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Unter der Regierung des Kalifen Mahmud lebte in Basra der Dichter Omar ibn ali Rebia, der von seinen Zeitgenossen der Dichter unter den Dichtern genannt wurde. Omar trug diesen Namen mit Recht, denn er war der Erfinder von siebenunddreißig neuen Versmaßen, und in jener an großen Dichtern so reichen Zeit kam ihm keiner gleich in der Kunst der Strophe und in der Fülle des Einfalles.
Das Besondere an seinen Versen war, daß sie zwar streng gesetzmäßig in ihrem Baue waren, aber wild in dem Sinn, und daß sie deshalb sowohl den Klugen wie den Toren gefallen mußten. Wenn Omar eine neue Strophe veröffentlicht hatte, so zählten die Literaturprofessoren prüfend ihre Silben und freuten sich, daß es stimmte; und die Trinker in der Schenke sangen sie im Chor. Die verhüllten Frauen aber, die abends auf den Dächern saßen, wiederholten flüsternd den süßen Reim, während sie der hinaufziehenden Nacht entgegensahen.
Omar verdiente mit seinen Werken viel Geld, und davon hatte er sich in der schönsten Straße von Basra ein kleines Haus gekauft, das in seinem Innern so geschmückt war, wie die Dichter sich ihr Heim herauszuputzen pflegen: mit Tischen, die mit Perlmutter eingelegt waren, mit alten Büchern und flimmernden Bronzelampen in allen Ecken. Aber das Schönste davon war der kleine Garten, der hinter dem Hause in der Stille lag. In dem Garten war ein kleiner See, und in dem See eine kleine Insel, zu der eine heimliche Brücke aus vergoldeten Hölzern hinausführte. Auf dieser Insel saß Omar den ganzen Tag, blickte in den Himmel und lauschte mit den Ohren des Dichters auf das Klingen der Welt. Und wenn er den Ton, auf den er wartete, erfaßt hatte, tauchte er seine Gänsefeder in das Töpfchen blauer Tinte, das neben ihm stand, und schrieb den Reim auf das Papier.
Nun erhob sich aber neben dem Garten des Dichters das große Handelshaus des reichen Kaufmanns Ali, dessen Schiffe bis nach Zanzibar gingen, ins Land der Mohren. Ali handelte mit Häuten und Leder, und den ganzen Tag lief es in seinem Hause ein und aus von Reisenden, die ihre Muster brachten, und von Boten mit Briefen. Und wenn nun dieser große Geschäftsmann an seinem Tische saß und Rechnungen prüfte und hundert Aufträge erteilte, so konnte er immer durch das Bogenfenster hindurch den Dichter Omar sehen, der auf dem Inselchen saß und in den Himmel guckte. Deshalb haßte Ali den Dichter und sagte zu allen seinen Freunden: Seht einmal da drüben den Omar, der jetzt seit sieben Stunden auf seiner Insel sitzt und nichts tut. Ist es erlaubt, daß so ein Taugenichts den ganzen Tag in den blauen Himmel sieht, während andere Leute schaffen müssen von früh bis spät?
Eines Tages geschah es, daß Omar aus seinem Hause auf die Straße trat mit einer großen Rolle beschriebenen Papiers, das er zu seinem Verleger bringen wollte. Gleichzeitig kam aus dem Hause des Kaufmanns die Sänfte heraus, in der sich Ali zur Börse tragen ließ. Und da der Dichter vor sich hinträumte und weder nach rechts noch nach links sah, rannte er gegen die Sänfte an, die in ein heftiges Wanken geriet. Die Träger stießen den Dichter rauh hinweg, der Kaufmann Ali aber steckte den Kopf heraus und schrie: Du Taugenichts, kannst du nicht fleißigen Leuten aus dem Wege gehen, die zur Börse wollen, wo sie an der Hebung des Nationalwohlstandes arbeiten? Eine schöne Kunst, die du da betreibst, Verse auf Papier zu schreiben. Das kann jeder, das kann jeder. Damit zog Ali seinen Kopf wieder zurück und schaukelte in der Sänfte weiter.
Der Dichter Omar ibn ali Rebia stand sprachlos da. Denn er war ebenso wie alle Dichter: wenn sie einen Streit mit groben Weltleuten haben, so wissen sie im Augenblicke nichts zu reden; erst wenn der andere längst fort ist, fällt ihnen die geschickte Antwort ein, die sie hätten geben sollen. Omar sah der Sänfte seines Nachbars nach, und als sie glücklich um die Ecke verschwunden war, bedachte er, daß er dem Grobian hätte erwidern sollen: Nun, wenn es so leicht ist, einen Reim zu schreiben, schreibe doch einmal einen.
Da ergriff ihn eine große Wut über die Dreistigkeit des Kaufmanns und ein noch größerer Zorn über seine eigene Dummheit; und nachdem er diesen Zorn zwei Tage lang gehegt hatte, hielt er's nicht mehr aus: er faßte sich Mut, ging eines Abends zu Ali herüber und trat stracks in sein Arbeitszimmer ein. Ali blickte erstaunt von seinen Papieren auf, denn bisher hatten sich die beiden Nachbarn noch nie in ihren Häusern besucht. Omar aber sagte herzhaft: Nachbar und Freund, du hast gesagt, es sei keine Kunst, Verse auf Papier zu schreiben; nun, hier bringe ich dir das Pergament, auf das ich meine Verse zu verzeichnen pflege, auch meine Feder und meine veilchenblaue Tinte. Du hast jetzt gewiß Zeit, denn es ist Abend, und bis morgen brauchst du dich nicht um den Aufbruch der Kamele zu kümmern. Zeige also, was du kannst. In einer Stunde werde ich wiederkommen, und du wirst mir dann das Gedicht oder die Strophe zeigen, die du niedergeschrieben hast; weil es ja eine so leichte Sache ist.
Haha, rief der Kaufmann, das werden wir gleich machen; geh und komm in einer Stunde wieder; aber deine Gänsefeder magst du gleich mitnehmen, mit so etwas kann ich nicht schreiben; ich bin an meine Feder mit goldener Spitze gewöhnt.
Als Omar nach einer Stunde wiederkam, saß der Kaufmann schweißgebadet vor dem Pergamente, das er mit einem wüsten Gewirr von Worten und Strichen bedeckt hatte.
Nun? sagte Omar lächelnd, lies mir deine Gedichte vor.
Es ist kein Wunder, antwortete ärgerlich der Kaufmann, es ist kein Wunder, daß es mir nicht gelang. Du hast deine Kunst erlernt, ich die meine; ich kann ebensowenig plötzlich ein Sonett schreiben, wie du jetzt in einer Stunde einen Posten persischer Lammfelle einkaufen könntest. Diese kurze Probe beweist noch nicht, ob deine Kunst wirklich etwas so Schweres ist.
Du hast recht, antwortete Omar, aber trotzdem ist zwischen uns beiden noch nicht entschieden, ob du mit deinen Vorwürfen recht hattest. Laß uns unseren Versuch fortsetzen. Du wirst ein halbes Jahr lang in deinen abendlichen Mußestunden bei meinem Lehrer Salomon die Kunst der Längen und Kürzen lernen; unterdessen erlaube mir, daß ich bei deinem Schreiber Unterricht nehme in dem Gesetz des Handels und in dem Wert der Münze, und daß ich nach seinen Lehren mit meinem geringen Geld wuchere. Dann wollen wir nach einem halben Jahre sehen, ob du ein Dichter geworden bist und ich ein Kaufmann, und daran erkennen, welche von den beiden Sachen leichter und zugänglicher ist, welche höher, seltener und heiliger.
So taten sie.
Nach einem halben Jahre hatte Ali alle Regeln der Dichtkunst auswendig gelernt, er wußte, daß jeder Vers in zwei Halbverse mit gleichem Reim zerfallen muß, und wo der Ton hinkommt; aber seine Verse fielen auseinander, und die Reime klapperten wie trockenes Holz. In einem halben Jahre hatte der Dichter Omar erfahren, daß es darauf ankommt, billig zu kaufen und teuer zu verkaufen, und daß die Ziegenfelle schwerer werden, wenn man Sand darauf gestreut hatte. Und gerade als die Probezeit ausging, war er beschäftigt, einen großen Posten von Kuhhäuten auf dem Markt in Koweit aufzukaufen.
Lächelnd sagte Ali: Welch Kaufmann du doch geworden bist; ich sehe nun ein, daß zur Dichtkunst ein stärkerer Geist gehört, daß das Handelsgeschäft das gemeinere ist, und ich grüße dich als Sieger. Nun laß uns jeder zu seiner Arbeit zurückkehren.
Aber da antwortete Omar: Noch nicht gleich; erlaube mir, daß ich diesen Handel erst zu Ende führe. Wenn ich nämlich die Felle jetzt nach Stambul bringe, habe ich einen Reingewinn von fünftausend Zechinen, denn der westliche Markt zieht Leder an wegen des drohenden Krieges zwischen den Bulgaren und dem Kaiserreich. Auch wollen mir Magus und Söhne in Aleppo fünfzigtausend Zechinen kreditieren, und es wäre eine Sünde, dieses Geschäft gerade jetzt abzubrechen.
So setzte Omar seine Kuhhäute in Stambul glücklich ab, und für das Geld, das er gewann, kaufte er marokkanische Lederwaren auf; die Gelegenheiten mehrten sich, die Geschäfte wuchsen, und schließlich trat Omar mit seinem Nachbar Ali in eine Handelsverbindung ein.
Da er aber Platz für seine Waren brauchte, ließ er den kleinen Garten abreißen und den See zuschütten mit der heimlichen Insel und der goldenen Brücke, und baute einen Schuppen, in dem die Ziegenfelle und die Stapel von Kuhhäuten lagern sollten, bis die Preise die richtige Höhe erreicht hätten.
So zeigte es sich, daß zwar die Poesie das Heiligere und der Handel das Gemeine ist, das jeder erfassen kann; es erwies sich aber auch, daß die Gemeinheit stärker sein kann als alles Heiligtum.