Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

 

Molza erzählt

In den Beifall, der des Dominikaners Erzählung folgte, rief eine lustiglaute Stimme:

»Euer Wort über meine Liebschaften soll sitzen, Bischof von Agen! Aber daß sie sich nicht allzu lebhaft abheben gegen die zarten Farben, mit denen Ihr Eure Erlebnisse uns maltet, müßt Ihr mir schon erlauben, daß ich Eurem Gemälde ein paar Lichter aufsetze. Erschreckt nicht, Hochwürden, es wird schon immer ein gedämpftes Licht sein, daß Euch nicht in die höllische Nähe Messer Pietros aus Arezzo, meines lieben Freundes, bringt. Da säßet Ihr weiß Gott am falschen Orte. Aber als Ihr, wahrhaft am Quell alles Erzählens sitzend, Eure zahllosen Geschichten erzähltet, alte und neue, aus andern Zeiten und aus diesen, von Menschen jeden Standes und jeden Glaubens, da wußtet Ihr vortrefflich dem Erheiternden und Erschütternden die gute Lehre daraus zu geben, und nähmet doch von nichts die Wahrheit weg. Ihr erzähltet von den Irrtümern der Lutheraner, aber Ihr spartet den Papisten nicht die ihren. Ihr verspottetet die Mönche, die sich um ihre Privilegien rauften, als ob es die Interessen des Glaubens wären. Ihr lachtet über die Goldmacher und Entdecker des Steins der Weisen. Aber vor allem andern erzähltet Ihr Liebesgeschichten und dabei wäret Ihr mit den drei theologischen Tugenden nicht ausgekommen, schon besser mit den sieben Todsünden, Bischof! Nicht daß Ihr Euch ihnen hingegeben, will ich sagen. Das sei fern. Aber daß Ihr auch in den Geschichten der verliebten Leidenschaft so unbekümmert auf die Wahrheit aus gewesen seid und sie träfet, dazu mußtet Ihr schon nicht immer nur eine Mencia nichts als schlafend gesehen haben. Ihr erinnert Euch wohl einer Geschichte, die Ihr mir erzähltet nach einem Berichte, den Euch ein gewisser da Porto gab, den Ihr traft, als Ihr in den Bädern von Caldiero bei Vicenza weiltet. Es war die Geschichte eines Veroneser Liebespaares aus den Familien der Cappeletti und Montecchi. Ihr nahmt dem Groben des da Porto nichts, weil Ihr um die Wahrheit dieses Groben wußtet, aber Ihr verstandet es zudem, so viel Zartes daraus weiter zu spinnen, daß jene Geschichte eine weit tiefere Wahrheit bekam.«

»Ihr wißt, wer dieser Geschichte und manchen andern noch, die wir erzählten, die tiefste Deutung aus der menschlichen Natur gab,« bemerkte Messer Bandello, und Messer Molza, denn er war es, der zuvor gesprochen hatte, antwortete darauf:

»Jene Briten waren es und einer vor allem, ja, ich weiß. Sie gaben unsern leichthin erzählten Geschichten, rasch abgelöst die eine von der andern, die Fülle eines ungeheuren Lebens. Sie hatten nicht unsere Sonne, aber das Düstere ihrer Nebel. Sie bauten Kirchen, während wir Paläste errichteten, sie tobten in dunklen Schenken, während wir auf dem hellen Markte lebten. Sie waren schweren Blutes, und wenn uns unser alter Kirchenglaube antwortete, da war ihr Fragen noch lange ohne Antwort, denn immer noch horchten sie auf das Herz. Vielleicht auch litten sie in ihrem nordischen Lande an schlechter Verdauung und am Trunk, und wurden so im Labyrinthe des Herzens behauster als wir es sein wollten, denen Leon Battista Alberti das Wort gab: ›Die Schönheit ist das geoffenbarte Gesetz.‹ Auch die Schönheit eines Mädchenleibes, Bischof! Euer Auge machte er nicht minder trunken als das meine, wenn auch zögernder Eure Hand war, ihn zu packen und zu zwingen. Der Gedanke an den geliebten Federkiel lag Euch immer zu nah. Aber seid bedankt dafür.

Als ein Büblein von zehn Jahren, das ich war, hob mich Cesare, der Herzog von Valentinois, aufs Knie, als er auf dem Zuge gegen die Barone der Romagna im Hause meines Vaters weilte, der sich Lodovico dalla Molza nannte, wohlhabend war und edler Geburt. Aus Modena wie meine Mutter. Früh schon rührte sich in mir das Blut, machte mich eigenwillig und mürrisch im Hause mit seinem tu dies und laß das. In den Gassen war ich lieber. Und mein Auge weilte lieber auf den Mädchen als auf den Büchern. Aber ich tat mich auch darin um und hatte das Lateinische und Griechische nicht nur, sondern auch das Hebräische rasch begriffen. Ich lernte es von dem Juden Rabbi Abramo um seiner schönen Tochter willen.

Das war in Rom, wohin ich als Jüngling die Eltern zwang, mich gehen zu lassen. Dann war es in Bologna, wo ich mir den Doktorhut der Rechte holte. Aber auch einen verliebten Ruf, der bis nach Modena drang. Also, daß mich mein Vater zurückrief. Er hatte, womit er mich zu kurieren hoffte, eine Frau für mich ausgesucht. Da Masina schön, jung und aus guter Familie war, konnte ich wohl zufrieden sein. Ich zählte dreiundzwanzig, als wir Hochzeit machten, und Masina siebenzehn. Als ich mich vier Jahre darauf eines schwierigen Prozesses wegen, den mein Vater mit dem Erzbischof von San Severino, seinem Schwager, ausfocht, nach Rom begab, hatte ich von meiner Frau vier Kinder, woraus Ihr sehen könnt, daß wir sehr glücklich waren. Aber doch auch nicht so sehr glücklich, als daß ich dem lockenden Abenteuer hätte widerstehen können. Mehr als der Prozeß zog mich dieses Abenteuer nach Rom, Ihr könnt es Euch denken. Gab ihm doch ein Papst wie Leo der Zehnte die Weihe.«

Hier rief Messere Pietro aus Arezzo dazwischen:

»Von allen Seiten lief man ja damals nach den sieben Hügeln, als ob dort die Reben mit Bratwürsten aufgebunden gewesen wären!«

»Mit guten Briefen traf ich in Rom ein. Der Kardinal Giulio Medici ward mein Gönner und andere noch aus der päpstlichen Familie. So wurde mir der Auftrag, den Ippolito Medici, den jungen Bastard des Giuliano, in den schönen Künsten zu unterrichten. Kein Schüler hat je besser zu seinem Lehrer, kein Lehrer besser zu seinem Schüler gepaßt! Der väterliche Prozeß war darüber vergessen. Das Geld, das ich mir ihn zu führen vom Vater schicken ließ, ging andere Wege. Ja, Ihr ruft mir den Namen zu, den ich mir im Dienste für die junge und ausgelassene Furnia erwarb, die schönste Kurtisane Roms und die witzigste. Nach ihr nannte man mich Furnio, und ich konnte stolz darauf sein.

Ihr kennt den Traktat über das Schöne und die Liebe, den Augustinus Nifo, der Hausphilosoph Leo X. und Schützling Bembos verfaßt hat, und worin er genau nach den Maßen der Johanna von Arragonien, Rafael aus Urbino hat sie gemalt, das Bild des schönen weiblichen Körpers zeichnet. Zeuxis mußte um seine Helena zu malen, die Reize sich bei vielen schönen Mädchen von Cortona zusammensuchen. Er hätte sich damit begnügen können, Giovanna zum Modell zu nehmen, wenn es ihm gegeben gewesen wäre, sie zu sehen. Oder Furnia, die schönste der römischen Kurtisanen. Gott oder die Engel schön zu nennen, ist nur eine Metapher. Denn die Schönheit wird nur durch die Sinne wahrgenommen und man kann unsinnliche Dinge nicht schön nennen. Und nicht nur durch das Gesicht und das Gehör wird die Schönheit wahrgenommen, sondern auch durch das Tastgefühl, den Geruch und den Geschmack. Der Animus, der durch die sinnlichen Eindrücke des Schönen erregt ist, will es, wie unser Nifo sagte, haben, ut in eo pulchro atque exeo pulchrum generemus ad nostri perpetuam conservationen. Der gelehrte Grammatiker hatte Witz.

Nach der Furnia war es Beatrice, die Ferraresin, die mich entzückte. Sanzio, der Maler aus Urbino, hat sie gemalt als Fornarina. Sie vermachte das Scepter ihrer Herrschaft an ihre Tochter, die sie von dem Kardinal Arragon hatte, die Königin Tullia. Ihr habt Euch ja, Messer Pietro, recht lustig gemacht über unsere römischen Kurtisanen, aber Ihr habt das, was Ihr von ihnen sagtet, nach dem Geschmacke jener erzählt, die lachen wollten auf Kosten der Wahrheit. Furnia, Beatrice, Tullia, Faustina, für die ich die Ninfa Tiberina schrieb, mein bestes Buch, wie manche wollen, waren wahrhaft von Göttern gezeugte Geschöpfe. Auch jenes Judenmädchen, das Ihr mir so übel nahmet, Pietro, daß es durch mich in die Unsterblichkeit einginge. Diese Frauen waren das Leben wert, das man für sie wagte. Für tot lag ich an den Dolchstichen eines Rivalen vor der Tür Beatrices und ins Leben zurück pflegte mich die Liebe der Faustina Mancini.«

Hier rief Pietro aus Arezzo seinem Freunde zu: »Immer hat es mich erstaunt, Bruder und Freund, was die Schönheit Eures Genius über Eure Geliebten für Wunder brachte. So oft der Schnee fiel, sagte ich mir, Molzas Liebschaften übertreffen an Zahl diese Flocken, und ich schwur, daß Cupido, nachdem er alle seine Pfeile verschossen, für Euch gezwungen war, sich des Bogens und des Köchers als Geschosse zu bedienen, um die Herzen zu treffen.«

»Aber unser schöner Sommer, Ihr wißt es, Messer Pietro, fiel in einen raschen Herbst. Der sich als Clemens VII. die Tiara aufs Haupt setzte, der Giulio Medici, war uns allen Schreibern und den Künsten ja nicht sehr wohlgesinnt. Und als die Pest die letzten von uns aus Rom vertrieb, waren wir nicht fern der Meinung, sie sei ein Werk des Papstes. Was mich aber betrifft, so begab ich mich damals, in jenem garstigen Jahre, nach Bologna, wo mir die berühmte Camilla Gonzaga ihren Schutz und ihre Wohlgeneigtheit schenkte. Die Erinnerung an diesen meinem Geiste wie meinem Herzen teuren Namen war es wohl, die mich später zu der nicht weniger geistvollen und lebhaften Giulia Gonzaga entzückte, die mit Vespasiano Colonna vermählt war. In den zwei Jahren, die ich hier verweilte, konnte ich meiner Liebe zu Camilla nicht anders als in dem Versteck meiner Verse genügen.

Aber die Sehnsucht zog mich zurück nach Rom. Die Pest war wohl erloschen, aber ein Schlimmeres als sie kam mit der Plünderung über die Stadt. Und kaum in ihr angekommen, kehrte ich wie auf der Flucht heim nach Modena, in der Hoffnung, bei den Meinen ein bißchen von jenem menschlichen Troste zu finden, den ich vergeblich in den Tollheiten der Liebe gesucht hatte. Man breitete aber nicht die Arme, mich zu empfangen. Vor denen, die es vielleicht wollten, Weib und Kinder, stand der wilde Zorn meines Vaters. Enttäuscht und verachtet hauste ich auf einer Villa der Umgebung. Ohne andere Gäste als die gefälligen Musen. Da rief mich mein ehemaliger Schüler und Gönner, Ippolito Medici nach Rom. Er war Kardinal geworden. Ihr könnt Euch denken, wie rasch ich mein Bündel schnürte. Ippolito galt uns dreihundert Leuten vom Schwert und der Feder, die wir seinen Hofstaat bildeten, sowohl seiner Haltung nach als auch durch seine Verbindung mit den verbannten Republikanern als der lang schon erwartete Befreier, und es wäre ihm auch sicher gelungen, mit Hilfe der Partei, die er sich schuf, einen Aufstand der Bürger hervorzurufen, wenn es seinem Gegner Alessandro Medici nicht geglückt wäre, ihn in Itri vergiften zu lassen. Damit waren die glückbesonnten Tage meines Lebens vorüber, so viel seines Wohlwollens mir auch der Papst Paul III. Farnese schenkte, indem er es war, der mich seinem Enkel, dem damals fünfzehnjährigen Kardinal Alessandro Farnese empfahl und mich zum Ritter von San Pietro machte mit einer Leibrente von zweihundert Dukaten. Ich fand mich auf einmal auf der Schattenseite des Lebens. Die Freunde verschwanden, der Vater starb unversöhnt, bald darauf die Mutter. Ich war enterbt, durch meine Kinder enterbt. Mir fehlte das Nötigste, und ich schrieb meinem Weibe, daß sie mir ein paar Wäschestücke schicke. Krankheit schlug mich grausam. Die Parabel vom verlorenen Sohn schien wie für mich geschrieben, nur war ich der verlorne Vater, der zu seinen Kindern heimkehrte. War es Sühne für mein tolles Leben, so währte sie kurz. Und war ohne Reue.

Tum faciles memoret mores, et puriter acta
Percurrat vitae tempora quaeque meae.

Nun will ich Euch meine lustigste Geschichte erzählen.

Ridolfo war ein hübscher junger Florentiner aus einer wohlangesehenen Familie der Stadt. Als sein Vater starb, kam er in den Besitz eines großen Vermögens und hatte sonst keinen Vormund als sich selber. Weil er so schön war, liebte man ihn allgemein, und besonders die jungen Florentiner hatten ihn über die Maßen gern. Solange seine jungfräulichen Wangen jener zarte Flaum schmückte, der der Vorläufer des Bartes ist, setzte er die Herzen aller in Flammen, die ihn sahen, und manche – und nicht wenige – waren darunter, die, sei es weil sie es verdienten, sei es, weil sie bloß Glück hatten, Ridolfos Gunst erlangten und sich lange der Blüte seiner Jugend erfreuten. Aber da eine Zeit kam, wo sein Gesicht diesen Samt der frühen Früchte verlor, hatte Ridolfo kein größeres Verlangen, als seinerseits zu suchen, was man bei ihm gesucht und gefunden hatte. Er sah sich nach solchen um, die jünger waren als er, und gewann damit den allertraurigsten Ruf, besonders bei den Frauen, die um seine Neigungen wußten. Und bald redeten ihm auch seine Verwandten und Freunde liebevoll zu, doch von seinem Laster abzustehen, und baten ihn inständig, daß er damit ein Ende mache, menschliche und göttliche Gesetze und die Natur selber solcherart zu verletzen. Und Ridolfo überlegte das alles bei sich selber und dachte, wenn er eine Frau nähme, könnte dies zum Teil die schlechte Meinung mindern, die man von ihm habe. Er besprach sich darüber öfter mit seinen Verwandten und nach reiflicher Überlegung heiratete er ein sehr schönes Mädchen, das den Namen Beatrice hatte und die Tochter des Tornabuoni war. Diese Beatrice war noch ganz jung, und so schön sie auch war, glich sie doch einem Jüngling weit mehr als einer Frau und waren Gesicht und ihre Stimme fast männlich: woraus man entnehmen kann, daß Ridolfo es nicht besser hätte treffen können. Und was den Ridolfo anlangt, so überredete er sich, daß er nun wohl seine andere Leidenschaft los würde und seine Frau ganz leicht werde lieben können. Und so wurde zur größten Zufriedenheit eines jeden die prächtige Hochzeit gefeiert. Aber es war nicht spät darauf, als Beatrice merkte, daß ihr Gatte gegen alle ihre Erwartung nach anderen Früchten neugieriger war als jenen, die in dem Garten seiner Frau wuchsen. Ridolfo war in der Tat wieder in sein altes Übel verfallen. Und wie wenn er sich verheiratet hätte, um unter dieser Decke mit weniger Schande seinen Neigungen nachzugehen, sah er sich einen Knaben aus, der geeignet schien, das Gewicht zu tragen, das ihn Ridolfo tragen zu lassen die Absicht hatte. Er gab vor, ihn als seinen Kammerdiener aufzunehmen, gab ihm Wohnung in seinem Hause und pflog mit ihm gute Zeit, zum großen Leidwesen seiner jungen Frau. Und so schlecht verteilte er seine Ermüdungen zwischen seinem Geliebten und Beatrice, daß diese darauf angewiesen war, den größten Teil der Nacht hinzubringen, ohne irgendwas zu tun oder sie ganz zu durchschlafen, wo sie doch so gerne eine jede durchwacht hätte. Lange ertrug Beatrice diese Laune ihres Gatten, und als sie sah, daß er trotz aller ihrer Vorwürfe nicht davon lassen wollte, sprach sie in großem Zorn bei sich: ›Mein Faulpelz von Mann besteht darauf, nicht in meinem Hafen zu landen, wo ich doch Gott sei Dank Raum genug hätte, ihn aufzunehmen, selbst wenn er da gefahren käme wie er wollte und den größten Mast aufsteckte, den es je gegeben hat. Und selbst wenn er sich in den kleinen Golf zurückziehen wollte, er würde da Platz finden, wo man ihn leicht auf die Rhede schleppen, ich möchte sagen, zügeln könnte. Und dennoch kommt er so selten, daß ich ihm ohne Nutzen für mich unter dem Titel einer Gemahlin als Zuhälterin dienen und Hungers sterben muß. Aber er irrt sich! Ich hab nichts vom bloßen Warten und ein anderer unterhält sich auf meine Kosten. Hat mich ihm der Zufall aus der Gosse zugeführt? Dankt er dem Zufall meine gute und große Mitgift? Bin ich vielleicht verwachsen oder so, daß er Angst davor haben muß, sich mir zu nähern? Und angenommen, er hat Angst vor meinem Gesicht, kann ich mich nicht herumlegen wie nur irgend eine? Aber ich finde schon einen, dem meine Schönheiten gefallen, aus denen sich dieser Elende, ich weiß nicht warum, nichts macht. Und er selber soll mir diesen Liebhaber verschaffen. Und so will ich mich mit dem, der mein Nebenbuhler ist, an meinem Gatten rächen, der mir dadurch, daß er fortwährend einen Geliebten vor meinen Augen herumgehen läßt, nicht besser beibringen könnte, was zu tun meine Pflicht ist.‹ Nachdem sie solches bei sich bedacht hatte, machte die schöne junge Dame es mit Zeichen und Bewegungen so gut, daß der Diener ihre Liebe bemerkte. Und bald erfreuten sie sich aneinander, ohne die Vorsicht gegenüber dem Gatten außer acht zu lassen. Der Knabe war es wohl zufrieden und meinte, es sei weit besser, das der Beatrice zu geben, was er mit größter Sorge den Händen seines Herrn entzog, damit nichts verschwendet werde und um besser sowohl sich als seiner Herrin zu genügen. Ridolfo schöpfte aber Verdacht; als er seinen Diener bleich und mager werden sah, begann er schrecklich zu vermuten, daß andere als er die Watte aus dem Wams zögen. Von nun überwachte er jeden Schritt des Knaben. Und als er sich einmal an einem ganz geheimen Ort seines Hauses versteckt hatte, nahm er durch eine Ritze wahr, wie sich sein Liebling mit seiner Frau küßte und umarmte. In großem Zorn dachte er daran, sein Weib heimlich zu töten. Und er sagte zu sich: ›Ich wußte wohl meine Worte, als ich von dieser falschen und perversen Weibersippe sprach! Aber gelobt sei Gott! Er hat mir den Weg zum Heil gewiesen!‹ So bestärkte er sich in seinem Gedanken und ließ nicht viel Zeit vergehen, als er einmal ganz harmlos zu seiner Frau sagte: ›Frau, es beliebt mir, nach dem Frühstück auf eines meiner Landgüter zu reiten. Mach schnell, damit wir keine Zeit verlieren.‹ Beatrice dachte: ›Herr Gott, hilf mir, was bedeutet das?‹ Als sie fertig waren, bestiegen sie die Pferde und ritten gegen das Landgut. Unterwegs sprachen sie von dem und jenem, als sie an einen ganz einsamen Ort kamen. Felsen und Bäume machten da einen Gürtel und einen Kranz. Ridolfo riß den Dolch heraus, packte sein Weib beim Arm und rief: ›Befiehl deine Seele Gott, denn du mußt auf der Stelle sterben.‹

Beatrice sah den blanken Dolch und die bleiche Wut auf dem Gesicht ihres Gatten, daß sie zitternd anfing: ›Gnade, mein teurer Gemahl! Bevor du mich tötest, sage, womit ich dich je beleidigt habe!‹ Ridolfo antwortete, daß sie es selber besser als irgend jemand wüßte und daß sie sich von Flehen und Bitten nichts erhoffen solle. Da kam der jungen Dame ein Gedanke. Sie begann mit Tränen: ›O wir Armen! Gnade im Namen des Herrn! Und wenn du trotz allem schon beschlossen hast, daß ich von deiner Hand sterbe, so tue das mindeste, daß ich meinen Tod nicht mit meinen eigenen Augen sehe. Und Gott möge dir nach deinen Verdiensten gnädig sein und dir verzeihen was du tust!‹ Nachdem sie so gesprochen hatte, stieg sie rasch vom Pferde. Und einen Augenblick darauf kehrte sie ihrem Gatten den Rücken zu, hob hinten ihre Röcke und ihr Hemde auf, daß er ihr über den Kopf fiel und zeigte ihrem Gemahl, wovon sie wußte, daß es ihm bei andern so ausnehmend gefiel. Als Ridolfo dieses Relief mit seinen wohlgehaltenen Proportionen sah, das ohne Fehl den Schnee an Weiße übertraf und delikat war wie Elfenbein oder ganz feine Perlen, außer daß ein leichtes Zittern und Grübchen auf jeder der Seiten zeigten, daß viel feiner als Elfenbein und Perlen dieses Fleisch frisch und zum Drücken wohlbereit sein, da war Ridolfo, als ob er den Schild der Medusa gesehen, über alle Maßen erstaunt. Einige behaupten, daß der Dolch da seiner Hand entfallen sei. Wahr ist, daß er von einer solchen Schönheit so besiegt wurde, daß dies vollständig seinen grausamen Entschluß vernichtete und daß er dieses Fleisch gar wohl fand, wohin immer er seine Hand legte. Und er ärgerte sich selber über sich, daß er bis zu dieser Stunde sich durch eigene Nachlässigkeit einer so vornehmen und süßen Sache beraubt hatte, und er sagte: ›Sicher, als Praxiteles seine berühmte knidische Venus und jener Unbekannte aus dem weißen Marmor den Apoll formte, den man heute im Vatikan sehen kann, sicher! wenn die beiden das hier gesehen hätten, sie würden sich an diesem Teil weit mehr Ehre geholt haben als sie nun genießen.‹ Schließliches Ende ist, daß Ridolfo sich mit seiner Frau aussöhnte. Was aus dem kleinen Freund wurde, das habe ich nie erfahren. Aber es hat Leute gegeben, die bezeugten, daß er Verzeihung erhielt und daß alle drei in glücklicher Eintracht miteinander lebten, ohne daß man das richtige darüber wußte, welches von den beiden, ob der Kleine oder ob Beatrice, am meisten Ridolfos Frau war.«


 << zurück weiter >>