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Der Betäubungstrank

Daheim ging das Leben inzwischen im Bungalow auf der Farm seinen gewohnten Gang wie vor Tarzans Auszug. Korak überwachte die Tätigkeit der Farmarbeiter und der Hirten bald zu Fuße, bald zu Pferde, manchmal allein, aber meist in Begleitung des weißen Aufsehers Jervis.

Den goldenen Löwen bewegte Korak an der Leine, da er sich doch nicht genug Gewalt über das Tier zutraute und fürchtete, Dschadbalja könne womöglich in Abwesenheit seines Herrn und Meisters in den Wald entlaufen und in den natürlichen Zustand der Wildheit zurückfallen. Ein derartiger in der Dschungel hausender Löwe mußte natürlich eine erhebliche Gefahr für menschliche Wesen bilden, denn Dschadbalja, der unter Menschen aufgewachsen war, besaß den Menschen gegenüber nicht die natürliche Schüchternheit, die sonst ein so charakteristischer Zug aller wilden Tiere ist. Darauf dressiert wie er war, eine Menschenpuppe als Beute an der Kehle zu packen, würde der goldene Löwe, aller Einschränkungen ledig, in der Dschungel der Umgebung bald gefährlich werden.

Während der ersten Woche von Tarzans Abwesenheit brachte ein Läufer aus Nairobi Lady Greystoke eine Kabelnachricht, daß ihr Vater in London ernstlich erkrankt sei. Mutter und Sohn besprachen die Lage. Vor fünf oder sechs Wochen konnte Tarzan nicht zurückkommen, selbst wenn sie ihm einen Läufer nachsandten. Wollte Jane erst auf ihn warten, so hatte sie wenig Aussicht, rechtzeitig bei ihrem Vater zu sein. Sie beschlossen daher, sofort nach Nairobi aufzubrechen, Korak wollte sie bis Nairobi begleiten und dann zur Besitzung zurückkehren. Vom Gebiete der Greystokes bis nach Nairobi war es ein langer Treck, und Korak war noch nicht zurückgekehrt, als etwa drei Wochen nach Tarzans Auszug ein Schwarzer, dessen Obliegenheit es war, Dschadbalja zu füttern und zu betreuen, aus Nachlässigkeit beim Reinigen des Käfigs dessen Tür unbefestigt ließ. Der goldene Löwe schritt auf und ab, während der Schwarze im Käfig seinen Besen schwang. Sie waren alte Freunde und der Waziri hatte vor dem großen Löwen nicht die geringste Furcht. Deshalb drehte er ihm oft genug den Rücken zu. Der Schwarze kehrte gerade im hintersten Winkel des Käfigs, als Dschadbalja vor dem Tore am entgegengesetzten Ende einen Augenblick stehen blieb. Das Tier sah den Türflügel in seinen Angeln eine Kleinigkeit offenstehen. Lautlos hob er die große weiche Tatze und steckte sie durch den Schlitz – ein leichter Druck und das Tor schwang einwärts. Im Nu zwängte der Löwe seine Schnauze in die erweiterte Öffnung, schwang das Hindernis zur Seite, und der vor Schreck gelähmte Schwarze sah gerade noch wie sein Schutzbefohlener draußen geschmeidig auf den Boden sprang.

Halt, Dschadbalja! Halt! schrie der entsetzte Schwarze und rannte hinter ihm her. Aber der goldene Löwe beeilte nur seinen Lauf, setzte über den Zaun und sprang in der Richtung auf den Wald zu davon.

Der Schwarze folgte ihm mit geschwungenem Besen und lautem Jammergeheul, das alsbald alle Insassen der Wazirihütten an seine Seite brachte, die ihn in seiner Verfolgung des Löwen unterstützten. Sie folgten ihm über die Dünung der Ebene, aber sie hätten ebensogut versuchen können, ein trügerisches Irrlicht zu fangen, wie diesen flinken und schlauen Flüchtling, der sich weder um ihre schmeichelnden Lockungen noch um ihre Drohungen kümmerte. Schließlich sahen sie den goldenen Löwen im Urwald verschwinden und obgleich sie fast bis zur Dunkelheit sorgfältig weitersuchten, mußten sie endlich ihre Suche aufgeben; mit hängenden Köpfen kehrten sie nach der Farm zurück.

Ach, rief der unglückliche Schwarze, der für Dschadbaljas Entweichen verantwortlich war, was wird nur der große Bwana sagen!

Nun, du wirst lange Zeit vom Bungalow verbannt werden, Kiwazi, versicherte ihm der alte Muwiro. Du wirst ganz sicher weit auf den Weidegrund nach dem Osten versetzt werden, wo du Löwen genug zur Gesellschaft finden wirst. Aber sie werden nicht so freundlich sein wie Dschadbalja.

Ich bin ein Mann, erwiderte Kiwazi. Ich bin ein Krieger und ein Waziri. Ich werde jede Bestrafung, die der große Bwana über mich verhängt, ertragen, wie es einem Manne geziemt.

*

In derselben Nacht erreichte Tarzan die Lagerfeuer des fremden Trupps, dem er auf der Spur gewesen war. Ungesehen hielt er im Laub eines Baumes mitten über dem Lager, das von einer ungeheuren Boma aus Dorngestrüpp umgeben und von zahlreichen Feuern erleuchtet war, die die Schwarzen sorgfältig mit Zweigen von einem riesigen Haufen Brennholz nährten, den sie anscheinend noch früh am Tage für diesen Zweck gesammelt hatten. Nahe der Lagermitte standen mehrere Zelte und vor einem saßen im Feuerschein vier Weiße. Zwei waren große, stiernackige Kerle, mit roten Gesichtern, offenbar Engländer aus unteren Kreisen, der dritte war ein untersetzter, fetter Holländer, der vierte ein hochgewachsener, schlanker, hübscher Mensch mit dunkelbraunem Lockenhaar und regelmäßigen Gesichtszügen. Die beiden letzten waren bis auf die letzte Kleinigkeit der zentralafrikanischen Reisemode entsprechend gekleidet – versteht sich, nach den höchstentwickelten Normen der zappelnden Leinwand –, und in der Tat hätte jeder von den beiden geradezu aus der Leinwand des letzten nervenerschütternden Dschungelfilmschlagers herausgetreten sein können. Der junge Mensch, den Tarzan alsbald für einen Slawen hielt, erhob sich kurz nach seinem Eintreffen und betrat das mittelste Zelt, aus dem man den Ton leise sich unterhaltender Stimmen vernahm. Die Worte konnte Tarzan nicht unterscheiden, aber die Laute der einen Stimme schienen ihm unbedingt von einem Weibe herzurühren. Die drei am Feuer Zurückgebliebenen führten eine abgerissene Unterhaltung, als plötzlich aus nächster Nähe der Boma-Umzäunung das Gebrüll eines Löwen das Schweigen der Dschungel unterbrach.

Mit einem erregten Schrei sprang der Kleine so hastig auf die Füße, daß er einen guten Fuß über den Boden kam und dann, beim Zurücktreten stolpernd, das Gleichgewicht verlor und über seinen Feldstuhl hinfallend auf den Rücken plumpste.

Der Holländer raffte sich wieder auf die Füße. Gott der Gerechte, rief er mit zitternder Stimme, ich dachte sicher, er käme über den Zaun. So helfe mir Gott, wenn ich je wieder herauskomme aus alledem, nie wieder – nicht für alles Gold in Afrika – will ich durchmachen, was ich hab durchgemacht in diesen drei Monaten. Oh, oh! Wenn ich bloß daran denke. Oh, oh! Löwen und Leoparden und Rhinozerosse und Hippopotamusse! Oh, oh!

Seine Gefährten lachten. Dick und ich sagten dir schon von Anfang an, du brauchtest nicht mit ins Innere zu kommen, meinte der eine von ihnen.

Nu, und für was kauf ich alle die Kleider? winselte der Dicke. Gott noch einmal, dieser Anzug kostet mich, wie ich drin geh und steh, zwanzig Goldstücke. Ach du meine Güte, hätte ich gehabt 'ne Ahnung, für ein Pfund hätt ich mir gekauft meine ganze Ausrüstung – zwanzig Pfund für all das, und keiner bekommt mich zu Gesicht außer Niggern und Löwen!

Und du siehst dabei so piekfein drin aus, bemerkte einer seiner Freunde.

Seht nur her, alles beschmutzt und zerrissen. Woher soll ich ahnen, daß hier die Kleider so schmutzen? Mit eigenen Augen hab ich gesehen im Prinzeß-Theater, wie der Held zugebracht hat drei ganze Monate in Afrika und hat gejagt Löwen und hat getötet Kannibalen, und wie er kam raus davon, hat er nicht einmal gehabt e Fettfleck auf seinen Rockschößen – woher soll ich wissen, daß Afrika ist so schmutzig und voller Dornen?

Diesen Augenblick erwählte Tarzan, um sich vor ihnen in den Lichtkreis des Feuers herabzulassen. Die zwei Engländer sprangen in offenbarem Schrecken auf die Füße, während der Holländer sich herumdrehte und einen halben Schritt weit sich zur Flucht anschickte. Aber sobald seine Blicke auf den Affenmenschen trafen, ersetzte ein Seufzer der Erleichterung den Schrecken, der sich auf seinem Gesicht abgemalt hatte, als Tarzan so mitten unter ihnen allem Anschein nach vom Himmel fiel.

Gott der Gerechte, Esteban, kreischte er. Warum kommst du so bald zurück und warum kommst du auf die Art, so plötzlich – denkst du vielleicht, wir haben keine Nerven?

Tarzan war böse, recht böse auf diese rohen Eindringlinge, die es wagten, ohne seine Erlaubnis in seine weiten Gebiete einzudringen, in denen er Frieden und Ordnung hielt. Wenn Tarzan aber böse war, dann flammte auf seiner Stirne die Narbe, die ihm einst Bolgani, der Gorilla, zugefügt hatte, als der Knabe Tarzan der riesigen Bestie im Kampfe auf Leben und Tod entgegentrat und zum ersten Male den wahren Wert von seines Vaters Jagdmesser kennenlernte.

Seine grauen Augen zogen sich zusammen und seine Stimme tönte kalt und gemessen, als er sie anredete. Wer seid ihr, fragte er, die ihr wagt, in solcher Weise in das Land der Waziri, in Tarzans Land einzudringen, ohne dazu die Erlaubnis des Herrn der Dschungel zu besitzen?

Was redest du da für Zeug, Esteban, fragte der eine der Engländer, und was zum Kuckuck kommst du allein und so früh wieder zurück? Wo hast du die Träger gelassen? Wo ist der Lumpenkram von Gold?

Der Affenmensch besah sich den Sprecher eine Zeitlang schweigend. Ich bin Affentarzan, sagte er. Ich weiß nicht, wovon ihr redet. Ich weiß nur, daß ich nach einem suche, der den Riesenaffen Gobu tötete, der ohne meine Genehmigung Bara, den Hirsch, jagte.

Oh, zum Henker, platzte der andere Engländer heraus, schließ die Klappe, Esteban – wenn du zum Witzemachen Lust hast, können wir dabei keinen besonderen Scherz finden. So ist es.

Im Innern des Zeltes fuhr eine Frau erschreckt empor, packte ihren Gefährten am Arm und deutete auf die riesige, fast nackte Gestalt des Affenmenschen, die in ganzer Größe von den Feuern beleuchtet war. Um Gottes willen, Carl, flüsterte sie zitternd, schau! Was ist denn, Flora? fragte ihr Gefährte. Ich sehe nur Esteban?

Es ist nicht Esteban, zischte das Mädchen. Es ist Lord Greystoke selbst – es ist Affentarzan!

Du bist toll, Flora, entgegnete der Mann, das kann er nicht sein.

Er ist es ganz bestimmt, beharrte sie. Denkst du etwa, ich kenne ihn nicht? Habe ich nicht jahrelang in seinem Hause in der Stadt bei ihm gedient? Habe ich ihn nicht fast jeden Tag zu sehen bekommen? Siehst du die rote Narbe auf seiner Stirne leuchten – ich habe die Geschichte von dieser Narbe gehört und ich weiß, daß sie nur so scharlachrot brennt, wenn sein Zorn erregt ist.

Nun, und angenommen, es ist Affentarzan, was kann er uns tun?

Du kennst ihn nicht, erwiderte das Mädchen. Du ahnst nicht, über welche Macht er hier verfügt – er hat Gewalt über Leben und Tod bei Mensch und Tier. Wenn er unsere Absicht hier erfährt, dann erreicht keiner von uns lebend die Küste. Schon die bloße Tatsache, daß er hier ist, läßt mich annehmen, er könnte unser Vorhaben entdeckt haben, und dann, dann sei uns Gott gnädig, – wenn nicht – wenn nicht –

Wenn nicht was? fragte der Mann.

Das Mädchen dachte einen Augenblick schweigend nach. Es gibt nur einen Weg, sagte sie schließlich. Töten dürfen wir ihn nicht. Seine grimmigen Schwarzen würden es erfahren, und dann könnte uns keine Macht auf Erden retten. Aber es gibt doch noch einen Weg, wenn wir rasch handeln. Sie drehte sich um und suchte einen Augenblick in einem ihrer Koffer. Dann händigte sie dem Manne eine kleine Flasche mit einer Flüssigkeit aus. Gehe hinaus und rede mit ihm, sagte sie. Stelle dich freundlich, lüge ihn an, erzähle ihm irgend etwas. Versprich alles. Aber stelle unbedingt so freundliche Beziehungen zu ihm her, daß du ihm Kaffee anbieten kannst. Ich weiß, daß er weder Wein noch sonst etwas Alkoholhaltiges trinkt, aber Kaffee liebt er. Sieh zu, daß du ihn zum Kaffeetrinken bekommst, dann weißt du ja, was du damit zu tun hast. Dabei deutete sie auf die Flasche, die der Mann immer noch in der Hand hielt.

Kraski nickte. Ich verstehe, sagte er. Dann wandte er sich um und verließ das Zelt.

Sich den vor dem Feuer stehenden Gestalten nähernd, begrüßte er Tarzan mit einem liebenswürdigen Lächeln und höflichen Worten.

Willkommen, sagte er, wir sind stets froh, einen Fremden in unserem Lager zu sehen. Bitte, nehmen Sie Platz. John, reiche dem Herrn einen Stuhl, sagte er zu Peebles.

Der Affenmensch musterte Kraski wie er die anderen gemustert hatte. Aus seinen Augen schien kein freundliches Licht als Antwort auf des Russen Begrüßung.

Ich bin dabei, herauszufinden, was Ihre Gesellschaft hier sucht, sagte er scharf zu dem Russen, aber jene bestehen immer noch darauf, ich sei jemand, der ich in Wirklichkeit gar nicht bin. Sie müssen entweder Spitzbuben oder Narren sein. Ich werde herausfinden, welches von beiden der Fall ist, und sie dann dementsprechend behandeln.

Kommen Sie, kommen Sie, rief Kraski besänftigend. Hier muß ein Mißverständnis vorliegen. Das ist sicher. Aber sagen Sie mir, wer sind Sie?

Ich bin Affentarzan, erwiderte der Affenmensch. Diesen Teil von Afrika hier darf kein Jäger ohne meine Erlaubnis betreten. Diese Tatsache ist so wohl bekannt, daß Sie unmöglich von der Küste durchkommen konnten, ohne darüber in Kenntnis gesetzt zu sein. Ich verlange eine Erklärung und zwar schleunigst.

Ah, Sie sind Affentarzan, rief Kraski. Dann haben wir in der Tat Glück, denn jetzt können wir endlich auf den richtigen Weg gebracht werden und aus der furchtbaren Ratlosigkeit herauskommen. Wir haben uns verirrt, Herr, ganz unentwirrbar verirrt, durch Schuld der Unwissenheit oder Bosheit unseres Führers, der uns vor einigen Wochen im Stiche ließ. Selbstverständlich kennen wir Sie; wer kennt nicht Tarzan? Aber wir hatten keineswegs die Absicht, die Grenzen ihres Gebietes zu überschreiten. Wir waren weiter südlich auf der Suche nach einigen Sondervorkommen der Tierwelt dieses Gebietes, die unser wackerer Freund und Auftraggeber hier, Mr. Adolf Bluber, unter großen Unkosten sammelt, um sie einem Museum in seiner Heimatstadt in Amerika zum Geschenk zu machen. Jetzt bin ich dessen ganz sicher, daß Sie uns sagen können, wo wir uns befinden, und uns unsere richtige Richtung angeben werden.

Nu, natürlich, sagte Bluber schmalzig und rieb sich die Hände, so ist es, gerade wie ich es Ihnen eben erklären wollte.

Tarzan fuhr mit scharfer Gebärde zu ihm herum. Was sollte dann all dies Geschwätz von Esteban? fragte er. Haben mich die anderen nicht mit diesem Namen angeredet?

Ach, rief Bluber, John will immer sein kleines Späßchen haben. Er kennt Afrika noch nicht, er ist noch nie vorher hier draußen gewesen. Er hat vielleicht gedacht, Sie werden sein e Eingeborener. John nennt alle die Eingeborenen Esteban, und er hat seinen großen Scherz für sich mit ihnen, weil er weiß, sie können nicht verstehen, was er sagt. He, John, ist es nicht so, wie ich sage? Dabei wartete der schlaue Bluber aber nicht etwa auf Johns Antwort. Sie sehen, fuhr er fort, wir haben uns verirrt, und wenn Sie uns nehmen mit aus der Dschungel, zahlen wir Ihnen, was Sie verlangen – machen Sie selbst den Preis.

Der Affenmensch glaubte ihm zwar nur halb. Indessen würde er die Wahrheit bald aus ihren eingeborenen Trägern, durch seine Waziri, herausbekommen. Dagegen stachelte immer noch die Tatsache, daß man ihn für Esteban gehalten hatte, seine Wißbegierde an, und außerdem wünschte er zu erfahren, wer Gobu, den Riesenaffen, getötet hatte.

Bitte, setzen Sie sich, drängte Kraski. Wir wollten eben Kaffee trinken und würden uns freuen, wenn Sie daran teilnehmen wollten. Wir hatten keinerlei böse Absicht, als wir hierherkamen und ich kann Ihnen versichern, daß wir mit größter Bereitwilligkeit jede Entschädigung leisten werden, falls wir Ihnen oder sonst jemand ohne Absicht Schaden zugefügt haben sollten.

Mit diesen Leuten Kaffee zu trinken, konnte nicht schaden. Vielleicht tat er ihnen Unrecht, aber wie es auch sein mochte, die Annahme einer Tasse ihres Kaffees brachte ihn diesen Menschen gegenüber in keine große Verpflichtung. Flora hatte ganz Recht mit ihrer Behauptung, wenn Tarzan überhaupt eine Schwäche besitze, dann sei es seine gelegentliche Vorliebe für eine Tasse schwarzen Kaffee. Er machte von dem angebotenen Feldstuhl keinen Gebrauch, sondern hockte sich bei ihnen nieder, während der Feuerschein auf seiner bronzefarbenen Haut spielte.

Throck, Peebles und Bluber saßen und betrachteten ihn, während Kraski zum Feuer hinüberging, um das Kochen des Kaffees zu veranlassen. Die beiden Engländer hatten die Tatsache, daß sie den Neuankömmling für einen anderen gehalten hatten, erst halb begriffen. Bluber war innerlich angstbeklommen. Sein regerer Verstand hatte die Lage erkannt. Da aber Bluber von Floras Plan keine Ahnung hatte, befand er sich in einem Zustand jammervoller Angst. Er war sich zwar nicht, wie Flora, darüber klar, daß ihr Leben in Gefahr war – er konnte nicht wissen, daß sie es mit Affentarzan, einem wilden Tier der Dschungel, und nicht mit John Clayton, Lord Greystoke, einem englischen Pair, zu tun hatten. Bluber fühlte sich mehr wegen seiner zweitausend Pfund beklommen, die in Gefahr standen, denn er war mit dem Rufe des Affenmenschen genug vertraut, um zu wissen, daß er sie nie werde mit dem Golde ziehen lassen, das höchstwahrscheinlich Esteban gerade in diesem Augenblick aus der Schatzkammer von Opar herausnahm. Bluber war schon im Begriffe, in Tränen auszubrechen, als Kraski mit dem Kaffee zurückkam, den er selbst trug.

Aus den dunklen Schatten des Zeltinnern spähte Flora Hawkes nervös nach der Szene draußen. Sie war voller Furcht, ihr früherer Dienstherr könne sie erkennen, denn sie war früher sowohl im Londoner Stadthaus der Greystokes wie in deren afrikanischem Bungalow Dienstmädchen gewesen und wußte, daß Lord Greystoke sie wiedererkennen würde, sobald er sie zu Gesicht bekam.

Das dauernde Träumen von den fabelhaften Schätzen in den Schatzkammern von Opar, über die sie so viel Einzelheiten aus der Unterhaltung der Greystokes herausgehört hatte, hatte in ihrem von Natur klugen und bedenkenlosen Gehirn ein Verlangen nach Besitz erweckt. Als Folge davon hatte sie sich allmählich einen Weg ausgedacht, wie sie die Schatzkammern um eine genügende Menge Goldbarren erleichtern könnte, um sich für den Rest ihres Lebens unabhängig und reich zu machen. Der ganze Plan stammte von ihr. Sie hatte zuallererst Kraski dafür interessiert, der die zwei Engländer und Bluber dafür gewonnen hatte. Diese vier zusammen hatten das nötige Geld aufgebracht, um die Kosten der Unternehmung zu bestreiten. Schließlich war es Flora gewesen, die nach dem Typ eines Mannes gesucht hatte, der Tarzan mit Erfolg in dessen eigener Dschungel darstellen konnte. Dabei hatte sie dann Esteban Marinda gefunden, einen hübschen, kraftstrotzenden und gewissenlosen Spanier, dessen schauspielerische Fähigkeiten, unterstützt von der Kunst der Aufmachung, in der er Meister war, ihm ermöglichten, fast fehlerlos die Persönlichkeit, die benötigt wurde, darzustellen.

Der Spanier war nicht nur kräftig und gewandt, er besaß auch persönlichen Mut, und seit er sich den Bart abgenommen und Tarzans Dschungeltracht angelegt hatte, verlor er keine Gelegenheit, dem Affenmenschen in jeder Beziehung, die im Bereich seiner Fähigkeiten lag, nachzueifern. Dschungelerfahrung besaß er natürlich nicht, und persönliche Kämpfe mit den gefährlicheren der wilden Dschungeltiere einzugehen, verbot ihm die Vorsicht. Immerhin jagte er das kleinere Wild mit Speer und Pfeil und übte sich beständig mit dem Graslasso, der ein Teil seiner Aufmachung war.

Aber in diesem Augenblick sah sich Flora Hawkes mit all ihren feingesponnenen Plänen am Rande der Vernichtung. Mit Zittern beobachtete sie, wie Kraski sich der Gruppe mit dem Kaffeetopf in der einen und den Tassen in der anderen Hand nahte. Kraski stellte den Topf und die Tassen etwas rückwärts von Tarzan auf den Boden. Sie sah, wie er beim Eingießen der Tassen in eine aus der ihm übergebenen Flasche einen Teil zugoß. Als Kraski diese Tasse aufnahm und sie dem Affenmenschen bot, stand ihr der kalte Schweiß auf der Stirne. Würde er sie annehmen? Würde er Argwohn hegen? Wenn er Argwohn bekam, welch schreckliche Strafe würde er ihnen allen für ihre Tollkühnheit bereiten? Sie sah Kraski Peebles, Throck und Bluber die nächsten Tassen reichen und dann mit der letzten für sich selbst in den Kreis zurückkehren. Als der Russe seine Tasse zum Mund hob und dem Affenmenschen dabei eine höfliche Verbeugung machte, sah sie die fünf Männer trinken.

Affentarzan draußen leerte seine Tasse bis auf den letzten Tropfen.


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