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Klar und still blickte der Mond von dem hohen durchsichtigen Aether herab auf Afrika's nördliche sonndurchglühte Lander, sein Silberlicht lag in Todtenruhe über der endlosen sandigen Wüste der Sahara ausgebreitet und zitterte durch die Palmenhaine von Sudan. Rauschend eilten die Wogen des mächtigen Nigerstromes durch die öden Sandsteppen und durch die heftigen, mit goldigen Früchten und süßduftenden Blüthen geschmückten Wälder, und das Brausen und Schnauben des riesigen Flußpferdes, das Geheul des Leoparden und der Hyäne, das Gebrüll des Büffels, die gewaltigen Stoßrufe des Elephanten und die Donnerstimme des Löwen schallten durch die stille Tropennacht.
Da, wo der Zirmifluß seine krystallklaren Gewässer von Osten her in den Niger ergießt, glänzte und spiegelte sich das Perlenlicht des Mondes auf den tanzenden Wellen und warf einen hellen Atlasschimmer über die sanft auf- und absteigenden grünen Ufer dieser wildwogenden Ströme, während auf der Landspitze zwischen denselben ein rothes Feuerlicht die schlanken, zum Himmel aufstrebenden Schafte der Palmen, die sich weit über die Wogen hinaus neigten, glühend beleuchtete.
Eine von Tibesty aus der Sahara kommende Karavane hatte sich hier gelagert, und in einiger Entfernung vor dem größten der Zelte, welches aus reichen bunten Teppichen errichtet war, brannte ein Lagerfeuer, dessen rothe Flammen sich flackernd in der dunkeln Rauchwolke aufschlängelten, die durch die balsamischen, lieblich duftenden Harze des verbrennenden Palmenholzes genährt wurde.
Vor dem Eingang des großen Zeltes, welches zwischen mehreren einzeln stehenden Palmen hergerichtet war, und von dort ausgespannten, seidenen Schnüren getragen wurde, ruhte eine hagere sehnigte Mannsgestalt, deren Kleidung den mohamedanischen Kaufmann aus dem Osten dieses Landes erkennen ließ. Die dunkele Olivenfarbe seines scharf geformten magern Gesichts, die finstern Brauen, die sich über der großen gebogenen Nase schlossen, die tief schwarzen sinnenden Augen, der lange schwarze Bart und der dunkelbraune wollene Mantel, der unter seiner turbanartigen Kopfbedeckung hervor über seine Schultern herabhing. Alles stand mit dem hellen Mondlicht in auffallendem Widerspruch und harmonirte mehr mit der rothen Gluth des Feuerlichts, das sich in den ernsten Augen des Mannes spiegelte. Aus dem breiten Gürtel, der seinen Leib umschloß, sah ein Dolch mit blitzend verziertem Griff und der mit Silber eingelegte Schaft einer langen Pistole hervor, während neben ihm auf dem prächtigen rothen Teppich, auf dem er ruhte, eine lange Flinte und ein breiter türkischer Säbel lag. Unter seinem linken Arm, auf den er sich stützte, lag ein rothsammetnes Kissen mit schweren goldnen Quasten und mit seiner Rechten hielt er die dicke abgerundete Bernsteinspitze des langen Rohrs seiner Pfeife vor seine dünnen Lippen, sog mit unverkennbarem Wohlbehagen den Rauch aus derselben ein, und blies ihn dann in weiten Ringeln von sich in das flackernde Licht des Lagerfeuers. Neben ihm auf dem reichen Teppich, und zwar mehr zu seinen Füßen lag eine üppig schöne weibliche Gestalt, deren dunkele Hautfarbe in dem Feuerlicht als ein tiefes glühendes Rothbraun erschien. Ihre ganze Kleidung bestand in einem scharlachrothen wollenen Gewand, welches um ihre Hüfte geschlungen war, und ihr Schmuck in goldenen und silbernen Armbändern, einer Perlenschnur um den vollen Nacken und einem silbernen Pfeil, der die mächtigen Flechten ihres schwarzen gelockten Haars tief an ihrem Hinterkopf befestigt hielt. Die Formen ihres Körpers waren schön und wollüstig gerundet und ihre Erscheinung zeigte selbst in ihrer ungekünstelten Lage etwas Bestimmtes und Entschlossenes. Von Zeit zu Zeit drückte sie die Asche in der Pfeife des Mannes nieder und richtete dann ihre großen tief dunkeln Augen auf denselben, als suche sie dessen Blick, der aber unbeweglich und sinnend auf das Feuer geheftet war. Rundum in weniger Entfernung von dem Feuer lagen noch einige vierzig weibliche Wesen, sämmtlich von dunkelbrauner bis zu der schwärzesten Hautfarbe. Sie ruhten meist auf Grasmatten, doch einzelne von ihnen hatten sich auch auf Teppichen hingestreckt. Außerhalb dieses Kreises sah man hier und dort in dem Schatten einer Palme Männer sitzen, deren grobe abgetragene Kleidung gleichfalls Mohamedaner aus dem östlichen Afrika verrieth; sie saßen schweigend und unbeweglich mit untergeschlagenen Füßen, hatten eine lange Flinte auf dem Schooße liegen und rauchten aus langen Pfeifen. Weiterhin, außerhalb des Waldes, weideten viele Pferde und Kameele, von welchen letztern noch mehrere schwer beladen niederknieten und durch Negermänner von ihrer Bürde befreit wurden. Hinter dem großen Zelte waren unzählige Ballen, Kisten und Lederbeutel aufgestapelt, welche von einigen Negern mit Matten überdeckt wurden. Niemand aber brach das Schweigen, welches, wie es schien, von dem Manne vor dem Teppichzelte Allen auferlegt war, nach welchem sich die Blicke der vielen dunkeln Gestalten häufig hinwandten, als erwarteten sie seine Befehle. Sarszan war der Name jenes Mannes. Schon seit einer Reihe von Jahren handelte er zwischen dem Osten und Westen Afrika's, führte Waaren und Erzeugnisse dieser Länder herüber und hinüber durch die öden einsamen Wüstenstrecken und kaufte und verkaufte Menschen. Er kam jetzt von Tibesty, einer volkreichen Stadt im fernen Osten der Sahara, und das Ziel seiner Wanderung war das Küstenland des Negerkönigs von Dahomey. Sein augenblicklicher Lagerplatz hatte ihm schon oft nach langer mühsamer und gefahrvoller Wanderung durch die Wüste als Erholungsort gedient, und auch jetzt wollte er seinen Sclaven und Lastthieren Zeit geben, an den üppigen Gestaden der brausenden Strome neue Kräfte zu sammeln.
Nur wenige Tagereisen von hier in südlicher Richtung lagen an den Ufern des Nigers bis zu seiner Mündung in den Ocean unzählige Dörfer und' Städte, unter deren Einwohnern Sarszan, der Händler, wohlbekannt war. Er beabsichtigte jedoch diesmal, dem Laufe des Stromes nur bis zu der großen Stadt Boussa zu folgen, und sich dann mehr westlich durch die dicht bevölkerten Länder nach Abomey, der Residenzstadt des Königs von Dahomey zu wenden, um diesem seine Schätze anzubieten. Der Haupthandelsartikel, den er gewöhnlich dem König zuführte, bestand in Sclavinnen, die er weit im Osten des Landes kaufte und die in großer Anzahl auf dem Markte in Tibesty feil geboten wurden. Wenn auch gleichfalls von schwarzer oder wenigstens sehr dunkler Hautfarbe, so stehen doch die Bewohner des innern, so wie des östlichen Afrika's körperlich und namentlich geistig bei Weitem höher, als die Eingeborenen dieser westlichen Küstenländer, und selbst unter den schwärzesten Negern finden sich dort wunderbar edel geformte und geistig hochbegabte Menschenracen. Während nun die Mächtigen in Guinea ihre eingeborenen Brüder zu Tausenden nach fernen Colonieen jenseits des Oceans verkaufen, versorgen sie ihren eignen Haushalt mit Weibern und Sclaven aus dem Osten des Landes, die ihnen durch Händler zugeführt werden, oder deren sie sich auf Raubzügen in das Innere gewaltsam bemächtigten.
Sarszan besaß im Augenblick eine reiche Auswahl von Sclavinnen, die er dem Könige von Dahomey zu hohen Preisen zu verlaufen gedachte, und die großen Waarenvorräthe, die er aus fernen Ländern hergeführt hatte, berechtigten ihn gleichfalls zu der Hoffnung auf einen ungeheuern Nutzen. Während er nun vor seinem Zelte saß und in das flackernde Feuer schaute, ließ er die bedeutenden Gewinnste, die er zu erzielen hoffte, an seinen Gedanken vorüberziehen, und vergaß, in seine Berechnungen versunken, sogar seine Lieblingsbeschäftigung, das Rauchen.
Corzaris, die Leibsclavin, welche neben ihm auf dem Teppich lag, drückte wieder die Asche in der Pfeife ihres Herrn nieder, und als sie keinen Rauch mehr aus derselben aufsteigen sah, warf sie ihren schönen Kopf in Sarszan's Schooß, blickte lächelnd und fragend zu ihm auf und sagte mit süßer, schmeichelnder Stimme:
»Denkst Du an Deine Corzaris so heiß, daß Du Deinen Liebling, die Pfeife, darüber vergissest?«
Sarszan, wie aus einem Traume erwachend, wandte seinen ernsten Blick auf das reizende Mädchen und eine tiefe Gluth belebte plötzlich seine dunkeln Augen, wie das Spiegelbild eines leidenschaftlichen Gedankens.
»Gieb mir starken Kaffee und lieblichen Hatchy Hatchy ist eine Mischung von Zucker und Mandeln mit dem Saft der Hanfwurzel und des Bilsenkrauts, welche getrocknet bewahrt und zu einem berauschenden Getränk in Thee, Kaffee oder Wasser aufgelöst wird., dann fülle meine Pfeife und mische Opium unter den Taback,« sagte Sarszan, indem er seine Hand liebkosend um den üppigen Nacken der Sclavin legte und sich dann aufsetzte und die Füße unter sich zog.
Corzaris preßte ihre schwellenden Lippen mit leidenschaftlicher Heftigkeit auf die Hand ihres Gebieters, blitzte ihm mit ihren schwarzen Augen einen feurigen Blick zu und sprang dann nach der andern Seite des Lagerfeuers, wo mehrere Sclavinnen das Abendbrod bereitet hatten. Behend trug sie nun die Speisen auf den Teppich vor ihren Herrn und hielt, sich neben ihm niederlegend, auf ihrer kleinen Hand die Schale mit dampfendem schwarzen Kaffee.
Sarszan speiste, doch sein immer mehr belebtes Auge ruhte anhaltender auf der schönen Sclavin, als auf den köstlichen Gerichten vor sich. Er nahm ihr den Kaffee ab und schlürfte mit sichtbarlichem Genuß den heißen, starken Trank. Corzaris hatte die Schale schnell wieder gefüllt und hielt sie ihrem Gebieter, vor ihm niedersinkend, mit den Worten hin.
»Trink Herr, Du trinkst Liebe Deiner Corzaris!«
Abermals hatte Sarszan die Schale geleert, gab sie der Sclavin zurück und sagte:
»Hatchy und die Pfeife!«
Im Augenblick folgte Corzaris dem Befehle, stellte einen silbernen Becher mit dem berauschenden Getränk vor ihren Herrn nieder, reichte ihm die mit Taback und Opium gefüllte Pfeife und zündete dieselbe an. Sarszan führte nun den Becher zu seinen Lippen und nippte den Göttertrank, der ihm die Pforten seines Himmels erschließen sollte. Dann that er ein paar tiefe Züge aus der Pfeife, verschluckte den mit Opium geschwängerten Rauch und sank nun mit einem tief glühenden Blick auf die Favoritin zurück gegen das hohe Sammetpolster, welches diese hinter ihn gelegt hatte.
»Tanz!« sagte er mit, halb von Leidenschaft erdrückter Stimme, auf welchen Wink Corzaris gehofft zu haben schien; ihre Augen leuchteten, wie die Gluth der Sonne, wenn sie in ihr Feuerbett versinkt; ihr lächelnder Mund zeigte zwischen ihren brennend rothen vollen Lippen den Alabaster ihrer Zähne und, mit ihren Händen Sarszan noch einen Liebesgruß zuwinkend, eilte sie fort in das große Zelt.
Zu gleicher Zeit erhoben sich mehrere der in einiger Entfernung ruhenden Sclavinnen, als sei auch ihnen der Befehl des Herrn gegeben, bei dem Tanz mitzuwirken, und gingen in ihre Zelte, während andere dem Feuer neue Nahrung zuwarfen und seine Flammen anfachten.
Sarszan hatte wiederholt aus dem Becher getrunken und blies immer stärkere Rauchwolken zwischen seinen Lippen hervor, da sprang Corzaris mit einem Tambourin in der Hand aus dem Zelte, und den Schall des Schlages, den sie darauf führte, durch eine schwirrende Bewegung des Instrumentes verrauschen lassend, trat sie vor ihren Herrn und warf sich mit über ihrem Busen gekreuzten Armen vor ihm nieder. Ein dünner golddurchwirkter rother Shawl war leicht um ihre dunkelbraunen Hüften geschlungen, ein sehr langer rother Florstreif hing auf ihrem schönen runden Arme, ein reiches Perlenband umgab ihren sammetweichen prächtigen Nacken und die ungewöhnliche Fülle ihres glänzend schwarzen Haares hing in schweren Locken über ihre zarten Schultern herab. Ihre kleinen Füße waren in zierliche Sandalen gebunden und an ihren schöngeformten Fingern blitzten edele Steine.
Sarszan's Blick hatte einige Momente mit sichtbar regem Wohlgefallen auf der reizenden Mädchengestalt geruht, dann reichte er ihr die Hand zum Kusse hin und sagte:
»Tanz!«
Während dieser Zeit waren noch sechs dunkelfarbige schöne Sclavinnen in ähnlichem, wenn auch nicht so werthvollen Schmuck herzugetreten, von denen eine eine Art von Zither, die andern aber Triangeln, Cymbeln und Tambourins trugen. Sie ließen sich in einiger Entfernung hinter Corzaris auf der Erde nieder und erwarteten deren Wink, die Musik zu beginnen, während zwei andere Sclavinnen von der schwärzesten Farbe sich, mit Maultrommeln versehen, zu beiden Seiten Sarszans hinter demselben niedersetzten.
Corzaris war aufgesprungen, schlug gegen das Tambourin, daß es rauschend erklang und schwang es, sich wie im Kreisel auf den Spitzen ihrer Füße drehend, hoch über sich durch die Luft, während sie zwischen ihren weit ausgestreckten Händen den rothen Florshawl entfaltete, daß er sie wie eine feurige Wolke umwehte. Zugleich stimmte die Sclavin mit der Zither eine wild rauschende Melodie an, ihre Gefährtinnen ließen die. Triangeln, Cymbeln und Tambourinen im Tacte ertönen und die beiden Negerinnen entlockten, indem sie sich zu den Ohren ihres Herrn neigten, ihren summenden Instrumenten die süßesten melancholischen Weisen.
Corzaris wurde in ihren Bewegungen immer lebendiger, immer graziöser und sprechender, bald glich sie der triumphirenden glücklichen Liebe, bald war sie die verzweifelnde verstoßene Geliebte, bald wand sie sich schmachtend und stehend vor ihres Herrn Füßen und dann flog sie wieder in wilder leidenschaftlicher Lust im Kreise dahin.
Sarszan's Blick wurde mit jeder Minute glänzender; fester und unbeweglicher hing er an den zauberischen Reizen der dunkeln Bacchantin, dichter umwölkte ihn der berauschende Rauch seiner Pfeife, er leerte den silbernen Becher bis auf den letzten Tropfen und winkte mit der Hand nach dem Feuer. Im Augenblick war dasselbe bis auf die Kohlengluth durch die Diener entfernt, die Musik rauschte leiser und leiser und als ihre letzten Töne verhallten, war Corzaris an ihres Gebieters Seite in den Schatten der leise flüsternden Palmen niedergesunken.
Da schallte plötzlich lautes wüthendes Hundegebell durch die stille Mondscheinnacht, Sarszan riß sich aus den Armen seiner glühenden Liebe und griff nach seiner Flinte, indem er mit donnernder Stimme seine Diener zu den Waffen rief. Der Schall von Tritten vieler Rosse wurde jetzt hörbar und einige Sclaven Sarszan's, die dem Hundegebell zugeeilt waren, kamen athemlos zu ihrem Herrn zurück und meldeten ihm, daß eine Schaar von Reitern und Fußgängern mit vielen Hunden sich dem Lager nahe.
»Haltet sie zurück und fragt sie, was sie wollen!« rief Sarszan mit zorniger Stimme, während er den Sclavinnen einen Wink gab, sich in den Zelten zu verbergen.
Bald darauf wurde ein einzelner Reiter in dem Schatten der hohen Palmen sichtbar und hielt wenige Minuten später seinen nicht sehr großen, aber edeln Rappenhengst vor Sarszan's Zelt an. Er war ein hoher, kräftiger, junger Mann von etwa achtzehn Jahren, war von schwarzer Hautfarbe und sehr edler Körperbildung. Seine breite gewölbte Brust und seine muskulösen Glieder zeugten von eiserner Stärke und sein kühnes, großes, glänzendes Auge, so wie seine hohe freie Stirn von mehr als gewöhnlichen geistigen Fähigkeiten. Ein leichter Schurz von Leder war um seine Hüfte geschlungen und eine prächtige Leopardenhaut hing über seinen nackten schwarzen Schultern. Vor sich auf seinen kräftigen Lenden lag eine Doppelflinte und neben der Kugeltasche sah aus dem Gürtel, den er um den Leib trug, ein Messer und eine Art hervor. Er saß auf einer frischen, noch blutigen ungeheuern Löwenhaut, die auf dem Rücken des Rosses lag und zu beiden Seiten desselben bis auf die Erde herabhing.
Er sprang von dem Pferde und reichte Sarszan, der ihn verwundert und unfreundlich anblickte, mit einem heitern herzlichen Gruß die Hand und sagte:
»Der Zufall führt mich auf Deinen Lagerplatz; ich suchte mit meinen Leuten Wasser, welches wir während des ganzen Tages haben entbehren müssen, doch das Glück ist mir günstig gewesen und führt mich zu Dir, so daß ich auch noch etwas Anderes hier erhalten kann, als Wasser. Ich sehe, Du bist ein Händler und ich glaube, daß die Elephanten- und Flußpferdezähne, die ich erbeutet, Dir willkommen sein werden.«
Bei diesen Worten erheiterten sich Sarszan's Züge, er reichte seinem Gaste die Hand und hieß ihn in seinem Lager willkommen.
»Wie ich höre, hast Du viele Begleiter und viele Pferde bei Dir; Du wirst dieselben von meinem Lager entfernt halten; das Ufer des Stromes ist lang und die Weide darauf ebenfalls gut. Wie ist Dein Name? der meinige ist Sarszan,« sagte der Händler.
»Meine Leute sollen Dir nicht lästig fallen, sie haben erlegtes Wild im Ueberfluß und das Gras ist ihnen die liebste Schlafstätte. Mein Name ist Buardo und meine Heimat liegt weit von hier im blauen Westen in den Danagebirgen.« Hiermit winkte der junge Mann einem Neger von riesiger Größe, der ihm in einiger Entfernung gefolgt war, übergab ihm sein Pferd und trug ihm auf, mit seinen übrigen Gefährten einen Lagerplatz etwas weiter am Fluß hinauf zu beziehen. Während der Mann sich mit dem Roß entfernte, ließ Sarszan durch seine Diener das Feuer wieder auffrischen, ließ neben seinem Ruhelager einen Teppich und ein Kissen für seinen Gast niederlegen und forderte ihn auf, darauf Platz zu nehmen, indem er sich selbst niederließ. Dann brachte eine Negerin Speise und Kaffee für den Fremden, und nachdem derselbe sich daran gelabt, ließ ihm Sarszan eine Pfeife reichen und sagte zu ihm:
»Wie viel Zähne hat Dir Deine Jagd geliefert?«
»Einige fünfzig Stück; ich bin schon seit mehreren Monaten auf der Jagd und traf an den Ufern des Zirmi ungewöhnlich viele Elephanten, so wie eine Menge von Flußpferden in dem Niger. Das Elfenbein steht an der Küste von Benin in hohem Preise,« antwortete Buardo und blickte den Händler an, als suche er dessen Ansicht über diesen Handelsartikel zu erforschen.
»Es ist viel gejagt worden, namentlich an den Seen und Sümpfen von Gondami und man hat dort eine große Zahl von Elephanten getödtet. Es wird ein Ueberfluß von Elfenbein nach der Küste kommen. Was kannst Du von meinen Waaren gebrauchen? Ich habe den besten Kaffee, den der Osten liefert, die herrlichsten Gewürze, die reichsten Stoffe und den prächtigsten Schmuck. Morgen wollen wir handeln; jetzt laß uns ruhen, die Nacht ist nicht mehr lang, der Mond neigt sich schon,« sagte Sarszan und streckte sich auf seinem Lager aus.
»Ich kann Vieles von Dir gebrauchen, zu uns in die Danaberge kommen nicht oft Händler aus dem Osten, sie ziehen alle nach der Küste hinunter,« sagte Buardo, sich gleichfalls niederlegend.
»In den Danagebirgen wohnen die Annagus, sie leben mit dem Könige von Dahomey in Feindschaft, mit dem ich schon seit Jahren handle. Gehörst Du zu diesem Gebirgsvolk?«
»Mein Vater ist der König der Annagus und er und sein Volk sind zu frei und zu stark für den König von Dahomey gewesen, als daß dieser die, Bewohner unserer Berge hätte auf seine Schlachtbänke führen, oder für Gold hätte an die weißen Menschen über das große Meer verkaufen können. Die Felsenstädte der Annagus und ihre Gebirgsweiden sind zu hoch und zu steil für die plumpen Füße der Dahomey's.«
Sarszan war bei den Worten »König der Annagus« auf seinem Lager aufgefahren und, sich auf seinem Arm stützend, blickte er den Jüngling mit regem Interesse an.
»Du bist der Sohn des Königs der Annagus?« sagte er, »dann habe ich auch noch etwas Anderes, worauf wir handeln können. Eure Weiber sind zwar schöner, als die an den Küsten, aber so schön, wie ich solche zu verkaufen habe, hat Dein Auge nie Etwas gesehen.«
»Wir handeln nicht mit Menschen, und Weiber haben keinen Reiz für mich. Hast Du schöne Waffen, oder schöne Pferde, dann kannst Du mein Elfenbein bekommen; Deine Weiber magst Du behalten,« entgegnete Buardo und dehnte seine muskulösen Glieder auf dem weichen Teppich, auf dem er lag.
»Das Ansehen kostet Dich Nichts,« sagte der Händler und rief, sich nach dem großen Zelt umwendend, Corzaris beim Namen. Die Sclavin erschien vor ihrem Herrn und dieser sagte ihr einige Worte in einer Sprache, die Buardo nicht verstand. Corzaris rief die übrigen Sclavinnen aus ihren Zelten hervor, welche sich dann im Halbkreis um Buardo niedersetzten, so daß der helle Feuerschein sie beleuchtete. Dann trug Corzaris zwei silberne mit Hatchy gefüllte Becher herbei, stellte den einen vor ihrem Herrn, den andern vor seinem- Gaste nieder und reichte Letzterem eine mit Taback und Opium gestopfte Pfeife.
»Ich dächte, wir sollten ruhen, die Nacht ist nicht mehr lang und ich bin ermüdet,« bemerkte Buardo, auf die Leibsclavin Sarszan's blickend, die ihm lieblich lächelnd den Becher mit Hatchy reichte und sagte:
»Koste, es wird Dir neue Kräfte geben und Dich Deine Müdigkeit vergessen lassen.«
Auch Sarszan forderte ihn auf, zu trinken und zu rauchen, und hob selbst seinen Becher zum Munde auf.
»Der Trank ist gut,« sagte Buardo, nachdem er davon gekostet, »doch wäre mir ein Becher Peto (aus Mais gebrautes Bier) wie es unsere Frauen in den Danabergen bereiten, lieber,« dann that er einige tiefe Züge aus der ihm gereichten Pfeife.
Auf einen Wink des Händlers sprangen die Sclavinnen nach ihren Zelten und kamen bald mit ihren Instrumenten zurück.
Die Zither erklang und die Tambourinen, Cymbeln und Triangel stimmten mit ein; doch gegen das Erwarten des Händlers machte die Musik keinen überraschenden Eindruck auf den jungen Negerfürsten.
»Ich habe süßere Musik gehört, als diese,« sagte er nach einer Weile, »ich bin in der christlichen Mission in Cape Coast an der Küste erzogen worden und dort spielt man auf bessern Instrumenten, welche von den Weißen über das Meer gebracht worden sind.« Dabei warf er sich auf seinem Lager zurück, und es schien, als ob weder der berauschende Trank, noch der Rauch des Opiumtabacks auf seinen kräftigen Körper und Geist einwirken wollten.
Sarszan hatte ihn wiederholt auf die üppigen Formen der Sclavinnen aufmerksam gemacht und diese hatten ihre wärmsten Blicke dem schönen Jüngling gespendet, doch er blieb kalt und unempfindlich gegen ihre Reize und erklärte dem Händler abermals, daß er nicht auf seine Weiber mit ihm handeln werde.
Sarszan warf ihm einen finstern verdrießlichen Blick zu, doch plötzlich, wie zu einem Entschluß gekommen, sagte er mit einem schlauen triumphirenden Lächeln:
»Sollte, was den mächtigen König von Dahomey beglücken würde, nicht auch dem Königssohn der Annagus gefallen? Corzaris, rufe Temona aus meinem Zelte.«
Dann wandte er sich wieder an seinen Gast und fuhr fort:
»Das Mädchen, welches ich Dir jetzt zeigen will, war die Perle auf dem großen Markt in Tibesty und nur dem reichen Sarszan war es möglich, sie zu kaufen. Sie ist angesehener Leute Kind, doch sie hatte noch sieben Schwestern und ihre Eltern haben sie selbst zu Markte gebracht und sie mir überlassen, weil sie wußten, daß ich ihr einen guten Herrn verschaffen würde. Sie ist eine Frau nur für einen König.«
Bei diesen letzten Worten zeigte Sarszan mit der Hand nach dem Eingang seines Zeltes und Semona, die Sclavin, von der der Händler redete, trat von Corzaris geführt hervor.
Wie eine aus Ebenholz geschnittene Venus stand sie vor dem erstarrten Blicke Buardo's, der mit einem Laut der Ueberraschung auffuhr und seine Hände gegen sie ausstreckte.
Semona war so schwarz, daß alle die übrigen Sclavinnen bleich gegen sie erschienen. Sie war eine hohe, edle Gestalt, ihr Kopf war klein, ihr Nacken schlank und rund und ihr voller Busen wie aus schwarzem Marmor gehauen. Um ihre breiten Hüften lag ein scharlachrother seidener Shawl gewunden, und mit goldenen Schnüren waren die Sandalen unter ihren kleinen Füßen um ihre zierlichen Enkel befestigt. Ihr regelmäßig schönes Gesicht trug die Form der edelsten weißen Menschenrace Asiens und eine Cirkassierin würde sie um ihr Profil beneidet haben. Das Weiß ihrer großen tiefdunkeln Augen war rein, wie die Perle an Persiens Gestaden und die Reihen ihrer wunderbar schön geformten Zähne glänzten wie der Schnee auf den Gebirgen Indiens. Ihre reizend geschnittenen üppig vollen Lippen glühten, wie die Granatblüthe in einer schwarzen Marmorschale und in ihrem melancholischen seelenvollen Antilopenblick stand ihr Schicksal geschrieben. Ihr glänzend schwarzes Haar rollte sich dicht an ihrem Kopf in unzählige kleine zierliche Löckchen zusammen und auf ihrer zarten Haut lag ein weicher Sammethauch.
Semona hatte den Fremden, dem sie vorgestellt wurde, nur einen Augenblick angesehen, dann schlug sie die Augen nieder und kreuzte ihre zarten Arme über ihren Busen.
»Du armes schönes Mädchen, ich fühle mit Dir den Schmerz, der Deine Brust durchbebt; giebt es wohl für Dich ein härteres Geschick in dieser Welt, als einem Manne angehören zu sollen, den Du nicht liebst! Ich bin nicht grausam genug, auf Dich zu bieten,« sagte Buardo, tief ergriffen, machte mit der Hand eine abwehrende Bewegung nach Semona hin, und trat, mit zur Erde gesenktem Blick von ihr zurück.
»Du nennst das Geschick dieses Mädchens grausam, und Tausende ihrer Schwestern würden es die höchste Gnade ihres Gottes nennen, wenn sie der König von Dahomey würdig finden sollte, sie unter seinen Weibern aufzunehmen. Ich nenne es ein beneidenswerthes Loos,« sagte Sarszan und blickte Buardo eben so erstaunt als unwillig an.
»Ich nenne es den qualvollsten lebendigen Tod, einem solch blutdürstigen Ungeheuer, einer solchen reißenden Bestie anzugehören, wie dieser König ist, der nur zur Unterhaltung Hunderten seiner Unterthanen eigenhändig die Köpfe abgeschlagen und seinen Thron mit deren Schädeln geschmückt hat, der zu seinem Vergnügen seinen Frauen den Leib aufschneidet, und Kinder lebendig am Feuer röstet. Und an ein solches Thier willst Du dieses edle Mädchen verhandeln – glaubst Du an keinen Gott und fürchtest Du dessen Zorn nicht?« rief Buardo mit wilder Entrüstung und blickte bald auf Sarszan, bald auf die zitternde Sclavin.
»Nenne es, wie Du willst, ich weiß, daß Semona's Liebe einen Tiger in ein Lamm verwandeln wird; wenn Du aber so viel Mitleid für sie hast, so kaufe Du sie doch selbst,« entgegnete der Händler und richtete seinen beobachtenden Blick auf den Jüngling.
»Ich kaufe keine Menschen,« erwiederte dieser mit einem verächtlichen Ton und sah dann mit einem Seufzer nach Semona hin, als diese seinem Blick begegnete, sie ihre schönen Augen wehmüthig und trostlos auf ihn heftete, und ihre Hände über ihrer Brust faltend, zitternd auf die Kniee sank.
Sie hatte keine Worte, sie hatte nur Thränen, um dem theilnehmenden Fremden ihre liefe Verzweiflung zu klagen; diese Zeugen ihres ungeheuren Schmerzes fielen wie Diamanten auf ihre sammetschwarzen kleinen Hände, und zagend hob sie abermals ihren thränenschweren Blick zu Buardo auf.
»Was forderst Du für das Mädchen?« rief dieser jetzt, von dem Zauber überwältigt, den die Negerin über ihn ausübte und hob sie mit tröstendem Händedruck von ihren Knieen auf. Dann fuhr er, zu dem Händler gewandt, fort:
»Ich kaufe sie nicht, um sie als Eigenthum zu besitzen, ich kaufe sie, um sie frei und unabhängig in ihre Heimath zurück zu senden. Nochmals, was ist der Preis?«
»Laß das, bis morgen, ich bin schläfrig; morgen wollen wir handeln. Willst Du noch mit Semona reden, so erlaube, daß Corzaris Euch Gesellschaft leiste. Gute Nacht und gute Träume,« antwortete Sarszan, warf sich auf seine Kissen und schloß die Augen.
Buardo hielt immer noch die Hand der schönen Semona in der seinigen, es war ihm, als fühle er ihre Gedanken, ihr Flehen durch seine Hand nach seinem Herzen strömen, er glaubte die Schläge des ihrigen in seiner Rechten zu empfinden, es kam ihm vor, als ob dieselben mit jedem Augenblick heftiger und stürmischer würden, und er erkannte nicht, daß es seine eignen Pulse waren, die sich in solch zunehmender Eile jagten. Wohl aber sah er, daß Semona's Busen sich höher und schneller hob und daß sie ihre Athemzüge gewaltsam zu mäßigen suchte. Ihre Hand war so klein, so weich, so zart, sie bebte so leise.
»Komm, schöne Semona, laß uns dort unter jener Palmengruppe den Rest der Nacht zubringen, Du mußt mir Dein vergangenes Leben schildern; Corzaris wird bei uns bleiben,« sagte Buardo endlich zu der Negerin, und legte seinen Arm sanft über ihre weiche Schulter, um sie nach dem bezeichneten Platz zu geleiten. Willig gab sie seinem leisen Drucke nach und ließ, dicht an seiner Seite dahin gleitend, ihre Hand in der seinigen ruhen.
Corzaris hatte Buardo's Teppich aufgenommen und breitete denselben für ihn und für Semona zwischen hohen Palmen unter einer dichtbelaubten, mit süßduftenden Blüthen übersatten Myrthe aus, wonach sie sich selbst in einiger Entfernung von da unter einer leicht vom Wind bewegten Fächerpalme niedersetzte.
»Aengstige Dich nun nicht mehr, süßes Mädchen, ich will Dich aus den Händen dieses herzlosen Mannes befreien; Du sollst nicht nach Abomey zu jenem Ungeheuer gebracht werden. Vertraue auf mich und habe Muth, ich meine es gut mit Dir, und werde Dich retten,« hub Buardo mit bewegter Stimme an, indem er das Kissen für die schöne Schwarze hinter sie gegen den Baumstamm legte und, ihre kleine Hand wieder erfassend, sich neben ihr niederließ.
»Wodurch verdiene ich solche Güte, wie kann ich sie jemals lohnen!« sagte Semona beklommen und schüchtern und sah vor sich nieder.
»Du verdienst sie tausendmal dadurch, daß Du gut, brav, verlassen und verfolgt bist,« antwortete Buardo rasch und setzte dann noch leise hinzu: »und daß Du so schön, so lieb bist.«
Unwillkürlich preßte er dem schönen Mädchen bei den letzten Worten die Hand, die unbeweglich in der seinigen ruhte.
Eine Pause trat ein, beide versanken in sich selbst; Buardo dachte an Semona und Semona dachte an Buardo. Der Mond warf seinen Abschiedsblick durch den Tropenwald auf die beiden schönen schwarzen Gestalten, über ihnen rauschten die Wipfel der Palmen in, der lauen Nachtluft, und die Wellen des Stromes murmelten leise unter dem nahen Ufer.
»Woran denkst Du, Semona?«« fragte Buardo und spielte mit ihrer kleinen Hand.
»An Dich und an Deine Güte, und an die Schuld, in die ich durch sie verfalle.«
»Wenn Du es wüßtest, Semona, wie der Gedanke, Dir einen Liebesdienst erzeigen zu können, mich schon so überglücklich macht, dann würdest Du auch wissen, daß ich bei Dir zum Schuldner werde. Solch Glück, süßes Mädchen, habe ich noch nie empfunden!« sagte Buardo mit wärmerem Ton und neigte seine Lippen zögernd auf die zarte Hand der Sclavin. Sie zog sie nicht zurück, obgleich sie fühlte, daß sie zitterte, und Buardo ließ seine Lippen auf ihr verweilen, als sollten sie sich nimmer wieder von ihr trennen. Abermals verstummte die Unterhaltung mit Worten, desto lebendiger aber tauschten Beide die Gefühle im Geiste gegenseitig aus, die zum ersten Male in ihrem Leben in ihre Herzen einzogen.
»O Du gutes, herziges Mädchen, sage mir, was in der Welt kann Dich ganz glücklich machen? sage es mir, ich bitte Dich, sage es mir, wenn Du mir gut bist. Ich habe Macht, ich habe Reichthümer, Alles, was ich besitze, gebe ich hin, um Dir einen Wunsch zu erfüllen!«
»Buardo!« sagte Semona mit leiser seelenvoller Stimme, neigte ihr schönes Haupt und hob des Jünglings Hand an ihre brennenden vollen Lippen.
Wie ein electrischer Funke schoß es von der Hand, wo sie die Lippen des reizenden Mädchens berührt hatten, durch alle Nerven Buardo's.
»Semona, engelsüße Semona, das war zu viel, ich bin ja Dein Sclave. – O, sei meine Herrin,
meine Gebieterin, meine Göttin!« rief er in stürmischer Bewegung, warf sich vor ihr nieder und öffnete, stehend nach ihr aufsehend, seine Arme.
Der Mond stahl sich mit seinem letzten Blick durch das Riesenlaub des Waldes und war Zeuge, wie Semona dem liebeglühenden Jüngling an das Herz sank, dann verbarg er sich hinter dem undurchdringlichen Dickicht und die Schatten der Nacht warfen ihren Schleier um das in erster Liebe träumende glückselige Paar.
Das Licht des Morgens zitterte durch den Wald und glänzte wie Silber auf den wehenden ungeheuren Fächern der Palmen, als Corzaris zu den Liebenden trat und ihnen sagte, daß ihr Herr erwacht sei und seines Gastes harre. Buardo behielt die Hand der Geliebten in der seinigen und leitete die Glückliche nach dem Zelte ihres Herrn, dort schieden sie mit noch einem Blick, in dem alle die unzähligen Versicherungen und Betheuerungen ihrer ewigen treuen Liebe, die sie während der Nacht ausgetauscht hatten, enthalten waren.
»Du hast Dich an der herrlichen Nacht erfreut,« sagte Sarszan zu dem jungen Negerfürsten, als er ihm zum Morgengruß die Hand reichte. »Semona hat Dir wohl ihr ganzes Leben von ihrer Kindheit an schildern müssen? sie ist von gutem Herkommen, ihr Vater besitzt große Heerden und viele Kameele. Das Mädchen ist gut und sittsam erzogen und so schön wie sie hast Du wohl noch nie eine Negerin gesehen?«
Buardo fühlte sich verlegen, er hatte nicht ein Wort von Semona über deren Vergangenheit gehört, die Gegenwart hatte Minute für Minute all ihr Denken, all ihr Sinnen und Trachten gefesselt.
»Sie ist ein gutes, braves Mädchen, und das ist der Grund, weshalb ich sie von Dir kaufen will, damit sie nicht in die thierischen Hände jenes Tyrannen von Dahomey fallen möge. Was forderst Du für Semona?«
»Wir wollen erst unser Morgenmahl einnehmen und nachher können wir darüber reden,« erwiederte der Händler und sah mit Wohlgefallen, wie Buardo seine Leidenschaft für die Sclavin vor ihm zu verheimlichen suchte.
»So will ich zuerst nach meinem Lager gehen und sehen, ob dort Alles in Ordnung ist, meine Leute warten wahrscheinlich schon auf mich, um weiter zu ziehen; sie sind die besten Jäger aus den Dana-Gebirgen,« sagte Buardo zu dem Händler.
»So bleibe nicht zu lange, Corzaris wird uns bald bedienen wollen,« rief dieser dem Jüngling nach und sank dann nachdenkend auf sein Polster zurück.
Kaum hatte Buardo sich aber entfernt, als Corzaris rasch zu ihrem Herrn eilte und sich mit einem schlauen Lächeln neben ihm auf dem Teppich niederließ.
»Du kannst einen hohen Preis für Semona fordern, Herr,« hub sie leise an und warf einen Blick auf das Zelt hinter ihr. »Der Königssohn hat sich in die Sclavin verliebt und ich glaube, er sagte die Wahrheit, indem er ihr immer wieder aufs Neue versicherte, daß sie seine erste Liebe sei. Daß Semona nie früher einen Mann im Herzen getragen hat, ist sicher, denn sie war überselig; bald weinte, bald seufzte sie, und die Zärtlichkeit dieser beiden Neulinge in der Liebe kannte gar keine Grenzen. Das war ein Schnäbeln und Kirren wie von einem Paar Tauben. Er hat ihr ewige Treue geschworen und sie soll seine einzige Frau werden. Du bekommst das Mädchen gut bezahlt und bist der Mühe überhoben, noch Monate lang sie zu pflegen und zu warten wie eine Prinzeß; ihr Werth ist ja doch eigentlich nicht groß, sie kann nicht tanzen, kann nicht Musik machen, ist schweigsam und blöde und kann ja nicht lieben.«
Sarszan hatte Corzaris während ihrer Rede lächelnd angesehn und sagte dann: »Und Du hast Dich doch immer vor den Reizen dieses unerfahrenen Mädchens gefürchtet, weil Du fühltest, daß dieselben meiner Liebe zu Dir gefährlich werden könnten. Sei unbesorgt, Corzaris, auch wenn ich sie nicht an Buardo verkaufe, so hast Du Nichts von ihr zu fürchten; das Kapital, welches großentheils in ihrer Unerfahrenheit liegt, ist zu bedeutend. Sie ist zwar sehr schön.«
»Und kann nicht lieben und nicht erheitern,« entgegnete Corzaris geringschätzend.
»Sie hat den ersten Unterricht ja nun empfangen und Du sagst ja selbst, daß sie sich sehr gelehrig gestellt habe,« bemerkte Sarszan lachend und setzte dann noch hinzu: »Gieb Dich zufrieden, ich hoffe, Buardo zahlt mir einen guten Preis für sie.«
Bald kam der junge Mann zurück und Corzaris reichte ihm und ihrem Herrn das Morgenbrod, dann zündeten sie Beide Pfeifen an und legten sich gegen einander über auf ihre Teppiche.
»Ich dürfte Dir eigentlich das Mädchen nicht verkaufen,« hub der Händler nun an und blies eine dichte Rauchwolke in die Höhe; »ich habe dem Könige von Dahomey versprochen, ihm eine solche Negerin zu schaffen und ich würde Ehre mit ihr einlegen; der König zahlt mir irgend einen Preis für sie, denn unter seinen vielen Tausend Weibern hat er ihres Gleichen an Schönheit nicht.«
»Du würdest eine Sünde begehen, wolltest Du sie diesem wilden Thiere in die Hände liefern,« entgegnete Buardo ernst.
»So wenig, als ob ich ihm einen Ballen Kaffee verhandle; habe ich sie nicht zum Verkaufen erstanden?«
»Sie ist aber keine Negerin wie die im Lande Dahomey, sie fühlt ihr Geschick, und Du würdest sie grenzenlos unglücklich machen. Kann das Dir gleichgültig sein, zumal, wenn Dir eine Gelegenheit geboten wird, sie ohne Deinen Nachtheil vor solchem Unglück zu bewahren?«
»Wenn dies geschehen kann, so bin ich auch bereit, ihr Glück zu berücksichtigen. Ich fordere zweitausend Pfund Elfenbein für sie,« sagte Sarszan und heftete seinen Blick auf Buardo.
Dieser fuhr erschrocken auf und wiederholte: »Zweitausend Pfund Elfenbein?« mit einem Ton des Erstaunens und der Entrüstung. »Zweitausend Pfund Elfenbein? So viel würdest Du in meinem ganzen Lande nicht auftreiben können; das kann nur Dein Scherz sein.«
»Mein vollster Ernst. Es ist ja nur eine Forderung, ob Du darauf eingehen willst oder nicht, steht bei Dir.«
»Es heißt mit andern Worten, daß Du mir das Mädchen nicht verkaufen willst; denn daß ich Dir diesen Preis nicht zahlen kann, weißt Du. Stelle mir eine vernünftige Forderung.«
»Es bleibt dabei. Was Du nicht in Elfenbein zahlen kannst, nehme ich in Gold. Es wird viel Goldstaub bei Euch gesammelt,« versetzte der Händler.
»Und wenn ich meine sämmtlichen Unterthanen plünderte, so würde ich die Summe nicht zusammenbringen. Nochmals, stelle mir einen vernünftigen Preis,« entgegnete Buardo heftig.
»Kannst Du diesen nicht zahlen, so geht das Mädchen mit mir, der König von Dahomey zahlt ihn mir gern,« sagte Sarszan ruhig und sank tiefer auf sein Lager.
»Das wird sie nicht, so wahr die Sonne dort über dem Palmenwalde aufsteigt!« rief Buardo mit begeisterter drohender Heftigkeit. »Semona wird nie in die Macht jenes Ungeheuers gerathen. Ich bin bereit, Dir einen sehr hohen Preis zu zahlen; bestehst Du aber auf Deiner jetzigen Forderung, so gebe ich Dir zu bedenken, daß Du in meiner Gewalt bist, denn Deine Diener können Dich gegen meine Jäger nicht schützen. Semona ist mein und geht mit mir, so wahr ich Buardo heiße!«
Sarszan's Gesicht hatte sich verfinstert, seine Brauen hatten sich zusammengezogen, seine Augen blitzten Wuth und seine sehnigte Hand hatte sich krampfhaft um das lange Rohr seiner Pfeife gepreßt. Sein Zorn und sein Eigennutz kämpften augenscheinlich einen verzweifelten Kampf in ihm.
»Ist das der Dank dafür, daß ich Dich mit aller Gastfreundschaft in meinem Lager, bei meinem Feuer aufnahm – willst Du mich dafür berauben?« knirschte er zwischen den Zähnen hervor und heftete seinen wild stammenden Blick auf Buardo, als wolle er ihn damit durchbohren.
»Dafür bewahre mich der Gott, dem ich Gehorsam und Ergebenheit geschworen habe!« entgegnete dieser mit milderer Stimme; »doch will ich mich nicht von Dir berauben lassen. Ich will Dir geben, was in meinen Kräften steht, und das ist mehr, viel mehr, als Dir irgend Jemand für Semona bieten wird. Stelltest Du dem Könige von Dahomey die mir gemachte Forderung, so würde er selbst Dir den Kopf abschneiden und sich einen Trinkbecher aus Deinem Schädel machen lassen. Sei darum billig und vernünftig, Sarszan, laß uns Freunde bleiben, ich werde es Dir ewig danken; Semona muß und soll mein werden!«
»So mache mir ein Gebot,« entgegnete der Händler mit bebenden Lippen und that sich Gewalt an, ruhig zu erscheinen.
»Ich will Dir geben, was ich kann. Ich werde noch heute einen Boten an meinen Vater senden und diesen bitten, mir alles Elfenbein und alles Gold zu schicken, was er auftreiben kann. Du sollst zufrieden sein, Sarszan. Gieb mir Deine Hand und laß uns Freunde bleiben,« sagte Buardo mit überredender Gutmüthigkeit und hielt dem Händler seine Rechte hin. Dieser nahm sie, wenn auch augenscheinlich mit Widerwillen und sagte mit erzwungener Ruhe:
»Mehr, wie Du geben kannst, will ich nicht von Dir verlangen, ich will Vertrauen in Deine Rechtlichkeit setzen.«
»So sende einige Deiner Diener und sechs Kameele mit meinem Boten, sie reisen schneller als Pferde und tragen schwerer. Du darfst mir trauen, Sarszan, ich werde Dir einen sehr hohen Preis für Semona zahlen.«
Die Züge des Händlers beruhigten sich mehr und mehr und man konnte es ihm ansehen, daß der in Aussicht gestellte Gewinnst seine Erwartungen zwar befriedigte, daß er sich aber gegen die Gewalt, die ihm angethan wurde, mit bitterm Groll auflehnte.
»Ich bin es zufrieden, befiehl aber Deinem Boten Eile an, damit mir nicht zu viel Zeit verloren gehe. Zeit ist Gold,« entgegnete Sarszan und rief dann einen seiner Diener herbei, dem er den Befehl in Bezug auf die Kameele gab.