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Bötjer Basch

Eine Geschichte von Theodor Storm

›Es ist kein Kunstwerk, nur eine Erinnerung, zu deren Niederschrift ich heute meine Feder ansetze‹, beginnt Theodor Storm seine neueste novellistische Arbeit. Ich will mich hier nicht auf eine ästhetische Erörterung über den sehr flüssigen und dehnbaren Begriff ›Kunstwerk‹ einlassen. Mag die Geschichte des wackeren Bötjer Basch nun ein Kunstwerk sein oder nicht – der Niederschrift ist sie jedenfalls wert gewesen.

Theodor Storm hat nie eine bedeutende künstlerische Individualität dargestellt. Er hat nie einen eigentlichen ›Sturm und Drang‹ durchgemacht – er ist in gewissem Sinne nie künstlerisch jung gewesen. Die Herren unserer Literatur sind zu jener, von Berufenen, zumeist aber von Unberufenen, gerühmten ›Objektivität‹ erst durchdrungen, nachdem sie sich in stürmischer Subjektivität ausgelebt. Theodor Storm ist in einer kleinen norddeutschen Stadt groß geworden. Aber die Enge der Verhältnisse, in die er hineingestellt worden, hat ihn niemals auf sich selbst zurückgewiesen, hat ihm nie eine heiße, unbändige Sehnsucht nach der Weite geweckt und genährt. Er hat sich dieser Enge angepaßt – er hat es früh gelernt, sie hellen Auges objektiv zu studieren. Und so ist er, der für die Schilderung der kleinen Welt innerhalb der vier Wände von vornherein glücklich Beanlagte, imstande gewesen, uns im Laufe der Jahre jene stattliche Reihe von im besten Sinne ›stimmungsvollen‹ Lebensmärchen zu bescheren, die ihm die Gunst der deutschen Leserwelt in so reichem Maße eingetragen.

Was bei der Lektüre dieser einfachen Geschichte aus dem sehr einfachen Leben des Böttchermeisters Daniel Basch so eigentümlich fesselt, ja ergreift, ist einerseits die köstliche Deutlichkeit, mit welcher die Atmosphäre der nordischen Kleinstadt wiedergegeben ist – und andererseits die Fülle von anheimelnden Einzelzügen, die das im Grunde fast nichtssagende, belanglose, eines wirklichen Konflikts bare Motiv heben und verlebendigen.

Daniel Basch heiratet erst in ziemlich vorgerückten Jahren. Seine Frau stirbt bei der Geburt des zweiten Kindes. Das erste Kind ist ein Knabe, der sich zu einem handfesten Burschen entwickelt. Dieser Bursche geht später nach Amerika. In Kalifornien wird er Goldgräber. Unterdessen aber, während er versucht, jenseits des Ozeans sein Glück zu machen, geht es seinem Vater ziemlich schlecht. Der alte Basch kommt immer mehr herunter. Ein Lebensstern nach dem andern erbleicht ihm. Es wird ihm die Kunde zugetragen, daß sein Sohn in Kalifornien erstochen sei. Nun wird es ganz dunkel in ihm und um ihn – nun hat er ›bloß noch die Ewigkeit vor sich‹ ... In einem Verzweiflungsanfall will er sich ertränken. Er wird gerettet. Da kehrt sein Sohn in die Heimat zurück – und auf den Trümmern des alten Glücks baut sich ein neues auf. Eine neue Sonne ist aufgegangen. Die frische, ehrliche Jugend, die sich hier und da schon versucht hat, und mit einem gewissen Erfolg versucht hat, steht immer im Zeichen der Zukunft. Und an der Jugend sonnt sich und wärmt sich das Alter. Zum letzten Male schlingt sich eine goldene Lichtgloriole um das weiße, zitternde Haupt des Greises.

Wer je in einer Kleinstadt gelebt, wer es je vermocht hat, sich in die schlichte, innige Poesie zu vertiefen, an der auch ein Dasein reich, das sich in engsten Grenzen vollzieht, wird von der Geschichte Theodor Storms lebhaft bewegt und ergriffen werden.

Eines der schönsten Gedichte Theodor Storms nennt sich ›Abseits‹. Es malt die verhaltene Poesie des Heidelebens. Ich möchte sagen, daß dieses ›Abseits‹ das Motto der gesamten künstlerischen Tätigkeit Storms geworden. Wie sich abseits von der großen Heerstraße, draußen und hinten in der Befangenheit der Kleinstadt, die Schicksale zumeist ziemlich ›altfränkischer‹ Leute erfüllen – hat das je einer so rührend geschildert wie Theodor Storm? Auf seiner Domäne ist Storm Meister. Freilich ist diese Domäne nicht sehr umfangreich.


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