Otto Julius Bierbaum
Das Schöne Mädchen von Pao
Otto Julius Bierbaum

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VI.
Die böse Jagd.

Der Kaiser merkte bald, daß er mit seiner Bemerkung vom Strohhalm-ins-Feuer-werfen mehr Gleichmütigkeit bei Todesurteilen markiert hatte, als er wirklich besaß. Die Sache ging ihm doch nahe. Er wurde schwermütig, – ja, es ging ein Gemunkel: Seine Majestät sei eigentlich nicht mehr ganz richtig im Kopfe. Er war so sonderbar zerstreut immer und redete zuweilen Dinge, die kein Mensch mehr verstand, und er auch nicht. Es ging zu Ende mit ihm. Das Regieren ließ er die Minister besorgen, und sein einziges Vergnügen war noch, auf die Jagd zu fahren, d. h. von seinem Wagen aus zuzusehen, was die andern schossen oder fehlten. Und selbst auf der Jagd sah er zuweilen Dinge, die gar nicht mit der Jägerei zusammenhingen.

Seine letzte Jagd brachte ihm sein letztes Gesicht, und das war das unangenehmste von allen.

Die Jagd war gut gewesen, und der Kaiser war in einer Art von guter Laune, als man heimzog. Die Jäger trugen auf Spießen das erlegte Wild und sangen heitere Lieder:

Was im Wald gesprungen ist,
Liegt auf unsern Spießen;
Jägerlust und Jägerlist
Ist, das Wild zu schießen;
Wenn der Braten fertig ist,
Wolln wir ihn begießen;
Hinterdrein
Soll der Wein
Durch die Kehlen fließen!

Der Kaiser lachte dazu und rief: So recht, so recht, meine guten Jagdgesellen! Seht, der Himmel selber ist rot von Wein, den die untergehende Sonne ausgegossen hat.

Hinterdrein
Soll der Wein
Durch die Kehlen . . .
           

Da fiel er plötzlich hintüber und starrte in das Abendglühen, als sähe er etwas Schreckliches:

Rot, rot, alles, alles rot; und aus der Röte rast ein kleiner offener Wagen auf ihn zu. Zwei Männer stehen drauf, rote Bogen überm Rücken, rote Pfeile in der Hand, und sie machen Halt vor dem Kaiser, schaun ihn groß an und flüstern: Wie gehts Ew. Majestät, seitdem wir uns nimmer gesehen haben? Majestät kennen uns doch? Ei freilich! Freilich! Ich da, ich, schauen Sie mich nur an: ich bin der Ober-Staatsrat Tu-po! Da, der rote Streif am Halse, – den kennen Ew. Majestät doch wohl? Hehe! . . . Und ich da, ich, ich bin auch ein Ober-Staatsrat! Oh ja! Tso-yu heiß ich und hab auch so einen roten Halsstreif! Da, da! Gib deine Hand her, Kaiser! Greif hin! greif hin!

Der Kaiser schrie gräßlich auf, fuhr mit beiden Händen sich an den Hals und rief: Haltet sie! Haltet sie! Ich will sie zu Exzellenzen machen!

Dann versank er in Grübeln und schloß die Augen.

Das Abendrot war verglüht. Die Dämmerung kam kühl.

– Fahrt schneller! Schneller! Fahrt! Fahrt! Fahrt! Sie kommen wieder! Sie kommen wieder! Dicht mir am Wagen fahren sie her! Fort, Gespenster! Tso-yu! Tu-po! Geht mir aus dem Wege! Ich schlag euch nochmal tot! Ich schlag euch nochmal tot! Ich . . . schlag . . . euch . . .

Und der alte Kaiser Hsüan riß sein Schwert Tai-O aus der Scheide und hieb in die leere Luft.

– Oh! Oh! Nun legen sie die Bogen an, die roten Bogen! Und nun die Pfeile auf, die roten Pfeile! Eisen! Eisen! Eisen! legt mir Eisen aufs Herz! Sie . . . schießen . . . mich . . . tot!

Gräßlich kreischte der Kaiser auf und fiel ohnmächtig rücklings in den Wagen.

Als er erwachte, sagte er bloß: Mir ist so weh ums Herz.

Der Dichter Su-Tschung-Po, den sie den Alten im Barte nennen, hat ein Lied auf diese Erscheinung geschrieben; das lautet so:

Wie Götter kamen sie hergefahren
Mit roten Pfeilen auf roten Bogen,
Und mitten im Jagdzug des Kaisers fuhren
Sie her und hin.

Und führst du, Kaiser, schneller als Winde;
Die Blutschuld folgt dir als rote Wolke,
Die rote Wolke hüllt dich, Kaiser,
In Blutnaß ein.


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