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Malespini erzählt

Die Ironie des Zufalls wollte es, dass nach dem Biedermanne aus Lucca das Wort an den Herrn Celio Malespini aus Verona kam, der sein hübsches Spitzbubengesicht, das etwas von einem Nagetier hatte, zu einer frechen Grimasse verzog, als Messer Parabosco sagte:

»Umgekehrt wie in der Fabel kommt jetzt nach der Moral die Nutzanwendung, nach der Tugend Ser Granuccis die Fähigkeit des Ser Malespini zu Wort. Laßt Euch von Eurem Vorgänger nicht einschüchtern und bedenkt, daß er es mit seiner Tugend zu achtzig Jahren, aber zu nichts sonst gebracht hat.«

Darauf sagte nun Celio Malespini:

»Es hätte Eurer Mahnung nicht bedurft, Ser Parabosco, mich von Herzen zu mir selber zu bekennen, eingedenk eines Wortes, das, es ist eine Zeit her, so froh aus Frankreich herkam und tausend Echo fand. Nichts ist wahr, alles ist erlaubt, hieß das Wort und der es sprach war ein Kanonikus gewesen und hatte eine Abtei unter sich namens Thelème. Ich möchte es unter Eurem Beifall dahin ändern, daß ich sage: der Mensch ist wahr, und alles ist erlaubt. Da habt Ihr meine Devise, nach der ich lebte und die auszusprechen das Salz meines Lebens bildete. Ist sie nicht nach Euren Lehren gebildet, Messere Machiavelli? Warum sollte, was Ihr vom Staate und seinem Regenten sagtet, daß ihm jedes Mittel dienen müsse, auch das schlechte, sich machtvoll zu behaupten, nicht auch vom Menschen gelten, diesem höchst kunstvoll zusammengesetzten Staate seiner Glieder, die das Haupt beherrscht? Und dieses mein Haupt erkannte, daß ich das, was andere mit oft so leeren Anstrengungen zu erreichen sich bemühten, die Persönlichkeit, mit, nun ja, mit dem Diebstahl und der Lüge erreichen kann. Wie Ihr zugeben werdet, besitzt jeder Mensch gewisse Neigungen zur Lüge und Doppelzüngigkeit. Ich weiß nicht, ob ich sie im besonderen Grade besaß, jedenfalls aber schien es mir das Beste, was mich betraf, diese beiden Neigungen in mir sich harmonisch auswirken zu lassen. Ich wurde wie ich war anerkannt und geschätzt. Daß Ihr es nicht wurdet, Signore Granucci, das habt Ihr Euch nur selber zuzuschreiben, da Ihr mit einfältiger Hartnäckigkeit einen Weg durchs Leben verfolgtet, der wenig von Menschen belebt war und darum also recht unmenschlich gewesen sein dürfte. Aber es war Euer Gefallen, gerade ihn zu gehen – worüber beklagt Ihr Euch also, da Ihr doch gerade darin Euer Glück sahet? Aber ich will von meinem Wege erzählen.

Wer meine vornehme Geburt bezweifelt, kann sie sich von einem Urteil bestätigen lassen, das die Balia der Stadt Florenz, es war im Jahre 1579 und ich stand damals im Alter von achtundvierzig Jahren, über mich fällte, die Todesstrafe übrigens.

Wie ein Edelmann wurde ich in den schönen Künsten und dem Waffenhandwerk erzogen. Im Gefolge des Königs Philipp II. war ich in Flandern. Das Leben bot sich mir in seinen ersten Aspekten abenteuerlich. Ich lernte früh, daß man es, flüchtig wie es ist, an der Stirnlocke greifen müsse, um es zu fangen. Zwei Jahre lebte ich im Dienst desselben Königs in Mailand, als da Consalvo Ferrante von Cordova, Herzog von Sessa Statthalter war. Mein Amt war, die öffentlichen Feste zu organisieren. Ich hatte Freunde, die mich dabei unterstützten, so Lione Lioni aus Arezzo, den Bildhauer des Kaisers Carolus Quintus, und den Pompeo Leoni, der dasselbe Amt beim spanischen König innehatte, die ich begleitete, als sie sich im Jahre 1561 nach Mantua begaben zur Vermählung Guglielmo II. Gonzaga mit Eleonore, der Tochter des Kaisers Ferdinand I., des Österreichers. Reich an Einfällen bot ich meine Hilfe zu den denkwürdigen Festen, die bei diesem Anlaß veranstaltet wurden.

Das Glück war mir auf den gewohnten Bahnen bisher so günstig gewesen, daß ich ein Weib nahm und einen Hausstand gründete. Ich hatte zwei Söhne von Donna Lucretia. Aber da ließ mich, kaum wieder nach Mailand zurückgekehrt, Spanien im Stich und ich kam ins Elend. Mich daraus zu befreien, setzte ich mein Talent daran, indem ich Geldbriefe oder vielmehr den Namen eines reichen Kaufmannes fälschte. Das trug mir achthundert Taler. Dieser erste Erfolg setzte mein Herz in große Freude und ließ mich in meine schöne Handfertigkeit alles Vertrauen haben. Es gab wohl keine Handschrift, die ich nicht bis zur äußersten Täuschung hätte nachahmen können, so groß war meine Geschicklichkeit. Es gelang mir auf solche Weise, daß mir der Kardinal Otto Truchseß und andere deutsche Edelleute zweitausend Taler auszahlten. Ihr könnt Euch denken, wie rosig sich mir meine Zukunft malte. Ich täuschte das Vertrauen eines neapolitanischen Edelmannes, indem ich ihm politische Dokumente auslieferte, die alle Signaturen und Siegel aufwiesen, und war alles das ein Werk meiner geschickten Hände! Doch um der Wahrheit die Ehre zu geben, muß ich sagen, daß ich mich für die Siegel eines griechischen Spitzbuben bediente und für einige andre Dinge eines gerissenen Burschen, der in Diensten der spanischen Gesandtschaft stand.

Immerhin mußte ich für einige Zeit Mailand verlassen. Man begann für mich unter Leuten ein Interesse zu bekommen, an deren Bekanntschaft mir nichts lag. Ich machte mich auf, anderwärts mein Glück zu suchen und fand es in Salinas, in Savoyen, wohin ich mich begeben hatte. Ich hatte es darauf abgesehen, den königlichen Schatz um einiges zu erleichtern, und nachdem ich mir die dazu nötigen Schriftstücke in Salinas verfertigt hatte, begab ich mich damit nach Besançon, wo man mir auf meine Papiere sechstausend Taler auszahlen sollte. Ich hatte die Summe zu hoch angesetzt, was ein Fehler war. Man entdeckte den Schwindel, und ich mußte ihn nach langen gegenteiligen Versuchen zugeben. Man sperrte mich ein. Nicht um mich zu bestrafen, als weil man meine Kunst bewundernd hoffte, aus ihr Nutzen ziehen zu können. Aber Ihr könnt Euch denken, daß meine Neigung, mit meiner Kunst für Burgund zu arbeiten, nicht stark war. Da ich in meiner Gefangenschaft ziemliche Freiheit genoß, gelang mir die Flucht. Ich schlug mich nach Florenz durch. Und trat bei Francesco Medici in Dienste. Womit ich dem Großherzog diente? Ich war sein Sekretär für Geheimschriften, wenns auch weder solches Amt noch solchen Titel gab. Ihr versteht mich. Ich stand in hohem Ansehen bei meinem Herrn und seinen Freunden, auch nicht wenig bei seiner Herzensfreundin, jener Bianca Capello, die mit ihrem kleinen Liebhaber aus Venedig durchgebrannt war und, da der Tod auf ihrem Haupte stand, sich in Florenz verborgen hielt, bis Francesco die schöne Venetianerin entdeckte und sie als seine Geliebte allen Schutz genoß, auch gegen die Signoria.

Giulio Campi
Caesar Borgia

Der Großherzog liebte mich. Er brauchte mich zu manchem. Auch Donna Bianca war mir für manches dankbar und blieb es bis zu ihrem allzufrühen Tode. Ihr wißt, keiner ist amüsanter in der Gesellschaft als ein von Vorurteilen freier Geist. Ich konnte, da ich schon manches erfahren und gesehen hatte und von guten Manieren war, eine heitere Laune um mich verbreiten. Ich führte ein gutes, mit vielen Dienstleuten versehenes Haus in Florenz. Mein Weib ließ ich in Mailand. Ich habe es nie für gut befunden, sich mit einer Frau auf lange Zeit einzulassen. Und erlebte es jetzt, da ich solcher Erfahrung untreu eine wenn auch sehr schöne Geliebte, die natürliche Tochter des Herzogs Alvigi Mocenigo, länger behielt als es die dringendsten Notwendigkeiten erlaubten. Meine hohen Einkünfte reichten nicht aus. Ich mußte verschwenden. Ich mußte mich also wieder meiner schönen Handfertigkeit erinnern und meinem Gedächtnis wurde darin von einem gewissen Bartolomeo Lori, einem florentinischen Versemacher, nachgeholfen. Der Bursche hielt nicht was er versprach. Er war ungeschickt und unser Betrug wurde entdeckt. Wir wurden zum Galgen verurteilt, und der Bartolomeo wurde auch richtig am 4. Julius des Jahres 1579 gehängt. Er benahm sich dabei sehr würdevoll. Er improvisierte bis zum letzten Atemzug hübsche kleine Gedichte. Was mich betrifft, so verhalf mir Francesco, der Großherzog, zur Flucht. Madonna Bianca ließ mir auf meinen Irrfahrten Geld zukommen. Zuweilen lohnt es sich, von Frauen in guter Freundschaft zu scheiden.

Ihr erratet, wo mein Schiff landete und wo ich Anker warf. Ich begab mich zu dem Dogen. Meine Erfahrungen mit den Menschen ließen mich annehmen, daß er und der Rat der Zehn meine Kenntnisse in Schriftsachen gebührend schätzen, beschäftigen und belohnen würden. Ich verlangte nichts dafür, als daß man mich, meine Familie und Dienerschaft würdig erhalte. Ich war erstaunt, daß man ablehnte. Vielleicht war ich in meiner Rede für die diplomatisch sehr geschulten Ohren der Venetianer zu offen gewesen. Vielleicht hatte, daß ich mich mit diesem Dichterling in Florenz eingelassen, meinem Ansehn geschadet. Oder die Republik war gerade, als ich meine Dienste anbot, vortrefflich damit versehen.

Es wimmelte in der Republik von Pamphletisten, Literaten und Poeten. Und nirgends arbeiteten so viele Pressen. Es schien seit jenem Lori in Florenz mein Geschick mit den Leuten dieses Berufes verbunden. In meinen Florentiner Tagen hatte mir Madonna Bianca eine Handschrift von Ser Tassos Befreitem Jerusalem geliehen, die sie vom Großherzog geschenkt bekommen und die ich zurückzugeben nicht vergessen hatte, doch nicht, ohne mir zuvor eine Abschrift davon herzustellen. Als ich nach Venedig kam, war von dem Gedichte nur ein einziger Gesang, der vierte, bekannt, den man im Jahre 1579 in Genua mit den Reimen anderer gedruckt hatte. Die Liebhaber und die Snobs von Venedig waren nun so begierig, mehr von dem Gedichte kennen zu lernen, daß ich meine Abschrift drucken ließ. Unter dem Titel Il Goffredo. So rasch hatte ich die Drucke verkauft, daß ich schon im nächsten Jahre einen neuen machen lassen mußte, den ich dem Senator Giovanni Donato widmete. Ser Tasso soll sehr böse auf mich gewesen sein, daß ich sein Geld einsteckte, und veranlaßte einen seiner Freunde in Venedig, der von ihm eine Abschrift besaß, diese schleunigst drucken zu lassen. Sie erschien im Jahre 1581 in Casalmaggiore und dann in Parma, wo sie Viotti druckte. Das war sehr ärgerlich für mich. Aber ich parierte den Streich. Ich verschaffte mir eine genaue Abschrift vom Texte des ganzen Gedichtes und machte davon einen Druck, besser als alle andern und mußte ihn ein paarmal wiederholen, jeden zu zwölfhundert Stücken. Da mir dies geglückt war, faßte ich Vertrauen zur Schriftstellerei, nicht zu der eignen, wie ich in aller Bescheidenheit gleich sagen muß. Ich übersetzte eines Spaniers Antonio Torquemada Buch ins Italienische. Es nannte sich: Der Garten der seltsamen Blumen. Aber ich stand mit meinen Neigungen wie mit meinen Fähigkeiten als Hofmann den Thronen doch näher denn als Scribent den Druckerpressen.

Mit den Herren von Florenz hatte ich weiter immer Verbindungen unterhalten, und als im November des Jahres 1587 Fernando Medici den Thron bestieg, empfing ich ein schönes Geschenk für meine ihm übersandten Glückwünsche. Ich hatte in Venedig einige Unannehmlichkeiten mit den Behörden, welche Kleinigkeiten wichtiger nahmen als sie es verdienten. Ich begab mich nach Mantua. Vor dreißig Jahren hatte ich bei der Hochzeit des Vaters des jetzt regierenden Herzogs Vincenzo geholfen. Aber mein Herr wurde Achille Gonzaga. Er nahm wohl meine vielfältigen Dienste, aber gegen geringen Lohn des Herzens sowohl wie des Beutels. Da ich meinem Bleiben an diesem Hofe keine lange Dauer gab, wie ich auch aus den schlechten Zimmern schloß, die man mir im Corte Reale gab, unterhandelte ich mit den Herren von Florenz. Ich hatte da in den Mantuaner Archiven verschiedene nicht gewöhnliche Schriftwerke entdeckt, die dem Großherzog von Nutzen sein konnten. Ich bot sie ihm an. Darunter war ein Traktat über Geheimschriften von dem Abbate Tritemo, eine Schrift über die hohe Kunst, die Zukunft vorauszusagen, der Schatz der Menschheit von Brunetto Latini, die Geschichten vom König Artus. Diese habe ich aus dem Fränkischen ins Italienische übersetzt, wie den Schatz des Latini aus dem Lateinischen. Und dann auch meine Zweihundert Geschichten, aber in der Handschrift, denn die Druckerlaubnis vom Inquisitor war noch nicht eingetroffen. Sie sind erst im Jahre 1609 gedruckt worden.

Darin sind viele Geschichten, die ich andern, die sie erfanden, gestohlen habe. Aber die Hälfte trägt mein gutes Zeichen, daß nur der Mensch wahr und alles erlaubt ist. Ich nannte unbekümmert die Dinge und die Menschen bei ihrem Namen. Nicht nur die Mediceer haben mir das recht übel genommen. Aber es scherte mich wenig mehr. Denn seht, Messere Granucci, ich hatte das selbe einzige Ziel erreicht wie Ihr und ging doch mein Weg ganz anders als der Eure: ich war wie Ihr achtzig Jahre alt, als ich genug hatte.

Was ich Euch nun erzählen will, trug sich in der köstlichen Stadt Florenz zu, und ich war dessen selber Zeuge. Dahin kam, um hier zu wohnen, eines Tages ein messinischer Edelmann und Ritter des Johanniterordens, die man auch Malteser nannte, in Gesellschaft einer maltesischen Dame, seiner Geliebten, und mit einem Gefolge von Edelleuten, Pagen und Dienern. Er mietete einen glänzenden Palast, erfreute sich eines angenehm hingebrachten Lebens und besten Rufes. Er lebte teils in der Stadt, teils auf einem reizenden Besitztum in Fiesole, wohin er sich mit seinen edlen Freunden begab, um sich den Genüssen dieser lieblichen Landschaft zu überlassen. Hier war es, wo ein ihm sehr nah stehender Edelmann seiner Begleitung sich mit Herz und Sinnen in eine sehr hübsche Bäuerin verliebte und weder Ruhe noch Freude empfand, wenn er sie nicht sah.

Sie hatte seine Liebe wohl bemerkt, aber bei wiederholten Anlässen versicherte er sie auch seiner lebhaften Gefühle und beschwor sie, ihn auch ihrerseits zu lieben und ihm ihre Reize zu gewähren, wofür er ihr tausend und tausend Geschenke versprach und alles, was er in der Welt besitze. Aber weit davon, seinem heißen Begehren nachzugeben, floh sie den Verliebten wie ein abscheuliches Ungeheuer und konnte ihn nicht ausstehen.

So schleppte der unglückliche Kavalier ein Leben voll Bitternis und Verzweiflung, wußte nicht mehr was tun, außer sich in den tiefen Schmerzen und grausamen Qualen der Liebe zu verzehren.

Diese so große und so brennende Liebe blieb völlig unfruchtbar vom beginnenden Frühling bis zum Feste Johannes des Täufers. Was immer er auch anstellte und für Sorge darauf verwandte, er konnte weder das geringste Wort von dem schönen Mädchen erreichen noch auch nur den kleinsten Blick. Ja sie wurde mit jedem Tage hochmütiger und verachtungsvoller.

In dem Zustande so großen Unglückes und Elendes verbrachte der verzweifelte Edelmann seine traurigen Tage.

Nun geschah es, daß der Malteserritter, der um diese Liebe wußte, eines Tages, es war der Johannestag, sich der Frische der Nacht auf dem Lande erfreuen wollte, die so wohltuend ist.

In lustiger Gesellschaft kam man auf dem Landsitze des Ritters an. Hier mengte sich unser verliebter Mann des Abends unter die Menge der vielen hübschen Mädchen, darunter sich auch die von ihm so sehr geliebte befand, die durch ihre Gegenwart und den Zauber ihres Wesens ihm etwas seine Schmerzen versüßte. Aber vergeblich bemühte er sich, mit ihr zu sprechen und sie zu bitten, daß sie Mitleid mit seinem Leiden habe. Müde aller dieser dummen Worte sagte ihm schließlich das Mädchen, daß sie nicht seinesgleichen sei und er seine Gefühle anderwärts anbringen solle, und daß sie fest entschlossen sei, sich ihre Ehre zu bewahren, die ihr kostbarer sei als das Leben selber. Kurz, er konnte nichts von ihr erreichen als sie darauf bestehen zu sehen, ihn zu mißachten und zu meiden. Das Fest war zu Ende und jeder begab sich nach Hause.

Andern Tages zog nun alles aus der Umgebung der Stadt nach Florenz zum Hochamte zu Ehren Johannes des Täufers. Der verliebte Junker sagte in der Annahme, daß sich auch seine Schöne zu dem Hochamte begebe, zu dem Malteser:

›Zu Gnaden, Herr, wir wollen uns an den Brunnen begeben, uns da zu erfrischen, denn es wird, scheint mir, einen heißen Tag geben. Nicht wahr?‹ Mit dieser Frage wandte er sich an die Dame seines Herrn.

›Ich glaube auch,‹ sagte diese.

›Gehen wir also zum Brunnen,‹ sagte der Ritter, ›wir wollen da verweilen, bis die jungen Mädchen aus Florenz zurückkommen und dann wollen wir unser Fest von gestern abend wieder aufleben lassen.‹

Er nahm seine Dame bei der Hand und man ging langsamen Schrittes zu dem Brunnen, der nicht weit entfernt war. Hier ließ sich der Ritter und seine Dame auf mitgebrachten Teppichen nieder.

Der Malteser ergriff nun seine Laute und begann darauf sich zu einigen sehr schönen Sicilianen zu begleiten, die er mit wohllautender Stimme sang. Der Junker, der sich nicht hinsetzen wollte, bildete mit den Pagen und Dienstleuten ein Rund um den anmutigen Sänger und Lautenspieler. Unter denen, die zuhörten, befanden sich auch zwei oder drei Bauernburschen, die niemals den Blick von der Dame wegwandten, die in der Tat sehr schön war, und sie erfreuten sich mit den andern dieses großen Vergnügens und Glückes.

Der verliebte Junker war zuweilen von toller Laune zu Possen gepackt, und als er nun die Bauernjungen so aufmerksam und bezaubert sah, näherte er sich einem Pagen und sagte ihm ins Ohr:

›Schau dir den Bauernjungen da neben mir an, ich möchte, daß du ihm so beiläufig sagtest, er solle sich in acht vor mir nehmen, denn ich sei verrückt. Das weitere laß mich dann machen.‹

›Ich werde gleich tun was Ihr wünschet,‹ sagte der Page, und näherte sich dem Bauernjungen. Er flüsterte ihm ins Ohr:

›Junger Freund, komm diesem Edelmann da nicht zu nah, damit er dir nicht etwas antue. Denn es steigen ihm zuweilen so Blasen in den Kopf und seltsame Dämpfe, was ihn zu tausend Narrheiten veranlaßt. Und da gehts dem schlecht, der sich in seiner Nähe befindet. Ich sag dir das, damit du auf der Hut bist.‹

Der junge Kerl, der diese Worte gehört hatte, sah auf den bezeichneten Junker und da der gar nichts von einem Narren an sich hatte, begann er zu lachen, weil er dachte, der Page wolle sich über ihn lustig machen. Also glaubte er kein Wort.

Der Junker hatte, ohne es sich merken zu lassen, alles gehört und gesehen und legte alsbald lachend die Hand dem Jungen auf die Schulter und mit einem Klaps. Als sich der Bauer so freundschaftlich behandelt sah, begann er zu lachen und sich recht geschmeichelt zu zeigen. Der Junker ließ seine Hand ein bißchen streichelnd und scherzend auf der Schulter des Jungen liegen, während der immer auf das Saitenspiel und den Gesang achtete und an nichts weiter dachte. Davon zog der Junker Nutzen, beugte sich nach und nach immer tiefer und packte plötzlich die Schulter des Burschen mit den Zähnen fest an. Als sich der Bauernjunge so heftig gebissen fühlte, fiel ihm ein, was ihm der Page zuvor gesagt hatte. Da er nun wirklich an die Narrheit des Edelmannes glaubte, riß er sich heftig aus den packenden Zähnen und Armen und lief was er konnte davon, den Bäumen entlang. Um ihn noch mehr zu ängstigen, begann der streichlustige Junker hinter ihm herzulaufen.

Als sich der junge Kerl verfolgt sah, nahm er erst recht seine Beine in die Arme. Keuchend lief er, und der andere immer hinter ihm her. Nachdem sie so auf die Weite eines Büchsenschusses gelaufen waren, kamen sie an einen großen Graben. Der kräftige und behende Bauernbursche, dem auch noch die Angst Kräfte gab, nahm diesen tiefen und breiten Graben mit einem Sprung, und lief, drüben angekommen, gleich weiter. Der Junker, der hinter ihm im vollen Satz daherkam, kannte und ermaß nicht die Breite des Grabens, sprang aber unbekümmert darüber. Aber da er weder behende noch leicht wie der junge Kerl war, landete er unten in dem Graben, nicht drüben, ohne sich übrigens ein Leides zu tun.

Der Graben war trocken und dicht mit Kraut und dornigem Gebüsch bewachsen, so sehr, daß kein Sonnenstrahl da durchdrang. Es war ganz dämmerig dunkel in der Schlucht.

Nun hatte sich durch einen glücklichen Zufall in eben diesem dämmerigen Graben nicht weit von der Stelle, wo der Junker gelandet war, dessen bäuerliche Geliebte mit ihrem bäuerlichen Liebhaber ein Stelldichein gegeben, und bereiteten sich vor, oder hatten bereits damit begonnen, die süßen Früchte der Liebe zu pflücken. Das Paar hatte das Geräusch gehört, das der arme Junker durch seinen Sturz hervorrief, und bildete sich ein, es wäre von den Brüdern des Mädchens ausgekundschaftet und überrascht worden oder von sonstigen Verwandten, und sie fürchteten für ihr Leben.

Voll Schrecken stoben sie auseinander, der Bursche nach der einen, das Mädchen nach jener Seite, wo sich der Junker befand. Dieser meinte, das Geräusch knickender Ästchen hätte einen anschleichenden Wolf zur Ursache. Und da er ohne Waffe war, packte ihn keine geringe Angst, je näher das Geräusch kam. Er wußte in dem dichten Gestrüpp nicht, nach welcher Seite er fliehen sollte.

Als er schreckgelähmt eine Stelle suchte, wo er sich verstecken könnte, erblickte er die schöne Bäuerin, die Dame seines Herzens, die langsamen Schrittes auf ihn zu kam. Nun stand sie still, zog ihren Schleier wieder hoch, der ihr abgeglitten war und klopfte sich den Staub von den Kleidern. Als der Junker sie erblickte, ließ ihn natürlich alle Angst, und er ging höflich grüßend auf sie zu.

Das arme gänzlich überraschte Mädchen erschrak sehr und wäre zu Boden gestürzt, wenn der Junker sie nicht in den Armen aufgefangen hätte. Nun setzte er sie leise hin und sich daneben und schlug die Arme um die Zitternde und wie Eis Kalte, küßte sie, rief sie zärtlich beim Namen und versuchte alles, sie zu sich zu bringen und ihr Mut zu machen. Was ihm endlich auch gelang. Als sie sich in seinen Armen sah, sagte sie:

›Gnade Herr, ich bitt Euch, um der großen Liebe willen, die Ihr, wie Ihr sagt, für mich empfindet, habt Mitleid mit meinem Elend, in dem Ihr mich seht. Quält mich nicht und laßt mich gehen, da Ihr mich mehr tot als lebendig seht. Ich versprech Euch, ein andres Mal alles zu tun, was Ihr verlangt, wenn Ihr mich jetzt in Ruhe lasset.‹

Darauf sagte der hitzige Junker, indem er sie küßte:

›Wie dankbar verpflichtet bin ich doch dem Amor und dem guten Glücke, da beide mich damit begnadeten, Euch hier zu treffen, an einem so geeigneten und dazu gerichteten Orte. Ich wäre wahrhaft ein großer Tor, ließe ich eine so schöne und begehrte Gelegenheit fahren. Rüstet Euch also, mir zu gefallen, indem Ihr mir gewährt, was Ihr mir hier nicht abschlagen könnt und laßt es genug sein mit all den Schmerzen, die Ihr mir bis heute bereitet habt und die ich um Euretwillen ertrug.‹

Sie wollte nichts davon hören und tat ihm allen möglichen Widerstand. Darum sagte der Junker:

›Wie ist's möglich, daß Ihr so grausam gegen mich seid und mich so arg wenig liebt, mich, der ich Euch so sehr und über alles liebe? Ich möchte nicht Gewalt anwenden, sondern lieber süße Überredung und Höflichkeit. Darum bitt ich Euch, schenkt mir aus freien Stücken Eure Liebe und befehlt mir, für Euch zu tun, was immer Ihr wünschet und Ihr werdet sehen, wie ich mich beeilen werde, Euch sehr ergeben zu gehorchen. Aber wenn Ihr in Eurer Verachtung und in Eurem Trotze beharrt, so seid verständigt, daß ich mir gegen Euren Willen und gezwungen von Euch das an Euch nehme, was mir am besten gefällt. Und dann will ich von Eurer sinnlosen Grausamkeit und Eurer Undankbarkeit getrieben überall Eure Niedertracht und Eure Unehre erzählen. Da Ihr klug seid, könnt Ihr beurteilen, ob es nicht besser gefahren ist, sich dem Begehren eines Edelmannes zu fügen, wovon Ihr nur Ehre haben könnt, mehr als indem Ihr Euch dem Begehren eines lumpigen Bauernkerls hingebt, dem gleich, der Euch hierher begleitet hat und der, wenn er seine Lust an Euch gelöscht hat, das überall erzählen und sich dessen rühmen wird.‹

Als nun das Mädchen sah, daß sie den Händen des Mannes nicht entgehen könne, sagte sie mit schwach gewordener Stimme:

›Ich bin einverstanden, Euch Vergnügen zu machen, wie Ihr begehrt, wenn Ihr mir eine Gnade versprecht, um die ich Euch bitte.‹

Der Junker schwor bei seiner Ehre, für sie zu tun, was sie befehle. Hierauf erlaubte sie ihm mit der größten Anmut und allem Vergnügen, das er sich erwarten konnte, sich die Früchte der Liebe, nach denen ihn so verlangte, zu pflücken.

Nachdem sie sich ein wenig ausgeruht hatten, fragte der verliebte Junker, welche Gnade sie von ihm verlange, bereit ihr alles zu erfüllen, worum sie ihn bitte.

›Laßt mich,‹ bat sie, ›den zum Ehegatten bekommen, den ich Euch zeigen werde. Es ist jener, der mich in Eure Arme gebracht hat.‹

Darauf sagte der Edelmann:

›Ich werde alles, was ich vermag, tun, diese Sache zu einem guten Ende zu bringen, dank der Gunst meines Ritters, unter dieser einen Bedingung, meine Freundin zu bleiben und mir einen Teil Eurer Liebe und Eurer Freundlichkeit zu bewahren. Wenn Ihr mir das versprecht, sag ich Euch, daß Ihr in acht Tagen das Weib jenes Mannes seid. Ich will Euch zudem noch ein Geschenk machen, an dem Ihr meine Liebe zu Euch erkennen möget jetzt und in Zukunft.‹

Als ihn die junge Person so liebenswürdig sprechen hörte, versprach sie ihm froh, immer bereit zu sein, sein Verlangen zu stillen. Danach brachen sie noch einmal die süßen und zärtlichen Früchte vom Baume der Liebe. Und küßten sich noch viele Male und immer wieder. Hierauf zeigte ihm die Schöne, die mit dem Orte vertraut war, einen Weg aus der Schlucht, die er ungesehen darauf verlassen konnte. So trennten sie sich in aller Fröhlichkeit.

Der Junker kam wieder zurück an den Brunnen und traf hier noch den Malteserritter mit den Seinen und der war erstaunt über die lange Abwesenheit seines Freundes. Er sagte lustig:

›Wo wart Ihr alle die Zeit? Der Page erzählte mir von Eurem Streich. Was habt Ihr mit dem Bauernjungen angestellt?‹ Und während er und seine Dame lachten, sagte er noch: ›Wenn Ihr mit solchen Scherzen fortfahrt, wird bald alle Welt vor Euch davon laufen, Euch wirklich für einen Narren haltend.‹

Der Junker erzählte von seinem Sturz in den Graben, aus dem er sich nur mit langer und so sehr ermüdender Arbeit befreien konnte, daß er vom Schlummer überwältigt im Schatten einiger Bäume eingeschlafen sei. Und indem er von seinem Liebesabenteuer schwieg, fügte er hinzu:

›Was wollen wir hier noch länger? Wir wollen das Fest vorbereiten, denn bald werden die jungen Mädchen aus Florenz zurückkommen.‹ Und indem er dem Ritter mit den Augen ein Zeichen machte, sagte er ihm:

›Ich habe Euch noch etwas zu sagen.‹

Der Ritter, der den Junker sehr leiden mochte, erhob sich und man schritt seinem Hause zu. Es wurden zu dem Feste eine große Menge junger Mädchen eingeladen, unter denen auch jene hübsche junge Bäuerin kam, die sich mit den andern des Festes erfreute bis spät in die Nacht hinein.

Der glückliche Junker erzählte sein Abenteuer dem Ritter und erbat sich dessen mit Freuden gewährte Hilfe. So vergingen nicht acht Tage, daß sich das Begehren der Bäuerin erfüllte und die Hochzeit mit ihrem Bauern gefeiert wurde. Sie bekam von beiden Herren zahlreiche Brautgeschenke. Auch die Dame des Ritters gab ihr auf reizende Art ein Geschenk, eines ihrer schönen scharlachfarbenen Damastkleider und zwei goldene Fingerringe.

Ganz glücklich war die junge Bäuerin darüber, sich so schön geschmückt zu sehen und so viel Freundlichkeit zu erfahren. Und zum Danke dafür gewährte sie auch weiterhin, wenn immer es ihr möglich war und ohne daß jemand etwas merkte, dem verliebten Junker ihre Zärtlichkeit.«

Damit hatte Herr Malespini seine Geschichte geendet. Man hatte sie mit größerer Aufmerksamkeit angehört, als das, was er mit frechen Worten über sein Leben erzählt hatte, da man zumeist fand, daß dieses Leben nicht derart geführt war, daß großes Rühmen davon am Platze gewesen.

An der Tafel saßen nur mehr zweie, die noch nichts erzählt hatten. Von ihnen nahm nun Herr Ascanio de Mori aus Mantua das Wort.


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