Giovanni Boccaccio
Dekamerone oder die 100 Erzählungen
Giovanni Boccaccio

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Neunzigste Erzählung.

In Barletta war vor einigen Jahren ein Priester, der eine sehr magere Pfarre hatte, und deswegen seinen Unterhalt damit erwerben mußte, daß er mit einem Saumrosse auf den Märkten in Puglia umherzog und Waren kaufte und verkaufte. Bei dieser Gelegenheit machte er Bekanntschaft mit einem gewissen Pietro aus Tresanti, der mit seinem Esel dasselbe Gewerbe trieb, und aus guter Freundschaft und Vertraulichkeit pflegte er ihn nach der Weise der guten Leute in Puglia nicht anders zu nennen, als Gevatter Pietro, und wenn dieser nach Barletta kam, so nahm er ihn stets mit in seine Kirche, behielt ihn bei sich zur Nacht und bewirtete ihn so gut, wie es seine Umstände erlaubten. Gevatter Pietro war ein sehr armer Mann und bewohnte in Tresanti ein Hüttchen, in welchem er für sich, sein hübsches Weibchen und seinen Esel nur kümmerlich Platz hatte; allein so oft Domno Gianni nach Tresanti kam, nahm er ihn bei sich auf, und suchte ihm aus Dankbarkeit für seine Bewirtung in Barletta nach bestem Vermögen wieder gütlich zu thun. Was jedoch das Nachtlager anlangte, so hatte Pietro nur ein einziges kleines Bettchen, in welchem er mit seiner hübschen jungen Frau schlief, und er konnte ihn folglich nicht so gut betten, wie er gerne gethan hätte, sondern der Priester mußte sich im Stalle, wo seine Stute neben des Gevatters Esel stand, auf einer Streu neben ihr behelfen.

Das Weibchen hatte gehört, wie gut der Pfarrer ihren Mann in Barletta aufnähme, und sie hatte deswegen schon mehrmal, wenn er bei ihr eingekehrt war, Lust gehabt, sich bei einer Nachbarin ein Nachtlager auszubitten, damit der Pfarrer bei ihrem Mann im Bette schlafen könnte; allein er hatte es immer abgelehnt und endlich sprach er einmal deswegen im Scherz zu ihr: »Gevatterin Gemmata, mache Dir meinetwegen keine Sorgen; ich befinde mich recht bequem, denn wenn es mir einfällt, so verwandle ich meine Stute in ein schönes Mädchen und schlafe bei ihr, und mache sie hernach, sobald ich will, wieder zum Pferde, darum mag ich mich nicht von ihr trennen.«

Das Weibchen nahm seinen Scherz für Ernst und verwunderte sich sehr darüber. Sie säumte nicht, es ihrem Mann wieder zu sagen und setzte hinzu: »Wenn er so sehr Dein Freund ist, wie Du sagst, so solltest Du Dir die Beschwörung von ihm sagen lassen; so könntest Du mich zur Stute machen und Dein Gewerbe mit Pferd und Esel zugleich treiben; so verdienten wir doppeltes Geld, und wenn wir wieder nach Hause kämen, könntest Du mich wieder zur Frau machen.«

Gevatter Pietro, der mehr zum Gimpel als zum Falken geheckt war, glaubte alles; er folgte dem Rate seiner Frau, machte seine Worte bei dem Pfarrer, so gut er's verstand, und bat ihn, ihm sein Geheimnis mitzuteilen. Domno Gianni bemühte sich zwar, ihm seine Thorheit auszureden; weil es aber nichts half, so sprach er endlich: »Ei nun, wenn Du es so haben willst, so laß uns morgen früh vor Tage aufstehen, wie wir pflegen, so will ich Dir zeigen, wie Du es machen mußt. Das Schwerste dabei (wie Du wohl sehen wirst) ist, der Mähre den Schwanz anzusetzen.«

Gevatter Pietro und Gevatterin Gemmata konnten die ganze Nacht kaum schlafen, so groß war ihr Verlangen, diese Sache zu stande zu bringen. Sie standen vor Tagesanbruch auf und weckten den Domno Gianni, der im bloßen Hemde zu seinen Gevattersleuten in die Kammer kam und sagte: »Ich wüßte außer Euch keinen Menschen in der Welt, dem ich dies zu Gefallen thäte, und ich thue es bloß, weil ihr es so sehr wünscht; aber wenn Ihr wollt, daß es gelingen soll, so müßt Ihr alles genau befolgen, was ich sage.«

Sie versprachen, alles gehörig zu beobachten. Domno Gianni zündete hierauf ein Licht an, gab es dem Gevatter in die Hand, und sagte: »Gieb wohl Achtung, wie ich es mache, und präge Dir's in's Gedächtnis; und wenn Du nicht alles verderben willst, so hüte Dich ja, daß Du kein Wörtchen sprichst, zu allem, was Du sehen oder hören magst.«

Gevatter Pietro nahm das Licht und versprach nochmals völligen Gehorsam. Domno Gianni ließ hierauf die Gevatterin so, wie sie aus dem Bette gekommen war, sich mit Händen und Füßen auf den Boden stellen, wie ein Pferd auf allen Vieren, und empfahl ihr gleichfalls, bei allem, was geschehen würde, nicht ein Wörtchen zu reden. Darnach legte er ihr die Hand auf das Gesicht und auf den Kopf und sagte: »Dies werde ein schöner Pferdekopf und dies (indem er die Arme berührte) zwei schlanke Vorderfüße und dieser volle Busen ein volles breites Bug.« Ebenso verfuhr er mit dem Rücken, den Seiten, den Schenkeln und Beinen, sodaß zuletzt nur noch der Schwanz übrig blieb. Indem er Anstalt machte, ihr diesen anzusetzen, rief Gevatter Pietro, der bisher alles ruhig angesehen hatte, aber hieran keinen Gefallen fand: »Heda! Gevatter Domno Gianni, laßt mir den Schwanz weg, ich mag ihn nicht d'ran haben.«

»O weh, Gevatter Pietro, was hast Du gemacht! (rief Domno Gianni, der in demselben Augenblick im Begriff war, den Zauber zu vollenden). Hab' ich Dir nicht gesagt, Du solltest kein Wort zu allem sprechen, was Du sähest? Das Pferd stand auf dem Punkt, fertig zu werden und nun machst Du mit Deinem Geschwätz, daß nimmermehr etwas daraus werden kann.«

»Genug (sprach Pietro), daß ich keinen Schwanz daran verlange, und wenn er so nötig war, so hättest Du mir sagen können, daß ich ihn selbst ansetzte. Du hättest ihn überdies nicht so niedrig anbringen sollen.«

»Und Du würdest es beim ersten Versuche nicht so gut gemacht haben, wie ich,« sprach Domno Gianni.

Das Weibchen richtete sich bei diesen Worten in die Höhe und sprach in allem Ernst zu ihrem Mann: »Du bist doch ein rechter Pinsel, Dir und mir den Kram so einfältig zu verderben. Wo hast Du denn jemals ein Pferd ohne Schwanz gesehen? Beim Himmel! Du bist zwar ein armer Schlucker, allein Du verdienst es wahrlich nicht besser.«

Da nunmehr wegen des Einspruchs des Gevatters Pietro alle Hoffnung verloren war, aus seiner Frau ein Saumroß zu machen, so zog sie ganz traurig und verdrießlich ihre Kleider an, und Gevatter Pietro setzte, nach wie vor, mit seinem Esel allein seine Hantierung fort, zog mit Domno Gianni auf die Messe nach Bitonto und sprach ihn nie wieder um eine solche Gefälligkeit an.

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