige Wolken über dem Garten und ein Spottvogel sang in dem Granatbaum sein süßes melancholisches Liebeslied. Auch in Rosiana's Seele war es dunkel, nur glühend und leuchtend schwebte ihr das geliebte Bild ihres jungen Freundes vor und die Melodieen des nächtlichen Sängers hallten wohlthuend und besänftigend in ihrem unruhig schlagenden Herzen wieder. Sie bemerkte es nicht, daß die Nacht dahin eilte, und der bleiche Schimmer des nahenden Tages zeigte sich schon über den fernen Gebirgen, als Rosiana das Fenster verließ und auf ihr Lager sank.
Auch Lincoln verbrachte die Nacht ohne Schlaf, er war zu glücklich, zu selig, als daß er sein Glück im Schlafe hätte einen Augenblick der Vergessenheit übergeben können. Rosiana war seine erste Liebe, und er fühlte, daß diese und sein Herz gleiche Lebensdauer haben würden. Morgen wollte er sich ihr erklären, sie sollte bald seine Gattin werden, es stand ja nichts ihrem Glück entgegen, er hatte sein gutes Brod, um eine Frau zu ernähren, er stand in Achtung und Ehren, so daß sich kein Mädchen in der Stadt seines Namens zu schämen brauchte, und daß sie ihn liebte, das wußte er ja. Warum aber wollte sie ihm ihren Namen nicht sagen? Der Gedanke quälte ihn, obgleich er sich nicht denken konnte, daß wirklich ein Grund vorhanden sei, ein Geheimniß daraus zu machen. Es war sicher nur Schüchternheit und ein Gefühl von Unrecht, mit einem ihr unbekannten jungen Manne ein Verhältniß eingegangen zu haben, was sie abhielt, ihren Namen zu nennen. Wer sie auch sein mochte, Lincoln war fest entschlossen, sie zu seiner Frau zu machen, denn daß sie dessen würdig sei, das hatte er in ihrer Seele gelesen.
Der Tag zog heiter und prächtig am Himmel auf und Lincoln begrüßte ihn mit hochschlagendem Herzen, es war der Tag, der ihm sein ganzes Lebensglück sichern sollte. Noch lag Alles in dem Gasthaus in tiefem Schlaf, als Lincoln dasselbe verließ und in die Straße trat. Er mußte hinaus in die freie Natur, sein Herz war so voll, so überglücklich, er hätte die ganze Welt umarmen mögen und ihr sein Glück verkünden. Er eilte durch die Stadt dem Flusse zu und stand bald auf demselben Platze, wo er für Rosiana die Blumen gepflückt hatte. Alles um ihn her war schöner, als er es jemals gesehen hatte; die Pflanzen und Blüthen waren frischer und prächtiger, die aufsteigende Sonne spielte blitzender auf den Thautropfen, die an den Blättern hingen, die Wogen stürzten sich lustiger über die schwarzen ernsten Felsen und die Vögel sangen lieblicher und jubelnder in den Morgen hinein. Im Herzen Lincoln's war ein Festtag erschienen und er öffnete die Pforten seiner Seele weit, um ihn ganz einzulassen.
Als die Glocke im Powhattan-Hause zum Frühstück rief, hatte Lincoln die Höhe der Stadt wieder erreicht und eilte nach dem Speisesaal des Gasthauses, wo er schon alle seine Hausgenossen versammelt fand. Sein Morgengruß war heute so ungewöhnlich heiter und freundlich, daß Alle verwundert nach ihm aufschauten.
»Mein Gott, Herr Lincoln, die Sonne zeigt sich ja wieder auf Ihrer Stirn,« sagte eine der jungen Damen am Tisch, indem sie freundlich seinen Gruß erwiederte.
»Die Wolken auf der Ihrigen hatten sie meinem Blicke entzogen, schönes Fräulein,« erwiederte er lächelnd mit einer Verbeugung.
»Aber wirklich, es muß Ihnen etwas sehr Angenehmes widerfahren sein, denn so heiter haben wir Ihr Gesicht lange nicht gesehen,« nahm einer der Herren das Wort.
»Seine Liebe hat ihn erhört, Nichts weiter, man kann es in seinen Augen lesen. Ich habe es ja immer gesagt, Du wärest verliebt, und ich habe Recht gehabt,« sagte Fehrmann lachend.
»Du hast auch Recht gehabt, und hast auch im Augenblick wieder Recht, bist Du nun zufrieden?«
»Vollständig, und ich wünsche Dir, daß Dein Glück von recht langer Dauer sein möge. Mädchenliebe und Aprilwetter!« rief Fehrmann abermals auflachend.
»Von Wetter und Mädchenliebe giebt es sehr viele Arten, Herr Fehrmann, der Aprilsnarr freilich kennt nur eine davon,« erwiederte die junge Dame, die zuerst Lincoln angeredet hatte.
Fehrmann schoß das Blut ins Gesicht, und mit einem zornigen Blick wandte er sich nach der Rednerin um, seine Antwort erstarb aber auf seinen Lippen und das allgemeine Gelächter zwang ihn, in dasselbe einzustimmen, wollte er es nicht noch mehr gegen sich anfachen.
Trotz seiner auffallend heitern Laune aber hielt sich Lincoln doch nicht länger bei seinen Freunden auf, als nöthig war, sein Frühstück einzunehmen; mit einem halb triumphirenden Lächeln, welches deutlich verrieth, daß er im Besitze eines ihn beseligenden Geheimnisses war, grüßte er die Tischgesellschaft und eilte nach seinem Geschäftslokal. Die Arbeit flog ihm heute von der Feder, er hätte heute zehn Fragen auf einmal lösen können und würde doch noch einen Gedanken für Rosiana übrig gehabt haben. Es kam ihm vor, als arbeite er jetzt schon für das geliebte Mädchen, die nun bald seine Frau werden sollte. Er dachte sich, wie er künftig während des ganzen Tages fleißig sein würde, um dann zu Hause von seinem süßen Weibe mit offenen Armen empfangen und durch ihre Liebe für seine Arbeit belohnt zu werden. Der Tag neigte sich und etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang warf Lincoln die Feder auf den Schreibtisch, denn jetzt wollte es mit der Arbeit nicht mehr gehen, der Gedanke an Rosiana hatte alle andern verschlungen. Er stand, mit Genugthuung auf den Schreibtisch blickend, auf, trat, mit den Händen in den Rocktaschen, in die Thür und blickte in der Straße hinauf und hinunter. Dort unten im Westen standen schwere Wolken am Himmel. Wie Jedermann in der Stadt, hatte auch Lincoln seit Wochen schon mit Sehnsucht auf das Erscheinen von Wolken an dem ewig blauen Aether gehofft, denn die Gluth der Atmosphäre mehrte sich von Tag zu Tag, und der feine Staub, der die Luft schwängerte, wurde dem Athmen immer lästiger. Heute aber machte der Anblick des aufsteigenden Gewölkes keinen angenehmen Eindruck auf Lincoln und er hielt mit Besorgniß seine Blicke auf dasselbe geheftet. Links und rechts von ihm waren die Geschäftsleute gleichfalls vor ihre Thüren getreten, schauten mit Wohlgefallen nach den Wolken hin und riefen sich gegenseitig die Hoffnung zu, daß dieselben noch vor einbrechender Nacht ihre erquickenden belebenden Fluthen über die sonndurchglühte Stadt ausgießen würden. Lincoln hörte es mit Widerwillen an und suchte sich selbst zu beweisen, daß es nur leichtes vorüberziehendes Gewölk sei. Er hatte wohl eine halbe Stunde gestanden, immer in der Hoffnung, daß der blaue Himmel sich wieder unter dem Gewölk zeigen möchte, doch es kam immer schwerer, immer schwärzer herauf.
Nach der Insel mußte er aber gehen und wenn es Kieselsteine geregnet hätte. Er nahm seinen Hut, seinen Regenschirm, verschloß seine Thür und begab sich auf den Weg.
»Wohin, Herr Lincoln, fürchten Sie sich nicht vor Regen? « rief ihm sein nächster Nachbar zu.
»Sie wollen doch die Stadt nicht verlassen, Herr Lincoln? Es dauert keine viertel Stunde mehr, so bricht das Gewitter los; nehmen Sie sich in acht, daß es Sie nicht erwischt,« rief ein Anderer ihm aus seiner Thür zu, denn alle Bewohner der Straße sahen aus den Häusern hervor und schauten mit Verlangen nach dem aufsteigenden Gewölk. Lincoln aber rief Ihnen zu, daß es sich zertheilen werde und beeilte nur um so mehr seine Schritte.
Er konnte sich allerdings denken, ja er war überzeugt, daß Rosiana bei so drohendem Wetter nicht ausgehen würde, dennoch wollte er nicht verfehlen an Ort und Stelle zu sein, mochte es kommen wie es wollte. Bald hatte er den Fußsteig erreicht und wandte sich auf ihm der Insel zu, als die ersten schweren Regentropfen fielen. Das Gewölk bedeckte schon weit über ihn hinaus den Himmel und die schwarzen Wolken rollten sich wie im Kampfe übereinander hin. Er hatte es aber schon mehrmals erlebt, daß solche schwere Gewitter sich dennoch vertheilt hatten und rasch von einem heftigen Winde verjagt worden waren, darum schritt er schnell vorwärts und befand sich bald an dem Ziel seiner Wanderung. Natürlich war Rosiana nicht da, wie er es ja auch nicht anders erwartet hatte, dennoch war es ihm ein wohlthuendes Gefühl, jetzt hier zu stehen, denn er war überzeugt, daß die Geliebte in Gedanken sich hier bei ihm befand.
Ein Blitz zuckte in diesem Augenblicke blendend am schwarzen Himmel hin und ein so furchtbarer Donnerschlag erschütterte die Erde, daß Lincoln unwillkürlich zusammenfuhr. Zugleich kam der Sturm brausend über den Fluß gezogen und thürmte die Wogen hoch vor sich auf. In wenigen Augenblicken hatte derselbe die Insel erreicht und strich pfeifend durch das Gestein, so daß die alten Bäume in ihren Wurzeln stöhnten und die jüngeren sich mit ihren Häuptern vor ihm zur Erde neigten. Lincoln sprang hinter ein mächtiges Felsstück, um der Wuth des Orkans zu entgehen und spannte dann, sich niedersetzend, seinen Regenschirm auf, denn jetzt brachen die Wolken, und die Fluthen strömten vom Himmel herab. Es wurde mit jeder Secunde düsterer, Blitz auf Blitz und Donner auf Donner raste es über die Erde, und der Schaum der Wasserfälle trieb in fliegenden Massen über die Insel. Dabei heulte und tobte der Sturm, das Felsstück, hinter welchem Lincoln sich verbarg, schien ihm zu wanken und zu seinem Schrecken bemerkte er, daß das Wasser die Insel zu überfluthen begann und sich rasch um ihn sammelte. Vielleicht war es noch Zeit das Festland zu erreichen. Mit dieser Hoffnung sprang er hinter dem Felsen hervor, warf sich gegen den Sturm und kämpfte mit allen Kräften gegen ihn an zwischen dem Gestein hin, um auf den Fußsteig zu gelangen. Mit jedem Schritte aber wurde das Wasser tiefer und reißender, bald reichte es ihm bis an den Leib und nun erkannte er, daß von dem Fußpfad Nichts mehr zu sehen war. Seine einzige Rettung bestand jetzt darin, das höchste Felsstück zu erklimmen und dort auszuharren. Nur mit großer Anstrengung kehrte er zu dem höheren Theil der Insel zurück, suchte, durch die fliegenden Fluthen spähend, einen Felsblock zu erkennen, dem er sich anvertrauen dürfte, und es gelang ihm, sich mit Hülfe des Griffes an seinem Regenschirm auf denselben hinaufzuschwingen. Kaum war es aber möglich, sich auf dessen kleiner Oberfläche zu erhalten, und er mußte sich platt niederlegen, um nicht von dem Sturm herabgerissen zu werden. Mit Entsetzen sah er, daß auf allen Seiten die Wogen pfeilschnell an ihm vorüber schossen, und daß von der ganzen Insel nur noch die einzelnen höchsten Felsstücke und die Bäume aus ihnen hervorragten. Die Finsterniß nahm rasch zu, und bald lag schwarze Nacht über dem tobenden wüthenden Elemente, in der Lincoln nur noch den weißen Gischt zu erkennen vermochte, der in seiner Nähe an den Felsen hinaufschoß. Der Sturm wandte sich mehr und mehr gegen die Strömung und immer höher und näher zu Lincolns Rettungsplatz stieg das Wasser an dem Gestein auf. Nur noch ein Fuß Höhe trennte ihn von den, unter ihm durchbrausenden Wogen, und schon warfen sie, sich an dem Felsen brechend, ihren Schaum über ihn hin. Die Steinfläche, auf der er sich befand, bot ihm kaum Raum genug, darauf zu liegen, und nirgends fand er einen Haltpunkt, um sich daran festzuklammern.
Durchnäßt und kalt lag er regungslos da und starrte in die schwarze Finsterniß hinaus, die nur für Augenblicke von dem glühenden Licht der Blitze verdrängt wurde. Dann erkannte Lincoln die weite dahinjagende Wasserfläche, die roth beleuchteten Felsenspitzen und die schweren Wolken, die über ihn hintrieben und im nächsten Moment war das Schreckensbild wieder von der Nacht verschlungen. Es mußte schon weit nach Mitternacht sein, als der Sturm nachließ, die Wolken sich theilten und die Sterne hier und dort zwischen ihnen hervorblickten. Es waren Hoffnungssterne für Lincoln und mit dankerfülltem Blicke sah er flehend zu ihnen auf. Er beobachtete nun mit größter Aufmerksamkeit die Wasserlinie unter sich an dem Stein, die nur noch einen halben Fuß von seinem Körper entfernt war. Gottlob, sie hob sich nicht mehr und nach einiger Zeit bemerke er sogar, daß sie sich wieder senkte. Da zeigte sich der erste bleiche Schimmer des Tages und Lincolns Hoffnung wuchs mit dem Zunehmen des Lichtes, denn, daß die ungewöhnliche Höhe des Flusses und das Verschwinden der Insel bald viele Neugierige an das Ufer bringen würde, konnte er nicht bezweifeln. Wie er dachte, so geschah es, kaum war es vollkommen Tag geworden, als Leute aus der Stadt kamen und sich dem Flusse näherten; Lincoln spannte schnell seinen Regenschirm auf und hob ihn winkend hoch über sich in die Luft. Sofort erkannte er unter den Neugierigen am Lande, daß er von ihnen bemerkt wurde, ja er hörte trotz dem Brausen des Stromes ihre Stimmen und sah, wie Mehrere von ihnen nach der Stadt zurückliefen. Ehe eine halbe Stunde verfloß, hatten sich viele Hunderte am Ufer eingefunden, und jetzt gewahrte Lincoln, daß man ein großes Boot auf einem Wagen herangefahren brachte. Es wurde ins Wasser gelassen, viele Männer, mit Rudern und Stangen bewaffnet, stiegen hinein und nun ging es von Baum zu Baum, von Fels zu Fels auf Lincoln zu. In dem Boote befanden sich auch seine Freunde Franval und Fehrmann. Ersterer stand an der Spitze des Schiffes, zog es bald mit dem eisernen Haken einer langen Stange an einen Baum oder Felsen heran, bald stieß er es mit ungewöhnlicher Kraft von ihnen zurück, um es vor Umschlagen zu bewahren und jetzt rief er Lincoln bei Namen und verkündete ihm jubelnd Rettung. Mit entsetzlicher Anstrengung wurde das Schiff glücklich zu dem Felsen geführt, auf dem Lincoln lag, dieser war aber so sehr aller Bewegung beraubt, daß seine Freunde ihn in das Boot heben mußten, wo er ohnmächtig niedersank. Mit demselben Aufwand von Kräften arbeiteten sich die verwegenen Schiffer wieder durch die reißende Strömung zurück und landeten glücklich am Ufer. Franval trug seinen Freund in einen seiner harrenden Wagen und eilte mit ihm nach dem Powhattanhause, um ihn dort zu pflegen und wo möglich die bösen Folgen seines Abentheuers von ihm abzuwenden.
Das Ereigniß ging schnell von Mund zu Mund, es war der Gegenstand aller Unterhaltung in der Stadt und in der Abendzeitung erschien schon ein langer Artikel darüber, worin große Freude über die Rettung dieses hoffnungsvollen, so sehr um das Wohl der Stadt verdient gewordenen jungen Mannes ausgesprochen wurde.
Gegen Abend saß der Pfarrer Nelson unter den Magnolien hinter seinem Hause und erfreute sich an dem frischen Grün, welches der heftige Regen in vergangener Nacht über seinen Garten ausgegossen hatte. Die Luft war rein und kühl und die Sonne schien wohlthuend und erquickend. Rosiana trat zu ihm aus dem Hause und reichte ihm die Zeitung, die so eben gebracht worden war.
»Setze Dich ein wenig zu mir, Rosiana, die frische Luft wird auch Dir gut thun,« sagte er zu der Mulattin, indem er ihr die Zeitung abnahm.
Rosiana folgte seinem Wink, sie ließ sich in dem Stuhl neben ihm nieder, und hielt, während der Geistliche in der Zeitung las, ihre Augen auf die Sonne, gerichtet. Sie dachte an Lincoln und an die Insel, von der sie nicht wußte, daß sie von dem Wasser verschlungen war. Gestern Abend hatte das schreckliche Wetter es unmöglich gemacht, dorthin zu gehen und sicher war Lincoln auch nicht dort gewesen; aber der heutige Abend war ruhig und mild und Rosiana wollte ihrem Versprechen, sobald es ihr möglich sei, wieder auf die Insel zu kommen, nicht untreu werden. Es war noch nicht Zeit, zu gehen, doch war der Sonnenuntergang auch nicht mehr sehr fern; bald sah sie nach dem sinkenden Gestirn, bald auf den Geistlichen, der heute, wie es schien, die Zeitung von Anfang bis zu Ende genau durchlesen wollte, denn er war immer noch auf der ersten Seite.
»Ei, ei, der Regen und Sturm gestern Abend hat ja den Fluß ganz ungewöhnlich angeschwemmt,« sagte Nelson, indem er zu Rosiana aufblickte. »Deine schönen Blumen werden sehr gelitten haben; denke Dir, die Insel ist ja ganz unter Wasser gesetzt. Und leicht hätte es auch ein Menschenleben kosten konnen, denn ein junger Mann, ein Advocat, Namens Lincoln, wurde heute Morgen auf einem der höchsten Felsen liegend bemerkt und nur mit großer Mühe von dort gerettet. Der junge Mann wird hier in der Zeitung sehr gepriesen und man wünscht der Stadt Glück, daß ihn die Vorsehung erhalten hat. Wie mag der aber auf den Felsen gekommen sein? Bei dem Wetter auf die Insel zu gehen!«
Der Pfarrer hatte seine Blicke während dieser Worte wieder auf die Zeitung geheftet und las darin weiter, sonst wäre ihm sicher die auffallende Veränderung in Rosiana's Erscheinung nicht entgangen; denn das letzte Roth von ihren Wangen und Lippen war verschwunden, sie hatte ihre bebenden Hände gefaltet in ihren Schooß sinken lassen und auf ihren schönen Zügen hatte sich Schreck und Angst deutlich ausgeprägt; sie sah zum Himmel auf wie eine Betende, und zwischen ihren langen Wimpern glänzte eine Thräne.
»Ich habe es schon einmal erlebt, daß die Insel überschwemmt wurde,« fuhr Nelson nach einer Weile fort, indem er das Blatt auf seine Kniee sinken ließ. »Ein Sturm gegen den Strom bei so schwerem Regen war, wie gestern, auch damals die Veranlassung, doch verläuft das Wasser schnell wieder, und ich bin überzeugt, daß bereits die Insel wieder frei ist. Freilich wird man nun nicht auf dieselbe gelangen können, denn die kleinen Stege, die auf dem Fußsteig von Stein zu Stein gelegt waren, sind gewiß fortgerissen.«
Rosiana schwieg und blickte vor sich nieder und es trat eine Pause ein, während welcher der Geistliche die Mulattin mitleidig betrachtete und dann mit Theilnahme zu ihr sagte:
»Komm, Rosiana, gieb Dich nicht immer Deinen trüben Betrachtungen hin, Du verbitterst Dir dadurch Dein Leben, und mir ist Deine ernste Stimmung immer eine Art von Vorwurf. Sei zufrieden und sei wieder froh, wie früher, mir zu Liebe; Gott wird Dich nicht verlassen.«
»Nein, nein, guter Herr, es soll ja kein Vorwurf sein, wenn ich manchmal ernst bin. Ich kenne ja kein anderes Gefühl gegen Dich, meinen Wohlthäter, als, das des innigsten, heißesten Dankes. Vergieb mir, Du sollst mich auch nicht wieder traurig sehen!« sagte Rosiana heftig bewegt und erfaßte des Pfarrers Hand, während sie mit Thränen in den Augen lächelnd zu ihm aufsah.
Auch dieser schien tief ergriffen, drückte der Mulattin die Hand und sagte nach einer kurzen Pause:
»Das Gesetz ist wirklich gegeben, wonach keine freien Farbigen im Staate verweilen dürfen, es soll Dir aber keinen Nachtheil bringen, denn so lange ich lebe, brauchst Du nicht dem Gesetze nach frei zu sein, da Du es ja in der That bist und ich werde dafür sorgen, daß Du nach meinem Tode von Niemandem abhängig sein wirst, dann magst Du dies Land verlassen und Dir eine andere Heimath wählen, in der die Menschenrechte mehr geschützt sind, als in diesem Staate. Deshalb beruhige Dich über Deine Zukunft und vertraue auf Gott.«
Rosiana küßte die Hände ihres Wohlthäters und dankte ihm mit den Thränen, die ihr die Worte erstickten.
Die Sonne war versunken, als der Pfarrer sich in's Haus begab und Rosiana nahm die Zeitung mit auf ihr Zimmer, um dort den Artikel über den jungen Advocaten Lincoln selbst zu lesen, denn, daß dieser der Freund ihres Herzens sei, davon war sie überzeugt. Sie las den Aufsatz und las ihn wieder, während das Blatt in ihrer Hand immer mehr zitterte. Lincoln war also sein Name – er war ihretwegen, trotz des Unwetters, auf die Insel gegangen, obgleich er ja doch hatte voraussetzen müssen, daß sie nicht kommen würde, nein, nicht kommen könnte, daß es rein unmöglich für sie gewesen war, sich hinzubegeben; und doch war er dort gewesen und das Wasser hatte ihn überrascht. Wie leicht hätte er um's Leben kommen können – vielleicht war er krank geworden, denn er war ja in einer entsetzlichen Lage gewesen! Tausend Gedanken, tausend Besorgnisse durchkreuzten Rosiana's Seele und sie verbrachte eine rastlose lange Nacht. Am andern Morgen aber, als die Sonne aufgestiegen war, hielt es sie im Hause nicht länger, sie warf Tuch und Schleier über und eilte zu dem Flusse hinab, um zu sehen, in welchem Zustande die Insel sei. Sie hatte eben die letzten Häuser erreicht und wollte um dieselben hervor nach dem Strome gehen, als sie Lincoln gewahrte, der, von zwei Negern gefolgt, an dem Ufer hinschritt. Der eine der Neger führte schwere hölzerne Bretter auf einem Schubkarren und der andere trug eine Axt und eine Holzsäge. Rosiana fuhr zurück und blieb hinter der Hausecke stehen, von wo sie, ohne gesehen zu werden, dem geliebten Freund mit ihren Blicken folgen konnte. Der freudige Schreck, der sie beim Anblick desselben getroffen, hatte ihr das Blut so plötzlich nach dem Herzen gedrängt, daß es bald seine Schläge aussetzte, bald wieder um so stürmischer pochte. »Gottlob, er ist gesund!« sagte Rosiana leise zu sich selbst und hing mit freudigem Blick an feiner schönen männlichen Gestalt. Wie leicht und wie festen Trittes schritt er dahin – wie glänzte sein schwarzes Lockenhaar in dem heißen Sonnenschein und wie dunkel sahen seine großen schönen Augen unter dem breitrandigen Strohhut hervor! Wohin mochte er wohl gehen wollen und was sollten die Neger wohl für ihn arbeiten? Jetzt hatte er den Fußsteig erreicht, der auf die Insel führte, die schon wieder ganz von Wasser frei war; er hielt an, er sprach zu den Negern, diese nahmen etliche der Bohlen von dem Schiebkarren und folgten Lincoln auf den Fußsteig. Nun wußte Rosiana, was ihn hierherführte: er wollte den Fußpfad wieder für sie herstellen, damit sie auf die Insel gelangen könne, er dachte an sie; ach, daß sie es ihm hätte sagen können, daß sie in seiner Nähe war und auch an ihn dachte, innig und herzlich! Jetzt verschwand er mit den Negern zwischen dem Gestein, Rosiana warf noch einen Blick auf den Fleck, wo sie ihn zuletzt geschaut und wandte sich dann eilig nach ihrer Wohnung zurück. Heute Abend sollte er sie sicher wiedersehen. Beiden war noch niemals ein Tag so lang vorgekommen, und Beiden hatte die tropische Sonnengluth noch nie so erträglich geschienen; sie trocknete ja den Weg, der sie wieder zusammenführen sollte. Endlich neigte sich die Sonne, die Schatten wurden länger, der Abendwind zog kühlend über das Land und die Blumen öffneten ihre Kelche wieder.
Lincoln hatte zuerst die Insel erreicht und stand mit banger zweifelnder Sehnsucht im Herzen auf demselben Platz, wo ihm Rosiana den ersten Hoffnungsstrahl für ihre Gegenliebe in's Herz gegossen hatte. Sollte sie aber auch ihres Versprechens eingedenk sein und kommen, und sollte sie es überhaupt wohl versuchen, ob der Fußsteig den Zugang zu der Insel noch gewähre, oder sollte sie sich mit dem Gedanken zufrieden stellen, daß der Pfad durch die Fluth zerstört sei? Wenn sie ihn wirklich liebte, dachte Lincoln, so ging sie sicher wenigstens bis an den Fluß, um sich selbst davon zu überzeugen und dann kam es ihm auch vor, als müsse sie es voraussetzen, daß er den Weg sofort wieder herstellen, oder allerwenigstens ihrer bei Sonnenuntergang am Ufer warten würde. Die Liebe hat ja ihre eigenen unsichtbaren Boten, die von Herzen zu Herzen eilen, die Hoffnungen, Wünsche, Grüße und Seufzer herüber und hinüber tragen und liebende Seelen durch ungemessene Welträume zusammenführen!
Lincoln fühlte es deutlich, Rosiana würde kommen, und alle Besorgnisse, alle Zweifel scheiterten an dieser inneren Stimme. Bald sah er nach der Sonne, wie sie in ihr Gluthbett hinabstieg und mit ihren letzten Blicken auf den schäumenden Wogen des Stromes bis an die Insel heranblitzte, bald richtete er seine verlangenden Blicke zwischen den Felsen hin dem Ufer zu, als könne seine Sehnsucht die Geliebte herbeiziehen. Die Sonne war versunken, der Himmel glühte in seinen prächtigsten Farben, der Abendstern, der traute Freund der Liebe, glänzte und funkelte und die Dämmerung verkündete auf zitternden Schwingen die nahende Nacht.
Da bewegte es sich dem Ufer zu, eine Frauengestalt schwebte auf dem Fußsteig der Insel entgegen, sie war's, die Heißersehnte, Lincoln's Herz sagte es ihm mit lautem stürmischen Pochen. Noch wenige Augenblicke, und er hielt die Hand des geliebten Mädchens in der seinen.
Weder Lincoln noch Rosiana hatten Worte, die Gefühle für einander, die während ihrer Trennung beider Herzen so übermächtig bewegt hatten, überwältigten sie in dem heißersehnten Augenblick des Wiedersehens; Lincoln fühlte, wie Rosiana's Hand bebte, er, blickte fragend und bittend in ihre großen dunkeln Augen, dort stand Genehmigung, seelenvolle Hingebung geschrieben, er zog das schöne Mädchen an sich und schweigend sank sie an seine Brust. Ihre Herzen schlugen zusammen, ihre Lippen gelobten sich in heißem langen Kusse innige, ewige Liebe und in beseligendem himmlischen Rausche waren ihre Seelen zu einer verbunden. All ihr Bangen, ihr Zagen, ihr Zweifeln war verschwunden, all ihr Hoffen, ihr Sehnen war gestillt, es gab kein Leiden, keinen Schmerz mehr für sie und die Welt hatte sich für sie in einen Himmel umgewandelt. Das Schicksal aber giebt dem Menschen nur Minuten höchsten Glückes, kaum genug, um ihn den Himmel ahnen zu lassen, dann ruft es ihn in die irdische Wirklichkeit zurück, und von ihrer kalten Hand wird sein Herz wieder zusammengepreßt. Die einbrechende Nacht weckte auch die Beiden überglücklichen Liebenden aus ihrem Wonnetraum, und mahnte sie daran, daß sie noch dieser Welt angehörten. Schmerzlich war ihr erstes Erwachen, denn schon sollten sie wieder scheiden. Nun bedurften sie der Worte, um ihren vollen, überströmenden Herzen Luft zu verschaffen, um sich durch heiße Versprechen, durch glühende Versicherungen den Abschied zu erleichtern. Ewige Liebe und ewige Treue gelobten sie sich wieder und wieder und riefen ihren Schöpfer zum Zeugen ihrer Schwüre an. Doch die Zeit drängte, und Rosiana bat, sie an das Ufer zu geleiten.
»Heute, himmlische, süßeste Rosiana, heute wirst Du mir doch erlauben, daß ich Dich nach Hause begleite?« sagte Lincoln bittend und zog sie abermals an sein Herz.
»Heute nicht, Theuerster, Du mußt es mir versprechen!« erwiederte Rosiana zagend und flehend.
»Aber, Engelsmädchen, was hast Du denn jetzt noch für einen Grund, mir Deinen Namen zu verheimlichen? Ich habe Dir den Meinigen allerdings selbst noch nicht gesagt, ich heiße –«
»Lincoln, mein Geliebter, den die ganze Stadt ehrt und dessen Liebe mich ebenso stolz, als glücklich macht. Aber wußte ich Deinen Namen nicht, ich würde nicht danach fragen, vielleicht wäre es besser, daß ich ihn nicht wüßte und daß wir hierin gleich ständen. Ich liebe ja Deinen Namen nicht, den Schall, womit Dich die Welt bezeichnet, in meinem Herzen hast Du doch einen anderen Namen, denn Du bist mir ja etwas Anderes, als was Du der Welt bist. Sage mir Deinen Taufnamen, den meinigen weißt Du, und wozu bedürfen wir noch eines anderen?«
»Nenne mich Edward, beste Rosiana, aber willst Du denn unser Glück nicht bald vollenden und mein süßes, mein angebetetes Weib werden?« fragte Lincoln flehend und dringend und senkte seine Lippen auf ihre weiche Hand.
»Sieh nur, wie die Dunkelheit rasch zunimmt, Edward, ich muß gehen, komm, eile, geleite mich an das Ufer.«
»Gern, gern, komm, laß uns gehen, aber antworte mir auf meine Frage, meine einzig geliebte Rosiana, warum willst Du mir mein Glück nicht auf einmal aussprechen?«
»Ich werde Dich lieben und Dein bleiben, so lange meine Seele lebt, frage nicht weiter; macht Dich meine Liebe nicht ganz glücklich?« sagte Rosiana und beeilte ihre Schritte noch mehr.
»Aber mein Alles, mein Leben, wie kannst Du mich so foltern, Du mußt doch ganz mein sein, so versprich mir wenigstens, daß Du es werden willst.«
»Ich verspreche es Dir! nun frage aber nicht weiter, bis ich Dir selbst Mehr sage, « entgegnete Rosiana mit halberstickter Stimme, und preßte den Arm des Geliebten fester an ihr zitterndes Herz. Sie hatten bald das Ufer erreicht, Rosiana sank abermals an die Brust des stürmisch bewegten jungen Mannes, abermals brannten ihre glühenden Küsse auf ihren Lippen, noch ein inniges heißes Lebewohl, und Rosiana wand sich mit den Worten: »bis Morgen, mein Edward,« aus den Armen ihres Geliebten.
Als ziehe sie seine Seele mit sich fort, so blickte er ihr mit ausgestreckten Armen nach, und sah sie in der Dunkelheit zwischen den Häusern verschwinden.
Beseligt, und doch mit einem peinigenden Zweifel im Herzen, schritt er durch die düstern Straßen dem Powhattanhause zu und konnte den Widerspruch, der in Rosiana's Worten und Betragen lag, nicht enträ thseln. Dennoch war er überglücklich in dem Bewußtsein, von dem süßesten, lieblichsten Mädchen, dem er jemals begegnet war, geliebt zu werden. Er suchte sich zu überreden, daß ihm der Name ja vollkommen gleichgültig sein könne, denn wer sie auch sein mochte, ohne sie wollte, ja konnte er nicht mehr leben. Sie liebte ihn, sie wollte sein werden, das hatte sie ihm versprochen, und damit waren alle seine Wünsche, seine Hoffnungen erfüllt.
Der folgende Abend führte ihm die Geliebte wieder an's Herz, schöner und reizender, als er sie bis jetzt gesehen; die Unsicherheit, das Zögern und Bangen war von ihrer Erscheinung verschwunden, unverhohlene, unbedingte Liebe strahlte ihm offen aus ihren prächtigen Augen entgegen und mit seelenvoller Innigkeit schmiegte sie sich in seine Arme.
Wochen eilten dahin, der Mond hatte seinen Kreis gefüllt und jedes sinkende Tageslicht hatte den Liebenden den Weg zu ihrer Wiedervereinigung auf der Insel gezeigt, doch immer noch ruhte, Lincoln gegenüber, der Schleier des Geheimnisses auf Rosiana's Abkunft. Wieder und immer wieder hatte er ihr geloben müssen, jede Gelegenheit, die ihm Auskunft darüber geben konnte, zu vermeiden und treulich hatte er sein Versprechen gehalten.