Jacob Burckhardt
Die Zeit Constantins des Großen
Jacob Burckhardt

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Gegen die EinwohnerschaftJenen vulgus urbis Romae, welchem einst Carin die Güter des Senats versprochen, als wäre er der populus Romanus. Vgl. Hist. Aug., Carin. 1. von Rom (um nicht den entweihten Namen des römischen Volkes zu brauchen) erwiesen sich aber Diocletian und sein Mitkaiser später in einer ganz absichtlichen Weise gefällig; als wären zu Rom noch nicht Vergnügungsanstalten genug, bauten sie auf dem Viminal jene ungeheuersten aller römischen Thermen (299). Unter den etwa zehn Thermenbauten früherer Kaiser und Privatleute befanden sich die riesigen Hallen Caracallas, mit deren rätselhaft weiten Wölbungen die ermüdete Kunst nicht mehr wetteifern konnte; da wurde wenigstens die Ausdehnung überboten, bis man ein Ganzes von 1200 Schritt Umfang, mit 3000 Gemächern, geschaffen hatte, dessen erstaunlicher Mittelbau mit jenen Granitsäulen von 15 Fuss Umfang jetzt den Hauptraum der Karthäuserkirche bildet, während man die übrigen Reste weit ringsum in Klöstern, Weingärten und einsamen Strassen zusammensuchen muss[Nachtrag:] Hier ist versäumt worden zu berichtigen, dass die Umgebung der Diocletiansthermen in neuerer Zeit zu den belebtern Quartieren Roms gehört.. – Im gleichen JahreEuseb., Chronicon. begann Maximian einen Thermenbau zu Karthago, möglicherweise in einer ähnlichen, begütigenden Absicht. Karthago war bisher ein Hauptschauplatz für das erste Auftreten von Usurpatoren gewesen. Von andern Bauten dieser Regierung in Rom werden namentlich erwähntS. Mommsens Ausg. des Chronographen v. J. 354, S. 648.: die Herstellung des unter Carinus verbrannten Senatslokales, des Forum Caesaris, der Basilica Iulia und des Pompeiustheaters; sodann als Neubauten ausser den Thermen die beiden Portiken mit den Beinamen Iovia und Herculea, drei Nympheen, ein Isis- und ein Serapistempel und ein Triumphbogen. Vielleicht hatte auch die auffallende Masse von Prachtgebäuden, womit Diocletian das tadelsüchtige und gefährliche Antiochien versahMalalas l. XII, ed. Bonn. p. 306., keinen andern Zweck, als die Ablenkung von politischen Gedanken. Es werden Tempel des olympischen Zeus, der Hekate, der Nemesis und des Apoll, ein Palast in der Stadt und einer in Daphne, mehrere Thermen, Speicher, ein Stadium und anderes mehr genannt, meist als Neubauten, weniger als Reparaturen.

Für Rom waren überdies die öffentlichen SpendenAur. Vict., Caes. und Schauspiele nie unterbrochen worden; erst nach der Abdankung des Jahres 305 wagte Galerius jede Rücksicht gegen die alte Weltherrscherin beiseite zu setzen. Aber schon Diocletian hatte noch in einer andern, bereits angedeuteten Beziehung Rom beleidigt. Zunächst hinter seinen Thermen, von drei Seiten durch die Stadtmauer Aurelians umgrenzt, liegt eine grosse Vigne, später den Jesuiten gehörend, an der Mauer ringsum halbzerstörte gewölbte Zellen. Es ist das ehemalige prätorianische Lager, dessen Bewohner so oft den Kaiserpurpur auf der Spitze ihrer Schwerter hatten in die Luft flattern lassen, öfter hatte man sie aufzulösen, zu ersetzen gesucht; im Laufe des dritten Jahrhunderts aber scheint sich das alte Verhältnis wieder festgesetzt zu haben, dass nämlich in der Umgegend Roms und in den nähern Teilen Italiens die vielleicht wenigen tausend Mann ausgehoben wurden, die wir schon kaum mehr als kaiserliche Garde, sondern eher als Garnison der Hauptstadt zu bezeichnen haben. Jetzt verminderte sie Diocletian sehr beträchtlichAur. Vict., Caes. – S. auch De mort. pers. 26, wo die Massregel mit Unrecht erst dem Galerius zugeschrieben wird. – Gegenwärtig ist die Örtlichkeit wieder zum Campo militare geworden., sicher nicht bloss, weil er in ihnen die unruhigen, anspruchvollen Italier fürchtete, sondern auch aus Sparsamkeit, und weil durch den Lauf der Dinge ein neues Korps bereits an ihre Stelle getreten war. Eine herrliche Reihe illyrischer Kaiser seit Decius hatte das Reich gerettetPanegyr. II (Mamert. ad Max. Herc.), 2 Halia gentium domina gloriae vetustate, sed Pannonia virtute. – Auf der andern Seite hatte auch der Neid einen Spottnamen auf die Illyrier in Umlauf gebracht, sabaiarius, welches etwa unserm »Bierlümmel« entspricht. Ammian. Marc. XXVI, 8.; kein Wunder, dass im Lauf von dreissig Kriegsjahren sich eine getreue landsmännische Schar um sie bildete, welche ihnen in jeder Beziehung näherstand als jene Latiner und Sabiner und sich noch besonders durch eine nationale Waffe empfahl. Es sind dies die beiden Legionen, jede von 6000 Mann, welche jetzt zur Belohnung mit den Beinamen der Kaiser als Jovier und Herculier benannt wurdenVegetius, De re milit. I, 17. – Wenn ihre Waffe aus Bleikugeln bestand, deren je zwei durch einen Riemen verbunden waren, so erklärt sich auch die Tötung mit Bleikugeln, deren Zosim. V, 2 erwähnt.; früher hatten sie Martiobarbuli geheissen, nach den Bleigeschossen, deren sie je fünf (fünf Paare?) am Schild befestigt trugen und die sie mit der Schnelligkeit und der Wucht eines Pfeiles zu schleudern wussten. Sie erhielten jetzt den offiziellen Vorzug vor allen andern Legionen, ohne dass damit erwiesen wäre, dass sie ihre bleibende Garnison in der Umgebung der Kaiser gehabt hätten. – Erregten früher in Rom die Prätorianer beim Volke meist Furcht und Hass gegen sich, so empfand man jetzt doch ihre Auflösung als einen Angriff auf die Majestät der Hauptstadt; es bildeten sich gemeinsame Antipathien, und die wenigen Prätorianer, welche im Lager zu Rom blieben, nahmen später im Einklang mit Senat und Volk an der Empörung gegen Galerius teilAusserdcm verminderte Diocletian auch die Zahl »der bewaffneten Leute aus dem Volk«, in armis vulgi, laut Aur. Vict., Caes. – Am leichtesten wird man dies auf jene Bürgergarde beziehen, welche laut Zosim. I, 37 der Senat beim sog. Scytheneinfall unter Gallienus einrichtete, und deren Fortbestand auch z. B. zur Erbauung der Stadtmauer unter Aurelian ganz wohl passen möchte. – Andere deuten es etwas gezwungen auf die cohortes urbanae, oder lesen: inermis vulgi..

Die Römer konnten diese ganze Wendung der Dinge beklagen und verabscheuen, allein es geschah ihnen im Grunde kein Unrecht. Irgendeinmal musste die grosse Täuschung aufhören, als ob der Imperator noch immer der Beamtete und Repräsentant des örtlich römischen oder auch des italischen Lebens und Volkes sei, in dessen Namen er über den Erdkreis zu herrschen habe. Hätte Diocletian nicht das Erlöschen dieses Vorurteils auch äusserlich durch Verlegung der Residenz, orientalische Gestaltung des Hofwesens, Missverhältnisse mit dem Senat und Verminderung der Prätorianer konstatiert, so hätte doch bald darauf das Christentum dieselbe Aufgabe auf seine Weise vollbringen müssen, indem es mit Notwendigkeit ganz neue Schwerpunkte der Macht schuf.

Wir werden im folgenden erzählen, unter welchen furchtbar gewaltsamen Umständen Diocletians Neuerungen vor sich gingen – während er und seine Mitregenten das Reich an allen Grenzen verteidigen und den Usurpatoren stückweise entreissen mussten, was man bei seiner Beurteilung nie vergessen darf. Was den höher gespannten Ton des Hofes und das neue Zeremoniell betrifft, so fanden sich ohne Zweifel Leute genug, welche mit allem Eifer darauf eingingen. Auf Übergangsstufen, wie jene Zeit eine war, verspürt der Imperator noch das Bedürfnis, sich öffentlich anloben zu lassen, eine Gattung von Anerkennung, welche der durchgebildete Militärdespotismus entbehren kann und verachtet, auch wohl sich geradezu verbittet. Damals kam man noch halbfrisch aus der alten Welt und ihrer Lebenslust, der Öffentlichkeit; alle Bildung war noch rhetorisch und die Gelegenheitsreden von einer Wichtigkeit im ganzen Leben des antiken Menschen, von welcher sich die heutige Welt keinen Begriff mehr machen kann. Dazu gehörten denn auch die Panegyriken, welche bei Jahresfesten und andern feierlichen Gelegenheiten von irgendeinem angesehenen Rhetor der Stadt oder Nachbarschaft in Gegenwart des Kaisers oder eines hohen Beamten gehalten wurden. Erhalten ist uns der bekannte Panegyricus des jüngern Plinius auf Trajan; dann folgt nach einer langen Lücke zufällig ein Stoss Lobreden auf die Mitregenten Diocletians nebst einigen wenigen auf noch spätere KaiserIch zitiere die Ausgabe in usum delph., Paris 1676. Die Numerierung schwankt, je nachdem die Rede des Plinius, wie hier, mitgezählt wird oder nicht. – Wie unersättlich Constantin in diesem Punkte war, geht aus Panegyr. (incerti) IX, cap. 1 hervor.. Als historische Quelle sind diese Reden natürlich mit Vorsicht zu gebrauchen, in gewissen Beziehungen aber höchst schätzbar und auch als literarische Arbeiten keineswegs verächtlich. Der Stil ihrer Schmeichelei ist wahrscheinlich noch ganz derselbe, welcher in den verlorenen Lobreden des dritten Jahrhunderts herrschte. Lebhaft und fast zudringlich versetzt sich der Rhetor in die möglichst veredelte Person des anwesenden Kaisers hinein und errät ihm, eins nach dem andern, seine Gedanken, Pläne und Empfindungen, was der ausgelernte Höfling klüglich bleiben lässt, weil hier schon die idealisierende Dichtung indiskret ist, geschweige denn die Wahrheit. Dies wird jedoch überwogen durch den starken Duft unmittelbaren Lobes und Entzückens, wie es dem Ohre eines Maximian angemessen war, mochte auch dieser schwerlich genug Bildung besitzen, um all die verbindlichen Beziehungen zu verstehen. Da wirdPanegyr. II (Mamertin. ad Max.) und III (Genethliacus), aus den Jahren 289 und 291, nach andern beide von 292. vor allem der Beiname Herculius ausgenützt zu einer beständigen Verflechtung und Parallelisierung mit der Geschichte des Hercules, welcher endlich gleichwohl zu kurz kömmt, insofern Maximians Bagaudensieg doch etwas ganz anderes sei als der Sieg des Alciden über Geryon. Schon etwas weiter reicht die sonst dem altern Kaiser vorbehaltene Vergleichung mit Juppiter, dessen Kindheit bekanntlich, wie die des am Donaustrand aufgewachsenen Maximian, von Waffenlärm umgeben war. Unermüdlich häuft der Redner Bild auf Bild, um die Eintracht der Kaiser zu verherrlichen; die Regierung ist ihnen gemeinschaftlich wie das Tageslicht zweien Augen; wie sie beide an einem Tage (vgl. S. 64) geboren sind, so ist ihre Herrschaft eine Zwillingsherrschaft gleich derjenigen der Heraklidenkönige in Sparta; Rom ist jetzt glücklicher als unter Romulus und Remus, deren einer den andern totschlug; es darf sich jetzt Herculea und Iovia zugleich nennen. Wie auf Maximian die Geschichte des Hercules, so wird nämlich auf Diocletian der Mythus von Zeus angewandt, zumal in Betreff der Allgegenwart, welche durch die kaiserlichen Schnellreisen gewissermassen nachgeahmt schien. Aber aus der wohlbemessenen Kadenz dieser Phrasen heraus klingt eine sehr kecke, selbst unverschämte Bevorzugung Maximians, welcher dergleichen vielleicht ohne eine Miene zu verziehen ganz gerne anhörte. »Durch Übernahme der Mitherrschaft hast du dem Diocletian mehr gegeben als von ihm empfangen . . . Du ahmst den Scipio Africanus nach, Diocletian aber dich« – dies und ähnliches wagte Mamertin im Palast zu Trier vor dem ganzen Hofe zu deklamieren. Freilich strömt dazwischen ungehemmt der Blütenregen gemeinschaftlicher Huldigungen für beide. »Wie der Rhein seit Maximians jenseitigen Eroberungen getrost vertrocknen darf, so braucht auch der Euphrat Syrien nicht mehr zu decken, seit Diocletian ihn überschritten . . . Ihr verschiebt die Triumphe um immer neuer Siege willen; ihr eilt zu immer grössern Dingen hin . . .« Auch viel kleinere Taten werden kühnlich zu grossen aufgestutzt. Bei Anlass der Zusammenkunft des Jahres 291, als Diocletian aus dem Orient, Maximian über die Alpen mitten im Winter nach Mailand eilten, ruft zum Beispiel Mamertinus aus: »Wer nicht mit Euch reiste, konnte glauben, Sonne und Mond hätten Euch ihr tägliches und nächtliches Gespann geliehen! Gegen den strengen Frost schützte Euch die Macht Eurer Majestät; während alles erfror, folgten Euch laue Frühlingslüfte und Sonnenschein. Geh doch, Hannibal, mit deiner Alpenreise!« – Wozu ganz wohl passt, dass seit der Herrschaft dieser Kaiser selbst die Erde plötzlich fruchtbarer geworden sei. In ähnlichem, nur mehr bukolischem Ton hatte einige Jahre vorher der Dichter Calpurnius Siculus (in der achten oder vierten Ekloge) den Caesar Numerian besungen, in dessen Gegenwart die Wälder vor Ehrfurcht schweigen, die Lämmer munter werden, die Wolle und die Milch reichlicher, Saaten und Bäume üppiger, denn unter seiner sterblichen Gestalt birgt sich ein Gott, vielleicht der höchste Juppiter selber. – Etwas feiner weiss der Redner Eumenius mit dem gebildeten Caesar Constantius Chlorus umzugehenPaneg. IV und V (Pro scholis und Ad Constantium), aus den Jahren 295 und 297., wenn er zum Beispiel die Jugend Galliens vor die grosse Weltkarte zu führen verspricht, welche in der Halle zu Autun (zwischen dem Apollstempel und dem Kapitol mit dem Heiligtum der Minerva) auf die Mauer gemalt war. »Dort lasst uns nachsehen, wie Diocletians Milde das wild empörte Ägypten beruhigt, wie Maximian die Mauren niederschmettert, wie unter deiner Rechten, o Herr Constantius, Batavien und Britannien das verkümmerte Antlitz wieder aus Wäldern und Fluten emporheben, oder wie du, Caesar Galerius, persische Bogen und Köcher zu Boden trittst. Denn jetzt erst ist es eine Freude, den gemalten Erdkreis zu betrachten, da wir nichts mehr darauf erblicken, was nicht unser wäre.« Neben der schwungvollen Schilderung dieses erneuten »goldenen Zeitalters« mag man dem Redner die spielende Symbolik gerne nachsehen, welche er mit der Vierzahl der Regenten treibt. Sie erscheint ihm als Grund und Fundament der Weltordnung in den vier Elementen, den vier Jahreszeiten, selbst den vier Weltteilenorbis quadrifariam duplici discretus Oceano, Paneg. V, 4. Worte, deren Deutung den Kennern der damaligen geographischen Ansichten überlassen bleibe.; nicht umsonst folgt je nach vier abgelaufenen Jahren das Lustrum; am Himmel sogar fliegt ein Viergespann vor dem Sonnenwagen, und wiederum sind den zwei grossen Himmelslichtern, Sonne und Mond, zwei kleinere, Morgenstern und Abendstern beigegeben. – Es sollte uns nicht wundern, wenn irgendwo im alten Gallien etwa ein Mosaikboden ausgegraben würde, welcher diese Ideen zu einer grossen Prachtkomposition verarbeitet enthielte. Die bildende Kunst und die Rhetorik mussten bei Aufgaben dieser Art oft auf die gleichen Mittel angewiesen sein. Eumenius zeichnet sich übrigens nicht bloss durch Takt und Talent vor den andern Lobrednern aus; wir werden in ihm einen ganz ehrwürdigen Patrioten kennenlernen, der nicht zu eigenem Vorteil schmeichelte. Hier wie in tausend Fällen muss das geschichtliche Urteil das, was die Zeit und die Umgebung dem einzelnen auferlegt, und das, was er kraft eigenen Entschlusses tut, sorgfältig zu scheiden suchen.

Ob am Hofe Diocletians die Sprache um einige Grade knechtischer und mehr mit Phrasen der Anbetung vermischt war, wissen wir nicht. Jedenfalls muss das Zeremonienverhältnis, soweit es die kaiserliche Person betraf, noch ziemlich unentwickelt und unschuldig gewesen sein; gewiss hielt es noch keinen Vergleich aus mit dem spätern byzantinischen Hofe, wo Kaiser Constantinus Porphyrogennetos im zehnten Jahrhundert in Person den Hofmarschall machen muss, um Mit- und Nachwelt durch ein systematisches Buch in jenes Labyrinth heiliger Bräuche einzuweihen, deren Knechtschaft die allerheiligsten und gottgeliebtesten Autokratoren sich allmählich hatten gefallen lassen, seitdem kirchliches und höfisches Zeremoniell sich gegenseitig durchdrungen und gesteigert hatten.

Wenn nun auch vom Throne abwärts das Titel- und Rangwesen allmählich die römische Gesellschaft überwältigte, so ist dies nicht notwendig die Schuld Diocletians. Der natürliche Erstarrungsprozess des antiken Lebens musste unvermeidlich diese Form annehmen; seit langer Zeit war die Regierung eine fast vollständige Soldatenherrschaft gewesen; eine solche aber wird jederzeit auch die ganze Staatsmaschine nach ihrem Bilde, das heisst mit strenger, äusserlich kennbarer Ordnung nach Graden und Würden umschaffen, weil die Subordination ihre Seele ist. Viele äussere Einrichtungen dieser Art, die man Diocletian beizulegen geneigt ist, können schon unter frühern Kaisern eingetreten sein; die definitive Umgestaltung des Staatswesens aber erfolgte erst unter Constantin.

Allerdings vermehrte schon Diocletian die Zahl der Beamten beträchtlich. Gewiss nicht so sehr die vier Höfe als die vier Verwaltungen haben damals die Lasten gesteigert. Wenn man den LactantiusDe mort. persec. 7. anhört, so ergeben sich folgende schreckliche Klagpunkte gegen seine Regierung: »Jeder der vier Herrscher hielt für sich allein schon mehr Soldaten als frühere Kaiser überhaupt gehabt hatten. Die Steuern stiegen unerhört; die Zahl der Empfangenden übertraf so sehr die Zahl der Gebenden, dass die erschöpften Kolonen die Äcker verliessen und das angebaute Land zum Wald wurde. Um alles mit Schrecken zu erfüllen, wurden die Provinzen in Stücke zerschnitten und jedes Land, jede Stadt mit Beamtenscharen überlastet, mit Steuereinnehmern, Vikarien der Präfekten u. a., wovon das Ergebnis war, dass wenig Gemeinnütziges vorkam, vielmehr nichts als Verurteilungen, Ächtungen, Aussaugereien ohne Zahl und Ende, begleitet von unerträglichen Gewalttaten usw.« Ja, Diocletian wird eines ganz unmässigen Aufsammelns von Schätzen angeklagt.

Wir halten inne, um einen sonst nicht weniger parteiischen Christen zu Worte kommen zu lassenEuseb., Hist. eccl. VIII, 13.. »Welche Worte sollen genügen«, ruft Euseb, »um die Fülle der Güter und die gesegneten Zeiten zu schildern vor der Verfolgung, als die Kaiser noch mit uns in Frieden und Freundschaft lebten, als mit Festen, Schauspielen, Gastmählern und aller Fröhlichkeit ihre Vicennalien in tiefem Frieden gefeiert wurden!« – Was bleibt nun wohl von jenen Klagen mit einigem Rechte übrig?

Dass Diocletian die Truppenzahl vermehrte, war äusserst notwendig und zweckmässig, weil er, wie wir sehen werden, das halbe Reich den Usurpatoren und den Barbaren wieder aus den Händen reissen musste. Wie hoch er die Kriegsmacht zu bringen hatte, konnte niemand besser beurteilen als er selber. Über das Mass der Vermehrung haben wir keine nähere Kunde; dass sie im Verhältnis zu den Heeren eines Aurelian und Probus mehr als eine Vervierfachung gewesen sei, mag jenem Romanschreiber glauben wer will.

Dann die gewöhnliche Anklage wegen des Thesaurierens, welcher ein Fürst gar nicht entgehen kann. Viele Herrscher haben wirklich in einer falschen Ansicht vom Alleinwert des edeln Metalls grosse Schätze gesammelt und es im rechten Augenblick nicht übers Herz bringen können, sie zweckmässig auszugeben; der orientalische Despotismus ist sogar durchweg mit dieser Unsitte behaftet, und die Untertanen machen es dem Despoten nach und vergraben jedes Silberstück in die Erde. Allein bei Diocletian kann hievon schwerlich die Rede sein; die Ausgaben für die Wiedergewinnung und Herstellung des erschütterten Reiches waren zu enorm, als dass noch ein unverhältnismässig grosser Überschuss in der Kasse geblieben wäre. Schon die Grenzbefestigungen allein, jene Kastelle von den Niederlanden bis ans Rote Meer, samt ihren Besatzungen beseitigen jenen Gedanken selbst für die letzte, ruhigere Zeit seiner Regierung.

Das Reich musste sich allerdings recht sehr anstrengen, allein wo so grosse, meist glücklich erreichte Zwecke vorliegen wie hier, darf man wenigstens den Herrscher von der vulgären Beschuldigung entbinden, als hätte er die Menschen nur geplagt, um das Gold und Silber gleichsam allein aufzuessen. Wohl kann bei seinen vielen Bauten der Verdacht der Verschwendung entstehen, allein bei weitem das meiste waren (wie es scheint) politische Geschenke an bestimmte Städte, wodurch man mehr als eine Garnison ersparen konnte. Neben der Bauverschwendung Constantins kommen diese Ausgaben überdies kaum in Betracht. Der Palast von Spalatro war wohl ein grosses Viereck, die einzelnen Räume aber weder an Höhe noch an Grösse ausgezeichnet und mit den Riesenhallen der Thermen in Rom nicht zu vergleichen. Beim Umbau von Nikomedien mag es gewalttätig hergegangen sein, wie einst bei den Städtebauten der Diadochen und später bei der Neugründung von Byzanz, dass aber überall – ubicunque – wo Diocletian ein schönes Landgut, eine zierliche Wohnung sah, dem Eigentümer darob ein Kapitalprozess angehängt worden, mag glauben, wer da will. Traurig genug, dass schon um des Geldbedürfnisses willen mancher Wohlhabende ins Verderben gestürzt wurde, allein dies war ohne Zweifel das Werk schrecklicher Beamten, mit welchen das Imperium schon lange vor Diocletian heimgesucht warDe mort. persec. 7: hoc enim usitatum et fere licitum consuetudine malorum..

Die neue Einteilung des Reiches in 101 Provinzen und 12 Diözesen wurde von einer Regierung wie diese gewiss nicht ohne guten und hinreichenden Grund eingeführt und auch die Beamtenzahl nicht ohne Not gesteigert. Diocletian selber war der emsigste Beamte seines Reiches; ausser seinen Feldzügen findet man ihn oft und viel auf rastlosen Reisen, immer regierend und entscheidend, so dass zum Beispiel sein Itinerarium in den Jahren 293 und 294 fast Woche für Woche, ja Tag für Tag in den Daten der Reskripte offen liegt; über 1200 (privatrechtliche) Reskripte von ihm finden sich in den RechtsbüchernVgl. über dies alles Preuss, a. a. O., S. 43. 47. 68. 85. 288 usw., zum Teil nach Mommsen: Über die Zeitfolge der in den Rechtsbüchern enthaltenen Verordnungen Diocletians (Abhandlungen der Berliner Akad. 1860). – Das genauere Verzeichnis der neuen Diözesen und Provinzen samt Rangordnung der Beamten bei Preuss, S. 91 ff.. Wenn nun für jene Neueinteilung des Reiches in kleinere Provinzen samt der Vermehrung der Beamten ein Grund namhaft gemacht werden soll, so kann es nur der gewesen sein, dass dem Kaiser die bisherigen Organe nicht genügten, und dass er eine schärfere Aufsicht und bessere Ausführung des Befohlenen für notwendig erachtete. Er musste freilich mit demjenigen Material arbeiten, das er vorfand, und dass dieses nicht das beste war, wird er selber am genauesten gewusst haben. Jedenfalls fielen nun die letzten provinzialen Unterschiede dahin, zugunsten einer gleichmässigen Administration. Was Diocletian begonnen, hat dann Constantin durchgeführt und vollendet.

Nun ist zwar jedermann darüber einverstanden, dass das römische Finanzsystem im ganzen ein schlechtes und drückendes war, und wir haben keinen Grund, bei Diocletian eine viel höhere staatsökonomische Einsicht oder eine Kraft zu Verbesserungen, die auch die tüchtigsten Kaiser nicht gehabt, vorauszusetzen; zudem lehrt der neueste Zustand grosser europäischer Staaten, wie weit selbst die gründlichste Erkenntnis in diesen Dingen von der wirklichen Abschaffung des Schlechten entfernt sein kann. Allein was Diocletian bei einem der billigsten Beurteiler, dem altern Aurelius Victor, speziell zum Vorwurf gemacht wird, könnte leicht zu seinem Lobe umschlagen. In einer leider unklaren und verdorbenen StelleAur. Vict., Caes. 39, § 31. – Es war die Grundsteuer, vgl. Preuss, S. 110 samt Anm. wird darüber geklagt, dass »ein Teil von Italien« zu gewissen allgemeinen Steuern und Lasten (pensiones) herbeigezogen worden sei, welche »bei der damaligen Mässigung« leidlich gewesen, im Verlauf des vierten Jahrhunderts aber zum Verderben des Landes geworden seien. Welcher Art diese Steuer auch gewesen sein mag, jedenfalls war es billig, dass Italien mitbezahlen half, seitdem es nicht mehr fähig war, das Reich zu retten und zu beherrschen. – Für die Beurteilung des römischen Finanzwesens im allgemeinen ist auf die besondern Forschungen über diesen Gegenstand, bei Hegewisch, Naudet, Dureau, Mommsen u. a. zu verweisen; nur ein spezieller Punkt muss hier noch berührt werden.

In verschiedenen Annalen findet sich zum Jahre 302 die Notiz: »Damals befahlen die Kaiser Wohlfeilheit«, das heisst: Diocletian stellte ein Maximum der Lebensmittelpreise fest. Keine Massregel wird von der jetzt herrschenden Ansicht stärker verdammt als die Maximumspreise, zu deren Behauptung bekanntlich der unausgesetzte Taktschlag der Guillotine gehört, wie das lehrreiche Beispiel des Nationalkonventes zeigt. Die Massregel setzt entweder die äusserste, verzweifeltste Not voraus, oder ein gänzliches Verkennen der wahren Begriffe von Wert und Preis. Die Folgen waren denn auch die unausbleiblichenDe mort. persec. 7.: die Ware verbarg sich, wurde trotz dem Verbote teurer als zuvor und zog unzähligen Verkäufern die Todesstrafe zu, bis man das Gesetz aufhob.

Von dieser Massregel hat sich nun ein genaues Andenken erhalten in der berühmten Inschrift von StratoniceaVollständig bei Haubold-Spangenberg, Antiq. Rom. monum. legalia, Nachtrag. – Erläutert u. a. bei Dureau de la Malle, Economie politique des Romains, vol. I, und seither in der Abhandlung Th. Mommsens: Das Edikt Diocletians de pretiis rerum venalium vom Jahre 301, abgesehen von spätem Ergänzungen durch neu entdeckte Fragmente, vgl. Preuss, a. a. O., S. 115, und Vogel, Der Kaiser Diocletian, S. 78 ff. – Das Edikt, im Namen aller vier Herrscher erlassen, war doch für den Orient bestimmt und wurde vielleicht nur dort (zwischen September 301 und März 302) publiziert., welche das ganze Edikt samt mehrern hundert Preisbestimmungen (zum Teil unleserlich und schwer erklärbar) wiedergibt. Die Imperatoren äussern sich im Eingang ungefähr wie folgt: Der Preis der Dinge, die man auf den Märkten kauft oder täglich in die Städte bringt, hat so sehr alle Grenzen überschritten, dass die zügellose Gewinnsucht weder durch reichliche Ernten noch durch Überfluss der Waren gemässigt wird . . . Die Raubsucht tritt überall auf, wo nach dem Gebot des öffentlichen Wohles unsere Heere hinziehen, nicht nur in Dörfern und Städten, sondern auf allen Strassen, so dass die Preise der Lebensmittel nicht bloss auf das Vierfache und Achtfache, sondern über jedes Mass steigen, öfter sogar ist durch Aufkauf (?) einer einzigen Ware der Krieger seines Soldes und unserer Geschenke beraubt worden . . . Diese Habsucht soll in unserm Gesetz Grenzen und Mass finden. (Worauf den Zuwiderhandelnden die schwersten Strafen angedroht werden.)

Die Erwägungsgründe sind an sich so rätselhaft als die Verfügung selber. Am ehesten lässt sich denken, dass im Orient eine Sippschaft von Spekulanten ziemlich rasch die Preise der unentbehrlichsten Mittel des Daseins in die Höhe getrieben hatte, dass jedermann darunter litt, das Leiden der Armee jedoch weit die grössten und nächsten Gefahren herbeizuführen drohte. Das Reich, dessen Haupteinnahmen bei weitem in Naturalien bestanden, konnte vielleicht nicht im gehörigen Augenblick bei jeder Garnison damit zur Stelle sein. Und da nun der Beschluss der Abhilfe, vielleicht in Eile und in heftiger Stimmung, gefasst war, dehnte man die Fürsorge gleich auf alle Menschenklassen und auf Werte jeder Art aus, um besonders auch für die städtischen Massen Hilfe zu schaffen.

Die Tabelle selbst ist ein Dokument ersten Ranges, weil sie die Werte der Gegenstände und der Arbeiten im Verhältnis zueinander für die damalige Zeit offiziell angibt. Viel schwieriger ist die Reduktion der einzelnen Werte auf unsern jetzigen Münzfuss. Man hat sich nämlich über die Einheit, welche im Edikt bloss mit einem * bezeichnet wird, noch nicht verständigen können, so dass die einen den damaligen Silberdenar (9 Sous), andere dagegenSo Dureau de la Malle. Höher, doch noch ebenfalls niedrig, wird die Einheit taxiert von Mommsen (10 Cents) und von Waddington (6,2 Cents). den Kupferdenar (½ Sou) dafür annehmen; im erstern Fall entstehen ungeheure Preise, im letztern Fall solche, die von den unsrigen nicht sehr weit abweichen würden und gewiss die weit grössere Wahrscheinlichkeit für sich haben, das heisst soweit man wiederum über die vorausgesetzten Masse und Gewichte im klaren ist. Wäre wirklich der Kupferdenar gemeint, so wären die Hauptresultate folgende: die festgesetzten Arbeitslöhne erscheinen etwas niedriger als der vor etwa drei Jahrzehnten für Frankreich geltende Durchschnitt, diesen zu 1 Fr. 25 Cent. angenommen; der Ackerknecht erhielt täglich 65 Centimes, der Maurer, der Zimmermann, der Schmied, der Bäcker, der Kalkbrenner 1 Fr. 25 Cent., der Maultiertreiber, Schäfer, Wasserträger, Kloakenreiniger usw. die Nahrung und 50 bis 60 Cent.; von den Lehrern bekam der eigentliche Pädagog für jeden Zögling monatlich 1 Fr. 25 Cent., ebenso der Leselehrer und Schreiblehrer, dagegen der Rechnungslehrer und Schnellschreiblehrer 1 Fr. 90 Cent., der Grammatiker für griechische Sprache 5 Fr., ebenso der für lateinische Sprache und der Geometrielehrer. Ein Paar Schuhe sollte kosten: für Bauern und Tiertreiber 3 Fr., für Soldaten 2 Fr. 50 Cent., für Patrizier 3 Fr. 75 Cent., für Frauen 1 Fr. 50 Cent., wobei Gestalt und Arbeit natürlich ungleich war. Die Fleischpreise waren, in römischen Pfunden zu 24 Lot, für Rind- und Hammelfleisch etwa 28 Cent., für Lamm- und Schweinefleisch etwa 35 Cent.; der sehr umständlich aufgezählten Würste und der eigentlichen Leckerbissen nicht zu gedenken. Der gewöhnliche Wein, den Sextarius zu ½ Liter gerechnet, wurde etwas wohlfeiler angesetzt, als er jetzt gilt, nämlich zu 20 Cent., der bessere alte Wein zu 60 Cent., die edlen italienischen Weine, auch Sabiner und Falerner, zu 75 Cent., das Bier (cervesia cami?) zu 10 Cent., eine geringere Art (zythum) zu 5 Cent. Wir haben diese wahrscheinlich zu niedrig berechneten Preise (aus Dureau de la Malle) beibehalten, weil sie den einstweilen einzig möglichen Zweck, das Proportionale in den Werten zu veranschaulichen, genügend erreichen. Leider fehlt völlig der Preis des Weizens, welcher entscheiden würde. Die Preise sind im Edikt selbst ohne Zweifel hoch genommen, weil mit niedrigen von vornherein nichts wäre zu erreichen gewesen, und man darf sich nicht durch jenes Wort der Idatianischen Jahrbücher irren lassen: »Die Kaiser befahlen, dass Wohlfeilheit sei«.

Von allem, was Diocletian je getan hat, wird man diese Einführung des Maximums vielleicht am schärfsten tadeln können. Hier hatte sich einmal der absolute Staat im Vertrauen auf seine Zwangsmittel vollständig verrechnet; doch wird man die gute Absicht auch nicht ganz verkennen dürfen. Dieselbe tritt auch in dem neuen Kataster deutlich hervor, welchen Diocletian im letzten Jahre seiner Regierung (305) durch das ganze Reich hindurch aufnehmen liess. Wohl heisstIoh. Lydus, De magistrat. Rom. I, 4. es »er liess das Land vermessen und beschwerte es mit Abgaben« – allein es war dabei sicher nicht bloss auf die Erhöhung, sondern auch auf die billigere Verteilung der Steuern abgesehen.

Überhaupt möchte seine Regierung alles in allem genommen eine der besten und wohlwollendsten gewesen sein, welche das Reich je gehabt hat. Sobald man den Blick freihält von dem schrecklichen Bilde der ChristenverfolgungVon deren wahrscheinlichen Ursachen im achten Abschnitt die Rede sein wird. und von den Entstellungen und Übertreibungen bei Lactantius, so nehmen die Züge des grossen Fürsten einen ganz andern Ausdruck an. Man wird vielleicht einen Zeitgenossen, welcher ihm ein Werk dedizierte, nicht als gültigen Zeugen anerkennen; immerhin darf es nicht übergangen werden, dass laut dem Biographen des Marc Aurel in der Historia Augusta (Kap. 19) dieser edle Fürst in Sitte und Wandel sowohl als in der Milde das Vorbild Diocletians war und in dessen Hauskult eine der vornehmsten Stellen einnahm. Hören wir jedoch einen Spätern. Der ältere Aurelius Victor, welcher auch für die Schattenseiten keineswegs blind und, wo Italien in Frage kommt, sogar ein Gegner ist, sagt von ihm: »Er liess sich den Herrn nennen, benahm sich aber als Vater; der kluge Mann wollte ohne Zweifel zeigen, dass nicht schlimme Namen, sondern schlimme Taten entschieden.« Und weiter nach Aufzählung der Kriege: »Auch die Einrichtungen des Friedens wurden durch gerechte Gesetze befestigt; . . . für die Verproviantierung, für Rom, für das Wohl der Beamten wurde eifrig und emsig gesorgt, überhaupt durch Beförderung der Wackern und Bestrafung der Missetäter der Trieb zum Guten gesteigert . . .«. Endlich bei Anlass der Abdankung schliesst Victor:

»Bei dem Widerstreit der Meinungen ist der Sinn für den wahren Sachverhalt verlorengegangen; unsere Ansicht aber geht dahin, dass es einer hohen Anlageexcellens natura. – Das äussere Aussehen, freilich nach einer sehr späten Quelle: eine lange, hagere Gestalt, ein blasses Antlitz mit starker Nase, das graue Auge ernst blickend (Preuss, a. a. O., S. 128). bedurfte, um mit Verachtung alles Pompes wieder in das gemeine Leben herabzusteigen.«

Und dieser absolute Herrscher, der sein Land schrittweise der Usurpation hatte abkämpfen müssen, war auch grossgesinnt genug, um die politische Spionage abzuschaffenAurel. Vict., Caes., ibid. c. 39.. Wahrscheinlich fand er seine Macht gerade durch die Teilung so vollständig gesichert, dass es dessen nicht mehr bedurfte. Allerdings war das Späheramt in die Hände einer Korporation geraten, welche der Regierung selber gefährlich werden konnte; es waren die Frumentarier, ursprünglich die den Armeen vorausgesandten Proviantmacher, später als Ordonnanzen und endlich als Träger und Vollstrecker bedenklicher Befehle gebraucht; ausgeartet zu einer Clique, welche durch falsche Anklagen und durch den Schrecken davor namentlich in entlegenen Provinzen die angesehenen Leute auf das schändlichste brandschatzte. Viel mehr ist nicht davon bekanntAus Hist. Aug., Hadr. 10. Commod. 4. Max. et Balb. 10. Claud. Goth. 17 geht hervor, dass schon Hadrian die Frumentarier zum Spionieren brauchte, und dass sie nachher vielfach zu Botschaften und selbst zu Exekutionen gebraucht werden konnten, weil sie überall hinkamen. – Vgl. Preuss, S. 111 ff., aber man darf sich den Missbrauch wohl sehr furchtbar ausmalen; eine Bande böser Menschen, unter hoher Protektion, gegenseitig sich stützend und haltend, alle Stimmungen des Misstrauens in der Seele der Herrscher erlauschend und benutzend, und diesen hilflos gegenüber die reichen, altangesehenen Familien in Gallien, Hispanien oder Syrien, geängstigt und zu den grössten Opfern genötigt, um nicht als Teilnehmer an erdichteten Verschwörungen denunziert zu werden. Später, seit Constantin, der sonst die Angeber hassteAur. Vict., Epit. 41. Das Gesetz gegen Delatoren v. J. 319, Cod. Theodos. X, 10. – Die Ergänzung zum Gesetz über Majestätsverbrechen, vom J. 314: ibid. IX, 5., kam die Sache wieder, nur unter anderm Namen; abermals waren es die Unternehmer des kaiserlichen Fuhrwesens, welche als agentes in rebus, als veredarii, jene schmähliche Rolle weiterspielten.

Sonst ist der Despotismus der römischen Kaiser überhaupt nicht mit der peinlichen Aufsicht über alle Kleinigkeiten, mit dem Hineinregieren in alles und jedes, namentlich nicht mit dem Diktieren und Kontrollieren geistiger Richtungen behaftet, die dem modernen Staat ankleben. Diese verrufene Kaiserherrschaft, welche das Leben des einzelnen so wenig achtete, so drückende Steuern eintrieb, für die öffentliche Sicherheit so schlecht sorgte – sie begnügte sich doch mit ihren nötigsten Zwecken und überliess sonst die einst mit Strömen Blutes unterworfenen Provinzen ungehemmt ihrem lokalen Leben. Auch sonst sah sie zu da, wo sie hätte eingreifen können. Dies zeigt sich nicht nur an den örtlichen, sondern auch an den Standesunterschieden, die sie bestehen und neu aufkommen liess. Es bildet sich zum Beispiel eine Aristokratie der Steuerfreiheit für die senatorischen Familien, die vom Staat angestellten Lehrer und Ärzte nebst einigen andern Kategorien, wozu in der Folge auch die christlichen Priester kamen. Von einer lebendigen neuen Gliederung des Staatswesens konnte allerdings nicht mehr die Rede sein; das Höchste, was selbst ein Regent wie Diocletian zu erreichen hoffen durfte, war die Erhaltung des Reiches in seinem Umfang und eine leidliche Ausbesserung der Schäden im InnernÜber die Verbesserungen im Münzwesen s. Preuss (nach Mommsen), S. 112. – Das Verzeichnis sämtlicher bekannter Bauten dieser Regierung S. 117 ff..


 << zurück weiter >>