Otto Julius Bierbaum
Das Schöne Mädchen von Pao
Otto Julius Bierbaum

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XIX.
Reisbier und Mandelkuchen.

Dieses Edikt fiel im östlichen Palaste mit der Wucht eines Meteorsteines nieder, und die Kaiserin Schên-hau fiel in eine unzweifelhaft echte Ohnmacht.

– Ich reise nicht nach Schên! rief der Kronprinz; fällt mir gar nicht ein, in diese triste Provinz zu fahren!

Aber der Wagen stand schon vor der Türe, und es wimmelten so viele Helebarden um ihn herum, daß selbst der Kronprinz von China einsehen mußte, hier sei Bravsein das Gescheidteste.

Vorn eine Schwadron gelbe Küraßreiter, hinten eine Schwadron rote Küraßreiter, rechts und links je einen Rittmeister von den roten und gelben, fuhr der Verbannte I-tschiu gen Schên. Die Kaiserin aber stand hinter der Gardine und weinte.

– Was soll ich nun tun? dachte sie sich: Zum Klatschen gehören zwei Hände, und meine andere Hand war I-tschiu. Ohne ihn kann ich gar nichts unternehmen. Aber jeden Tag soll der arme Junge einen Brief haben. Ach, was für eine unglückliche Frau bin ich! Wahrlich, der alte Dichter hat recht, der da sagt:

Hohes Amt und hohe Würde
Sind oft Nackenjoch und Bürde.

Hätt ich doch lieber den Baron Wu geheiratet, der damals um mich anhielt!

Im Juwelenpavillon dagegen herrschte jetzt doppelte Freude. Die Aussicht, ein Kind von Prinzessin Pao zu bekommen, vielleicht gar einen Sohn, machte den Kaiser halb närrisch vor Glück.

Sechzig Dienerinnen waren unablässig damit beschäftigt, Kinderwäsche zu nähen, täglich wurde Wiegenparade über die Modelle abgehalten, die alle Tischlermeister des Reichs im Verein mit den Juwelieren einliefern mußten, und es wurden drei besondere Säle mit Spielzeug für das kommende Pfand der Yu-Pao-Liebe angefüllt. Die berühmteren Hebammen Chinas wohnten im Juwelenpavillon, und rastlos warfen die Zeichendeuter die Lose.

Unbeschreiblich war die Aufregung Seiner Majestät, als der kritische Zeitpunkt näher und näher rückte. Statt Kronrat hielt er nur noch Hebammenrat, und kein Minister wurde empfangen, außer Herrn We.

Ein Satiriker jener Zeit hat darüber ein Epigramm hinterlassen:

Mag das Reich zu Grunde gehn,
Der Kaiser muß durchs Schlüsselloch sehn,
Denn die Pao-fê liegt in Wehn.

Endlich, endlich war es so weit, und der Eunuch vom Dienste hielt zum Zeichen, daß alles glücklich abgelaufen und ein Prinz erschienen sei, ein gelbes Seidentuch zur Türe heraus.

– Gelb! Dem Himmel sei Dank! rief der Kaiser, ergriff eine Kindertrompete und blies dreimal Tusch. Auf dieses Zeichen eilten zweitausend gelb gekleidete Hartschiere blasend erst durch die Palaststadt und schmetterten dann von der Mauer den Bürgern gewaltige Fanfaren in die Ohren. Alle Gongs und Glocken wurden gerührt, Reisbier und Mandelkuchen durch die ganze Stadt verteilt; die Bannertruppen marschierten in Paradeausrüstung mit Regimentsmusik durch die Straßen; wer am Pranger stand oder im Bock lag, wurde freigelassen; wer gerade hingerichtet werden sollte, bekam nur die Ohren abgeschnitten; in allen Tempeln wurden Hochämter zelebriert, und abends wurde ein Feuerwerk abgebrannt, daß es von weitem aussah, als brenne die Residenz.

Indessen saß der Kaiser am Bette der Prinzessin und betrachtete selig seinen Sohn.

– Mein Kleinod! Mein Kleinod! Strahlender Stengel, emporgetaucht aus dem Purpurkelche aller Seligkeiten! Hör nur, wie kräftig er schon schreit. Ein Held und Feldherr und großer Gebieter!

Die junge Mutter, die seltsamerweise durchaus nicht schwach war, ja eher noch kräftiger und blühender schien, als vorher, tat die Augen weit auf und sprach: Ein Kaiser!

– Ja, ein Kaiser! Keiner soll mir folgen, wenn nicht er!

– Schnell, schreib mir das Edikt! Gleich mußt du ihn zum Thronfolger ernennen und mich zur Kaiserin!

– Oh du Süße, nur jetzt keine Geschäfte! Nur jetzt nicht! Es soll geschehen! Gewiß! Ich schwörs bei meinem Schwerte! Ein Anlaß, den jetzigen Kronprinzen abzusetzen, wird sich leicht finden. Mach das mit Exzellenz We ab. Aber jetzt, ich bitte dich, erhabene Mutter, gönne mir Ruhe im hebenden Glücke! . . . Tiketiketike – du, mein süßes Kerlchen! Tatatata! Totototo! Schau nur, wie er die Backen aufbläst. Oh du meine Triumphposaune des Reiches! Oh du mein liebes, süßes, dickes, knirpsiges Bengelchen! M . . . m . . . m . . .!

Es war klar, daß Seine Majestät in diesem Zustande wirklich kein Edikt aufsetzen konnte. Und da die Prinzessin Pao ihrer Sache sicher war, so ließ sie es sich gefallen, noch eine Weile zu warten und irgend einen Anlaß zu finden, aus dem man den jetzigen Kronprinzen absetzen und ihren Sohn an dessen Stelle zum Thronerben proklamieren konnte.


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