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La hatte am nächsten Morgen nach ihrem Frühmahl Dooth mit Essen zu Tarzan geschickt, als eine junge Priesterin, Oahs Schwester, zu ihr kam. Noch ehe das junge Mädchen ein Wort gesprochen hatte, wußte La schon, daß sie eine Abgesandte von Cadsch war und daß der Verrat, vor dem sie Dooth gewarnt hatte, bereits im Gange war. Das Mädchen fühlte sich nicht ganz wohl bei der Sache und hatte augenscheinlich Angst. La hatte sich bereits einen Plan zurechtgelegt, der sicher für Cadsch und seine Mitverschworenen höchst ärgerlich sein mußte, und wartete schweigend darauf, daß das Mädchen sprechen sollte. Diese konnte zunächst keine Einleitung finden und sprach von allem Möglichen, das mit ihrem Auftrag gar nichts zu tun hatte, und die Hohepriesterin belustigte ihre Befangenheit.
Es kommt nicht oft vor, sagte La, daß die Schwester von Oah ungebeten zu den Gemächern ihrer Königin kommt. Ich bin erfreut, zu sehen, daß sie sich endlich des Dienstes erinnert, den sie der Hohenpriesterin des Feuergottes schuldet.
Schließlich sagte das Mädchen wie jemand, der eine auswendig gelernte Rolle hersagt: Ich kam, um dir mitzuteilen, was ich gehört habe und was du sogar sicher gerne vernehmen wirst.
Wirklich? fragte La, die geschwungenen Augenbrauen hochhebend.
Ich hörte, wie Cadsch mit den Unterpriestern sprach, fuhr das Mädchen fort. Er sagte, er wäre froh, wenn der Affenmensch entkäme, da das dich sowohl wie Cadsch aus großer Verlegenheit befreien würde. Ich dachte, La, die Königin, werde froh sein, das zu hören, da wir doch alle wissen, daß La dem Affenmenschen ihre Freundschaft zugesagt hat und darum nicht gewillt ist, ihn zu opfern.
Meine Pflicht liegt klar für mich, erwiderte La hochmütig, und ich brauche weder Cadsch noch eine Dienerin dazu, sie mir auseinanderzusetzen. Ich kenne auch die Vorrechte einer Hohenpriesterin und weiß, daß das Recht zur Opferung eines davon ist. Aus diesem Grunde hinderte ich Cadsch daran, den Fremden zu opfern. Keine andere Hand als meine darf sein Herzblut dem Feuergott darbringen. Heute in drei Tagen muß er auf dem Altar unseres Tempels unter meinem Messer sterben.
Enttäuschung und Ärger malten sich auf dem Gesicht von Cadschs Botin, die alsbald einen hinkenden Vorwand suchte, sich zurückzuziehen. Als sie aus Las Gegenwart verschwand, konnte diese kaum ein Lächeln unterdrücken. Oahs Schwester kehrte zu Cadsch zurück und berichtete, was La gesagt hatte. Der Hohepriester schäumte vor Ärger, denn sein Plan hatte nicht so sehr die Vernichtung Tarzans zum Ziele wie den Zweck, La zur Begehung einer Handlung zu verleiten, die ihr den Zorn des Volkes von Opar zuziehen mußte, das unter geeigneter Verhetzung ihr Leben als Sühne fordern würde. Oah, die bei der Rückkehr ihrer Schwester zugegen war, biß sich auf die Lippen, denn ihre Enttäuschung war groß. Nie war sie der langersehnten Möglichkeit, Hohepriesterin zu werden, so nahe gewesen. Einige Minuten ging sie in tiefem Sinnen auf und ab, dann machte sie plötzlich vor Cadsch halt. La liebt diesen Affenmensch immer noch, sagte sie, und wenn sie ihn wirklich zum Opfer bringt, tut sie es nur aus Furcht vor ihrem Volke. Sie liebt ihn ganz anders, Cadsch, als sie dich je geliebt hat. Der Affenmensch weiß es und vertraut ihr, und weil er es weiß, gibt es einen Ausweg. Cadsch, höre auf Oah! Wir wollen jemand zu ihm senden, der behauptet, er komme von La und habe Anweisung, ihn aus Opar hinauszugeleiten und in Freiheit zu setzen. Unser Bote wird ihn in einen Hinterhalt führen und wenn er getötet ist, werden wir in großer Zahl vor La treten und sie des Verrates bezichtigen. Der Führer des Affenmenschen wird aussagen La habe es ihm befohlen, dann werden Priester und Volk in Grimm geraten, und du wirst Las Leben fordern. So werden wir beide zusammen los.
Gut, rief Cadsch. Beim nächsten Morgengrauen werden wir es vollbringen, und ehe der Feuergott abends zur Ruhe geht, soll er auf eine neue Hohepriesterin in Opar schauen.
In derselben Nacht wurde Tarzan durch ein Geräusch an einer der Türen seines Verließes aus dem Schlafe erweckt. Er hörte den Riegel zurückschnappen und das Tor leise in seinen alten Angeln kreischen. In der kohlschwarzen Finsternis konnte er keine Gestalt unterscheiden, aber er hörte das verstohlene Schleichen von Sandalen auf dem Steinboden, und eine Frauenstimme flüsterte durch die Dunkelheit seinen Namen.
Hier bin ich, erwiderte er. Wer bist du und was willst du von Affentarzan?
Dein Leben ist in Gefahr, komm und folge mir.
Wer sendet dich? fragte der Affenmensch.
La sandte mich, sagte die Botin, um dich aus dem Kerker von Opar in die Freiheit der Außenwelt jenseits der Stadtmauern zu führen. In der Dunkelheit herumtastend fand sie ihn schließlich. Hier sind deine Waffen, sagte sie, ihm diese in die Hand gebend. Dann nahm sie seine Hand und führte ihn aus dem Verließ, durch einen langen, gewundenen, immer gleichmäßig finsteren Gang, Treppen aus Jahrtausende altem Beton hinab, durch Flure und Stollen, Tor auf Tor aus alten, in rostigen Angeln krächzenden Türflügeln öffnend und schließend. Wie weit und wohin sie in dieser Weise wanderten, vermochte Tarzan nicht abzuschätzen. Von Dooth, der ihm zu essen gebracht hatte, hatte er genug herausgehört, um annehmen zu können, daß La ihm Freund sei und ihm helfen werde, denn Dooth hatte ihm erzählt, wie sie ihn vor Cadsch gerettet hatte. Als daher das Weib sagte, sie komme von La, folgte ihr Tarzan willig genug. Aber er mußte an Janes Prophezeiung denken, daß ihm sicher wieder Unglück zustoßen werde, falls er darauf bestehe, einen dritten Zug nach Opar zu unternehmen. Er hatte nicht damit gerechnet gehabt, Opar zu betreten, aber über diese verwünschte Stadt schien ein böser Geist zu wachen, der niemand ungestraft dem verbotenen Fleck näherkommen und den vergessenen Schatzkammern einen Teil ihres großen Horts entreißen ließ.
Mehr als eine Stunde lang führte ihn seine Führerin durch das Dunkel unterirdischer Gänge, bis sie schließlich nach dem Ersteigen einer Treppe inmitten eines Dickichts aus Büschen auftauchten, durch die das bleiche Licht des Mondes kaum merklich hindurchschien. Das Weib folgte jetzt einem stets steigenden Pfade, der sich wie in einem Irrgarten durch einen dicht mit Unterholz verwachsenen Wald wand.
Aus der Stellung von Mond und Sternen wie aus dem Aufsteigen des Pfades ersah Tarzan, daß er in die hinter Opar liegenden Berge geführt wurde – er hätte nie daran gedacht, diese Gegend aufzusuchen, denn das Gelände sah rauh und wenig einladend aus und beherbergte kaum Wild. Die Natur des Pflanzenwuchses überraschte ihn, denn er hatte diese Berge für wüst gehalten. Während sie ihren Aufstieg weiter fortsetzten, stieg der Mond am Himmel höher, bis sein sanftes Licht den scharfen Augen des Affenmenschen die Geländeformen des Landes deutlicher enthüllte. Er sah, daß sie eine schmale, dicht mit Bäumen bestandene Schlucht emporstiegen. Im Osten verblaßten schon die Sterne, als die beiden eine steile Felswand erkletterten, die den oberen Abschluß des Hanges bildete, und dann auf ebenes Gelände kamen. Beim weiteren Vorgehen hellte sich der Himmel auf, und bald blieb die Frau, die bisher kein Wort mehr gesprochen hatte, am Rande eines Hanges stehen. Der Tag brach an und Tarzan sah vor sich tief zwischen Bergen einen mit Wald bewachsenen Kessel, während sich drüben, zwischen den Bäumen, in zwei oder drei Meilen Entfernung die Umrisse eines im Lichte der Morgensonne leuchtenden Gebäudes zeigten. Er drehte sich um nach seiner Begleiterin und sah mit Überraschung und Bestürzung La, die Hohepriesterin von Opar, vor sich stehen.
Du?! rief er. Nun hat Cadsch in der Tat den Vorwand, den er, wie Dooth sagte, braucht, um dich aus dem Wege zu räumen.
Dazu wird er keine Gelegenheit mehr haben, erwiderte La, denn ich werde niemals wieder nach Opar zurückkehren.
Nie wieder nach Opar zurückkehren! rief Tarzan. Wohin willst du gehen? Wohin kannst du gehen?
Ich will mit dir gehen, antwortete sie. Ich verlange keine Liebe von dir. Ich bitte dich, nimm mich von Opar und von meinen Feinden fort, die mich töten wollen. Ich hatte keinen anderen Weg. Ob ich dich rettete oder opferte, blieb sich für mich gleich. Sie waren entschlossen, mich auf die Seite zu schaffen, damit Oah Hohepriesterin und Cadsch König von Opar werden konnte. Aber ich hätte dich nie geopfert, Tarzan, unter keinen Umständen, und dies schien mir der einzige Weg, uns beide zu retten. Nach Norden oder Westen über die Ebene von Opar, konnten wir nicht gehen, dort hat Cadsch Krieger in den Hinterhalt gelegt, um dich zu überfallen, und obgleich du ein gewaltiger Krieger bist, hätten sie dich doch durch die Überzahl bewältigt und getötet.
Aber wohin willst du mich denn führen? fragte Tarzan.
Ich habe das kleinere von zwei Übeln gewählt. In dieser Richtung vor uns liegt ein unbekanntes Land, das unseren oparischen Sagen zufolge mit grimmigen Ungeheuern und merkwürdigen Bewohnern erfüllt ist. Noch nie hat sich ein Oparier da hineingewagt, der zurückgekehrt wäre. Aber wenn ein Geschöpf auf der Welt lebt, das sich durch dieses unbekannte Tal hindurchschlagen kann, dann bist du es.
Wenn du aber nichts von diesem Lande und seinen Bewohnern weißt, fragte Tarzan, wie kommt es dann, daß du den Weg so genau kennst, der dorthin führt?
Wir kennen den Pfad bis zum Gipfelgrat gut genug, aber nicht weiter. Die Riesenaffen und die Löwen benützen diesen Pfad, wenn sie nach Opar herunterkommen. Die Löwen können uns natürlich nicht sagen, wohin er führt, und die Riesenaffen tun es nicht, denn wir liegen meist mit ihnen im Kriege. Auf diesem Pfade kommen sie entlang, um uns Leute zu stehlen, und hier lauern wir ihnen auf, um sie zu fangen, denn wir brachten früher oft einen Riesenaffen dem Feuergott als Opfer dar. Aber seit vielen Jahren sind sie für uns zu schlau geworden, und sie rauben nur noch unsere Leute. Wir wissen aber nicht zu welchem Zwecke; es müßte denn sein, um sie zu essen. Jene sind eine ganz gewaltige Rasse, viel höher gewachsen als Bolgani der Gorilla, und unendlich viel schlauer.
Wieso müssen wir denn dieses Tal durchqueren, La, wenn wir aus Opar entkommen wollen? Es muß doch noch einen anderen Weg geben?
Es gibt keinen anderen Weg, Tarzan, erwiderte sie. Die Wege durch das Tal sind von Cadschs Leuten besetzt. Unsere einzige Aussicht auf Entkommen liegt in dieser Richtung, und ich habe dich den einzigen Weg geführt, der diese Opar nach Süden abschließende Felsklüfte durchbricht. Wir müssen durch oder um dies Tal gehen, um einen Weg über den Berg und die andere Seite hinab zu finden.
Der Affenmensch besah sich nachdenklich den bewaldeten Talkessel, während er die augenblickliche Frage überlegte. Allein hätte er das Tal von Opar trotz Cadschs Hinterhalt gefahrlos passieren können. Aber er mußte an La denken und sagte sich, daß sie ihm durch ihre Anstrengungen, die sie zu seiner Rettung unternommen hatte, eine bindende Verpflichtung auferlegte.
Das Klügste schien, den Kessel entlang zu gehen und sich dabei so weit wie möglich von jenem Gebäude fernzuhalten. Trotzdem verursachten ihm die gelegentlichen Blicke, die er auf das halb unter grünen Bäumen versteckte Gebäude tun konnte, eine so brennende Neugierde, daß er einen fast unwiderstehlichen Drang in sich spürte, die Sache zu untersuchen. Er nahm nicht an, daß der Kessel von mehr als nur von wilden Tieren bewohnt sei, und schrieb das Bauwerk lieber einem ausgestorbenen oder ausgewanderten Volke zu. Vielleicht hatten es auch die Oparier selbst gebaut und die Bauten waren von den Nachkommen vergessen worden. Die kurzen Blicke, die er auf das Gebäude tun konnte, ließen ihn eine Pracht und Größe ahnen, die auf einen Palast schließen ließ.
Der Affenmensch kannte keine Furcht. Aber wenn sich Menschen in größerer Zahl zusammenfanden, um ihn zu jagen, dann wußte er, daß ihm wirklich Gefahr drohte, weil ihm angesichts ihrer vereinigten Kraft und Intelligenz seine eigene nicht mehr half. Er sagte sich indessen, es bestehe wenig Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Kessel von Menschenwesen bewohnt sei. Zweifellos waren diese Gebäude nur verlassene Ruinen, und die furchtbarsten Gegner, die ihm in den Weg kommen konnten, waren die Riesenaffen und die Löwen. Keinen von beiden brauchte er zu fürchten, mit den Affen durfte er sogar hoffen, freundschaftliche Beziehungen herstellen zu können. Da er den Ausgang aus dem Kessel auf der entgegengesetzten Seite vermutete, war es nur natürlich, wenn er die kürzeste Linie über den Kessel querhin zu nehmen suchte. Seine Geneigtheit, das Tal zu untersuchen, wurde demnach vom Vorteil größerer Schnelligkeit und Bequemlichkeit unterstützt.
Komm, sagte er zu La, und ging in der Richtung auf das Gebäude den abschüssigen Hang hinab.
Du willst doch nicht diesen Weg wählen? rief sie erschrocken.
Warum nicht? sagte er. Es ist der kürzeste Weg über das Tal, und soweit ich beurteilen kann, liegt aller Wahrscheinlichkeit nach unser Pfad über die Berge eher dort als anderswo.
Ich habe Furcht, sagte sie. Der Feuergott allein kann wissen, welch schauerliche Gefahren in den Gründen des Waldes vor uns verborgen liegen.
Wir müssen alle einmal sterben, sagte Tarzan. Sich stets davor zu fürchten, wendet den Tod nicht ab und verbittert uns nur das Leben. Laß uns nur den kürzesten Weg gehen, vielleicht sehen wir dabei Dinge, die unser Wagnis lohnen.
Sie folgten einem stark ausgetretenen Pfad, der anfänglich durch Gestrüpp führte, aber als sie dem Grunde näher kamen, nahmen die Bäume zu an Größe und Zahl, bis sie zuletzt unter dem Laubdach eines großen Waldes dahinschritten. Der Wind wehte von ihrem Rücken her und der Affenmensch war daher scharf auf der Hut, obgleich er mit geräumigen Schritten vorwärtsging. Auf der hartgetretenen Erde des Pfades ließen sich wenig Spuren erkennen, die über die Art der darüberwechselnden Geschöpfe hätten Auskunft geben können, aber da und dort war die Spur eines Löwen erkenntlich. Tarzan hielt oftmals an und lauschte, dann hob er wieder den Kopf und seine Nasenflügel bebten, als ob er nach einer Angabe suchte, die ihm die wehende Luft geben sollte.
Ich glaube, im Tale sind Menschen, sagte er dann. Ich bin seit einiger Zeit sicher, daß wir belauert werden. Aber der Beschleicher ist ungewöhnlich schlau, denn ich kann nur eine ganz schwache Andeutung von seiner Anwesenheit bekommen.
La sah sich ängstlich um und drängte sich an seine Seite. Ich kann niemand sehen, sagte sie ganz leise.
Ich auch nicht, erwiderte er. Ich finde nicht einmal eine klare Witterung, aber ich weiß ganz sicher, daß uns jemand folgt, der klug genug ist, seine eigene Witterung vor uns fernzuhalten. Aller Wahrscheinlichkeit nach geht er oben in den Bäumen entlang, hoch genug, daß seine Witterung über uns wegstreicht. Der Wind steht gerade richtig dafür, und selbst, wenn er über Wind wäre, könnten wir die Witterung doch nicht richtig fassen. Warte hier, ich will mich dessen versichern. Er schwang sich behende auf die Zweige eines nahen Baumes und kletterte mit der Gewandtheit Manus, des Äffchens, hinauf. Einen Augenblick später war er wieder an der Seite der Frau.
Ich hatte recht, sagte er, nicht weit von uns befindet sich jemand oder irgend etwas. Aber ob es ein Mensch oder ein Mangani ist, kann ich nicht sagen, denn diese Witterung ist mir neu und besagt entweder beides oder keines von beiden. Aber diesem Fall sind wir beide gewachsen. Komm! Er hob die Frau auf seine Schulter und schwang sich mit ihr hoch oben durch die Bäume.
La bestaunte wieder einmal die Stärke des Affenmenschen, der sie so mühelos von Baum zu Baum trug und mit solcher Geschwindigkeit durch die belaubten, schwingenden Pfade in der Luft hindurchflog. Eine halbe Stunde lang setzte er seinen Weg fort, dann hielt er plötzlich hoch oben auf einem federnden Ast an.
Schau! sagte er und deutete vor ihnen auf den Boden. Vor ihnen befand sich eine kleine, aus schweren Hölzern hergestellte Umzäunung, mit einem Dutzend Hütten, die ihre Aufmerksamkeit erregten. Hütten waren es offenbar, aber sie schienen sich in der Luft hin und her zu bewegen, einige pendelten langsam hin und her, andere dagegen zuckten in mehr oder weniger heftiger Bewegung auf und ab. Tarzan schwang sich zu einem Baume, der näher war und stieg bis zu einem kräftigen Ast hinab, auf den er La absetzte. Dann kroch er vorsichtig vorwärts, und das Weib folgte ihm, denn auch sie war, wie alle Oparier, auf den Bäumen einigermaßen heimisch. Bald konnten sie das Dorf klar vor sich sehen, und alsbald klärte sich das Geheimnis der tanzenden Hütten auf.
Sie zeigten die vielen afrikanischen Stämmen eigene Bienenkorbform, waren etwa zweieinhalb Meter hoch und hatten ebensoviel Durchmesser; aber statt auf dem Boden aufzustehen, hing jede Hütte an einem tauartigen Grasseil von einem Zweig der großen Bäume herab, die im Innern der Umzäunung wuchsen. Mitten aus dem Boden jeder Hütte hing ein anderes Seil heraus. Von seinem Standpunkt hoch über ihnen konnte Tarzan keine Öffnung in einer der Hütten sehen, die groß genug gewesen wäre, um einen Menschen durchzulassen. Im Inneren der Umzäunung hockten mehrere Einwohner des Dorfes, wenn die kleine Sammlung von schwingenden Häuschen einen solchen Namen verdiente. Diese Bewohner schienen Tarzan nicht weniger merkwürdig als ihre eigenartigen Wohnstätten. Daß sie Neger, wenn auch von einer dem Affenmenschen völlig unbekannten Art, waren, ließ sich klar sehen. Mit Ausnahme einiger regellos auf die Körper geklecksten Farbflecken waren alle unbekleidet und ohne jeden Schmuck. Sie waren groß und äußerst muskulös, obgleich ihre Beine zu kurz und ihre Arme zu lang waren, während die Gesichter fast tierische Formen aufwiesen. Während Tarzan sie betrachtete, sah er einen Neger an einem der unter den Hütten herausbaumelnden Stricke herabgleiten und wußte alsbald über den Zweck der Seile und den Eingang der Hütten Bescheid. Die auf ihren Schenkeln hockenden Geschöpfe waren bei der Mahlzeit. Ein paar hatten Knochen, von denen sie das ungekochte Fleisch mit ihren großen Zähnen herunterrissen, während andere Früchte und Knollen aßen. Es waren Geschöpfe beiderlei Geschlechtes und verschiedenen Alters, von der Kindheit bis zur Reife, aber keines schien sehr alt zu sein. Mit Ausnahme zottiger, rotbrauner Wollköpfe waren sie ziemlich haarlos. Sie sprachen wenig und dann in Tönen, die dem Knurren wilder Tiere glichen. Der Umstand, daß während der ganzen Zeit, die sie Tarzan beobachtete, nicht einer von ihnen lachte oder auch nur lächelte, unterschied sie sehr wesentlich vom Durchschnittseingeborenen Afrikas. Obgleich Tarzan mit seinen Augen das Innere der Umzäunung sorgfältig absuchte, fand er doch nirgends ein Anzeichen von Kochgeräten oder Feuer. Auf dem Boden hatten sie ihre Waffen liegen, kurze gerartige Speere und eine Art Schlachtbeil mit scharfen Metallklingen.
Tarzan wunderte sich, woher diese tiefstehenden Menschen die Intelligenz zur Fertigung solcher Waffen nahmen, denn er sah selbst aus der Entfernung, daß diese sauber und zweckmäßig hergestellt waren. Auch ihre Hütten schienen gut und geschickt gebaut, die Pallisade der Umzäunung hoch, fest und wohlgebaut.
Während Tarzan und La das Dorf noch beobachteten, merkten sie plötzlich, daß sich von links her ein Geschöpf näherte. Einen Augenblick später sahen sie, wie sich ein weiterer Neger durch einen die Umzäunung überragenden Baum schwang und hinabsprang. Er kam heran, hockte sich unter die anderen und schien ihnen etwas zu erzählen. Obgleich Tarzan seine Worte nicht hören konnte, schloß er doch aus seinen Gesten und aus der Zeichensprache, die er zur Ergänzung seiner ausdrucksarmen Sprache zu Hilfe nahm, daß er seinen Gefährten von den merkwürdigen Wesen erzählte, die er eben im Walde gesehen hatte. Der Affenmensch schloß sogleich, daß dies der nämliche sein müsse, der ihnen gefolgt war und den er erfolgreich von der Spur abgebracht hatte. Die Erzählung des Burschen schien Erregung hervorzurufen, denn einige erhoben sich, sprangen mit krummen Knien auf und klatschten sich mit dem Händen an die Seiten. Ihr Gesichtsausdruck indes änderte sich kaum, und einen Augenblick später hockten sie wie vorher auf dem Boden.
Während sie noch dabei waren, tönte ein wilder Schrei durch den Wald, dessen Echo im Affenmenschen wilde Erinnerungen wachrief.
Bolgani, flüsterte er La zu.
Es ist einer der Riesenaffen, sagte sie schaudernd.
Gleich darauf sahen sie ihn den Dschungelpfad entlang auf die Umzäunung zukommen. Einen so riesigen Gorilla wie diesen hatte Affentarzan noch nie gesehen. Das Geschöpf schritt aufrecht mit den Schritten eines Mannes, ohne auch nur mit den Handknöcheln den Boden zu berühren. Kopf und Gesicht waren fast genau wie beim Gorilla, aber es bestand doch ein Unterschied, den Tarzan sogleich bemerkte, als das Geschöpf näher kam. Es war Bolgani mit der Seele und dem Gehirn eines Menschen. Aber merkwürdiger als alles andere war der Umstand, daß er Schmuck trug – und was für Schmuck! Gold und Diamanten glitzerten auf seinem zottigen Fell, an seinen Oberarmen waren zahlreiche Armreifen, Ringe umschlossen die Knöchel, während von einem Gürtel vorn und hinten ein schmaler, fast bis zur Erde reichender Streifen herabhing, der ganz aus mit Edelsteinen besetzten Goldspangen zu bestehen schien.
Unmittelbar nachdem der gräßliche Schrei die vorher friedliche Stille des Waldes unterbrochen hatte, bemerkte Tarzan, welche Wirkung dieser auf die Bewohner der Umfriedung hatte. Im Nu waren alle auf den Füßen. Die Weiber und Kinder huschten hinter die Baumstämme oder sie kletterten an den Stricken in die pendelnden Käfige hinauf, während einige Männer auf die Stelle der Umfriedigung zugingen, in der Tarzan ein Tor sehen konnte. Der Gorilla hielt draußen vor dem Tor und ließ wieder seine Stimme hören, aber diesmal war es kein häßlicher Schrei, sondern eine Rede.