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Eine dumpfe, untätige Verzweiflung war in ihr zurückgeblieben. Sie grollte der ganzen Welt und hätte sie doch am liebsten wieder zu Hilfe gerufen. Besonders von einer heftigen Empfindung gegen Roman Czarnecki war sie erfüllt. Es war kein Haß, aber ein schweigsamer Zorn, der sich in sie hineinfraß. Es schien ihr, als hätte er ein doppeltes Spiel gespielt, als hätte er sie schmählich getäuscht, als hätte er sie nur demütigen wollen. Indem er ihr klipp und klar bewiesen, daß sie nichts, gar nichts gegen die verbündeten Burschen ausrichten könne, hatte er sie jeglichen Halts beraubt. Gerade das verzieh sie ihm nicht.

Das Schicksal brach herein über sie; die letzte Möglichkeit, den begehrlich ausgestreckten Armen zu entgehen, war ihr genommen.

Was nun?

Immer wieder quälte sie die eine Frage. Niemand gab ihr Antwort darauf.

Sie schlief schlecht und fuhr unruhig oft empor. Als es gegen Morgen ging, erhob sie sich mit schweren Gliedern. Sie mußte ja in die Stadt – Roman Czarnecki mußte die Patronen wiederhaben –, sie wollte nichts von ihm geschenkt. Jetzt erst recht nicht!

Die Stadt war vom Dorfe noch über zwei Meilen entfernt. Barbara Bryk hatte also einen tüchtigen Weg vor sich. Den Revolver ließ sie liegen. Er half doch nicht. Und außerdem hatte sie für heute und die nächsten Tage ja nichts zu befürchten.

Stumpfer als sonst schritt sie dahin. Als sie das Hexenschloß drüben sah, mußte sie an die Madurowicz denken. Bilsenkraut und Tollkirsche hatte sie gepflückt, eine graue Katze hatte vor der Tür gesessen, in feurigen Ringen war der Teufel Nachts in den Schornstein gefahren.

Die Madurowicz hatte es doch eigentlich gut gehabt. Jeder war ihr aus dem Weg gegangen, keiner hatte gewagt, sie zu behelligen.

In finsteren Gedanken schritt Barbara Bryk weiter. Sie sah sich mehrere Male noch nach dem Hexenschloß um. Es ging ihr nicht aus dem Sinn, was die Mutter von der Madurowicz erzählt hatte. Wie ängstlich hatte sogar Seweryn es vermieden, dem verrufenen Hause allzu nahe zu kommen! Und Seweryn war der Stärkste und Tapferste, daran ließ sich nicht zweifeln. Wo er sogar den Mut verlor, da liefen Lukas Woronicz und die übrigen Dorfburschen doch gewiß wie die Hasen.

Sie blieb plötzlich stehen und sah starr vor sich hin. Dann schüttelte sie unwirsch den Kopf, als wollte sie einen törichten Gedanken ein für allemal loswerden. Doch während sie Kilometer für Kilometer zurücklegte, murmelte sie vor sich hin wie jemand, der sich unablässig mit etwas beschäftigt. Ein unsicherer Ausdruck kam dabei in ihr Gesicht. So sieht der verirrte Wanderer in tiefer Nacht einem schwachen Lichtschein entgegen, den er selbst für trügerisch hält, und an den sich doch seine letzte Hoffnung klammert.

In der Stadt besorgte Barbara Bryk die Patronen und einiges andere. Zögernd schaute sie dann in die Fenster des stattlichen Pfarrhauses. Doch als ob sie sich der eigenen Unentschlossenheit schäme, schritt sie plötzlich tapfer die Stufen empor. Vom Pfarrer ging sie zum Lehrer. Ein tiefes Atmen dehnte ihre Brust, als sie wieder ins Freie trat. Mit raschen Schritten machte sie sich auf den Rückweg.

»Es gibt keine Hexen,« murmelte sie immer wieder, als wollte sie es sich für immer einprägen. »Es ist Aberglaube!«

Gedankenlos gab sie den Gruß eines Bauern zurück.

»Auch die Madurowicz war keine Hexe. An ihrem Seelenheil hat sie keinen Schaden genommen!«

Sie schob das Kopftuch zurecht.

»Heda, Pani,« rief ein Kossäte vom Einspänner herab, »wollt Ihr mit?«

»Danke, Euer Wohlgeboren, ich geh' schon!« Beinahe hätte sie gesagt: »Ich hab' zu denken!«

Und immer wieder: Hexen gibt es nicht, dem Seelenheil schadet es nicht, auch die Madurowicz war keine Hexe. Das Dorf jedoch hat geglaubt, sie stehe mit dem Teufel im Bunde. Deshalb haben alle sie gefürchtet, und keiner ist ihr zu nahe gekommen.

Als Barbara Bryk durch Radolice schritt, glänzten ihre Augen. Sie war beinahe schon zu Hause, als Dorfleute ihr entgegenkamen. Da bog sie zum Hexenschloß hinüber. Sie hielt sich lange darin auf. Trotzdem sie müde vom Wege war, gaben ihr die Gedanken auch Nachts keine Ruhe.

Am nächsten Morgen betete sie lange vor dem Muttergottesbilde. Dann streckte sie die Arme aus. »Seweryn Kalinka, ich halt' dir den Schwur. Die Wölfe sollen mich nicht fressen!«

Pani Eusebia brachte gerade Holz aus dem Walde im Bündel angeschleppt.

»Setz dich, Mutter!« sagte Barbara Bryk und stellte sich selber ans Fenster. »Zwei Köpfe sind mehr als einer. Und wenn uns Gott nicht erleuchtet, wirst du im Alter wenig zu essen haben.«

»Barmherziger! Was soll das?«

Die Tochter blieb ruhig. »Was kommen muß, kommt. Wie die Burschen mir nachstellen, weißt du. Ich jedoch hab' dem Seweryn Kalinka versprochen, auf ihn zu warten. Kommt er aus Sachsen, hat er Geld. Dann wird er mich heiraten. Sein Tisch, sagt er, ist groß genug, daß auch du die Beine darunter stellen kannst.«

»Gott segne ihn!« stammelte die Pani Eusebia. »Ich altes Weib könnte verhungern!«

»Nun jedoch,« fuhr Barbara in gleichem Tone fort, »wird das alles anders werden. Die Wölfe heulen. Seit ich dem Lukas die Faust ins Gesicht geschlagen und dem Sigmund Rej die Konfederatka zerschossen, sind sie wie toll. Sie haben mir sagen lassen, wenn ich nicht in einer Woche mir einen von ihnen zum Bräutigam wähle, werden sie mich zwingen – zehn, zwölf auf einmal gegen mich. Was ist da zu tun? Da hilft keine Faust, kein Revolver. Wenn ich die Tür verschließ', kommen sie durchs Fenster. So oder so – in acht Tagen werd' ich das Liebchen von Lukas Woronicz oder von dem oder von dem sein. Kommt der Seweryn zurück, schlägt er mich tot oder spuckt aus. Heiraten wird er mich nicht – nun, das ist klar! Du jedoch, wenn du weiß bist, kannst verhungern! Gott will es – ich weiß keinen Rat mehr!«

Sie sah nach draußen. Pani Eusebia war einen Augenblick erstarrt. Dann rief sie alle Heiligen an, raufte sich das Haar, verwünschte das ganze Dorf und sich selbst, bis sie ächzend und nach Luft schnappend zurücksank.

Mit keinem Wort hatte Barbara sie unterbrochen. »Hier hilft das Beten nicht und nicht das Fluchen!« sagte sie endlich. »Ich hab' meinen Kopf angestrengt – streng du den deinen an! Umsonst wird es auch sein!«

Die Pani Eusebia nahm sich zusammen. Man konnte den Gendarm benachrichtigen – aber sollte er Tag und Nacht Wache stehen? Oder man konnte Barbara fortgeben, weit fort, in ein anderes Dorf. Aber wer tat hier die Arbeit, wer half bei der Ernte, wer blieb bei ihr, dem einsamen alten Weibe?

»Es gibt keinen Ausweg,« stöhnte sie – »heilige Mutter Gottes, was für eine Welt!«

Als sie ganz mürbe war, sprach das Mädchen plötzlich: »Wenn die Frau Mutter mir helfen will – ich möcht' schon einen Weg noch finden! Jedoch –«

Wie der Blitz war die Alte auf. »Red', mein Täubchen, erbarm dich! Warum red'st du nicht?«

Barbara Bryk trat ganz dicht an sie heran und setzte ihr flüsternd auseinander, was sie plante.

Erschrocken schlug die Pani Eusebia das Kreuz.

»Das ist sündhaft – o, o, was willst du tun, Töchterchen! Damit spielt man nicht. Man hält dem Teufel im Scherz die Hand hin, und er nimmt sie im Ernst

»Dann willst du verhungern? Gut, gut. Und ich werde das Liebchen vom Lukas Woronicz! Wie du befiehlst!«

»Aber Kindchen!« ächzte die Alte außer sich.

»Nichts mehr zu reden! Ja oder nein?«

»Es nimmt kein gutes Ende. Die heilige Jungfrau bewahre uns! Wer die Hölle nicht in der Jugend verdient hat, verdient sie im Alter. Der Satan selbst hat die Wölfe gehetzt. Ah, so oder so – ihm entgeht man nicht!« –

Barbara Bryk ging am Nachmittag weit über Land, die Pani Eusebia jedoch stürzte ins Dorf hinein. An diesem und jenem strich sie vorüber. Dann hüstelte sie: ihr entgegen kam die Frau Julia Kobylek. Das war die rechte; die suchte sie.

»Langes Leben, Pani Bryk! Wie geht's, wie steht's, was macht das Töchterchen? Wird immer schöner – he? Was soll es auch machen?«

»O Pani Kobylek, o, o, o! Fragt nicht erst nach! Selbst meiner besten Freundin könnt' ich's nicht sagen. Betet ein Paternoster! Was Besseres weiß ich nicht.«

Und stöhnend wollte die Pani Eusebia weiter.

»Maria Joseph, was ist passiert? Kein Wörtchen weiß ich, nicht so viel! Freundin, Gönnerin, schüttet Euch aus! Ihr kennt meine Teilnahme, mein Herz …«

»Quält mich nicht. Es ist zu schrecklich! Bin ich noch lebendig? Man glaubt es nicht, keiner wird es mir glauben, selbst Ihr nicht, wo ich doch Eure Teilnahme kenne! Laßt mich gehen, Pani! Niemand kann mir helfen!«

Die Augen der anderen brannten in fieberhafter Neugier.

»Vertraut Euch an, redet – bei allen Heiligen, Euch wird leichter werden! Keiner hört uns! Tretet hier ein – Freundin, Gönnerin, ich zittere!«

»Ich darf nicht,« ächzte Eusebia Bryk. »Selbst wenn Ihr mir versprächet, kein Wörtchen zu erzählen! Man verspricht sich, man hat seine Zunge nicht so im Zaum, man –«

Bild: Ludwig Berwald

» Psia krew, Ihr wollt mich beleidigen! Bin ich nicht verschwiegen? Die Zunge beiß' ich mir eher ab … Beim Blut des Heilands, das könnt Ihr glauben!«

»Glaub' ich, glaub' ich! Jedoch –« Und plötzlich, raunend, mit schielendem Blick: »Habt Ihr nichts bemerkt … gestern nacht?«

»So wahr ich hier steh' – nichts, Pani! Was ist los? Mit dem Töchterchen? Hab' ich's nicht gleich gesagt? So sind die Männer … Heda, wie heißt der Liebste? Seweryn Kalinka – natürlich!«

Eusebia Bryk packte sie an der Schulter. »Wenn er's wäre … o, o, wenn er's wäre! Hundert Paternoster wollt' ich beten! Doch ein anderer ist es – erschreckt nicht, Pani – ich muß es einem sagen, ich weiß, Ihr sprecht nicht darüber – ein Bräutigam, der stinkt … Gott schütz' uns alle! Versteht Ihr mich? Denkt an die Madurowicz!« Sie heulte in die Schürze hinein.

»Pani!«

Mit einem Ruck hatte sich Julia Kobylek losgerissen. Ihre Knie zitterten, als wollten sie brechen, starr blickten ihre Augen. Sie wollte ein Kreuz schlagen, aber die Hand sank nieder.

»Gott sei uns gnädig – was sprecht Ihr da? Seid Ihr von Sinnen?«

Eusebia Bryk nahm die Schürze nicht von den Augen.

»Ich hab's gewußt,« stöhnte sie – »es glaubt mir keiner. Aber mit leibhaftigen Augen –« Sie zitterte heftig.

»Mit Euren Augen, Pani?«

»Mit meinen Augen! Eine graue Katz' sitzt vor der Tür wie bei der Madurowicz. Und gestern nacht – erlaßt es mir! Lieber schon tot! O heilige Jungfrau!«

»Teufelsliebchen,« murmelte Julia Kobylek, »Hexe! Was war's gestern nacht, Euer Wohlgeboren?«

»Der Satan kam selber. Was weiß ich! Hab' gebetet und geschrieen – aber überm Haus die feurigen Kreise – und das Töchterchen lacht! Lacht, Pani!«

Abergläubische Furcht stand in den Augen der Dörflerin. Vom jähen Schrecken hatte sie sich erholt, nur ab und zu lief's ihr heiß und kalt den Rücken hinunter. Aber größer noch war die Neugier, die sie durchzitterte. Und sie war die erste, die es wußte! Sie sollt' es durchs Dorf tragen.

Ächzend mußte die Alte immer von neuem erzählen. Es war kein Zweifel: Barbara stand mit dem Satan im Bunde, der böse Geist war in sie gefahren, die Madurowicz hatte ihre Hand im Spiele gehabt!

»Welch ein Unglück! Welch ein Unglück! Aber was hab' ich gesagt, Pani: Euer Haus ist dem Hexenschloß zu nahe, die bösen Geister haben Gewalt darüber. O, lieber Gott, was geschieht alles in unserem Dorfe! Wann fährt der Bräutigam in den Schornstein? Besprengt ihn mit Weihwasser – dann muß er stinkend abdampfen!«

Verzweifelt starrte Eusebia Bryk vor sich hin. »Verflucht der Schoß, der solch ein Kind geboren hat! Wann der Bräutigam kommt? Weiß ich's? Um zehn, elf, zwölf, – brennend sieht man ihn durch die Luft fahren. Erbarmt Euch: durch die Luft! Betet ein Paternoster – nichts kann mich mehr trösten!«

Sie schritt fast schwankend davon, während Julia Kobylek, so schnell ihre Füße sie tragen konnten, zum Krug eilte, um dort zuerst die große Neuigkeit zu verkünden.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich das Gerücht, daß Barbara Bryk ein Bündnis mit dem Bösen geschlossen durchs Dorf. Es ward verschieden aufgenommen. Die Mädchen, deren Haß mit jedem Tage wuchs, jubelten auf, hegten nicht den geringsten Zweifel daran und fanden hundert kleine, bislang nicht beachtete Einzelzüge, die nun plötzlich in ein ganz neues Licht gestellt wurden. Bei den Weibern überwog mehr die abergläubische Furcht. Die Männer erinnerten sich der Madurowicz. Die Burschen allein lachten ungläubig.

»Der Teufel wird sie schon holen,« höhnte Lukas Woronicz, »aber jetzt noch nicht. Erst gehört sie uns!«

»In drei Tagen ist die Frist abgelaufen! Dann wollen wir sehen!« sprach Sigmund Rej. »Und wenn sie ein Höllenbraten ist –« Er brummte. »Früher hat sich der Stinkende nur an die alten Weiber gemacht, und die jungen blieben für gute Christenmenschen. Wenn es wahr ist, was die Pani Kobylek erzählt, lohnt die Mühe nicht!« –

Als es dunkel geworden, ward der Weg zum Walde lebendig. Gläubige und Ungläubige spazierten hinaus, alle wollten sehen, wie es mit Barbara Bryk stand, und ob der Satan wirklich zu ihr in den Schornstein fuhr. Je späteres ward, umsomehr wuchs die Erregung. Es fanden sich einige, die schon seit Wochen verdächtige Anzeichen bemerkt hatten. Von Mund zu Mund gingen die Erzählungen, jeder schmückte sie ein bißchen weiter aus.

»Jesus Maria!« schrie plötzlich ein Weib – »da – da!«

Andere riefen mit.

»Habt ihr noch keine Sternschnuppe gesehen?« fragte Lukas Woronicz.

»Es war keine! – Doch! – Sie war dick wie mein Arm!« schwirrte es durcheinander.

»Gestern war Barbara Bryk im Hexenschloß,« sagte ein alter Bauer. »Was hat sie da zu suchen?«

»Und als sie 'rauskam, saß ihr die graue Katz' auf der Schulter!«

»Die graue Katze der Madurowicz! Schlagt das Kreuz über eure Kinder und das Vieh! Sonst verhext sie euch beides!«

»Zurück, Pani – nicht so weit vor! Sonst kommt Ihr in den Bannkreis, wo der Feind Gottes Macht über Euch hat. Man sieht von hier – Feuer glänzt in der Nacht weit!«

»Der höllische Bräutigam läßt warten!« rief Lukas Woronicz. Es kam nicht mehr so überlegen heraus. Die allgemeine Erwartung und Erregung hatte auch ihn angesteckt.

Mit einem Male ein Schrei, der sich fortpflanzte – ein Wimmern – ein Stoßgebet.

Über dem Hause der Bryks war ein feuriger Streifen aufgetaucht, der wie eine brennende Fackel einen Augenblick kreiste und verschwand.

Alle hatten ihn gesehen. Wie eine Lähmung kam's über die Massen.

»Maria Joseph! – Gott schütz' uns! – Barmherzigkeit, heilige Mutter Gottes!« Entsetzt tönte es durcheinander.

»Kein Zweifel mehr! – Satan will uns verderben! – Es stinkt! Es stinkt nach Schwefel! – Der Schwanz glühte den ganzen Himmel entlang! – Seid Ihr bei Verstand? Der Kopf war's, die Hörner – ich hab' sie deutlich gesehen!«

Ein paar Weiber lagen auf den Knien und ließen mechanisch die Perlen des Rosenkranzes durch die Finger rollen, während die Augen, erschrocken und weit geöffnet, noch immer nach jenem Fleck starrten, wo der feurige Streif erschienen und verschwunden war.

»Was sagst du nun, Lukas Woronicz – he?«

»Da soll man sich wundern, wenn sie alle Burschen abweist! Der mit dem Pferdefuß feiert auf dem Besen Hochzeit mit ihr!«

»Und Hexenaugen hat sie immer gehabt, psia krew! Jeden einzigen hat sie behext damit!«

»Was sollen wir tun? Wie schützen wir uns?«

»An meiner Tür ging sie vorbei – die Ziege, die weiße, gibt keine Milch mehr!«

Kaum das eigene Wort verstand man. Alles andere war vergessen vor dem unerhörten Ereignis.

Mit finsterem Gesicht stand Lukas Woronicz da.

»Wie wird's mit unserer Verabredung?« fragte Sigmund Rej. »Die acht Tage sind bald um. Nun, mein Lieber, mir scheint, der Braten riecht angebrannt. Iß ihn allein!« Er sah sich nach Veronika Budny um.

»Laß mich zufrieden!« brummte Lukas. Er mischte sich unter eine Gruppe, in der die alte Häuslerin Thomasz das große Wort führte.

»Wenn der Habicht über ihnen ist, kommen die jungen Hühnchen zur Henne. Kenn' ich, kenn' ich! Hab's ebenso gemacht und bin gut gefahren. Paßt auf, was ich sag': Legt in die Schuh' ein Blättchen Wegebreit, worüber Weihwasser gesprengt ist. Wer barfuß geht, steckt's in die Tasche oder den Gurt. Niemand wird euch etwas anhaben. Nur fleißig beten – beten. Das ist immer das beste. O du lieber Heiland, wie war's mit der Madurowicz! Hat gehext hie und da. Bald jedoch machten die Leute einen Bogen, wenn sie ankam, rissen die Kinder von der Straße ins Haus und schlugen das Kreuz. Tut das gleiche, ihr jungen Hühnchen, und der Satan vermag wenig.«

In heller Aufregung kam man ins Dorf zurück. Länger als je brannte Licht in den Hütten. Die Burschen tranken im Kruge noch ein paar Gläschen für die Nacht. Aber sie waren kleinlaut. Als einer von dem Termin anfing, den man Barbara Bryk gesetzt hatte, zuckten alle die Achseln.

»Man muß den Tag abwarten,« sprach Lukas Woronicz. »Guter Rat kommt über Nacht. Jedoch ich muß sagen – nun versteh' ich erst, woher der Schlag kam – hier, zwischen die Augen. Kein Mädchen hat eine so harte Faust!«

Bild: Ludwig Berwald

»Und wer trifft die Konfederatka, wenn ich sie durch die Luft wirble? Höllische Künste, meine Lieben, nichts weiter!«

Am nächsten Tage gegen Mittag traf Anastasia Pasek keuchend vom schnellen Lauf und ganz verstört im Dorf ein. Sie hatte Holz im Walde gesammelt, hatte das Bündel gedankenlos auf den Rücken genommen und war auf dem Rückweg an dem Häuslein der Bryks vorbeigekommen. Da saß eine große graue Katze mit feurigen Augen und fauchte. Auf drei Beinen stand ein Kessel vor der Tür, aus dem die Dämpfe stiegen, und Barbara Bryk rührte mit der Kelle um, während sie gellend sang. Gelähmt vor Angst war Anastasia Pasel starr stehen geblieben.

Da hatte Barbara Bryk, die Hexe, mit der Kelle nach ihr ein paar Tropfen der bösen Säfte gespritzt, die im Kessel brodelten. Hui, wie sie gelaufen war! Aber das Kreuz tat ihr weh, und Stiche hatte sie in der Seite – da mußte wohl ein Tropfen des höllischen Giftes sie erreicht haben!

Jeden Tag ereignete sich nun etwas Ähnliches. Die graue Katze kannte bald jeder. Sie spazierte stets neben Barbara Bryk einher. Und immer wilder setzte die sonst ganz brachliegende Phantasie der Dörfler ein. Die graue Katze flog als Fledermaus durch die Luft. Aus den Wolken scholl hin und wieder ein meckerndes Lachen. Das war nicht etwa die Bekassine, das war das Teufelsliebchen, die Hexe. Und jede zweite, dritte Nacht fuhr mit dem glühenden Schweif, der sich wie eine Fackel schwang, der Satan in den Schornstein zu Barbara Bryk. Jeder hatte es schon ein paarmal gesehen, so daß niemand extra deswegen aufblieb.

* * *

 


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