Jacob Burckhardt
Die Zeit Constantins des Großen
Jacob Burckhardt

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Die Motive der Abdikation haben wir oben ins rechte Licht zu stellen gesucht. Wenn wir nicht geirrt haben, so sollte das Kaisertum überhaupt auf die feste Amtsdauer von zwanzig Jahren beschränkt werden, um die wunderbare Dynastie ohne Erbrecht nach Kräften zu regularisieren und eine ruhige, geräuschlose Folge von Adoptionen möglich zu machen. Es ist wahrscheinlich, dass die Superstition auch in diese Sache ihr Wort geredet hat, wenigstens in betreff des einen Punktes, dass Diocletian so fest auf die Folgsamkeit der Mitregenten baute. Hier liesse sich wohl nichts anderes denken, als dass er durch geheime fatalistische Gründe alle Nachfolger von der Notwendigkeit der Massregel zu überzeugen hoffte.

Wie dem auch sei, er fühlte sich in seinem Lagerpalast zu Salona wenigstens einige Zeit zufrieden und glücklich. Es ist ein hohes Zeugnis zu seinen Gunsten, dass er die Stätte seiner Jugend und die Beschäftigungen seiner Jugend nach langem Kriegsleben, nach zwanzigjährigem Kaisertraum wieder aufsuchteÜber Lage und Gestalt des Palastes von Salona ausser der Monographie von Lanza (Dell' antico palazzo di Diocleziano etc., Trieste 1855) vorzüglich Preuss, a. a. O., S. 163. und seinen Gemüsegarten mit eigener Hand umgrub und pflanzte. Sollte man nicht daraus schliessen dürfen, dass er über jenes orientalische Zeremoniell, das er einführte, innerlich stets erhaben gewesen sei? Dass es ihn zu Nikomedien oft recht sehr nach seiner dalmatischen Heimat verlangt habeMichael Glykas legt ihm das Wort in den Mund, er sei »satt an Schicksalen«, κόρος τη̃ς τύχης. – Er war erst 59jährig.? Man wird in diesem merkwürdigen Menschen ewig vergebens ausscheiden wollen, was dem gewöhnlichen Ehrgeiz, was dem Schicksalsglauben, und was dem Drange des politischen Genius angehört. Er kannte das Mittel, dem Römischen Reiche, was es zur Rettung bedurfte, nämlich die Stetigkeit der Herrschaft, zu verleihen; unwiderstehlich muss es ihn zum Throne getrieben haben, um seinen Gedanken zu verwirklichen. Seine Aufgabe war jetzt gelöst, und er trat in die Stille zurück. – Maximian, der denselben Staatsakt gleichzeitig, aber sehr wider Willen in ItalienS. oben S. 64. Ohne Zweifel gab er um dieselbe Zeit den Purpur an den neuen Caesar des Westens, Severus. Dass nun aber zunächst nicht Galerius, sondern Constantius Chlorus Oberkaiser wurde, indem das Oberkaisertum zwischen Osten und Westen alternieren sollte, muss daraus geschlossen werden, dass in der gemeinschaftlichen Titulatur der beiden nunmehrigen Augusti Constantius vorangestellt wird. vollziehen musste, ging auf ein schön gelegenes lucanisches Landhaus, während sein Sohn Maxentius das verschmähte Rom oder dessen Nachbarschaft zu seinem Sitze auserkor. Er, der selbst Verschmähte, des Herrschens unwürdig Gehaltene, legte hier einen richtigen Blick an den Tag, und es ist schwer anzunehmen, dass Galerius ihn freiwillig in dieser Gegend habe wohnen lassen. Vielleicht wurde sogleich protestiert, aber er war in Güte nicht wegzubringen. In Diocletians System fehlte, wie bereits oben angedeutet wurde, nur eine Konsequenz: man musste die Kaisersöhne entweder befördern oder hinrichten. Allein die Erbdynastie war aus Gründen, die wir oben zu erraten gesucht haben, vermieden worden, und von dem reinen Sultanismus wollte Diocletian, wie es scheint, nichts wissen, gerade wie einst (S. 54) nach Carins Untergang von keinen Proskriptionen. Übrigens hatte Maxentius eine Tochter des Galerius geheiratet, möglicherweise gegen seinen und des Galerius Willen, nur einer Kombination des alten Oberkaisers zuliebe.

Einige Monate hindurch schien die ganze Sukzession ihren vorgeschriebenen Gang zu gehen. Aber zu Anfang des folgenden Jahres (306) tritt in diesem merkwürdigen Drama eine neue Person auf. Constantin, den die Geschichte mit Recht den Grossen nennt, entweicht vom Hofe zu Nikomedien und erscheint auf einmal bei seinem Vater Constantius Chlorus, als derselbe eben im Begriffe war, aus dem Hafen von Gessoriacum (Boulogne) nach Britannien abzusegeln.

Constantins Andenken hat in der Geschichte das grösste denkbare Unglück gehabt. Dass die heidnischen Schriftsteller ihm feind sein mussten, versteht sich von selbst und würde ihm in den Augen der Nachwelt keinen Schaden tun. Allein er ist in die Hände des widerlichsten aller Lobredner gefallen, der sein Bild durch und durch verfälscht hat. Es ist Euseb von Caesarea und sein »Leben Constantins« gemeintUm von dem im J. 336 abgehaltenen Panegyricus »De laudibus Constantini« vollends zu schweigen. Das Material ist dasselbe wie in der Vita, die Verarbeitung noch widerwärtiger.. Der bei allen Fehlern immerhin bedeutende und gewaltige Mensch macht hier durchweg das Angesicht eines andächtigen Frömmlers, während doch anderweitig so viele seiner Missetaten auf alle Weise konstatiert sind. Und dieses zweideutige Lob ist überdies von Herzen unloyal; Euseb spricht von der Person und meint eigentlich nur eine Sache, nämlich das Interesse der von Constantin so stark und reichlich etablierten Hierarchie. Dazu kommt noch – des wahrhaft hässlichen Stiles zu geschweigen – eine mit Bewusstsein schielende Ausdrucksweise, so dass der Leser gerade an den wichtigsten Stellen auf Falltüren und Versenkungen tritt. Wer sie zu rechter Zeit bemerkt, lässt sich dadurch leicht verführen, eben deshalb das Allerschlimmste zu vermuten, weil ihm etwas verschwiegen wird.

Der Eingang dieser BiographieEuseb., Vita Const. I, 2. lautet ekstatisch genug: »Wenn ich im Geist diese dreimalselige Seele schaue mit Gott vereint, frei von aller sterblichen Hülle, in blitzleuchtendem Gewand und ewigstrahlendem Diadem, dann steht mir Sprache und Verstand stille, und ich überlasse es gerne einem Bessern, ein würdiges Loblied zu ersinnen.« Wäre dies nur geschehen! Besässen wir nur dafür die Schilderung eines besonnenen Heiden wie AmmianusHätten wir nur Constantins eigene Memoiren, welche bei Iohannes Lydus öfter zitiert werden. Auch an den Darstellungen des Praxagoras und des Bemarchius ist uns gewiss viel verloren, und selbst Eunapius wäre für manche Aufschlüsse sehr willkommen., und der Mensch Constantin wäre vielleicht, wenn nicht moralisch gerettet, doch als grosse historische Erscheinung uns unendlich näher gerückt! Dann würde man vielleicht klar sehen, was sich jetzt nur vermuten lässt, dass nämlich Constantin sich fast zeitlebens nicht als Christ ausgab und gebärdete, sondern sich bis in die allerletzten Zeiten ziemlich unverhohlen die persönliche Überzeugung frei behielt. Dass Euseb fähig war, eine solche Tatsache völlig zu ignorieren und zu vertuschen, verrät er selbst durch seine frühere Charakteristik des Licinius, welchen er geradezu als gottgeliebten christlichen Kaiser in Anspruch nimmt, solange es sich um den Kampf gegen Maximinus Daza handelt, obwohl er wissen musste, dass Licinius nichts als ein toleranter Heide war. Höchst wahrscheinlich machte er es mit Constantin nicht besser. Damit fiele vor allem jene abscheuliche Heuchelei weg, die dessen Züge entstellt, und es bliebe statt dessen ein politischer Rechner übrig, der alle vorhandenen physischen Kräfte und geistigen Mächte mit Besonnenheit zu dem einen Zwecke benützt, sich und seine Herrschaft zu behaupten, ohne sich irgendwo ganz hinzugeben. Einen erhebenden Anblick gewährt ein solcher Egoist auch nicht, allein die Geschichte hat sattsame Gelegenheit, sich an dergleichen Charaktere zu gewöhnen. Überdies kann man sich bei einiger Billigkeit überzeugen, dass Constantin gleich von seinem ersten politischen Auftreten an konsequent nach demjenigen Prinzip handelte, welches der energische Ehrgeiz, solange die Welt steht, »Notwendigkeit« genannt hat. Es ist jene wundersame Verkettung von Taten und Schicksalen, in welche der höher begabte Ehrgeizige wie von einer dunkeln Macht hineingezogen wird. Vergebens ruft das Rechtsgefühl ihm seinen Protest entgegen, vergebens steigen Millionen Gebete der Unterdrückten zur Nemesis empor – der grosse Mensch vollzieht, oft ohne Wissen, höhere Beschlüsse, und ein Weltalter drückt sich in seiner Person aus, während er selber seine Zeit zu beherrschen und zu bestimmen glaubt.

Bei Constantin ist gleich die Beurteilung seines ersten Schrittes entscheidend. Galerius hätte ihm, wie es heisst, im Sarmatenkriege und dann bei scheinbar gymnastischem Kampfe mit wilden Tieren einen sichern Untergang zugedacht, allein der furchtlose Held siegte über Barbarenfürsten und Löwen und legte sie dem neuen Oberkaiser vor die FüsseAusser den meisten christlichen Autoren melden dies zwar auch die Fragmente des Praxagoras (bei Müller l. c. IV, p. 2), der wahrscheinlich ein Heide war. Allein Galerius hatte wohl andere Mittel, den Constantin zu töten, wenn er wirklich wollte. Eumenius, Paneg. VII, 3 führt den Zweikampf mit dem Barbaren als eine Tat freiwilliger Tapferkeit an. Euseb schweigt.. Dann hätte Galerius trotz wiederholter Briefe des Constantius Chlorus, den Sohn zu ihm zu senden, diesen in ganz feindseliger Weise wie einen Gefangenen bei sich behalten und erst nachgegeben, als er es durchaus nicht mehr verweigern konnte. Constantin, mit der Erlaubnis versehen, reiste vor der festgesetzten Zeit in grösstem Geheimnis ab und lähmte auf den ersten Stationen die Pferde der kaiserlichen Post, damit ihm niemand nachsetzen könneAnders und vielleicht besser der Anonym. Vales. 4. Über diese ganze Frage Hunziker, S. 212, Anm. Lactantius malt c. 24. 25 alles scheinbar sehr anschaulich aus. Nur hätte es ihm nicht begegnen sollen, die erste Botschaft von York nach Nikomedien schon paucis post diebus anlangen zu lassen.. Von all diesem darf man wohl soviel annehmen, dass er sich im Ernste bedroht glaubte. Galerius musste ihn hassen schon als einen zurückgesetzten und dennoch hochstrebenden Kaisersohn, aber er entliess ihn doch! – obschon Constantin höchst wahrscheinlich in die Hofintrigen seit der Verfolgung stark verflochten gewesen war. Immerhin hatte Constantius das Recht, den Sohn zu sich zu rufen.

Bei seinem Vater angelangt, machte er zuerst dessen siegreichen Feldzug gegen die Picten in Schottland mit. Chlorus war nämlich noch durchaus nicht am Sterben, wie Euseb und Lactantius zu grösserer Rührung angeben, hatte auch seinen Sohn nicht deshalb herbeigerufen. Bald nach der Rückkehr vom Kriege starb er aber wirklich (zu York, 25. Juli 306). Nach der Reichsordnung des Diocletian, welchem alle Betreffenden ihre Stellung verdankten, sollte nun Galerius einen neuen Augustus ernennen und demselben einen neuen Caesar an die Seite setzen. Sollte aber das Erbrecht mit diesem Kaiserrecht in Verbindung gebracht werden, so hatten die Söhne des Constantius aus seiner Ehe mit des alten Maximians Stieftochter, Flavia Maximiana Theodora, nämlich Dalmatius, Hannibalianus und Julius Constantius, einen unbedingten Vorzug. Sie waren allerdings noch sehr jung, der Älteste kaum dreizehnjährig.

Statt dessen sukzediert Constantin. Es ist viel verlangt, wenn man sich für die so wunderlich bedingte diocletianische Reichsordnung ereifern soll; wenn sie aber zu Rechte bestand, so war Constantin ein Usurpator. Eine Beischläferin HelenaÜber ihre Herkunft und vorgebliche Ehe s. die dritte Beilage bei Manso, Leben C. d. Gr. Ausser den dort beigebrachten Stellen ist Eutych. Alexandrin., ed. Oxon. p. 408 und 456 zu vergleichen, wonach Helena von Caphar Phacar in Mesopotamien gebürtig und bereits Christin war. – Laut Hamza Ispahanens. p. 55 war sie von Edessa und fiel daselbst als Kriegsgefangene in die Hände des Chlorus. – Sie diente in einer Wirtschaft in Naïssus. – Ihr grosser Sohn wird hoffentlich nicht in bezug hierauf das Gesetz Cod. Theodos. IX, 7, 1 (vom J. 326) erlassen haben, welches eher aus Verachtung als aus Mitleid Weinwirtinnen und deren Dienerinnen von den Gesetzen de adulteriis eximiert. hatte ihn dem Constantius zu Naïssus in Serbien geboren im Jahre 274, und so war er auch von seiten des Erbrechtes strenge genommen keiner Sukzession fähig. Der Lobredner Eumenius macht ihn zwar legitim und meint, er hätte noch gerne unterweges die abgedankten Imperatoren um Erlaubnis gefragt, allein dies sind nichts als Worte. Der betreffende PanegyricusPaneg. VII (Eum. Constantino, v. J. 310), bes. c. 2. 3. 8. ist indes sonst nicht ohne Bedeutung, weil darin die Weihe des Erbrechtes mit einem wahren Feuer verteidigt wird. Mit Beziehung auf die Abstammung vom Hause des grossen Claudius Gothicus wird dem Constantin zugerufen: »So hoch ist der Adel deiner Herkunft, dass dir das Imperium gar keine höhere Würde verleihen konnte . . . Nicht die zufällige Übereinstimmung anderer, nicht eine plötzliche Gunst hat dich zum Herrscher gemacht; durch deine Geburt schon verdientest du die Herrschaft, als ein Geschenk der Götter.«

Jene Übereinstimmung und Gunst anderer war aber für seine Thronbesteigung doch gar nicht so wertlos, Ob ihn sein Vater direkt zur Nachfolge bevollmächtigt hatte, ist bei der Einseitigkeit der Aussagen nicht wohl zu ermitteln; vielleicht hatte er den entschlossenen, kriegskundigen, jetzt zweiunddreissigjährigen SohnSuidas, s. v. Constantinus sagt: Der Vater sah, dass er kräftig war, und überging die Söhne der Theodora. nur herbeigerufen, damit derselbe die hilflose Familie beschütze. Spätere Autoren, wie zum Beispiel Zonaras, machen sich's bequem: »Constantius Chlorus lag krank und grämte sich darüber, dass seine übrigen Kinder so sehr missraten warenWovon man sonst nichts weiss.; da erschien ihm ein Engel und befahl ihm, die Herrschaft dem Constantin zu hinterlassen.« Andere, wie Euseb, Lactantius und Orosius, geben sich nicht einmal diese Mühe der Motivierung, sondern tun, als ob sich Constantins Erbfolge ganz von selbst verstanden hätte. Die Tatsache ist, dass ihn die Soldaten seines Vaters zum Imperator Augustus erhobenIch glaube dies festhalten zu sollen gegenüber der Ansicht, dass er nur zum Caesar sei erhoben worden (Hunziker, a. a. O., S. 215). Den Soldaten war gewiss eher der Imperatortitel geläufig. Dass aber Constantin sehr bald sich einstweilen mit dem blossen Titel eines Caesars oder filius Augustorum begnügte, soll nicht geleugnet werden.. Die Hauptstimme dabei hatte ein Alamannenhäuptling Crocus (oder Erocus), welchen Constantius samt seiner Schar für den Pictenkrieg in Dienst genommen hatte. Die Hoffnung auf ein reiches Donativ wirkte natürlich auch hier bestimmend mit. Für eine ergreifende Darstellung des Herganges sorgt der oben genannte Panegyriker. »Schon beim ersten Ausritt warfen dir, dem Weinenden, die Krieger den Purpur über . . . Du wolltest dieser Bezeigung der eifrigen Anhänglichkeit entfliehen und gabst dem Pferde die Sporen; aber das war, aufrichtig zu reden, ein jugendlicher Irrtum! Welches Ross wäre schnell genug gewesen, dich der Herrschaft zu entziehen, die dir folgteMit ähnlichen Redensarten Euseb., Vita Const. I, 22 und 24, wo der Unterschied zwischen Constantin und den übrigen Kaisern darin gefunden wird, dass diese durch Beistimmung anderer, jener aber »durch Gott allein« erhoben worden.?« Das einzelne der hier gespielten Intrige erraten zu wollen, wäre überflüssig.

Galerius, als er das Ereignis vernahm, tat das Mögliche; da er den Constantin nur durch einen überaus gefahrvollen innern Krieg hätte beseitigen können, so erkannte er ihn zwar an, allein nur als zweiten Caesar, und ernannte den Severus zum Augustus, den Maximinus Daza aber zum ersten CaesarSeine frühern, hievon verschiedenen Absichten s. De mort. pers. c. 20.. Die wahre Herrscherweihe holte sich dann Constantin in den mehrjährigen Kämpfen gegen die Germanen, wovon oben die Rede gewesen ist. Damals konnte über Gallien nur Herrscher sein, wer der Verteidiger und Retter war, und auf diesem Felde blieb nach dem Vater für den Sohn wenigstens eine Nachlese übrig.

Die nächste unvermeidliche Folge der Usurpation Constantins war die Usurpation des Maxentius. Was einem Kaisersohne durchging, das konnte man dem andern schwerlich wehren. Sein Vater Maximian, aus Ehrfurcht vor den diocletianischen Verfügungen, widersetzte sich langeAurel. Vict., Caes. 40., konnte aber zuletzt der eigenen Versuchung nicht widerstehen und hielt dann mit. Maxentius, obwohl vielleicht als Wüstling und bösartiger Charakter bereits bekannt, fand einen natürlichen Bundesgenossen an dem Unwillen des von den Kaisern verlassenen Roms und der stark reduzierten Prätorianer; auch ist es wohl denkbar, dass die letzte verdriessliche Abreise Diocletians von Rom im Jahr 303 mit den ersten Anfängen eines Komplottes dieser Art in Verbindung stand. Endlich hatte Galerius alles Mass überschritten, indem er die alte Weltstadt für seine neuen Steuern mit in Anspruch nahm. Maxentius gewann ein paar Offiziere, einen grossen Lieferanten und die Prätorianer, welche ihn ohne weiteres proklamierten. Der Stadtpräfekt, der sich widersetzen wollte, wurde noch vorher getötet. Es scheint, dass ganz Italien sehr bald dem Thronräuber zufiel.

Diesmal konnte Galerius nicht bloss zusehen. Er sandte (307) seinen Mitkaiser Severus aus, der als Erbe der Ländermasse des Maximian auch unmittelbar Herr von Italien sein sollte. Allein Severs Armee, die meist aus alten maximianischen Soldaten bestand, war gegen Maxentius nicht zu brauchen; es folgte Verrat, Rückzug und eine persönliche Übergabe in oder bei Ravenna, die dann doch den beklagenswerten Augustus in der Folge nicht vor verräterischem Morde schützteÜber diese und die folgenden Ereignisse vgl. Manso, Leben Const. d. Gr., fünfte Beilage, – und Hunziker, a. a. O., S. 216 ff., wo auch der Beweis geleistet ist, dass Severus nur auf Anordnung des Maxentius und erst nach Maximians Abreise nach Gallien getötet wurde (zu Trestabernae).. Galerius kam, ihn zu rächen, allein sein Heer erwies sich nicht zuverlässiger, und er musste eilends umkehren.

Inzwischen hatte der alte Maximian sich, wie gemeldet, seinem Sohne zugesellt – wenn Maxentius wirklich von ihm und der Syrerin Eutropia erzeugt und nicht untergeschoben war, was einzelne Heiden und Christen behaupteten, und was hier nur hervorgehoben werden mag als Beleg für den Wert, den man auf einmal wieder dem Erbrechte zuschrieb. Dem Verhältnis zwischen Vater und Sohn fehlte freilich so sehr jede Pietät, dass jenes Gerücht fast notwendig entstehen musste. Auch den Soldaten kam der Alte durchaus nicht gelegen, wahrscheinlich weil sie seine Disziplin fürchteten; wenigstens fand er keinen Anklang, als er sie bald darauf gegen den Sohn einzunehmen suchte; sie antworteten ihm mit trotzigem Hohn, worauf er sich damit ausgeredet haben soll, es sei ihm bloss um eine Probe ihrer Gesinnung zu tun gewesen. Zonaras, der dies erzählt, lässt ihn vorher sogar den Senat besuchen und dort den Sohn für untüchtig zur Regierung erklären. Jedenfalls ein merkwürdiger Abfall vom diocletianischen Herrscherprinzip, zumal nach den oben (Abschnitt II) erwähnten Feindseligkeiten Maximians gegen die Senatoren.

Als sich der unruhige Greis in seinen Hoffnungen auf Oberherrschaft betrogen sah, ging er nach Gallien, um bei Constantin zu versuchen, was ihm bei Maxentius misslungen war. Er hatte noch ein Pfand der Herrschaft mit sich, seine jüngere Tochter FaustaDie ältere Tochter Theodora hatte er bekanntlich fünfzehn Jahre vorher dem Constantius Chlorus gegeben, als dieser zum Caesar ernannt wurde.; diese vermählte er mit Constantin und gab ihm dazu den Augustustitel. Es war darauf abgesehen, dass man einstweilen warten würde, bis Maxentius mit dem neuerdings kampfbereiten Galerius im Kriege läge, um dann mit Übermacht einzugreifen. Allein Constantin nahm die Tochter und den Titel und verweigerte dann Maximian jede weitere Mitwirkung, worauf diesem nichts anderes übrig blieb, als wieder nach Rom zu gehen und sich mit dem Sohne auf einen leidlichen Fuss zu setzen.

Von jener Hochzeit besitzen wir noch eine FestredePanegyr. VI (Incerti Maxim, et Constantino, gehalten zu Trier im Jahr 307).. Vielleicht hat nie ein Kasualredner eine schlimmere Aufgabe gehabt, als dieser ungenannte gallische Rhetor, der alles verschweigen und alles sagen sollte, und man muss ihm zugestehen, dass er mit Takt und Talent seine Aufgabe gelöst hat. Uns interessiert dabei vorzugsweise (Kap. 2) der Glückwunsch wegen endlicher Begründung einer Dynastie: »Möge die Weltherrschaft Roms und die Nachkommenschaft der Imperatoren gleich ewig und unsterblich sein!« Merkwürdigerweise aber wird hier schon das Dasein eines Sohnes, Crispus, aus einer frühern Ehe des Constantin mit der Minervina ignoriert, während diese Ehe selber (Kap. 4) ausdrücklich erwähnt und dem Constantin zum sittlichen Ruhme angerechnet wird; dafür preist der Redner das hohe Glück, Herculier, das heisst Söhne von der Fausta, in das Haus zu bekommen.

Während Galerius gegen Italien rüstete, geriet Maximian von neuem in die übelsten Verhältnisse mit Maxentius; es kam zu einer öffentlichen SzeneVielleicht gehört das oben aus Zonaras Mitgeteilte erst hieher., wobei der Vater dem Sohn den Purpurmantel abreissen wollte. Abermals musste er von Rom weichen.

In dieser allgemeinen Konfusion nahm Galerius seine Zuflucht zu der Weisheit des alten Diocletian, der auf sein Ersuchen (307) zu einem Kongress nach Carnuntum (Sankt Petronell unweit Haimburg) kam. Lactantius lässt schon Jahre vorher den Oberkaiser wahnsinnig werden, die Mitregenten möchten aber wohl die Überzeugung von dessen geistiger Kraft noch nicht verloren gehabt haben, als man sich an der Donau zusammenfand. Hier wurde zunächst ein bewährter alter Kampfgenosse und Freund des Galerius, der Illyrier Licinius, an der Stelle des ermordeten Severus zum Augustus ernannt. Aber auch der alte Maximian stellte sich ein und wurde, statt Hilfe und Ermutigung zu finden, nochmals zur Abdankung bewogen; Licinius sollte der allein rechtmässige Imperator für das Abendland seinDass Galerius schon im J. 305 die Erhebung des Licinius zum Mitaugustus im Sinne gehabt habe, ist möglich, aber Lactantius, der es (Kap. 20) meldet, konnte davon nicht mehr wissen als wir. Und dass Galerius zugleich für seinen damals neunjährigen Sohn Candidianus die Caesarwürde habe aufsparen wollen, ist jedenfalls ersonnen. Candidianus war übrigens sein Sohn nicht von Valeria, sondern ein Bastard, aber von Valeria adoptiert und erzogen. – Vgl. Preuss, S. 170.. Allein Maximian hatte weder Ruhe noch Rast mehr, und als er seinen ehemaligen Mitregenten aus den Augen war und wiederum bei Constantin in Gallien einkehrte, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, auf des Schwiegersohnes Kosten auszuüben, was ihm beim Sohne zweimal misslungen. Während Constantin gegen die Franken ausgerückt war, nahm er zum drittenmal den Purpur, bemächtigte sich des Schatzes und der Vorräte und warf sich in das feste Arelatum (Arles), von wo er, als Constantin ihm eilends nachzog, nach Massilia flüchtete. Hier lieferte ihn, wie es scheint, seine Mannschaft dem Schwiegersohne aus, der ihm nochmals Leben und Freiheit geschenkt haben soll. Aber Maximian benützte dies nur zu neuen gefährlichen Ränken, von welchen Constantin durch Fausta selber in Kenntnis gesetzt wurdeManso, S. 38 und 302, lässt sich an dieser Stelle verführen, dem Lactantius (Kap. 30) ein absurdes Märchen abzunehmen. – Das Verhältnis der verschiedenen Aussagen s. bei Hunziker, a. a. O., S. 235 f.. Es blieb nichts anderes übrig, als den unheimlichen Alten aus der Welt zu schaffen. Er durfte seine Todesart wählen und liess sich (310) erwürgen. Zu Anfang des elften Jahrhunderts fand man zu Marseille sein Grab; die noch wohlerhaltene Leiche, reich einbalsamiert und geschmückt, lag in einem Bleisarg und dieser in einer Marmorwanne. Erzbischof Raimbald von Arles liess den Feind Gottes und Constantins samt allem ins Meer werfen, welches seither an jener Stelle bei Tag und Nacht heftig brausen sollChronicon Novaliciense V, 54..

Wie mussten diese Vorgänge Diocletians letzte Jahre verbittern! Der Ehrgeiz, auf das Erbrecht gestützt, hatte sein System bereits zur Hälfte umgestürzt, ja er musste den Kummer erleben, dass selbst ausserhalb der Kaiserfamilien die Usurpation im Stil des dritten Jahrhunderts wieder ihr Haupt erhob, nachdem ein Aelianus und Amandus, ein Carausius und Allectus, ein Achilleus und Julian nebst den Ihrigen die angemasste Herrschaft mit Strömen Blutes gebüsst hatten. Ein Statthalter in Afrika, der Phrygier Alexander, von Maxentius auf unkluge Weise zur Huldigung angehalten, lässt sich von den Soldaten halb wider Willen mit dem Purpur bekleiden (308)Hierüber eine sehr dunkle Hauptstelle bei Zosimus II, 12. Die afrikanischen Garnisonen, eigentlich galerianisch gesinnt, wollen sich zuerst, aus Furcht vor einer Landung des Maxentius, auf Alexandrien zurückziehen, finden aber unterweges eine starke (maxentianische?) Streitmacht und weichen vor derselben wieder nach Karthago. Darauf erst folgt die persönliche Bedrohung des Alexander durch Maxentius und das übrige. Man wird hier darauf verzichten, Klarheit in die Motive zu bringen.. Wir können es dem greisen, schicksalsforschenden Gärtner von Salona nicht verdenken, wenn er das schrecklichste Unheil, selbst den Untergang des Reiches, vor Augen zu sehen glaubte. – Natürlich warfen alle diese Bürgerkriege ihren unaufhörlichen Reflex in die Verfolgung hinein, so dass die mehrmaligen Rückfälle in die furchtbarste Strenge, welche in den Jahren 308 bis 313 zwischen den Pausen relativer Ruhe eintraten, mit den Thronfragen in engster Verbindung stehen. Von Maxentius berichtet Euseb, dass er wenigstens eine Zeit hindurch aus Feindschaft gegen Galerius die Christen schonte und sich sogar selber als Christ stellte, und auch Maximinus Daza war gegen die Christen abwechselnd mild oder grausam, je nachdem er dem Galerius trotzen oder schmeicheln wollte.

Indes begannen die Thronfragen sich zu vereinfachen. Galerius starb im Jahr 311, angeblich an einer scheusslichen Krankheit, zu Sardica in Mösien. Wir wollen den Lactantius in dem von Würmern zerfressenen Unterleib nach Herzenslust wühlen lassen und dafür konstatieren, dass der gewiss rohe und gegen die Christen unmenschliche Fürst bei den HeidenEutrop. X, 1. – Auch der ältere Aurelius Victor (Kap. 40) hat neben einem sehr nachdrücklichen Lob nichts als den Mangel an Bildung auszusetzen. »ein braver Mann und tüchtiger Krieger« heisst; auch darf es ihm nicht vergessen werden, dass er die Charakterfestigkeit gehabt hatte, für seine eigene Familie auf den Thron zu verzichten, um seinem Freunde Licinius, den er für den Würdigsten hielt, die Herrschaft zuzuwenden. Noch kurz vor seinem Tode hatte er in einem mürrischen Toleranzedikt die Erfolglosigkeit der Staatsmacht in ihrem Kampfe gegen die Christen zugegeben und am Schlusse desselben die bisher Verfolgten zur Fürbitte für seine Person bei ihrem Gotte aufgefordert. Auch die Mitregenten unterzeichneten, Constantin, Licinius und indirekt sogar Maximinus Daza, insofern ein Erlass seines höchsten Beamten den nämlichen Dienst tat. Die aus Kerkern und Bergwerken heimkehrenden Christen wurden vielfach auch von der heidnischen Bevölkerung freudig begrüsst, so müde war man bereits der Henkerszenen. Die nähern Einzelbestimmungen, welche dem Edikte folgten, sind uns nicht mehr erhalten und nur aus einem spätem Erlass zu erraten; sie scheinen noch immer hart und in dem nämlichen grollenden Tone abgefasst gewesen zu sein, wie das Edikt selbstVgl. den Vortrag von Zahn: Constantin d. Gr. und die Kirche, Hannover 1876, S. 11 und 33..

Eine Verwickelung, die bei Anlass dieser Thronfolge zu drohen schien, löste sich unerwartet rasch und friedlich. Maximinus Daza, der frühere galerianische Caesar, der sich bereits bei einem andern Anlass den Augustustitel verschafft hatteHierüber Hunziker, a. a. O., S. 232., glaubte von Licinius, der eigentlich zum Augustus des Westens bestimmt war, eine starke Beeinträchtigung seines orientalischen Reiches befürchten zu müssen; beide zogen mit Heeresmacht gegeneinander, versöhnten sich aber bei einer Konferenz auf Schiffen mitten im Hellespont (311) und machten diesen und den Archipelagus zur Grenze ihrer Gebiete, so dass dem Licinius die ganze Halbinsel zwischen diesem Meere und dem Adriatischen blieb. Was Diocletian zu einer solchen Teilung dachte, ist ganz unbekannt.

Zu derselben Zeit unterwarfen die Feldherrn des Maxentius das abgefallene Afrika; der Usurpator Alexander wurde geschlagen, auf der Flucht eingeholt und erwürgt, die unglückliche Provinz mit grösster Härte gezüchtigt. Die Stadt Cirta litt dabei so sehr, dass sie später unter Constantin neu gebaut werden mussteSie erhielt den Namen Constantina(e), den sie noch jetzt führt.. In Rom affektierte Maxentius, als er seinen Triumph hielt, eine Erinnerung an die Feindschaft des alten Karthago gegen RomZosim. II, 14..

So gab es nun wieder zwei westliche und zwei östliche Regenten, Constantin und Maxentius, Licinius und Maximinus Daza. Aber wie weit entfernt war ihr Verhältnis von dem harmonischen »Tetrachord«, der einst Diocletian und seine Mitregenten verbunden hatte. Keine Unterordnung noch gegenseitige Verpflichtung wird anerkannt, jeder ist Augustus auf eigene Rechnung und misst die andern mit misstrauischen Blicken; ihre Gebiete sind scharf von einander abgegrenzt, und keiner würde es wagen, in dem Lande des andern mitregieren zu wollen, keiner aber auch dem andern Hilfe gewähren, bevor eine selbstsüchtige Kombination sie zu Einzelbündnissen treibt. Das Reich liegt nun einmal in vier Stücken, und der, welcher zuerst den Frieden gebrochen, Constantin, hat nun die Aufgabe, an die Stelle des frühern Zusammenhanges einen neuen treten zu lassen.

Wir verfolgen sein Leben zunächst in Beziehung auf die Art und Weise, wie er diese Aufgabe erfüllte.

Er sucht sich unter seinen drei Kollegen den fähigsten und zugleich legitimsten aus und verbündet sich mit ihm; Licinius verlobt sich mit Constantia, der Schwester Constantins. Darauf erhebt sich (312) der Krieg gegen MaxentiusAusser Euseb und Zosimus sind hier die Panegyriken IX und X Hauptquellen.. Dieser hatte sich inzwischen mit Maximin alliiert, zunächst gegen Licinius, welchem er die illyrischen Lande zu rauben gedachte; umsonst hatte Constantin sich ihm nähern wollen; Maxentius hatte den »Mörder seines Vaters« abgewiesen und gegen denselben gerüstet. Welchem von beiden dann der offene Bruch zuzuschreiben sei, mag unentschieden bleiben; Euseb nimmt dies Verdienst für Constantin in Anspruch, rühmt ihn deshalb ausdrücklich und spricht von seinem grossen Mitleid gegen das arme unterdrückte Rom; »das Leben hätte ihn nicht mehr gefreut, wenn er die Weltstadt länger hätte leiden sehen müssen«Euseb., Vita Const. I, 26 und 37, wo Constantin sogar den Römern die Freiheit ihrer Ahnen wiedergeben will!. Dies zeichnet zwar schwerlich Constantins Denkart, aber dafür Eusebs Schreibart. Nun hatte Maxentius ganz ungeheure Streitkräfte beisammenLaut Zosimus 170 000 Mann zu Fuss und 18 000 Reiter., die ihn auch im entscheidenden Augenblick nicht verrieten und ihm sicher zum Siege verholfen hätten, wäre er nicht strategisch unfähig und in feige Indolenz versunken gewesen. Constantins Streitkräfte dagegen lagen zwar nicht in den himmlischen Legionen unter der Anführung des seligen Constantius Chlorus, womit ihn die Schriftsteller beider ReligionenSehr ernstlich schildert z. B. Nazarius im Paneg. X, c. 14 deren Auftreten. beehren, auch nicht in der Sympathie der Christen – vielleicht nicht einmal in der Verzweiflung des zu Boden getretenen Italiens, denn die Bevölkerungen reden in diesem Kampfe überhaupt kaumDie Städte rufen wohl (Paneg. IX, 7) den Const. zu sich, aber erst, nachdem er gesiegt hat. mit –, wohl aber in der Kriegstüchtigkeit seiner etwa 100 000 Mann (Briten, Gallier und Barbaren) und in seiner eigenen Persönlichkeit. Wenn dieser Krieg nicht von so verdächtiger Seite gerühmt würde, so müsste man ihn vielleicht bewundern wie den italienischen Feldzug des jugendlichen Napoleon, mit dem er mehr als ein Schlachtfeld gemein haben mochte. Die Erstürmung von Susa, die Schlacht bei Turin, wo die schwere Reiterei der Feinde – Mann und Ross gepanzertSogenannte Klibanarier oder Kataphrakten, aus dem persischen Kriegswesen entlehnt. – mit eisernen Keulen totgeschlagen wurde, der Einzug in Mailand, das Reitertreffen bei Brescia entsprächen dem Anfange des 1796er Feldzuges; dann möchten die furchtbaren Kämpfe Constantins um Verona wohl die Bezwingung von Mantua aufwiegen. Aber auch die Feinde würden der Vergleichung mit Napoleons Feinden nicht unwert sein; sie kämpften mit Mut und Ausdauer und liefen nicht zu Constantin über, so dass er zum Beispiel die ganze kriegsgefangene Besatzung von Verona in Fesseln schlagen musste, damit sie nicht wieder zu Maxentius entwiche. Sie zu töten, erlaubte weder die fortgeschrittene Humanität noch der wohlverstandene Vorteil des Reiches, und auf ihre Parole war, scheint es, nicht zu bauen; man musste ihre Schwerter zu Handfesseln umschmieden. Verona ergab sich aber erst, als ein anderer Teil der constantinischen Armee Aquileia und Modena mit Sturm genommen hattePanegyr. X, 26, wo sich oppugnatio ohne Zweifel auch auf diese beiden Städte bezieht. Das Schweigen des Panegyr. IX, 11 darf hier nicht irreleiten; der Autor will nur nicht so unhöflich sein, von Waffentaten zu sprechen, wobei sein Held nicht selber kommandierte..

So war eine feste Basis gewonnen für die Eroberung von ganz Italien; Maxentius und seine Generale waren überrascht worden; was sie durch rechtzeitige Besetzung der Alpenpässe mit geringen Mitteln hätten ausrichten können, brachten sie am Fuss der Alpen und in der Ebene mit Strömen Blutes nicht wieder ein. Strategiker mögen nun entscheiden, ob Maxentius nicht vielleicht Gründe hatte, den Feind bis gegen Rom vorrücken zu lassen. Die Autoren schildern ihn freilich bald als einen feigen Stubensitzer, bald als abergläubischen BeschwörerSo auch Zosimus II, 16., und beides mag seine teilweise Richtigkeit haben. Dass die Einwohner von Rom den Gewaltherrscher hassten, leidet keinen Zweifel; bei einem Streit mit seinen Soldaten waren 6000 Menschen umgekommen; sein wüstes Leben und seine Erpressungen konnten ihm nur Feinde machen; aber dies alles war nicht entscheidend. Er hatte noch eine grosse Armee für sich, und Rom selber war für den Fall einer Belagerung mit ungeheuern Vorräten versehen, wurde auch durch Gräben neu befestigt, so dass man den Feind hinhalten und vielleicht plötzlich einwickeln konnte. Allein wenn die berühmte Schlacht, die bei Saxa rubra neun Millien von Rom begann und an der milvischen Brücke endigte, wirklich so angeordnet war, wie die Schriftsteller erzählen, so kann von strategischer Rechtfertigung überhaupt kaum mehr die Rede sein; das Heer des Maxentius war nämlich in langer Linie so aufgestellt, dass es die Tiber im Rücken hatte; dieser sehr reissende Fluss aber scheint keine andere Brücke gehabt zu haben als die milvische nebst einer danebenliegenden Schiffbrücke. So musste gleich die erste Verwirrung unheilbar werden. Was nicht durch das Schwert fiel, ertrank; um Maxentius herum hielten noch die Prätorianer, deren Geschöpf er war, am längsten aus; auch er floh und versank im Flusse, während sie, wie einst die Schar Catilinas bei Pistoia, sich an der Stelle niederhauen liessen, wo sie am Anfang der Schlacht gestanden hatten. Ihre Vernichtung war für den Sieger von grossem Werte, weil er sonst doch noch einmal mit ihnen hätte abrechnen müssen. Er hatte es jetzt leicht, das prätorianische Lager zu zerstören.

Mit dieser Schlacht hatte nun das ganze Abendland seinen Herrn; auch Afrika und die Inseln fielen dem Überwinder zu. Zwischen zwei Illegitimen hatte das höhere Talent und die Entschlossenheit wie billig den Sieg entschieden. Constantin, bisher nur durch Grenzkriege bekannt, stand auf einmal im blendendsten Glanze des Heldenruhmes der öffentlichen Meinung gegenüber. Jetzt handelte es sich darum, diese neue Macht womöglich auf andere Grundlagen als auf die blosse Soldatengewalt zu stellen.

Hört man nur die Festredner, so hätte Constantin nach Aufhebung der ärgsten maxentianischen Missbräuche und Verfolgungen vor allem den Senat geehrt und durch neue Ergänzungen aus den Provinzialen zu heben gesucht. Es braucht aber keinen besondern Scharfblick, um einzusehen, dass nach den Ereignissen der letzten drei Jahre keine Mitregierung des Senates mehr möglich war. Constantin konnte wohl den Römern zu Gefallen diese Körperschaft wieder äusserlich zu Ehren bringen, nicht aber von ihr eine wesentliche Unterstützung hoffen, und deshalb musste sie ihm innerlich gleichgültig bleiben; ja, vielleicht hegte er schon damals Pläne, die zwischen ihm und dem Senat eine tiefe Abneigung begründen mussten. Neun Jahre später lässt ein Panegyriker, der den Senat soeben eine Blüte der ganzen Welt und Rom eine Burg aller Völker und Königin aller Lande genannt hat, die Wahrheit doch zwischen den Zeilen lesen: »Diese ehrwürdige Seele des römischen VolkesNämlich der Senat., hergestellt, wie sie vor alters war, zeigt weder frechen Übermut noch kümmerliche Niedergeschlagenheit; beständige Ermahnungen des göttlichen Fürsten haben sie in ein solches Geleise gebracht, dass sie, nach seinem Wink sich biegend und wendend, nicht seiner Furchtbarkeit, sondern seiner Güte sich willig fügtPanegyr. X (Nazar. Constantino, vom Jahr 321), c. 35..« Mit andern Worten: der Senat, grossenteils aus Heiden bestehend und ohne allen Einfluss auf die Regierung, findet sich in einer schiefen Stellung zum Kaiser. Er versammelt sich noch regelmässig, und die Kalender geben sogar die Tage an: »senatus legitimus«, gesetzlicher Senatstag – allein dies kömmt mit Ausnahme des Januars höchstens einmal im Monat vor.

Der Kaiser aber hatte sich inzwischen zum Beschützer des Christentums proklamiert. Seine persönliche Religiosität mag hier einstweilen ganz aus dem Spiele bleiben; fragen wir nur nach den politischen Gründen, welche einen römischen Imperator zu einem solchen Schritte bewegen konnten. Die Christen waren doch immer nur eine kleine MinoritätDie Überlieferung hat hier eine empfindliche Lücke. Gleich nach der Verfolgung müssen die Übertritte zum Christentum ausserordentlich zugenommen haben. Euseb, Sulpicius Severus u. a. bringen nur ganz allgemeine Ausdrücke, mirum est quantum invaluerit religio u. dgl. statt Zahlenangaben., die man weiter nicht zu schonen brauchte; wie konnte nun ihre Duldung dem Ehrgeizigen als ein Mittel der Macht, mindestens als eine Sache der Zweckmässigkeit erscheinen?

Das Rätsel löst sich, sobald man annimmt, dass die Mehrzahl derjenigen Heiden, auf deren Meinung etwas ankam, die weitere Verfolgung missbilligten, dass sie auf die daherige Störung des bürgerlichen Lebens mit Unmut, auf den im Pöbel geweckten Blutdurst mit Besorgnis hinsahen, dass in den letzten Jahren bedenkliche Vergleichungen angestellt wurden zwischen dem an und für sich nicht blühenden, aber doch ruhigen Zustande Galliens und dem schändlichen Henkerwesen im Osten und Süden. Jeder Terrorismus erlahmt, sobald die Durchschnittsmasse ihre Leidenschaft gestillt hat und die unangenehmen Folgen selber zu empfinden anfängt; die Fanatiker, die ihn perpetuieren wollen, gehen entweder an ihren eigenen Konsequenzen zugrunde oder sie werden beiseite geschoben. Bereits hatten sogar die verfolgenden Kaiser die Duldung zeitweise als politisches Mittel oder auch nur zur Kränkung des Galerius eintreten lassen, und Galerius selber hatte dann in seiner furchtbaren letzten Krankheit (311) jenes höchst auffallende Duldungsedikt gegeben (s. oben S. 387). Constantin brachte also mit seinen zwei Toleranzedikten von Rom und Mailand (312 und 313) nichts ausschliesslich Neues und benützte die Toleranzfrage zunächst auch nicht gegen die übrigen Kaiser, vielmehr vermochte er den inzwischen mit ihm verschwägerten Licinius in Mailand (Winter 312/313) zur Teilnahme an jenen Beschlüssen, und beide unterhandelten sogar mit Maximinus Daza um seine Beipflichtung, die denn auch in beschränktem Sinne erfolgte. – Somit wäre die Christenduldung einfach eine Sache der Notwendigkeit gewesen und bedürfte keiner weitern Erklärung. Das von Licinius mitunterzeichnete Edikt von Mailand ging allerdings sogleich sehr weit; es sprach zum erstenmal die unbeschränkte Freiheit aller Kulte, tatsächlich auch der zahlreichen christlichen Sekten aus; in betreff der staatlichen Anerkennung wurde das Christentum dem alten Götterglauben völlig gleichgestellt; es erhielt den Charakter als Korporation und bekam die an den Fiskus oder in Privatbesitz übergegangenen Kirchen und Korporationsgrundstücke zurück.

Es ergab sich aber eine Gelegenheit, da der neue Herr des Abendlandes einigermassen sein wirkliches Verhältnis zur römischen Staatsreligion, und zwar als ein indifferentes verriet. Nach der Schlacht an der milvischen Brücke hatten ihm Senat und Volk nebst andern Ehrenbezeigungen einen Triumphbogen zuerkannt, der ziemlich rasch, zum Teil mit den schönen Bruchstücken eines Bogens des Trajan, zusammengebaut wurde. Vielleicht wusste man ohnehin, dass Constantin den Trajan wegen der vielen Inschriften, worin er verewigt war, nur »das Unkraut an der Mauer« zu nennen pflegteAurel. Vict., Epitome.; man wird sich um so viel weniger besonnen haben. Die nunmehrige Inschrift des Bogens lautet gegenwärtig dahin, Flavius Constantinus Maximus habe über den Tyrannen und seine ganze Partei gesiegt usw. »auf Eingebung der Gottheit«; allein unter diesen Worten schimmert eine frühere Lesart durch: »auf den Wink des höchsten und besten JuppiterStatt des jetzigen INSTINCTV . DIVINITATIS hiess es NVTV. I. O. M. etc. Ich verdanke diese Notiz der gütigen Mitteilung des Herrn Dr. Henzen in Rom. Man entdeckte die Korrektur, als zur französischen Zeit der Bogen mit Gerüsten umgeben wurde, um die Bildwerke abzuformen. [Nachtrag:] Die Hypothese, dass die fraglichen Worte der Inschrift statt INSTINCTV . DIVINITATIS ehemals NVTV . IOVIS . O . M. gelautet haben möchten, stammt von Borghesi. Zwar ist in neuerer Zeit (durch de Rossi im Bullettino di archeologia cristiana 1863, p. 57) die Änderung in Abrede gestellt und die Ursprünglichkeit der Worte INST . DIV . behauptet worden. Allein der neuste Berichterstatter (Schultze, in Briegers Zeitschrift für Kirchengesch., III. Bd., 1879, S. 294) ist doch überzeugt, dass in diesen Worten eine Korrektur vorliege, insofern dieselben an beiden Fronten in einer von den übrigen Teilen der Inschrift auffallend abweichenden Weise zusammengeschoben und unregelmässig gestellt seien; er gesteht indes zu, dass sich diese Annahme nicht erweisen lasse.«. Wahrscheinlich wurde die Änderung zu der Zeit angebracht, da der Kaiser die (ohne sein Vorwissen verfasste) Inschrift zum erstenmal sah, nämlich bei seinem Besuche zu Rom im Jahre 315, als seine religiöse Stellung schon deutlicher bestimmt war. Die erste Lesart bewiese dann nur, dass man unmittelbar nach dem Siege noch nichts anderes wusste, als dass der Imperator römischer Heide sei. Die Korrektur leugnet dies nicht und stellt ihn noch weniger als Christ dar, sie entzieht ihn nur jedem direkten Glaubensbekenntnis und behält ihm allenfalls den Monotheismus frei. Die Bildwerke des Bogens stellen bekanntlich zum Teil heidnische Opfer dar, an Apoll, Diana, Mars und Silvanus, nebst Suovetaurilien.

Und Maxentius hiess also nicht bloss bei Euseb, sondern auch an offiziellster Stelle der Tyrann, d. h. im damaligen Sinne der Unberechtigte, der Usurpator! Dies Wort hätte ganz ebensogut auf Constantin gepasst, allein die Leute redeten sich ein, Maxentius sei doch nur ein untergeschobenes Kind gewesen, und seine Mutter gestehe dies selber zu. Man wünscht das Erbrecht herbei und sehnt sich nach einer Dynastie, sobald man wählen darf und nicht mit bösartigen Prinzen von Geblüt vorliebnehmen muss. Fortan gibt sich die ganze Panegyrik überhaupt das Wort, von Constantin als von dem allein Rechtmässigen, von allen andern aber als von Tyrannen zu sprechenSo Euseb durchgängig. Auch Julian in seiner Jugendarbeit, Encomium ad Constantium, ed. Schäfer, pag. 10..

Diocletian hatte also mit seinem System von Adoptionen, welches auf so viele Entsagung berechnet war, gegenüber so vielem Ehrgeiz unrecht behalten. Er gab sich um diese Zeit (313) freiwillig den Tod durch Hunger oder durch GiftAur. Vict., Epit. – De mort. pers. 42, 43. – Über das irrige Todesjahr 316 vgl. Clinton l. c. ad h. a.. Constantin und der unbegreiflich verblendete Licinius hatten ihm eine Falle legen wollen und ihn zur Hochzeit der Constantia nach Mailand eingeladen, welches er ohne Zweifel nicht mehr frei oder nicht mehr lebend verlassen hätte. Er tat ihnen den Gefallen nicht, sondern entschuldigte sich mit seinen achtundsechzig Jahren. Darauf sandten sie ihm Drohbriefe, worin ihm vorgeworfen wurde, er halte es mit Maximinus Daza und habe es mit Maxentius gehalten, als dieser noch lebte. Diocletian war zu lebensmüde oder von dem Ablauf seines Schicksals zu fest überzeugt, um sich etwa wirklich dem Daza in die Arme zu werfen, und ebensowenig wollte er sich von jenen erwürgen lassen. Obwohl er als Privatmann starb, wurde ihm doch (wahrscheinlich vom Senat) die Ehre der Apotheose zuerkannt, zum letztenmal im alten heidnischen Sinne. Wahrscheinlich ist der zierliche kleine Tempel im Palast zu Salona-Spalatro, welcher früher als Heiligtum des Aesculap galt, nichts anderes als das bei Lebzeiten errichtete Grabmal des grossen KaisersSo die einleuchtende Vermutung bei Lanza, Dell'antico palazzo usw., p. 14 s., und der jetzt noch in der Nähe befindliche Sarkophag mit den Reliefs der kalydonischen Jagd hat einst seine Leiche enthalten. Meleager aber, der hier gegen den Eber ausholt, ist Diocletian selber in einem entscheidenden Augenblicke seines Lebens (s. oben S. 53). Nicht jedermann konnte das Bildwerk sehen; noch ein Menschenalter später lag ein Purpurteppich über dem SargeAmmian. Marcell. XVI, 8..

Was wären die damaligen Herrscher gewesen ohne ihn? Höchstens Generale mit mehr oder weniger nahen Aussichten auf den Kaiserthron und auf die Ermordung durch Soldaten oder Verschwörer. Erst durch die Stetigkeit, welche er in die Thronverhältnisse gebracht, durch das entschiedene Halt, welches er dem schrankenlosen Caesarismus zugerufen, war es wieder möglich geworden, von einem Thronrecht und bald auch von einem Erbrecht zu reden, wenn es auch damit im einzelnen Falle nicht gar weit her war. Ohne Diocletian gab es keinen Constantin, d. h. keine Gewalt, welche mächtig genug gewesen wäre, das Reich unerschüttert aus dem alten Zustand in einen neuen hinüberzuführen und die Schwerpunkte der Macht an andere Stellen zu rücken gemäss der Notwendigkeit des neuen Jahrhunderts.


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