Josef Baierlein
Der Spruchbauer
Josef Baierlein

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3.

Stephan hätte wirklich der beschränkte Spruchbauer sein müssen, als welchen ihn die Schattendorfer mit Unrecht ausschrien, wenn er nicht gemerkt hätte, daß seine Mutter mit dem soeben erzählten Gespräch nicht nur einen bestimmten Plan verfolgte, sondern daß sie auch schon Vorbereitungen getroffen hatte, ihn auszuführen. In der Tat hatte die Bäuerin, vom brennenden Verlangen, ihren Sohn endlich zu einer Heirat zu bewegen, geleitet, vorerst ihrerseits Umschau unter jenen Töchtern in der Gemeinde gehalten, die vermöglich genug waren, um nach landesüblichem Dafürhalten als Ehefrauen eines Großbauern in Betracht zu kommen. Sie hatte lange überlegt und geprüft, und schließlich war ihre Wahl aus mehrfachen Gründen auf des Wiesenbauern Lene gefallen. Denn erstens war die Lene, wie man so sagt, ein sauberes Mädchen, dann bekam sie einen schweren Batzen Geld mit; auch lagen die Grundstücke, die ihr der Wiesenbauer bei ihrer dereinstigen Verheiratung zugedacht hatte, in der Nähe 13 von Stephans Besitzungen, so daß sie sich leicht damit arrondieren ließen. Nach der Bäuerin Meinung bildete also eine Verbindung mit Lene für ihren Stephan eine ausgezeichnete Partie, weil sie auf allen Seiten Vorteile und nur Vorteile zu bieten schien.

Als kluge Frau suchte sie aber zuerst Fühlung mit Lenes Eltern und fand sofort verständnisvolles Entgegenkommen. In den reichen Spruchbauernhof als Herrin einzuziehen, war ja nach bäuerlichen Begriffen ein so großes Glück, daß wohl jede heiratsfähige Tochter mit beiden Händen zugelangt und jeder Vater seinen Segen dazu gegeben hätte. Daß man Stephan im Grund nicht für ganz vollwertig einschätzte, kam dabei in keinen Betracht. Denn einerseits war die Abneigung der Schattendorfer gegen den Spruchbauer hauptsächlich nur daraus entstanden, daß er sich vom Verkehr mit ihnen möglichst fernhielt und namentlich keine Verschwägerung mit ihnen suchte, andrerseits ziehen manche Mädchen einen dummen Freier, wenn er nur sonst seinen Platz unter den Vornehmen der Gemeinde ausfüllt, dem allergescheitesten vor, weil sie den ersteren leichter unter ihren Willen zu beugen hoffen. Es gibt nämlich Weiber, die in ihrem Haushalt nicht nur den Dienstboten befehlen, sondern auch dem Mann kommandieren wollen und die Wiesenbauern-Lene 14 zeigte alle Veranlagung zu einer solchen bösen Frau. Ihre Leute hätten etwas erzählen können von dem Starrsinn, dem harten Kopf und – dem harten Herzen des Mädchens. – –

Die Mutter Stephans hatte also die Sache mit Erfolg eingefädelt und vom Wiesenbauer die Versicherung erhalten, daß er eine Heirat seiner Tochter mit ihrem Sohn nur durchaus gern sähe, und daß Lene gleichfalls nicht abgeneigt sei, dem Spruchbauer die Hand zu reichen zum Bunde fürs Leben. Auch über die Höhe der Mitgift und eine standesgemäße Ausfertigung hatte man sich bald geeinigt, und da Stephan überdies versprochen hatte, die für ihn in Aussicht stehende Braut wenigstens einmal anzuschauen, so schien die Angelegenheit auf dem besten Weg zu sein.

Gelegenheit, die Lene zu sehen, erhielt Stephan von dieser Zeit an genug; denn seit der Wiesenbauer den jungen Mann schon halb und halb als Schwiegersohn betrachtete, entwickelte er eine merkwürdige Geschicklichkeit darin, die zwei Leutchen einander näher zu bringen. Was früher niemals geschehen, ereignete sich jetzt fast jede Woche ein paarmal: bald lud der Wiesenbauer den Stephan in sein Haus, um dessen Urteil über ein neu angekauftes Roß zu hören, bald über den Preis für fette Ochsen, welche er auf den Viehmarkt treiben wollte. Heute bat er ihn, mit einem 15 Gespann auszuhelfen, um schneller mit dem Einfahren von Torf fertig zu werden, und auf morgen bestellte er den jungen Spruchbauer schon wieder zu einem Gang nach der Stadt, weil der Metzger wegen fetten Hämmeln für den Herbst angefragt hatte. An allen solchen Gesprächen, Arbeiten und Gängen aber, zu denen Stephan in freundnachbarlicher Weise sich bereitwillig herbeiließ, nahm auch Lene teil; sie begleitete die Männer in die Ställe und auf den Kornspeicher, fuhr mit dem Spruchbauer in den Torfstich oder auf den Rindermarkt, feilschte mit dem Metzger um den Preis der Herbstschafe, – kurz, sie tat alles, um sich vor Stephan als ein tüchtiges, im Bauerngewerbe bestens erfahrenes Mädchen zu zeigen, das einem großen Haushalt wohl vorzustehen und ihn zu regieren verstünde.

Auch wenn die Unterredung mit seiner Mutter nicht vorausgegangen wäre, hätte der Spruchbauer erkennen müssen, daß die Zuvorkommenheiten Lenes und ihres Vaters nicht von Wohlwollen und Herzlichkeit, sondern von Berechnung und dem Wunsche eingegeben waren, ihn recht bald und für immer mit der Familie des Wiesenbauer zu verbinden. Diese Erkenntnis schärfte aber den sonst mehr nach innen gerichteten Blick Stephans, so daß er an Lene manches wahrnahm, was ihn 16 abstieß, weil er es mit dem besten Willen als keinen Vorzug betrachten konnte. Solche wiederholte Entdeckungen waren auch die Ursache, daß es mit seiner Freierei um keinen Schritt vorwärts ging, und daß es trotz ihres vielen Zusammenseins zwischen ihnen noch zu keiner vertraulichen Aussprache gekommen war. – 17

 


 


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