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Die Einleitung beschäftigt sich mit dem Beweise, den Cicero in eigener Person führt, daß es eines weisen und edeln Mannes würdiger sey, dem Vaterlande seine Kräfte zu widmen, als in Muße, und wäre es auch den Wissenschaften zu leben; und nach Widerlegung der gewöhnlichen Gegengründe (Cap. 1–7.) geht er auf den Gedanken über, daß er den Vorsatz gefaßt habe, über den Staat, seine Einrichtung und Verwaltung zu schreiben, und daß ihm eine Erzählung des Rutilius, von der Unterhaltung des Scipio mit seinen Freunden über diesen Gegenstand, das beste Material dazu geliefert habe (C. 8.). Da treffen denn nach und nach die Freunde des Scipio in den Latinischen Ferien bei ihm auf seinem Landgute ein (C. 9–17.); man spricht von der kürzlich gesehenen Nebensonne (C. 10.); von dem Interesse an dergleichen Erscheinungen und ihrer Erklärung (C. 13.); von dem durch Maschinen von Archimedes und Eudoxus erleichterten Studium der Astronomie (C. 14.); von dem praktischen Werthe desselben (Cap. 15–17.) mit Beispielen: worauf denn Lälius Veranlassung nimmt, dem Scipio die ihm wichtiger scheinende Untersuchung über den Zustand des Vaterlandes, und die beste Einrichtung des Staats vorzuschlagen (C. 18–21.). Scipio geht darauf ein, als auf einen Gegenstand, der ihn selbst schon viel beschäftigt habe, nachdem er erst sich allzugroße Erwartungen verbeten hat (C. 22. 23.). Nun beginnt er mit einer Definition vom Staate, und den Veranlassungen zur Staatenbildung und Gründung (C. 24. 25.). Es folgt eine Darstellung der dreierlei zu billigenden Regierungsformen, der monarchischen, der aristokratischen und der demokratischen (C. 26.): rein erscheint ihm aber keine vollkommen wünschenswerth, weil die Monarchie leicht in Despotismus, die Aristokratie 1042 in Factionsherrschaft, und die Demokratie in Ochlokratie ausarte: (C. 27. 28.); eine gemischte Verfassung sey demnach die beste (C. 29.). Auf die Frage, welche einzelne Verfassung am meisten zu billigen sey (C. 30.), erklärt er sich anfangs, wegen des hohen Werthes der Freiheit, für die Demokratie, und setzt die Gründe dafür auseinander (C. 31–33.): für die Aristokratie, sagt er aber, spreche der Umstand, daß es wünschenswerth seyn müsse, daß die edelsten, weisesten und ausgezeichnetsten Bürger den Staat regieren (C. 34.): im Grunde aber habe doch die Monarchie das Meiste für sich (C. 35.): schon die Verfassung des Olymps spreche dafür, wo auch Jupiter an der Spitze der Götter stehe (C. 36.); ferner die treffliche väterliche Regierung der alten Römischen Könige (C. 37.); endlich der menschliche Geist selbst, in welchem die monarchische Herrschaft der Vernunft über die übrigen Seelenkräfte und Seelentriebe das Beste sey (C. 38.): sey es doch auch schon in einer Familie nicht gut, wenn mehr als Einer Herr sey (C. 39.), ja selbst im freien Rom erkenne man zur Zeit der Noth an, daß die Regierung Einheit (einen Dictator) haben müsse (C. 40.): ein guter König sey ein wahrer Vater seines Volkes (C. 41.). – Aber ein schlechter König sey Schuld am Uebergang der Verfassung in Optimatenherrschaft oder in Volksherrschaft; beide aber arten leicht aus (C. 42.). Schilderung der Uebel der Pöbelherrschaft (C. 43.); und wie sich aus ihr gewöhnlich die Herrschaft eines Tyrannen entwickelt (C. 44.). Resultat: die beste Verfassung ist eine aus monarchischem, aristokratischem und demokratischem Element gemischte (C. 45.): und eine solche sey in der Idee des Römischen Staates, den Scipio nun zu schildern verspricht (C. 46. 47.).
zum Theil nach Angelo Majo.
Da dem Cicero sowohl wegen seines eigenen politischen Lebens, als wegen des Zweckes seines gegenwärtigen Werkes daran liegen mußte, daß Theilnahme an der Verwaltung des Staates als preiswürdig, ja als Pflicht des edlen und weisen Mannes anerkannt werde; so mag er wohl von dem Platonischen Gedanken ausgegangen seyn, den er auch in einem Briefe an seinen Bruder Quintus berührt (I, 1. 10.). »Jener Mann, sagt er, der an Geist und Kenntnissen Keinen über sich hatte, Plato, hatte die Ansicht: nur dann werden Staaten beglückt seyn können, wenn entweder die kenntnißreichen und weisen Männer an die Spitze gestellt würden, oder wenn Die, die an der Spitze stünden, mit allem Eifer darnach trachteten, kenntnißreich und weise zu werden.« Da aber mehrere Griechische Philosophen den Satz aufgestellt hatten, der Weise thue am besten, wenn er sich, ganz ohne alle Rücksicht auf äußere Lebensverhältnisse, der Wissenschaft widme und hingebe, und diese Ansicht sogar an dem Schüler des Aristoteles, dem Theophrastus, einen Vertheidiger gefunden hatte; so mußte Cicero hier diesen von ihm sonst hochverehrten Mann zu widerlegen suchen; und da Epikurus und seine Schule denselben Grundsatz als ganz nothwendig und wahr zu vertheidigen pflegten; so wurde ohne Zweifel 1044 auch gegen diese gekämpft, die ohnedieß gar oft die Zielscheibe seines Witzes waren. Den Raum, den das in der ersten Lücke Gesagte einnahm, mochten also wohl die Gründe der Gegner, ihre Einwendungen, Ausflüchte, nebst Cicero's Gegengründen ausfüllen, vielleicht auch diejenigen Gründe eingeflochten oder angedeutet seyn, welche von Dicäarchus in einer eigenen Schrift gegen die Ansicht des Theophrastus vorgebracht worden waren. Vielleicht mochte auch P. Rigidius Figulus mit Ehren erwähnt worden seyn, welchem, nach Plutarchus,An sen. sit gerend. resp. cap. 27. Ed. Hutten. T. XII. p. 135. Cicero das Zeugniß gegeben haben soll, Rigidius sey es, dessen Grundsätze und Rath er in der Verwaltung seines Consulats zum größten Heil des Vaterlandes befolgt habe. Und Dieß konnte dann den Uebergang bilden auf die großen Männer Roms, die, weit entfernt, ihren geraden Sinn durch philosophische Theorien sich verdorben zu haben, oder zur Erwählung des Rechten erst durch weit hergeholte Gründe und Maximen gebracht werden zu müssen, durch ihr richtiges, und nicht blindes, Gefühl zum Wirken für das Vaterland hingeleitet worden waren.
[Der Anfang fehlt.Um einen Anknüpfungspunkt zu haben, denke man sich ungefähr Folgendes als vorausgegangen: »So angenehm es Manchem scheinen mag, sich, dem Lebensgenusse oder dem Umgange mit den Wissenschaften zu Liebe, von der Theilnahme an der Verwaltung und Vertheidigung des Staates zurückzuziehen: so wenig verträgt es sich doch mit der Gesinnung und der Handlungsweise eines wahren Vaterlandsfreundes. Mögen es auch immerhin manche Griechische Philosophen nicht nur theoretisch gelehrt, sondern auch nach einer so bequemen Ansicht gehandelt haben: die großen Männer unseres Vaterlandes haben nie so gedacht; sonst hätten wir keinen Brutus gehabt, der den tyrannischen König stürzte, keine Decier, die sich im Kampfe für das Vaterland dem Tode weihten, keinen Camillus, der Italien von dem Einfall der Gallier befreite, keinen Curius, Fabricius, Coruncanius, die den Pyrrhus aus Italien verjagten, keinen Duellius u. s. w.« Zwei andere, weitläuftigere Ergänzungen hat Prof. C. Beier in Leipzig ausgedacht; eine deutsche in Seebode's Archiv für Philologie und Pädagogik I, 1, 3. S. 505, und eine, davon verschiedene Lateinische im Literaturblatt der allgemeinen Schulzeitung 1826. II, 31.]
1. – – [von der Gallier] Einfall befreit; nicht C. Duellius,C. Duellius (auch Duilius, Bellius, Bilius genannt) gewann die erste Seeschlacht gegen die Karthager im J. Roms 493. A. Atilius Calatinus war Consul im J. R.495., wo er die Karthager schlug, L. Cäcilius Metellus, Consul im J. R. 503, gewann die Schlacht bei Panormus (Palermo) gegen die Karthager. Aulus Atilius, L. Metellus von dem furchtbar 1046 herandrohenden Karthago; nicht hätten die beiden ScipioneCn. Cornelius Scipio Calvus und P. Cornelius Scipio, Beide Consuln, kamen in Spanien in einer Schlacht gegen die Karthager um, im J. R. 512. den schon anflammenden Brand des zweiten Punischen Krieges mit ihrem Blute gelöscht; nicht hätten ihm, als er mit verstärkter Streitkraft sich erhob, Quintus MaximusQ. Fabius Maximus, mit dem Beinamen Cunctator, stellte im J. R. 539. nach den verlornen Schlachten am Trasimenischen See und bei Cannä Roms Ehre wieder her. den Lebensnerv abgeschnitten, oder M. MarcellusM. Claudius Marcellus schlug den Hannibal im J. R. 543. bei Nola. ihn gelähmt, oder P. Africanus ihn von den Thoren dieser Stadt weggeschlagen und in den Umkreis der feindlichen Mauern eingezwängt. Dem M. CatoM. Cato, mit dem Beinamen Sapiens und Censorius, war Consul im J. R. 558. Censor 561. S. Cicero vom Alter C. 23. aber, einem Manne ohne frühern Ruhm und Ahnen, der für uns Alle, die wir gleiches Streben haben, gleichsam Vorbild für die Richtung unserer Thätigkeit und würdigen Gesinnung bleibt, stand es doch gewiß frei, zu Tusculum in Muße ein behagliches Leben zu führen, an einem gesunden und [dabei von der Stadt] nicht weit entfernten Orte. Allein dieser unsinnige Mensch (dafür sehen ihn wenigstens Jene an) wollte lieber, ungeachtet ihn kein [äußerer] Zwang nöthigte, sich von diesen Wogen und 1047 Stürmen bis in das höchste Alter herumtreiben lassen, als in jener stillen Zurückgezogenheit und Muße auf's Angenehmste leben. Ich unterlasse die Aufzählung unendlich vieler Männer, von denen Jeder an seinem Theile diesem Staate Heil gebracht hat; auch schließe ich hier die Aufführung Derjenigen, die der Erinnerung unserer Zeit nicht unmittelbar nahe liegen, damit nicht Jemand sich beklage, als ob entweder er oder Einer der Seinigen wäre übergangen worden, und beschränke mich blos auf die entschiedene Erklärung, daß in der menschlichen Natur eine solche [innere] Nöthigung zur Tugend, und ein solcher Drang, das Gemeinwohl zu vertheidigen, liege, daß dieser Trieb über alle Reize der Sinnenlust und [behaglichen] Muße die Oberhand gewonnen hat.
2. Dabei genügt es denn freilich nicht, die Tugend, wie irgend eine Kunstfertigkeit, zu besitzen, ohne sie in's Leben treten zu lassen. Wiewohl man eine Kunst, auch ohne sie auszuüben, doch wirklich als ein Wissen besitzen kann; die Tugend aber besteht, ihrem ganzen Werthe nach, blos in der Ausübung; ihre bedeutendste Ausübung findet sie aber in der Leitung des Staates, und in der thatsächlichen, nicht blos besprochenen Ausführung gerade derjenigen Dinge, [über] welche jene [Philosophen] in ihren Winkeln [ihre Weisheit] erschallen lassen. Denn über keinen Satz, der nämlich wahr und würdig vorgetragen wird, sprechen sich die Philosophen aus, der nicht von Jenen zuerst aufgestellt und begründet worden wäre, welche in den Staaten die Rechtsverhältnisse festgestellt haben. Denn wo liegt die Quelle der Frömmigkeit, wo der Ursprung der Gottesverehrung? woher stammt das Völkerrecht, oder das, was wir das bürgerliche Recht 1048 nennen? woher Gerechtigkeit, Treu und Glauben, [woher] Billigkeit? woher Scheu vor Unedelm, Enthaltsamkeit, Widerwille gegen Schimpfliches, Streben nach Lob und Ehrbarkeit? woher [endlich] Muth und Ausdauer bei Anstrengungen und in Gefahren? Offenbar von Denen, welche dieß [den Völkern] durch Belehrung angebildet, und einen Theil davon durch Sitte und Herkommen festgegründet, einen andern durch Gesetze heilig und unverletzlich gemacht haben. Erzählt man doch bestimmt vom Xenokrates,Xenokrates aus Chalcedon, Schüler des Plato, eine der Hauptstützen der alten Akademie vom J. 339. v. C. G. bis 314. Man hatte, nach Diogenes von Laerte IV, 2., von ihm auch ein Werk über den Staat. einem ausgezeichnet berühmten Philosophen, er habe auf die Frage, was denn seine Schüler erzwecken, geantwortet: das, daß sie Dasjenige aus innerm Triebe thun, wozu sie durch die Gesetze angehalten würden. Daher überwiegt Der, welcher die Gesammtheit der Staatsbürger, durch das Machtwort des Gebots und die von den Gesetzen bestimmte Strafe, zu Dem bringt, wozu die Philosophen durch ihre Vorstellungen kaum Wenige zu bewegen vermögen, an Werth selbst die Lehrer, die hierüber ausführliche Vorträge halten. Denn gibt es wohl einen so ausgezeichnet werthvollen Vortrag, der einem durch öffentliches Recht und Sitte gut eingerichteten Staate vorzuziehen wäre? Und wirklich wie ich
– – Städte von Macht und gewaltiger Herrschaft, (um mich eines Ausdrucks des Ennius zu bedienenOhne Zweifel aus den Annalen des Ennius, von denen wir 1825 (Lips. Hahn.) eine neue Ausgabe von E. Spangenberg erhalten haben, wo aber dieses Bruchstück nicht steht.) für 1049 [wichtiger und] mehr Werth hatte, als kleine Dörfer und Castelle; so bin ich der Ansicht, daß Diejenigen, welche diesen Städten mit Rath und Ansehen vorstehen, gerade an Weisheit weit über Diejenigen zu stellen seyen, die ohne alle Theilnahme an öffentlichen Geschäften leben. Und weil uns ein besonderer innerer Drang antreibt, die werthvollsten Güter des Menschengeschlechts zu vermehren, und wir durch unsere innere und äußere Thätigkeit die Menschheit in einen gesichertern und an Besitzthum reichern Zustand zu bringen streben, auch die Natur uns selbst zu dieser Neigung anspornt; so laßt uns auf dieser Bahn, die stets nur die Besten betreten haben, kräftig vorwärts streben, und gar nicht auf die Signale Derjenigen achten, die zum Rückzug blasen, um auch Diejenigen zurückzurufen, die schon weit voran sind.Sehr überdrüssig aller öffentlichen Thätigkeit finden wir übrigens den Cicero in den Briefen an Atticus II, 5. und 16.
3. Diesen so schlagenden und einleuchtenden Gründen werden von Seiten Derjenigen, welche das Gegentheil vertheidigen, erstens die Beschwerden entgegengesetzt, denen man sich bei Vertheidigung des Vaterlandes unterziehen muß: ein Gegengrund, der bei einem rührigen und thätigen Manne nicht viel wiegt, und der nicht blos bei Dingen von solcher Wichtigkeit, sondern auch bei weniger bedeutenden Bestrebungen oder Dienstleistungen oder gar im Geschäftsleben durchaus nicht in Anschlag kommen sollte. Da spricht man auch noch von Lebensgefahren, und will durch die Todesfurcht tapfern Männern einen Schrecken einjagen, die ihnen als etwas Schimpfliches erscheinen muß, da sie mehr Das zu beklagen 1050 finden, daß Natur und Alter die Lebenskraft verzehrt, als daß ihnen Veranlassung gegeben werde, das Leben, mit dem sie doch einmal die Schuld der Natur abtragen müßten, gerade dem Vaterlande aufzuopfern. Kommen jene Gegner aber gar auf die Zusammenstellung der Unfälle der ruhmwürdigsten Männer und auf die Kränkungen zu sprechen, die diese von dem Undank ihrer Mitbürger zu erdulden hatten, da glauben sie dem Strome ihrer Beredsamkeit eine recht weite Bahn geöffnet zu sehen.Hierüber verbreitet sich Aristoteles in seinem Werke vom Staate III, 13. Da bringen sie denn nicht nur jene Beispiele aus der Griechischen Geschichte vor, wie Miltiades, der Besieger und Bändiger der Perser, ehe noch die Wunden geheilt waren, die er vorne am Körper bei dem ruhmvollsten Siege erhalten, sein Leben, das den feindlichen Geschoßen nicht unterlag, im Kerker habe in den Fesseln aufgeben müssen, die ihm seine Mitbürger angelegt;Ueber den Miltiades s. den Corn. Nepos I, 7. über den Themistokles denselben II, 9. und an diesen Stellen die Ausleger. wie Themistokles aus dem Vaterlande, das er befreit, verstoßen und verscheucht, nicht in die von ihm geretteten Seehäfen Griechenlands, sondern in die Buchten des Barbarenlandes sich habe flüchten müssen, das die Schwere seines Armes gefühlt hatte – doch es fehlt ja nicht an Beispielen von Wankelmuth und Grausamkeit der Athener gegen ihre geachtetsten Bürger: ein Benehmen, wovon sie die ersten, und recht zahlreiche, Beispiele gaben, und das sich, wie Jene sprechen, auch in unsern Staat herüber verbreitete, der sonst stets in ernster Haltung nach festen Grundsätzen verfuhr. Da führt man die 1051 Verbannung des Camillus auf, die Kränkung des Ahala,Ueber den Ahala, der den nach dem Königsthrone strebenden Spurius Mälius niedergestoßen hatte, s. die (unächte) Ciceronische Rede Pro domo 32. und Livius IV, 21. Ueber den Camillus s. besonders Livius V, 31. f.; über Nasica den Aurel. Victor 64. und Valer. Max. V, 3.; über den Popilius Länas, L. Opimius und Q. Cäcilius Metellus, die wegen ihrer Strenge gegen die Gracchische Partei verbannt wurden, s. Cicero Catil. I, 2. Die Reden ad Quir. 3. pro domo 31. pro Sext. 67. pro Planc 28. f. in Pis. 39. pro Mil. 3. 30. über Marius Cicero vom Redner III, 2. Paradox. II, 1. den auf den Nasika geworfenen Haß, die Vertreibung des Länas, die Verurtheilung des Opimius, die Flucht des Metellus, das tiefkränkende Unglück des C. Marius, die Ermordung der ersten Männer des Staats, und den Untergang der Vielen, welcher bald darauf erfolgt ist. Ja selbst meinen Namen ziehen sie schon in dieses Register herein; und, vermuthlich weil sie sich durch meine Entschlossenheit und meine bestandenen Gefahren in dem Genusse jenes Lebens und ihrer Muße geschützt glauben, bekommt ihre Klage über mein Geschick noch einen besondern Anstrich von tiefem Gefühl und von Zuneigung. Allein nicht leicht vermöchte ich anzugeben, warum, da sie selbst, um sich Kenntnisse zu sammeln, oder ihre Schaulust zu befriedigen, über Meere schiffen.Man denke allenfalls zur Vervollständigung der Periode: – – »und sich sonst noch andern Beschwerden unterziehen, sie sich wundern, daß ich mit Aufopferung meiner Ruhe mich dem Dienste meines Vaterlandes und der Beförderung seines Wohls mit Uneigennützigkeit gewidmet habe.« Wir bemerken hier ein für allemal, daß eine fehlende Seite in der Handschrift nicht mehr als 8, höchstens 10 Zeilen dieses Druckes beträgt. [Lücke von zwei Seiten.]
1052 4. * * *Zur Ergänzung kann folgende Stelle aus der Rede für den Piso dienen (C. 3.): »Als ich, spricht Cicero, bei Niederlegung meines Consulats die Kränkung erleben mußte, daß ein Volkstribun mir über meine Amtsverwaltung zu sprechen verwehrte, und mir nur den gewöhnlichen Amtsaustrittseid gestattete, da schwur ich unbedenklich, meiner Amtsthätigkeit habe es das Vaterland zu verdanken, daß unsere Stadt und unsere Verfassung noch aufrecht stehe. Da gab mir das gesammte Römische Volk die herrlichste Genugthuung, indem es in jener Versammlung mir, statt einer vorübergehenden Beglückwünschung, unsterblichen Ruhm dadurch zusicherte, daß es meinen so inhaltschweren Schwur einstimmig und einhellig nachschwörend bestätigte.« Vergl. Cicero's Briefe ad Fam. V, 2. ich in öffentlicher Volksversammlung den, vom Volke wiederholten, Schwur bei'm Niederlegen meines Consulats ablegte; daß [das Vaterland durch mich] gerettet sey; leicht mich über das Bittere und Schmerzende aller [vorangegangenen] Kränkungen tröstete. Wiewohl all mein Mißgeschick von mehr Ehre als Drangsal begleitet war, und der Ruhm, den es mir gewährte, seine Beschwerden weit überwog; ja die Freude, von den ächten Vaterlandsfreunden zurückersehnt zu werden, größer war, als die Kränkung, die Uebelgesinnten triumphiren zu sehen. Doch, wie gesagt,Dieses, wie gesagt, muß sich auf eine in der vorigen Lücke verloren gegangene Aeußerung beziehen. S. übrigens die (unächte) Ciceronische Rede post. red. in sen. 14. hätten sich die Ereignisse auch anders gestaltet, wie dürfte ich klagen? wäre mir doch gar nichts Unerwartetes, nichts 1053 Härreres, als ich vermuthet hatte,S. hierüber die dritte und vierte Catilinarische Rede. für meine so einflußreichen Thaten zu Theil geworden! Ich war ja, ungeachtet ich entweder in genußreicherer Muße, als Andere, leben konnte, weil mir die von Jugend auf mit Lust getriebenen mannichfachen Studien die angenehmste Beschäftigung gewährten;S. seine Aeußerungen hierüber am Schlusse des vierten Briefes im 15ten Buche ad Fam. oder, falls ein allgemeines Unglück hereingebrochen wäre, nicht ein besonderes schlimmes, sondern ein dem der Uebrigen gleiches Loos zu gewarten hatte; [war ich doch, sage ich,] unbedenklich den furchtbarsten Stürmen, ja fast den BlitzenNach einer andern Lesart: Wogenergüssen. sogar zur Rettung meiner Mitbürger entgegengetreten, und hatte durch meine persönliche Gefahr die gemeinsame Ruhe der andern Bürger erstrebt. Denn nicht unter der Voraussetzung hat das Vaterland uns erzeugt und erzogen, daß es von uns keine Art von Nährgeld erwartete, und, blos unserer Behaglichkeit Vorschub leistend, uns einen gesicherten Zufluchtsort für ein Leben in Muße und einen ungestörten Ruhesitz gewährte; nein, sondern um recht viele und die bedeutendsten Kräfte unseres Gemüthes, unseres Geistes und unserer Einsicht zu seinem Nutzen in Anspruch zu nehmen, für unsere persönlichen Zwecke aber uns so viel Spielraum zu lassen, als es, ohne sich selbst Eintrag zu thun, gewähren konnte.
5. Jene Ausflüchte aber, die sie zu ihrer Entschuldigung vorbringen, um ihre Muße ungestörter zu genießen, verdienen gar nicht einmal angehört zu werden; wenn sie zum Beispiel 1054 sagen: es drängen sich zu der Staatsverwaltung in der Regel Leute von nichtswürdigem Charakter; neben die sich zu stellen, erniedrigend, sich mit ihnen herumzuschlagen aber, besonders wenn sie die Menge aufgereizt hätten, unheilbringend und gefährlich sey. Aus diesem Grunde sey es weder weise, die Zügel zu ergreifen,Hierüber spricht Aristoteles im seinem Werke vom Staat VII, 2. Cicero an den Atticus II, 16. Vergl. auch de Fin. V, 4. IV, 2. 3. de Divin. II, 1. Acad. IV, 36. da man die tolle und unbändige Leidenschaft des Pöbels doch nicht bändigen könne; noch anständig, sich mit verächtlichen und rohen Gegnern herumzubalgen, und dabei entweder sich höhnender Mißhandlung auszusetzen, oder sich Kränkungen bloß zu stellen, die der Weise nicht an sich kommen lassen dürfe:Ueber diesen Gegenstand s. das Buch des Seneca von der Standhaftigkeit des Weisen. als ob es für Männer von Edelsinn, von Muth und Seelengröße einen dringendern Grund geben könnte, dem Vaterlande ihre Dienste zu weihen, als den, den Schlechtgesinnten nicht gehorchen zu müssen, und den Staat nicht von solchen Menschen zerfleischen zu lassen, wo sie dann, wenn es so weit gekommen ist, bei allem guten Willen nicht mehr helfen können.S. Plato vom Staate I, p. 347. Steph.. Cic. von den Pflichten I, 21.
6. Wer kann aber nun vollends jener Einwendung Recht geben, wenn sie sagen, der Weise werde in keiner Hinsicht Theil an Staatsgeschäften nehmen, außer wenn ihn die Umstände oder die gebieterische Nothwendigkeit dazu zwingen? Als ob irgend einem Menschen eine dringendere Nöthigung 1055 vorkommen könnte, als mir vorkam! Was hätte ich in jenem Falle thun können, wenn ich nicht Consul gewesen wäre? Wie konnte ich aber Consul seyn, wenn ich nicht von Jugend an die Laufbahn verfolgt hätte, vermöge der ich, obwohl [nur] im Ritterstande geboren, dennoch zum höchsten Range emporsteigen konnte.S. Sallust. Catil. 23. Plutarch im Leben des Cic. 11. f. Es steht demnach Einem nicht frei, dem Vaterlande so gleichsam aus dem Stegreife, und wann man gerade will, Hülfe zu leisten, so sehr es auch von Gefahren bedrängt seyn mag, wenn man nicht auf einem Standpunkte steht, wo man dazu befugt ist. Und da kommt mir immer besonders Das in den Aeußerungen jener gelehrten Männer sonderbar vor, daß sie, ungeachtet sie eingestehen, sie verstehen das Staatsschiff selbst bei ganz ruhigem Meere nicht zu lenken, da sie Dieß weder gelernt, noch nach der Kenntniß davon je getrachtet hätten, auftreten und sagen, sie werden sich an das Steuerruder stellen, wenn die Fluten recht heftig empört aufwallen.Darüber spricht Plato in seiner Republik VI, p. 487–489. Denn ganz offen pflegen sie zu sagen, ja sich dessen noch gar sehr zu rühmen, sie haben von den Regeln, wie man Staaten einrichten oder in ordentlichem Stande erhalten müsse, nie Etwas gelernt, und verstehen es auch nicht zu lehren, und äußern die Ansicht, nicht den Gelehrten und Weisen müsse man hierin Kenntniß zumuthen, sondern sie gehöre den in diesen Geschäften Geübten und Bewanderten. Wie reimt sich nun Dieß aber mit ihrer Aeußerung, sie wollen dem Staate erst dann doch mit Rath und That beistehen, wenn der dringendste Nothfall eingetreten 1056 sey, da sie doch in dem viel leichtern Falle, nämlich wenn gar keine Noth vorhanden ist, den Staat nicht zu lenken verstehen? Mein Urtheil ist: möchte es sogar wohl gethan seyn, daß der Weise sich nicht unaufgefordert in die Verwaltung des Staates zu mischen pflege, und daß er erst, wenn nöthigende Umstände eintreten, die Uebernahme einer solchen Verpflichtung nicht mehr verweigere; so wäre es doch gerathen, daß der Weise die Kenntniß der bürgerlichen Verhältnisse nicht vernachlässige; schon darum, weil er sich ja auch auf Das gefaßt machen sollte, wovon er nicht weiß, ob er nicht dennoch einmal davon werde Gebrauch machen müssen.Vergl. Plutarch reip. ger. praec. IX. p. 189. (Im 12ten Theile der Hutten'schen Ausgabe).
7. Ich habe mich hierüber aus dem Grunde ausführlich herausgelassen, weil ich mir vorgenommen habe, in dem vorliegenden Werke eine Untersuchung über den Staat niederzulegen. Damit aber diese Erörterung nicht als überflüssig erscheinen möchte, mußte ich doch erst die Bedenklichkeit aus dem Wege räumen, als sey vielleicht die Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten etwas Ungehöriges. Sollte es jedoch Welche geben, bei denen das Ansehen der Philosophen überwiegt, die mögen dem Folgenden einige Aufmerksamkeit schenken, und den Männern Gehör geben, die bei den unterrichtetsten Leuten im höchsten Ansehen und Ruhme stehen: Männern, von denen ich die Ueberzeugung habe, daß sie, falls auch Mancher von ihnen keine Rolle in Verwaltung des Staates gespielt haben sollte, dennoch, vermöge ihrer vielen Untersuchungen und Schriften über den Staat, in das 1057 Staatsleben selbst einigermaßen mit eingegriffen haben. Ohnedieß sind ja bekanntlich fast alle jene sieben Männer, welche die Griechen mit dem Beinamen Weise bezeichneten, so recht mitten im Staatsleben, also Staatsmänner gewesen. Es gibt aber auch wirklich gar keine Beschäftigung, wo des Menschen edelste Bestrebungen sich dem Walten der Götter mehr näherten, als bei der Gründung neuer oder bei Erhaltung schon bestehender Staaten.
8. Da ich nun in der günstigen Lage bin, daß ich in dieser Beziehung nicht nur in wirklicher Verwaltung des Staates etwas Denkwürdiges geleistet habe, sondern auch in der Entwicklung theoretischer Ansichten über das Staatsleben nicht bloß durch Uebung, sondern auch durch das Bestreben es richtig aufzufassen und vorzutragen, mir eine Gewandtheit erworben zu haben bewußt bin; während von meinen Vorgängern die Einen zwar im theoretischen Vortrage Meister waren, ohne jedoch im praktischen Leben eine politische Wirksamkeit aufweisen zu können: die Andern zwar praktisch tüchtig, aber darüber sich redend zu verbreiten unvermögend waren;Aehnliches Selbstlob ertheilt sich Cicero im Werke von den Gesetzen III, 6. 7. und in den Briefen ad Fam. VI, 6. so konnte ich mich an dieses Werk machen, ohne jedoch aus mir selbst eine bisher unerhörte und neu erfundene Theorie herauszuspinnen; ich brauchte vielmehr nur die Unterhaltung hochberühmter und ausgezeichnet weiser Männer Einer Zeit im Gedächtniß aufzufrischen und darzustellen, die mir und dir [Atticus] als Jüngling einst von P. Rutilius Rufus,S. unsere Einleitung III, 7. überhaupt den ganzen Abschnitt über die in dem Werke mitsprechenden Personen. als wir uns 1058 mehrere Tage beisammen in Smyrna befanden, vollständig mitgetheilt wurde; eine Unterhaltung, in welcher meines Erachtens fast Nichts übergangen ist, was über diesen Gegenstand in jeder Beziehung eine besondere Erörterung zu bedürfen scheinen möchte.
9. Da nämlich Publius Africanus, der Sohn des Paullus, unter dem Consulat des Tuditanus und Aquillius,Es war im J. Roms 625. vor Chr. Geb. 129. Die Latinischen Ferien wurden von Tarquinius Superb. dem Jupiter Latialis zu Ehren veranstaltet, und jährlich im April gefeiert. S. Nitschs Mythol. Wörterb. von Klopfer II, S. 141, Diese Unterhaltung fällt übrigens (nach dem 12. Cap.) in den Winter. sich vorgenommen hatte, die Latinischen Ferien auf seinen Gütern zuzubringen, und seine vertrautesten Freunde ihm zugesagt hatten, sie wollten sich im Laufe dieser Tage zahlreich bei ihm einfinden; kam gerade am [ersten] Tage des Latinerfestes zu ihm früh Morgens zuerst seiner Schwester Sohn, Quintus Tubero. Scipio grüßte ihn freundlich, bezeugte ihm Freude über seinen Besuch, und sagte dann: Bist du es, und so frühe, mein Tubero? Du hättest in diesen Ferien bequeme Gelegenheit gehabt, dich recht gemüthlich mit deinen Studien zu beschäftigen. – Nun, erwiederte er, an meine Bücher kann ich zu jeder Zeit gehen, denn sie sind nie von Geschäften in Beschlag genommen; aber dich einmal unbeschäftigt zu treffen, das muß man für ein hohes Glück schätzen, besonders bei den gegenwärtigen Bewegungen im Staate.Es sind die Gracchischen Unruhen gemeint. – Nun freilich, du findest mich so; aber doch ist 1059 meine Muße mehr äußerlich als innerlich: [denn mein Gemüth ist beschäftigt genug.] – Ey, erwiederte Tubero, du mußt auch dem Gemüthe eine Abspannung vergönnen; denn wir haben uns, unser Viele, entschlossen. wenn es dir nicht ganz ungelegen ist, deine gegenwärtige Muße in Beschlag zu nehmen. – Dagegen wende ich nichts ein; komme ich dadurch doch auch einmal wieder zu einer wissenschaftlichen Unterhaltung.
10. Nun, sprach Jener, weil du mich doch gewissermaßen aufrufst, und Hoffnung gibst, du werdest zu haben seyn, wollen wir nicht, mein Africanus, bevor noch die Andern kommen, uns erst darüber verständigen, was es denn mit jener Nebensonne für eine Bewandniß habe, von welcher im Senate die Meldung vorkam.Vgl. Cic. von der Nat. d. Gött. II, 5. Denn es sind nicht wenige und unbedeutende Gewährsmänner, welche zwo Sonnen gesehen zu haben behaupten; so daß wir in dem Falle sind, nicht sowohl ihnen Glauben versagen, als nach den Gründen dieser Erscheinung fragen zu müssen. Wie sehr wünschte ich, erwiederte Scipio, wir hätten unsern PanätiusPanätius aus Rhodus, ein Stoiker und Freund des Scipio. S. Cic. Acad. IV, 2. de Fin. IV, 9. ad Att. IX, 12. pro Mur. 31. Man hat über ihn eine eigene Schrift von van Lynden, einem Schüler Wyttenbachs (Lug. Bat. 1802.). Cicero hat sein Werk von den Pflichten nach ihm bearbeitet. hier bei uns. Das ist ein Mann, der unter andern besonders auch über dergleichen Ereignisse am Himmel vorzüglich eifrig nachzudenken pflegt. Wiewohl ich, mein Tubero, (denn ich äußere hier unter vier Augen meine Ansicht ganz unverholen) jenem 1060 unserm guten Freunde in Beziehung auf jenes ganze Gebiet der Forschung nicht so ganz Recht geben kann, da er sich über Dinge, über deren Wesen wir kaum Ahnungen und Vermuthungen wagen dürfen, so entscheidend ausspricht, daß man meinen sollte, er sehe sie mit leibhaften Augen, oder könne sie gar mir Händen greifen. Gerade darum fühle ich mich auch gedrungen, den Sokrates für um so weiser zu erklären, da er sich des Nachfragens nach allen dergleichen Dingen entschlagen, und geradezu behauptet hat, die Forschungen über das Wesen der Naturerscheinungen übersteigen entweder die menschlichen Geisteskräfte, oder sie seyen ohne allen Einfluß auf das Leben der Menschen [als Menschen].Dieß erzählt Cicero selbst Acad. I, 4. Tusc. V, 4. vergl. Valer. Max. III, 4. ext. 1. Diog. Laërt. II, 5. 6. Ich weiß doch nicht, mein Africanus, sagte darauf Tubero, warum denn so bestimmt dem Sokrates nachgesagt wird, er habe alle dergleichen Erörterungen verworfen, und in der Regel nur über das menschliche Leben von seiner moralischen Seite Untersuchungen angestellt. Denn, sprich, können wir über ihn einen vollgültigern Gewährsmann anführen, als Plato? und doch spricht Socrates in dessen Schriften an gar vielen Stellen, selbst wo er über Sittlichkeit, Tugend, ja über Staat und Verfassung sich ausläßt, dennoch so, daß er sich offenbar Mühe gibt, nach Pythagorischer Weise auf arithmetische, geometrische und musikalische Verhältnisse anzuspielen und sie einzuflechten.Dieß geschieht an mehrern Stellen der Platonischen Werke vom Staat und von den Gesetzen. Richtig, antwortete Scipio, so verhält es sich. Allein du hast doch, glaube ich, mein Tubero, 1061 schon gehört, daß Plato nach des Sokrates Tode sich, um seine Kenntnisse zu erweitern, erst nach Aegypten, späterhin nach Italien und Sicilien begeben habe, um sich eine gründliche Erkenntniß von den Entdeckungen des Pythagoras zu verschaffen;Ueber Plato's Reisen s. Cicero de Fin. V, 29. Tusc. I, 17. de Sen. 12. daß er viel Umgang mit dem Archytas von Tarent und mit dem Timäus von Lokri gehabt, auch sich die Aufsätze und Studien des Philolaus zu verschaffen gewußt;Ueber den Archytas s. Jos. Navarro de Archytae Tarentini Vita atque operibus. 8. Hafniae 1820. über den Philolaus A. Böckhs Werk: Philolaus des Pythagoreers Lehren nebst den Bruchstücken seines Werkes. 8. Berl. 1819. über den Timäus spricht Cicero de Fin. V, 12. und, da um jene Zeit in diesen Gegenden der Name des Pythagoras hochgefeiert war, sich ganz besonders an Pythagoreer und das Studium ihrer Lehren gehalten habe. Dem zufolge hat er denn, bei seiner so innigen Liebe zum Sokrates, den er zum Träger des Besten, was er wußte, zu machen gesonnen war, die Sokratische Laune und gerundete Feinheit des Ausdrucks mit dem Tiefsinn des Pythogoras und jenem Vollgehalt vielseitiger Kenntnisse verwebt.
11. Als Scipio Dieses gesprochen hatte, erblickte er auf einmal den eben eintretenden L. Furius, begrüßte ihn, faßte ihn mit warmer Freundlichkeit bei der Hand, und nöthigte ihn neben sich auf sein Polster zu sitzen. Und da zu gleicher Zeit P. Rutilius gekommen war, eben Der, welcher mir, wie gesagt, die ganze Unterhaltung mitgetheilt hat, begrüßte er auch Diesen, und wies ihm seinen Platz neben dem Tubero an. 1062 Nun, begann Furius, was treibt ihr eben? hat unsere Dazwischenkunft eine von euch schon angesponnene Unterhaltung gestört? O nein, erwiederte Africanus; denn die kurz vorher von Tubero aufgeworfene Frage gehört gerade in den Kreis von Gegenständen, die du mit besonderer Vorliebe zu untersuchen pflegst. Auch unser Rutilius hier pflegte sogar unter den Mauern von Numantia zuweilen über dergleichen Dinge sich mit mir in Untersuchungen einzulassen.Rutilius war nämlich mit dem Scipio vor Numantia. S. Appian Hisp. 88. Er schrieb auch ein Werk über den Numantinischen Krieg. Nun, so sprich, sagte Philus, was war denn der Gegenstand eurer Unterhaltung? Die Doppelsonne, antwortete Jener, du weißt ja: und ich möchte wirklich, mein Philus, auch deine Ansicht darüber vernehmen.
12. Kaum hatte er Dieß gesagt, da meldete ein Sklave, Lälius komme zu ihm, und bereits sey er aus dem Hause herausgetreten. Da zog Scipio Schuhe und ein [Ober]kleid an, trat aus dem Gemache, und, nachdem er ein Paarmal in der Säulenhalle auf und ab gegangen, begrüßte er den eintretenden Lälius und seine Begleiter, den Spurius Mummius, auf den er besonders viel hielt, den C. Fannius und den Q. Scävola, die Schwiegersöhne des Lälius, unterrichtete junge Männer, schon im Quästorenalter.Also wenigstens 27 Jahre alt. Die Quästur bahnte den Weg in den Senat. S. über die Quästoren Creuzers Abriß der Römischen Antiquitäten. 8. Darmst. 1824. S. 160–168. Nachdem er sie Alle begrüßt, machte er durch eine Umwendung in der Säulenhalle, daß Lälius in die Mitte kam. Es bestand 1063 nämlich unter diesen beiden Männern in ihren freundschaftlichen Verhältnissen eine Art von [stillschweigender] Uebereinkunft, daß im Felde Lälius dem Africanus wegen seines ausgezeichneten Kriegsruhmes einen fast übermenschlichen Rang einräumte; wogegen Scipio zu Hause den Lälius, als den Aeltern, mit einer Art von kindlicher Achtung verehrte.S. darüber Cicero von der Freundschaft XIX, 4. Als sie nun ein Paar Gänge durchwandelt und einige Worte mit einander gewechselt hatten, auch sich Scipio über ihre Ankunft sehr vergnügt und erfreut bezeugte, wurden sie einig, sich, weil es eben Winterzeit war, an dem sonnigsten Platze der kleinen Wiese niederzusetzen. Eben waren sie im Begriffe, Dieß zu thun, da trat noch M. Manilius zu ihnen, ein einsichtsvollerPrudens. A. M. versteht diesen Ausdruck von seinen Kenntnissen in der Jurisprudenz. S. das folg. Cap. gegen das Ende. und der ganzen Gesellschaft sehr willkommener und lieber Mann; der sich dann, nachdem ihn Scipio und die Andern auf's freundschaftlichste begrüßt, neben dem Lälius niederließ.
13. Ich denke, begann Philus, wir brauchen darum, weil diese [Freunde] gekommen sind, eben keinen andern Unterhaltungsstoff aufzusuchen, sondern den Gegenstand nur noch gründlicher zu besprechen, und darüber Etwas zu sagen, was von ihnen gehört zu werden verdient. Nun, fiel Lälius ein, woran waret ihr denn eben? worüber unterhieltet ihr euch denn, als wir euch unterbrachen? Philus. Soeben hatte mich Scipio gefragt, was ich denn von der von allen Seiten her bestätigten Nachricht halte, daß eine Doppelsonne gesehen 1064 worden sey? Lälius. Wirklich, Philus? sind wir schon so im Reinen mit Dem, was unser Haus [unsere nächsten Umgebungen] und unser Vaterland angeht, daß wir uns mit unsern Untersuchungen bereits bis zum Himmel versteigen? Nun, erwiederte Jener, meinst du nicht, es gehöre auch Das zu unserm Hause, daß wir wissen, was gerade zu Hause geschieht und vorgeht? Unser Haus aber nenne ich nicht den Raum, den unsere [vier] Wände einschließen, sondern die ganze Welt, die uns von den Göttern zur gemeinsamen Wohnung und Heimath mit ihnen angewiesen ist;Vergl. über diese Ansicht unsere Anmerkungen von Cic. de N. D. II, 55. 138. S. 442. der größern, und S. 163. der kleinern Ausg. Dann zum Cic. de Leg. I, 7. S. 55. f. Das. Turnebus S. 551, vgl. S. 758. zumal da wir, wenn wir damit unbekannt sind, mit gar Vielem und Bedeutendem unbekannt bleiben müssen. Ich meines Theils, und wahrhaftig auch du, Lälius, und Alle, die nach Weisheit streben, wir finden an der Erkenntniß und Betrachtung der Dinge schon an sich ein Vergnügen. Ich habe nichts dagegen, antwortete Lälius, besonders da wir gegenwärtig ja Ferien haben. Aber gibt es auch für uns noch Etwas zu hören, oder sind wir zu spät gekommen? Philus. Bis jetzt habt ihr noch Nichts versäumt. Und weil denn die Sache noch ganz unbesprochen ist, so möchte ich gar gerne dich, mein Lälius, als Sprecher darüber deine Stimme abgeben lassen. Lälius. Nein, dich wollen wir hören; es müßte nur etwa Manilius der Meinung seyn, es müsse zwischen den beiden Sonnen ein Interdict eingelegt werden, vermöge dessen sie den Besitz des Himmels so zusammen haben sollen, wie er bisher von der 1065 einen [oder] und der andern ausgeübt worden ist.Scherzhafte Anwendung der prätorischen Formel: uti nunc possidetis, quo minus ita possideatis, vim fieri veto: bei Gaius IV, 160. Wie, fiel Manilius ein, hörst du nimmer auf, mein Lälius, dich über die Wissenschaft lustig zu machen, in der du erstlich selbst Meister bist,Nach unserer Textesänderung. Nach der Handschrift hieße es: »in der ich – Meister bin.« und ohne die überdieß Niemand wissen kann, was sein, oder eines Fremden, Eigenthum ist? Doch hievon gleich nachher. Jetzt laß uns einmal den Philus vernehmen, der, wie ich sehe, bereits über wichtigere Gegenstände, als ich oder als P. Mucius, zu Rathe gezogen wird.
14. Da nahm Philus das Wort und sagte. Neues werde ich euch gerade nicht vortragen, oder etwas von mir Ausgedachtes oder Erfundenes. Es ist mir nämlich noch erinnerlich, wie C. Sulpicius Gallus,Cicero spricht öfters von ihm: z. B. Brut. 20. von der Freundschaft 2. und 6. pro Mur. 31. ad Fam. IV, 6. von seinen astronomischen Kenntnissen de Off. I, 6. de Sen. 14. bekanntlich ein sehr unterrichteter Mann, als man von einer ganz gleichen Erscheinung erzählte,S. Cicero de N. D. I, 25. Das. Wyttenbach S. 733. unserer größern Ausg. Vielleicht war es die unter den Consuln Ti. Sempronius Gracchus und M. Juventius Thalna im J. R. 591, von der Jul. Obsequens de Prodig. 12. spricht. und er sich gerade bei dem M. Marcellus, seinem vormaligen Mitconsul, befand, eine Sphäre [künstliche Maschine, die den Himmelslauf nachbildete] herbeibringen ließ, welche der Großvater des M. Marcellus nach der Eroberung 1066 von Syrakus aus der äußerst reichen und prachterfüllten Stadt mit nach Hause gebracht hatte,Ueber die Herrlichkeit von Syrakus spricht Cicero in Verr. Act. II. IV, 52. 117. ff. Ueber die Sphäre des Archimedes hatte Polybius in seinem 8ten Buche, das wir nicht mehr ganz haben, gesprochen. das einzige Stück von der unermeßlichen Beute, das er sich zueignete. Oft schon hatte ich von dieser Sphäre wegen des großen Ruhmes [ihres Verfertigers] des Archimedes sprechen hören, und verwunderte mich darum, als ich sie erblickte, nicht so sehr, zumal da jene Sphäre, welche derselbe Marcellus in dem Tempel der TugendS. darüber Creuzer zu Cic. de N. D. II, 25. S. 297; ausführlicher de Rhoer. Otium Daventr. p. 226. bis 231. niedergelegt hatte, und die gleichfalls von Archimedes verfertigt ist, weit schöner war und allgemeiner gepriesen wurde. Allein als Gallus die Einrichtung des Werkes mit größter Einsicht auseinander setzte, drang sich mir die Ueberzeugung auf, daß jener Sicilier ein Talent besessen haben müsse, das fast über die Gränzen der menschlichen Geisteskraft hinausreichte. Gallus sagte nämlich, jene andere massive und volle Sphäre sey eine alte Erfindung, und es sey eine solche zuerst von Thales von Milet verfertigt worden: später seyen auf dieselbe, sagte er, vom Eudoxus aus Gnidus,S. von ihm Cic. von der Weiss. II, 42. Er war, nach Strabo 17. S. 1159, mit dem Plato dreizehn Jahre in Aegypten, und lernte dort besonders die Astronomie, wodurch er dann die Jahresberechnung der Griechen verbesserte. einem Schüler des Plato, die am Himmel schwebenden [eigentlich hangenden] Gestirne verzeichnet worden, dessen ganze Pracht und Gruppirung nach dem Vorgange 1067 des Eudoxus viele Jahre später Aratus nicht mit astronomischer Kenntniß, sondern politischer Gewandtheit in einem Dichtwerke geschildert habe. Diese [andere] Form einer Sphäre, woran die Bewegungen der Sonne und des Mondes zu sehen wären, nebst denen der fünf Sterne, die man Irrsterne oder gleichsam schweifende nenne, habe sich an jener massiven Sphäre nicht anbringen lassen; und in diesem Puncte sey die Erfindung des Archimedes so bewundernswürdig, weil er das Mittel ausgesonnen habe, wie eine und dieselbe Umdrehung bei so ganz ungleichen Bewegungen, die so verschiedenartigen und mannigfaltigen Bahnen halten und nachweisen könne.Vergl. Cicero Tusc. I, 25. Wie Gallus diese Sphäre in Bewegung setzte, fand sich, daß an jenen Metallreifen der Mond nach eben so viel Umdrehungen, als Tagen am [wirklichen] Himmel, der Sonne nachkam; dem zufolge dann sich auf der Sphäre gleichfalls Sonnenfinsternisse zeigten, und auch der Mond in den Schattenkegel zu stehen kam, den die Erde warf, wenn die Sonne in gerader Linie * * * Zur Ergänzung: »mit der Erde und dem Monde zu stehen kam.« In der Lücke mag die Erklärung des Philus über die Nebensonne enthalten gewesen seyn, auf die im Anfang des 17ten Capitels angespielt wird, und daraus kann Ammian. Marcellin. XX, 3. seine Erzählung geschöpft haben.
[Lücke von acht Seiten.]
15. * * * gewesen; weil ich nicht nur selbst [Scipio spricht] den Mann [den C. Sulpicius Gallus] lieb hatte, sondern auch wußte, daß er meinem Valer Paullus besonders lieb und werth gewesen war. Ich erinnere mich (es war in 1068 meinen frühesten JünglingsjahrenScipio war in seinem 17ten Jahre mit seinem Vater Aemilius Paullus in Macedonien. S. Livius XLIV, 44. Es war im Jahre Roms 586.), wie mein Vater als Consul in Macedonien war, und wir uns im Lager befanden, daß unser Heer von abergläubischer Besorgniß und Furcht ergriffen war, weil bei heiterer Nacht auf einmal die helle Scheibe des Vollmonds sich verdunkelt hatte. Da setzte jener [Sulpicius] (er war gerade unser Legat, etwa ein Jahr, ehe er zum Consul ernannt wurde) den Tag darauf die Sache öffentlich im Lager belehrend auseinander und sagte geradezu, das sey gar nichts Außerordentliches, es habe sich diesesmal darum ereignet, und werde sich zu bestimmten Zeiten jedesmal wieder so ereignen, wann die Sonne eine solche Stellung hätte, daß ihr Lichtstrahl den Mond gar nicht treffen könne. Wirklich? sagte Tubero; das konnte der Mann jenen fast ganz ungebildeten Leuten begreiflich machen? und hatte Muth genug, vor ganz Unkundigen Dieß zu sagen? Sc. Ja wohl, und zwar mit großer [Zuversicht]Vielleicht ist auch zu ergänzen: »zum großen Vortheil unseres Heeres.« Die Lücke läßt sich durch die ausführlichere Erzählung der Sache ausfüllen, die sich bei Livius XVIV, 37., Plinius II, 12. Frontin. Strateg. I, 12. 8. Valer. Maxim. VIII, 11. 1. findet. * * *
[Lücke von wenigstens zwei Seiten.] * * *
[und dabei war weder] hochmüthiges Großthun, noch eine Ausdrucksweise, die sich mit der Würde eines Mannes von Charakter nicht vertragen hätte; er hatte indessen doch ein bedeutendes Resultat gewonnen, nämlich einer bestürzten Menschenmasse 1069 einen grundlosen Aberglauben und [daraus entstandene] Angst benommen.
16. Etwas Aehnliches soll ja auch PeriklesS. Valer. Maximus a. a. O. extr. 1. Plutarch im Leben des Perikles XXXV. Polybius IX, 19. Thucydid. VII, 50. f. Quintilian I, 10. in jenem furchtbaren Kriege, den die Athener und Lacedämonier gegen einander mit der größten Erbitterung führten, gethan haben, ein Mann, der durch persönliches Uebergewicht, durch Beredsamkeit und Einsicht die erste Rolle in seinem Vaterlande spielte. Als nämlich bei einer Sonnenfinsterniß es auf einmal dunkel geworden, und sich der Gemüther der Athener eine außerordentliche Furcht bemächtigt hatte, belehrte er seine Mitbürger, ganz so, wie er es von seinem ehmaligen Lehrer Anaxagoras vernommen hatte, dieses Ereigniß trete zu bestimmten und nothwendig erfolgenden Zeiten ein, wenn die ganze Mondscheibe gerade vor die Sonnenscheibe trete. und Dieß ereigne sich demnach, wiewohl nicht bei jedem Mondwechsel, aber doch immer nach Verlauf einer bestimmten Mondumlaufszeit.Darüber s. Thucyd. II, 28. Plin. I, 13. Amm. Marc. XX, 3. Dadurch nun, daß er Dieß belehrend und mit Gründen auseinander setzte, benahm er dem Volke die Furcht. Es war nämlich die Theorie, daß die Sonnenfinsterniß durch den zwischen die Erde und die Sonne tretenden Mond entstehe, damals noch ganz neu und unbekannt; und der Erste, der diese Bemerkung machte, soll Thales von Milet gewesen seyn.S. Diog. Laert. I, 1. 2. Plinius II, 12. Späterhin war Dieß auch unserm Ennius nicht unbekannt, demnach, wie er schreibt, daß ungefähr im Jahre Roms 350.
1070 – Mondesdunkel die Sonn' an den Nonen des Junius deckte.Aus den Annalen des Ennius (einer Art von historischem Epos) IV, 20. S. Plutarch. im Leben des Romulus 27.
Und wirklich herrscht in diesem Puncte eine solche Sicherheit und Gewandtheit der Berechnung, daß man von dem Tage an, den wir bei Ennius und in den Jahrbüchern der OberpriesterS. über sie Turnebus zu Cic. von den Gesetzen I, 2. 6. S. 533. uns. Ausg. vgl. unsere Anm. S. 16. verzeichnet finden, die frühern Sonnenfinsternisse rückwärts berechnet hat, bis zu der, welche sich am 7. Julius unter der Regierung des Romulus ereignet hat, bei welcher Sonnenfinsterniß Romulus, wenn er auch damals auf menschliche Weise diesem Erdenleben entrafft wurde, doch vermöge seiner Tugend zu den Unsterblichen entrückt worden seyn soll.S. Cicero's Aeußerung in seinen Paradox. I. 2. 11.
17. Da nahm Tubero das Wort und sagte: Siehst du, Africanus, was dir kurz vorhin nicht einleuchten wollte, daß gelehr * * * Vielleicht kann man, mit Rücksicht auf Scipio's Aeußerung C. 10., ergänzen: »daß gelehrte Forschungen der Art auch von Werth seyn, und auf sichere Resultate führen können?«
[Es fehlen zwei Seiten]
* * *In diese Lücke muß der Gedanke fallen, daß die im 10ten Cap. ausgesprochene Ansicht des Scipio, die Astronomen nehmen sich in ihren Behauptungen zu viel heraus, durch das Bisherige einigermaßen widerlegt sey. Da, wo der Text jetzt fortfährt, nimmt nun Scipio Veranlassung, von der Größe des Weltalls einen Blick auf die Kleinlichkeit der irdischen und menschlichen Verhältnisse zu werfen. das mögen die Andern bedenken. Was kann ferner Einer, der einen Blick in diese Reiche der Götter 1071 gethan, entweder für herrlich halten in den menschlichen Verhältnissen, oder für dauernd Der, welcher erkannt hat, was ewig ist, oder für ruhmvoll Derjenige, der sich überzeugt hat, wie klein die Erde ist; schon im Ganzen, und dann noch davon der Theil derselben, den die Menschen bewohnen; und wie [lächerlich] wir, auf einem ganz kleinen Fleckchen festgebannt, selbst den meisten Völkern vollkommen unbekannt, dennoch hoffen, daß unseres Namens Ruhm, wer weiß wie weit, fliegen und sich verbreiten werde:Diesen Gedanken führt Cicero unten VI, 19. ff. weiter aus. der ferner Ländereien, und Gebäude, und Viehheerden, und eine unermeßliche Masse Silbers und Goldes weder für Güter zu halten noch so zu nennen pflegt, weil ihm der Genuß von diesen Dingen werthlos, ihr Nutzen unbedeutend, weil ihr Besitz unsicher ist, und weil sie oft auch in unermeßlicher Menge als Eigenthum der verabscheuungswürdigsten Menschen erscheinen.Platonischer Gedanke, aus dessen Werk von den Gesetzen V, 742. aber gemildert. Von Scipio's Genügsamkeit spricht Cicero im Redner 70. Parad. 6, Polybius XXXII, 12. und Andere. Für wie hochbegütert ist Derjenige zu achten, der allein mit Wahrheit Alles als sein Eigenthum anzusprechen die Befugniß hat, nicht nach dem Quiritenrechte [Römischen Eigenthumsrechte],S. über das Jus Quiritium Creuzers Römische Antiquitäten S. 243. Ueber den Schuldverband (nexus) s. Mayers Römische Alterthümer S. 339. f. sondern nach dem Rechte der Weisen; nicht nach bürgerlichem Schuldverbande, sondern nach dem gemeinsamen Gesetze der Natur, welches nicht haben will, daß irgend Etwas Jemands Eigenthum sey, außer Dessen, der es zu behandeln und zu 1072 gebrauchen versteht, der die Ansicht hat, daß unsere Befehlshaberstellen und Consulwürden unter die Dinge gehören, denen man sich unterziehen, nicht die man sich wünschen müsse, die man auf sich nehmen soll, um das Seinige zum Dienste des Vaterlandes beizutragen, die man aber nicht der Belohnungen oder des Ruhms wegen suchen dürfe; der endlich, wie, nach der Erzählung des Cato, mein Großvater Africanus zu sagen pflegte, von sich rühmen kann, daß er nie mehr thue, als wenn er Nichts zu thun habe, daß er nie weniger allein sey, als wenn er allein sey.Dasselbe sagt Cicero von den Pflichten III, 1. Denn Wer kann mit Wahrheit glauben, daß Dionysius, als er durch alle möglichen Ränke seinen Mitbürgern ihre Freiheit raubte, mehr gethan habe, als sein Mitbürger Archimedes, als er eben jene Sphäre, von der vorhin die Rede war, verfertigte, zu einer Zeit, wo er Nichts zu thun schien? Wer muß aber nicht Diejenigen mehr für einsam halten, die auf dem Markte und im Volksgewühle Niemand haben, mit dem sie sprechen möchten, als Die, welche, ohne einen Zeugen um sich zu haben, sich entweder mit sich selbst unterhalten, oder dadurch sich gleichsam in die Versammlung der kenntnißreichsten Männer versetzen, daß sie sich an ihren Entdeckungen und Schriften erfreuen? Wer aber darf Jemanden für reicher halten, als Den, dem Nichts von Dem gebricht, was die Natur als ihr Bedürfniß anspricht? oder für mächtiger, als Den, der Alles, was er begehrt, auch wirklich bekommt? oder für glückseliger, als Den, der von aller Störung der Gemüthsruhe befreit bleibt? oder im Besitze eines gesichertern Wohlstandes, als 1073 Den, der Dasjenige besitzt, was, wie man im Sprüchwort sagt, er auch aus dem Schiffbruche mit sich retten kann?Bekannt ist eine ähnliche Aeußerung des Philosophen Bias bei Cicero, Parad. I, 2. 8. Vgl. Valer. Max. VII, 2. ext. 3. Kann aber Einer mit der Feldherrnwürde, in einer Beamtenstelle, ja im Königsrange höher stehen, als ein Mann, der allen menschlichen Tand verachtet, und ihn tief unter der Weisheit erblickt, und der nie etwas [Geringeres] als Ewiges und Göttliches in seinem Geiste erwägt und erstrebt? Der überzeugt ist, es tragen zwar auch die Andern den Namen Menschen, [wahre Menschen] seyen aber nur Die, welche durch reinmenschliche Geistesbildung aus der Gemeinheit sich emporgearbeitet haben? Demnach erscheint mir jenes Wort des Plato, oder Wer es sonst gesagt haben mag,Nach Diog. Laert. II, 8. 4. hat es Aristippus gesagt. höchst treffend; als er nämlich von der hohen See durch den Sturm an ein unbekanntes Land und eine verödete Küste verschlagen worden war, und seine Gefährten wegen der Ungewißheit, wo sie denn wären, Angst verriethen; soll er im Sande die Zeichnung einiger geometrischen Figuren bemerkt, und bei deren Anblick sogleich ihnen zugerufen haben, sie sollten gutes Muthes seyn, denn er sehe Spuren von Menschen, und diese deutete er nicht aus einem etwa erblickten angebauten Acker heraus, sondern aus jenen Geistesbildung verrathenden Gestalten. Und aus diesem Grunde, mein Tubero, haben mir immer wissenschaftliche Bildung und wissenschaftlich gebildete Menschen und jene Studien, die du treibst, gefallen.
1074 18. Da sprach Lälius: Zwar wage ich es nicht, mein Scipio, gegen Dieß Einwendungen vorzubringen, und nicht sowohl dich und den Philus und Manilius * * * Etwa so zu ergänzen: – »will ich tadeln, so hoch stehende und bejahrte Männer: sondern ich meine nur, unser junger Freund Tubero versteige sich etwas zu stark in diejenige Philosophie, die über die Erde hinaus will, und hätte zum Anfange der Unterhaltung nicht gerade jene Frage nach der Doppelsonne an dich [Scipio] thun sollen.«
[Lücke von zwei Seiten.]
* * * mit ihm von Vaterseite verwandt war unser Freund, der wohl verdient, von diesem [dem Tubero] zum Muster genommen zu werden:
Sextus Aelius, kundig, gewandt und verständigen Sinnes:Bei Ennius in den Annalen X, 5. Aelius Sextus war einer der Vorfahren des Tubero.
und wirklich war der Mann recht verständigen Sinnes und gewandt, wie ihn Ennius schildert; nicht darum, weil er Dinge untersuchte, hinter die er nie hätte kommen können, sondern weil er solche [Rechts-] Gutachten ertheilte, welche Die, die ihn zu Rathe zogen, von Sorge und Unruhe befreiten, und darum, weil er, wenn er gegen die Studien des Gallus sprach, immer jene Worte des Achilles aus der Iphigenia [des Ennius oder des Nävius] im Munde führte:
1075 Doch sagte derselbe Mann (denn ich hörte ihn gar oft und gerne), jener Zethus bei PacuviusDer Tragiker Pacuvius, Schwestersohn des Ennius, war aus Brundusium. Zethus war des Juppiter und der Antiope Sohn, und Bruder des Amphion. Ueber Beide s. Nitsch's Mythol. Wörterb, von Klopfer, unter deren Namen. sey den Wissenschaften gar zu abhold: besser gefiel ihm Neoptolemus bei Ennius, welcher sagt: das Philosophiren liebe er, nur aber kurz; denn Nichts thun, als Das, sey ihm zuwider.Cicero bringt die Stelle in seinen Werken öfters an. Vgl. Tusc. II, 1., vom Redner II, 37. Indessen wenn euch die Studien der Griechen so gar sehr behagen, so gibt es doch noch andere zwanglosere und umfassendere, von denen sich auch eine Anwendung auf das Leben, oder auch selbst auf den Staat machen läßt. Jene Wissenschaften jedoch, wenn sie anders einen Werth haben, dienen dazu, den Geist der jungen Leute einigermaßen zu schärfen und gleichsam aufzureizen, damit er das Wichtigere desto leichter erfassen könne.
19. Nun gut, sagte Tubero, ich gebe dir Recht, Lälius; allein ich möchte wissen, was du denn unter dem Wichtigern verstehst. Lälius. Das will ich dir wahrhaftig gleich sagen, selbst auf die Gefahr hin, von dir verächtlich angesehen zu werden, da du den Scipio über jene Dinge am Himmel befragt hast, während ich der Ansicht bin, man müsse sich mehr um Das bekümmern, was unmittelbar vor den Augen liegt. Warum denn, frage ich, forscht der Enkel des L. Paullus,Er ist Sohn der Aemilia, der Tochter des Paullus, der Schwester des Africanus. 1076 der einen solchen Oheim hat,Nämlich eben den Africanus. der in der ruhmreichsten Familie und in einem so berühmten Staate geboren ist, darnach, wie es sich mit der Erscheinung der Doppelsonne verhalte, anstatt zu forschen, warum in Einem Staate gegenwärtig zwei Senate und fast gar zwei Völker sich finden? Hat doch, wie ihr seht, der Tod des Tiberius Gracchus und früher schon dessen ganzes Benehmen in seinem Tribunate das Eine Volk in zwo Parteien zerspalten,Ueber die Gracchischen Unruhen hat man eine Schrift von Hegewisch 8. Hamb. 1801. S. auch Heerens kleine Schriften I. S. 147. die Verläumder und Neider des Scipio dagegen, nachdem einmal von P. Crassus und Appius Claudius der Anfang gemacht worden,Als Tib. Gracchus das Ackergesetz vorschlug, unterstützten es Appius Claudius, ein Mann vom höchsten Ansehen, sein Schwiegervater, ferner P. Crassus Mucianus und P. Mucius Scävola, dessen Bruder. S. Plutarch. im Leben des Gracchus 9. Cic. Acad. IV, 5. erhalten demungeachtet, ob jene gleich todt sind, den einen Theil des Senats, angestiftet von Metellus und P. Mucius, in Feindschaft gegen uns, und, indem sie die Bundesgenossen und Latiner aufhetzen, die Verträge gebrochen werden, die unruhstiftenden TriumvirnDie Triumvirn zur Vollziehung des im J. R. 620. durchgegangenen Ackergesetzes waren Tib. und C. Gracchus und Appius Claudius Pulcher. Auf den Letztern folgte C. Papirius Carbo, auf den Tib. Gracchus folgte P. Crassus, und, als Dieser in einer Schlacht (Liv. Epit. 59.) gefallen war, M. Fulvius Flaccus. – Metellus ist Q. Cäcilius Metellus Macedonicus, Sein Verhältniß zu Scipio s. bei Cicero von der Freundsch. 21. – Ueber die Bundesgenossen und Latiner und deren Aufhetzung spricht Appian Bürg. Kr. I, 21. 23. täglich neue Unordnungen veranlassen, 1077 die wohlhabenden Vaterlandsfreunde aber eingeschüchtert sind, machen sie, daß der einzige Mann, der es vermag, bei diesen gefahrvollen Zeiten nicht helfend einschreitet. Darum, meine jungen Freunde, laßt euch rathen, und fürchtet die Nebensonne nicht; denn entweder kann es keine geben, oder wenn auch ihre Erscheinung keine optische Täuschung ist, so darf euch darüber keine Besorgniß anwandeln, oder wir können von dergleichen Dingen gar Nichts wissen; oder wenn wir auch davon alles Mögliche wüßten, so kann uns doch ein solches Wissen weder besser noch glücklicher machen. Daß wir aber Einen Staat und Ein Volk haben, das ist nicht nur möglich, sondern es ist auch höchst nachtheilig, wenn es nicht so ist: zudem wissen wir, daß es nicht so ist, und sehen zugleich, daß wir, wenn es dahin gebracht wird, besser und beglückter leben werden.