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Ecce Deus magnus … Si voluerit extendere nubes quasi tentorium suum; et fulgurare lumine suo desuper, cardines quoque maris operiet.
Job. C. xxxvi, v. 26. 29. 30.
In dieser Nacht, während ich ruhig schlief, hatte ein Gewitter die Luft mit neuer Lebenskraft erfüllt und das durstige Erdreich getränkt und gelabt. Noch fiel der Regen sanft aus dem überzogenen Himmel, als ich frisch und munter aus meinem Bette sprang.
Wohl zwanzigmal durchwanderte ich den Garten, um aufmerksam zu erforschen, welch' neues Aussehen der Regen den Naturwesen verliehen. Die Blumen waren geschlossen, viele Pflanzen hatten ihre Blätter entfaltet: kein Vogel sang seinem Kameraden einen guten Morgen zu; kein Schmetterling flatterte über die Blumen. Alles schien erwartungsvoll, bewegungslos und schweigend. Es lag etwas Feierliches in der allgemeinen Stille, die mich umgab. Vor einer geheimen Macht zu träumen gezwungen, suchte ich unter einem schützenden Obdach ein stilles Plätzchen und saß bald, sinnend und das Haupt in die Hände gestützt, in der Stimmung der wartenden Natur da.
Endlich, nach mehr als einer Stunde, hörte der Regen auf, ohne daß jedoch die Sonne sich durch die Wolken Bahn brach. Nun begann sich bald da, bald dort halb mißtrauisch ein Ton hören zu lassen; nach und nach verbanden sich viele andere Stimmen mit der ersten. Es war, als ob irgendwo ein schläfriger Tonkünstler auf einem unermeßlichen Klavier seine Hände hin- und herirren ließe, erwartend, daß das Zeichen gegeben würde.
Plötzlich verschwand die letzte Wolke vor der Sonnenscheibe; eine prachtvolle Strahlengluth ergoß sich über die funkelnden Pflanzen und erschloß Blumen und Blätter.
Die Vögel schossen singend durch die erfrischte Luft; die Schmetterlinge flatterten über dem nassen Blätterwerke; die Bienen brachen schwärmend aus ihren Körben und in wenigen Augenblicken wimmelte der Boden und die Luft von tausend frohen Geschöpfen, jedes in seiner Sprache einen Lobgesang dem Schöpfer zujauchzend, der den frischen Regen und die warme Sonne gemacht hat.
Als mein Lehrmeister, später am Tage, zu mir kam, saß ich auf einem Fußpfade niedergebückt da, einen grünen Stoff betrachtend, den unser Gärtner Donnergrün oder Regengrün nennt und für etwas hält, was während des Ungewitters aus der Luft fällt. Ich war sehr geneigt, seiner Ansicht beizupflichten, da ich wohl wußte, daß auf dem Fußpfade am Tage zuvor nicht die mindeste Spur von Regengrün zu bemerken gewesen und es nun üppig wie ein schleimig Moos den ganzen Weg bedeckte.
Mein Lehrmeister lachte bereits von ferne; ich fühlte, daß er meine Ansicht schon zum Voraus wußte und wahrscheinlich als einen Irrthum auflösen würde.
Als er mir näher kam, fragte er:
»Glaubst Du auch, daß das Nostok aus der Luft fällt?«
»Glauben darf ich es nicht,« antwortete ich, »doch bin ich dazu geneigt, wenn Du, mein Vater, meinem Geiste nicht ein neues Licht darüber schenkst.«
»Das Nostok, Cryptogamia algae. Nostochinae. Nostoc commune, pruniforme, sphaericum verrucosum. das man gewöhnlich Regengrün nennt, ist eine Pflanze, mein Sohn,« sagte der Greis. »Es gehört zu dem Geschlechte der Algen und theilt sich in zehn Arten, die, unter der gleichen Benennung sehr verschieden in der Form sind und je an besonderen und für das Wachsthum förderlichen Orten gedeihen.
Was Dich über sein Wesen irre macht, ist, daß Du es nur mit dem Regen erscheinen und nach dem Regen wieder verschwinden siehst.
Aber bemerke wohl, daß es aus einem leimigen Stoffe besteht, der durch Austrocknung sich so ineinander ballt, daß es ganz unsichtbar wird und durch das Wasser angeschwellt, wieder sichtbar und greifbar erscheint. Ueberdieß ist es nicht unmöglich, daß solche niedrigen Pflanzen in einer halben Stunde zum vollen Wachsthum kommen, und geschähe es auch, daß das Nostok wirklich stürbe und verschwände, sobald der Boden aufgetrocknet ist, so müßtest Du doch annehmen, daß die unsichtbaren Stoffe, welche es zurückläßt, sein Same oder seine Keime sind, aus denen es bei der ersten Befeuchtung aufschießen wird. Bemerke den Platz, wo Du das Nostok jetzt siehst: ich zweifle nicht, es wird nach dem ersten guten Regen wieder hervorkommen. Ich könnte Dir auf Mauern, an Sümpfen und an verschiedenen Orten Nostok zeigen, dessen Gestalt, wenn auch von einander verschieden, doch immer in jeder Art sich ähnlich bleibt. Wenn das Nostok aus dem Himmel fiele, würde man es ohne Unterschied an allen Orten antreffen; dies ist jedoch nicht der Fall, mein Sohn. Das Nostok, wie alle anderen Pflanzen, erfordert eine besondere Art von Boden, den sein Samen oder Keim finden muß, um zu gedeihen. – Aber lasse nun das Nostok stehen; kehre Dich um und steh'! Da glänzt der prächtige Regenbogen wie eine Riesenbrücke mit seinen Füßen auf der Erde und seinem Kopf am Himmel!«
»Wie schön ist doch dies überraschende Naturschauspiel!« rief ich aus, »es steht mit seinen reichen und zarten Farben da, ehe wir es wissen und erfreut unser Auge, wie ein väterliches Lächeln Gottes nach dem Ungewitter. O, Meister, sage mir, woher der Regenbogen kommt; zeige mir die Zaubergluth, die so plötzlich diese schönste aller Lufterscheinungen aus dem Nichts hervorruft?«
»Die Erklärung der Ursachen des Regenbogens ist nicht schwer, mein Sohn,« sprach der Greis; »im Gegentheil, es gibt keine Lufterscheinung, welche die Gelehrten besser kennen; aber für Dich ist die Erklärung schwer zu verstehen, da Du gewisse Kenntnisse, welche vorausgehen müssen, nicht besitzest. Wenn ich Dich später über die Art, den Ursprung und die Wirkung des Lichtes unterrichtet haben werde, magst Du die Geheimnisse des Regenbogens von selbst errathen. Ich will jedoch eine einfache Erklärung versuchen.
Der Regenbogen ist eine Wiederspiegelung der Sonnenstrahlen in einer Regenwolke. Nie erscheint er für unser Auge, wenn nicht zu gleicher Zeit Sonnenschein und Regen in unserem Gesichtskreise sind. Der Regenbogen steht immer der Sonne gegenüber, und wir sehen ihn nur, wenn wir uns zwischen der Sonne und der Regenwolke befinden. Wäre der Regenbogen für uns ganz sichtbar, so würde er einen vollkommenen Kreis bilden. Das Auge dessen, der einen Regenbogen sieht, befindet sich immer gerade über dem Mittelpunkt des Kreises, von welchem der Regenbogen ein Theil ist. Wenn deßhalb zwei oder hundert Personen einen Regenbogen betrachten, so sieht jede einen verschiedenen Bogen, der immer im Auge des Betrachtenden seinen Mittelpunkt hat. Seine Höhe hängt von dem Stand der Sonne am Horizonte ab; je tiefer die Sonne steht, desto höher reicht der Bogen und deßhalb ist er Morgens und Abends am größten.
Es beweist Dir dies genugsam, daß diese schöne Erscheinung von der Sonne und einer Regenwolke bewirkt wird; aber Du begreifst noch nicht, woraus seine prächtigen Farben entstehen, da die Sonne Dir als eine goldgelbe Scheibe erscheint, an der weder Roth, noch Blau zu bemerken ist. Höre mir aufmerksam zu; ich werde Dir einen Versuch schildern, den wir später gemeinsam wiederholen wollen.
In den Fensterschirm eines dunklen Zimmers bohre ich ein rundes Loch und bringe vor dasselbe einen glatten Spiegel, damit der aufgefangene Sonnenstrahl durch das gebohrte Loch gerade in das dunkle Zimmer falle. Dann sehe ich auf der dunkeln Wand des Zimmers ein rundes Bild des Lichtes, das alle erdenklichen weißen Gegenstände an Weiße übertrifft. Das reine Sonnenlicht, mein Sohn, ist weiß; indessen sage ich Dir, was Dich wundern wird, jeder Lichtstrahl besteht aus sieben kleineren Strahlen, von denen jeder eine besondere Farbe hat. Um Dir dies zu zeigen, lasse ich den weißen Lichtstrahl durch ein geschliffenes Glas dringen, das die Eigenschaft besitzt, die Strahlen zu brechen und die darin enthaltenen Farben zu zerstreuen. Nun sehe ich auf der Wand, statt des weißen Lichtbildes, sieben schöne Farben in folgender Ordnung: violett, indigo, blau, grün, gelb, orange und roth. Dieses siebenfarbige Lichtbild nennt man Farbenspektrum (Farbenbild). Um zu beweisen, daß das weiße Licht aus diesen Farben besteht, lasse ich dasselbe durch ein zweites Glas gehen, das die zerstreuten Strahlen wieder sammelt – und siehe, das Licht, das unterwegs einmal zerstreut und einmal wieder vereinigt wird, ist rein weiß, wie Zucker.
Wenn ich Dir nun sage, daß die Regentropfen, wie mein erstes Glas, die Lichtstrahlen brechen, und ihre Farben zerstreuen, wird es Dir nicht mehr schwer fallen, zu begreifen, daß ein Regenbogen nur ein riesenhaftes Farbenspektrum ist, das demjenigen gleicht, welches ich in meinem Zimmer nach Belieben erscheinen machen kann. Betrachte nun wieder den Regenbogen in der Luft: er ist sehr blaß geworden, doch noch sichtbar. Dieselben Farben, wie mein Spektrum, zeigt er Dir auch: der oberste Streifen ist der rothe; weiter herab folgen die übrigen Farben regelmäßig, in ihrer natürlichen Ordnung: der mittlere Streifen ist violett. So ist der Regenbogen immer, mein Sohn. Bisweilen erscheint jedoch neben und über dem Hauptbogen ein schwächerer, den man den sekundären Bogen nennt. Der Hauptbogen ist immer derselbe; aber der undeutlichere, sekundäre Bogen zeigt seine Farben stets in umgekehrter Ordnung; nämlich das Rothe unten und das Violette oben. Dieser Unterschied hat seine Ursache in der größeren Höhe der Regentropfen, in welchen sich der sekundäre Bogen spiegelt, und die zur Folge hat, daß unser Auge die gebrochenen Lichtstrahlen nicht in derselben Richtung empfängt. – Begreifst Du nun die Art und den Ursprung der schönsten Lufterscheinung, mein Kind?«
»Vollkommen, Meister,« antwortete ich. »O seid so gut, und zeigt mir das hübsche Farbenspektrum in Eurem Zimmer?«
»Heute nicht,« sagte er. »Ich bedarf dazu einiger Gläser, die ich jetzt nicht bei mir habe; überdieß hängt dieser Versuch mit vielen anderen zusammen, die wir alle anstellen werden, wenn wir über die Naturlehre im Allgemeinen sprechen. Da wir diesen Morgen mit der Betrachtung einer Naturerscheinung begonnen haben, so wollen wir zu den anderen übergehen und untersuchen, was Regen, Schnee und Donner ist. Komm, laß' uns in die Laube sitzen.«
Nachdem wir uns gesetzt hatten, begann mein Lehrmeister also zu sprechen:
»Du weißt, mein Sohn, wie außerordentlich schön ein frischer Sommermorgen ist. Die Sonne lacht aus ihrem blauen Lazur, wie eine gute Freundin uns entgegen; alle Naturstimmen steigen auf zu dem Herrn; die Pflanzen, durch die Mittagshitze des vorhergehenden Tages versengt, haben ihre Stämme wieder aufgerichtet und starren vor Lebenskraft; erquickende Düfte wogen auf den Flügeln des sanften Morgenwindes; so weit das Auge reichen kann, ist das Erdreich mit den allerschönsten Perlen besäet: in dem Herzen jeder Blume, auf jedem Blatte glänzt ein Diamant, in welchem die Sonne sich mit ihrem siebenfachen Farbenspiele wiederspiegelt. Gewiß hast Du Dein Auge oft mit Entzücken auf diesem glänzenden Gefunkel ruhen lassen und die Pracht des Morgenkleides der Natur bewundert, aber hast Du Dich je einmal selbst gefragt, wie die Hand Gottes die Thauperlen über das Erdreich streut? Hast Du zu errathen gesucht, woher der Thau kommt?«
»O, ich weiß es wohl,« rief ich freudig aus, »der Thau entsteht aus den Dünsten der Erde, die durch die nächtliche Kälte in Wasser verwandelt und niedergeschlagen werden.« Jedermann weiß, daß die Wärme des Wassers sich in Dampf verflüchtigt und daß die Kälte, welche eine entgegengesetzte Wirkung hat, den Dampf zusammenballt und wieder in Wasser verwandelt und niederschlägt. Man sieht täglich diese Naturerscheinung in unsern Häusern: Wasser in einem Kessel siedend verfliegt nach und nach in Dampf; wenn man über den Kessel einen kälteren Körper hält, einen Deckel zum Beispiel, so wird der Dampf an seiner Oberfläche zusammengezogen und fällt in Tropfen nieder. Der Athem der Menschen ist immer feucht, aber in der Wärme unsichtbar; Winters jedoch, wenn die Luft sehr kalt ist, wird der ausgestoßene Athem plötzlich zusammengezogen, und wir sehen ihn unter der Gestalt von Dampfwolken aus unserem Munde kommen. So ist es auch mit dem Zufrieren der Fenster im Winter. Der Athem und andere leichte Dämpfe sind in einem warmen Zimmer nicht sichtbar. Wenn sie aber die kalten Fenster berühren, ballen sie sich zu Wasser zusammen und frieren das Fenster zu, wenn die Kälte der Außenluft unter den Gefrierpunkt gesunken ist.
»Es ist in der That so, mein Sohn,« fuhr der Greis fort, »und es wird Dir leicht fallen, zu begreifen, was bei der Thaubildung vorgeht. Du weißt, daß während eines heißen Tages das Wasser und die Feuchtigkeit des Bodens reichlich ausdünsten und die Luft mit für uns unsichtbaren Dämpfen erfüllen. Abends verlieren die Körper, welche sich an der Oberfläche des Bodens befinden, eine große Masse ihrer Wärme nach den Gesetzen der Wärmeausstrahlung. Dadurch erkaltet die unterste Luftschichte und die Dämpfe, die sich dort befinden, erst in sichtbare Nebel, dann in Wasser verwandelt, schlagen sich auf die Körper nieder, die die meiste Wärme ausstrahlen und also die kältesten sind. Da eine geschwängerte Luft die Wärmeausstrahlung der Körper hindert, so sieht man keinen Thau entstehen, wenn der Himmel von Wolken verdunkelt ist. Obwohl der Thau unserer Forschung wenig wunderbares bietet, so ist er nichts desto weniger eine der größten Wohlthaten des Schöpfers; ohne ihn würden viele heiße Länder für Menschen und Thier unbewohnbar sein, da alle Gewächse verkohlen und verderben müßten und selbst in den gemäßigten Zonen könnten wahrscheinlich die Gewächse die anhaltende Hitze des Sommers nicht ertragen, wenn der weise Gott ihnen nicht den süßen Thau geschenkt hätte, um sie in der Nacht damit zu erquicken und zu laben.«
»Aber, Vater,« fragte ich, »wie erklärt man denn das Fallen des Honigthaus, welcher bisweilen ganze Bäume bedeckt?«
»Der Name täuscht Dich,« antwortete der Meister; »der klebrige, süßliche Stoff, welcher auf den Blättern gewisser Gewächse erscheint, ist ein Erzeugniß der Pflanzen selbst. Du hast den Honigthau gewiß nie auf andern Gegenständen entdeckt? Vielleicht wirkt die Temperatur auf die Gewächse und macht, daß sie den Honigthau ausschwitzen; die Luft selbst aber gibt nichts dazu. So ist es gleichfalls mit dem Mehlthau. Dieser ist nichts, als ein krankhafter Zustand der Gewächse, deren Blätter sich mit einem weißen, mehligen Stoffe bedecken.
Der Reif, der an Wintermorgen den Boden wie ein leichter Schnee bedeckt, ist nichts als gefrorener Thau. Wenn nämlich die Wärmeausstrahlung der Körper sie kälter macht, als der Gefrierpunkt ist, dann gefrieren die sich niederschlagenden Dämpfe an ihrer Oberfläche und bilden den Reif.
Da es meine Absicht ist, Dir in Kürze die verschiedenen Lufterscheinungen zu erklären, so werde ich Dir noch etwas über die Wolken und den Regen sagen, obwohl ich vermuthe, daß Du Dir bereits richtige Vorstellungen davon gebildet. – Du darfst dabei nicht vergessen, daß die Luft, welche unsere Erde umgibt, immer mit Dämpfen erfüllt ist; so lange diese Dämpfe nicht zu reichlich sind und in einer warmen Luftschichte sich bewegen, sind sie für unser Auge unsichtbar; wenn sie aber dicht an einander gedrängt sind oder die Kälte sie zusammenzieht, gewahren wir sie unter der Gestalt von Wolken oder Nebel. – Blicke in die Luft, so wirst Du Wolken von verschiedener Form sehen; da, hoch am Himmel, hast Du die Schäfchen, die in runden weißen Flocken so lieblich und bewegungslos dastehen, wie Lämmer auf einem unermeßlichen Felde; noch höher siehst Du weiße Streifen, die man Federwolken nennt. Unter diesen liegen die Haufenwolken, die Dir wie beleuchtete Gebirge erscheinen. Dort endlich, am Horizonte, hängt die eigentliche Regenwolke; die gefärbten Lagen, welche bei Sonnenuntergang über der Erde ausgestreut liegen, nennt man Schichtwolken. Je höher eine Wolke in der Atmosphäre steht, desto weißer erscheint sie uns; je tiefer sie in der Luft hängt, desto dunkler ist sie. So darfst Du die Höhe der weißen Schäfchen auf ungefähr sechstausend Fuß schätzen. Bisweilen treiben die Wolken sehr nahe an uns vorüber; selbst der Nebel ist nichts Anderes, als eine Wolke, in deren Mitte wir uns befinden; und willst Du Dir eine Vorstellung von Dem machen, was die Wolken da oben sind, so erinnere Dich nur, was der Nebel hierunten ist.
Nach dem, was Du bereits über das Zusammenballen der Dämpfe weißt, wirst Du leicht begreifen, wie die Wolken entstehen. So oft ein kälterer Luftstrom durch eine nasse Schichte zieht, ballt er die Dämpfe zu sichtbaren Wolken zusammen und es fällt Regen, sobald die Schwängerung der Luft und das Zusammenballen der Dämpfe hinreichend ist. An der Krone hoher Berge hängen beinahe immer Wolken: ein unerfahrener Beobachter glaubt wohl, daß sie von irgendwoher getrieben kamen und von dem Berge in ihrer Fahrt aufgehalten worden. Er täuscht sich: der Berg ist viel kälter, als die Luft, die ihn umgibt; wenn eine feuchte Schichte ihm naht, kühlt er dieselbe ab, ballt die Dämpfe zusammen und erzeugt plötzlich sichtbare Wolken, wo zuvor keine gewesen waren; geschieht es nun, daß ein wärmerer Luftstrom durch bereits gebildete Wolken zieht, dann gehen diese auseinander und verschwinden wieder vor unserem Auge. Noch andere Ursachen können zur Wolkenbildung beitragen; diese ist jedoch die gewöhnliche und für uns leicht zu begreifende Art.
Das Wasser, das der Regen uns schenkt, ist meist von der größten Reinheit; doch sind bisweilen andere Stoffe damit vermischt. Ich zweifle nicht, daß Du wohl auch einmal von Blutregen, Schwefelregen, Feuerregen und dergleichen sprechen hörtest. Man muß gestehen, daß der Mensch in dieser Beziehung noch nicht alle Räthsel gelöst hat; was er jedoch davon weiß, ist genug, um uns mit Sicherheit schließen zu lassen, daß bei diesen sonderbaren Erscheinungen alles nach den gewöhnlichen Gesetzen geschieht und nichts Uebernatürliches vorkommt. So fiel vor einigen Jahren in Blankenburg Dieser Regen fiel in Blankenburg am 2. November 1819, Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr. in Vlandern eine Viertelstunde lang ein starker Regen von blutrother Farbe; die meisten Einwohner hielten ihn für einen wahren Blutregen und prophezeihten daraus allerlei Unglück. Wissenschaftliche Untersuchungen, welche mit dem rothen Wasser dieses Regens vorgenommen wurden, bewiesen, daß seine Farbe von Salzsäure und Kobalt erzeugt worden; wie diese Stoffe jedoch in die Wolken gekommen waren, das ließ sich nicht erklären. Wenige Jahre früher fiel gleichfalls in einigen Marken von Unteritalien ein schrecklicher Blutregen. Eine nähere Untersuchung bewies, daß das Wasser mit Lehm, Kalk, Eisen und einigen anderen Stoffen vermischt war Am 14. März 1813 brachte eine Wolke in einem Theil von Unteritalien solche Dunkelheit hervor, daß man Nachmittags um 4 Uhr Licht anstecken mußte; ein unsäglicher Schrecken bemächtigte sich der Einwohner dieser Gegend. Zuerst war die schreckliche Wolke blutroth, kurze Zeit darauf glich sie jedoch einem glühenden Eisen. Donner und Blitz begleitete den Ausbruch dieses Gewitters und die Erde wurde von einem rothfarbigen Regen bedeckt.. Was die Schwefelregen betrifft, so ist ihr Namen gleichfalls aus einem Irrthum entstanden. Du weißt wohl, daß die männlichen Blüthen von Wachholderbäumen, Haselnußbäumen, Erlen, Tannen und andern Gewächsen im Frühjahr reichlich mit einem gelben Samenstaube bedeckt sind; wenn der Gewitterwind dieses schwefelfarbige Mehl zerstreut und aufnimmt, oder im Regengusse niederschlägt, mit sich führt und auf der Oberfläche der Sümpfe sammelt, dann sagt der Unwissende, es habe Schwefel geregnet. Ebensowenig Glauben darf man den Worten derjenigen schenken, die behaupten, daß es Frösche oder Kröten regne. Diese Thiere halten sich während der Hitze in Höhlen oder Schlupfwinkeln auf; kaum hat jedoch der erquickende Regen den Boden getränkt, so kommen sie alle aus ihren Berghöhlen gekrochen und hüpfen lustig umher. Sie thun dies sowohl, um die Frische zu genießen, als um die niedergeschlagenen Thierchen und die kriechenden Regenwürmer zu suchen und zu verschlucken. Du kannst Dir denken, mein Sohn, daß, wenn die Frösche aus der Luft stürzen würden, sie nicht so lebendig nach ihrem Fallen aussähen und man sie in eben so großer Menge in den Städten auf Straßen und Dächern antreffen müßte. Es ist jedoch nicht unmöglich, daß Wind und Wasserhosen Frösche und Kröten mit sich führen, wie andere Gegenstände. Aber dies ist eine besondere Erscheinung, die nicht den Grund für das Hervorkommen von Fröschen nach einem gewöhnlichen Regengusse geben kann.
Da Du nun über den Regen genugsam unterrichtet bist, will ich noch etwas über den Schnee und den Hagel hinzufügen. – Der Schnee hat seinen Ursprung in denselben Wolken, wie der Regen, doch entsteht er durch Zusammenwirken anderer Ursachen, die man noch nicht gut erklären konnte. Was am schwersten zu begreifen, ist, daß die Schneeflocken, bei sehr kaltem Wetter, wie verschieden ihre Gestalt auch sein mag, doch immer in einem platten mehrstrahligen Bilde bestehen, das wie das schönste Kunstwerk mit einer unbegreiflichen Regelmäßigkeit geformt ist. Diese Bilder sind von allerlei Art und sehen recht hübsch aus. – Im Winter, wenn der Schnee sehr dünn und in leichten Flocken fällt, werden wir ein wenig davon auf einem schwarzen Papier auffangen und sie gemeinschaftlich betrachten. – Der Schnee ist eine große Wohlthat Gottes; eine Decke, die seine Hand ausgebreitet hat, um in kalten Ländern alle zarteren Gewächse vor einer vollständigen Vernichtung zu bewahren. Als ich über den Regen sprach, habe ich Dir gesagt, daß die Erde bei hellerer Nachtluft ihre Wärme ausströmt und merklich kälter wird; der Schnee hat die Eigenschaft, diese Wärmeausstrahlung größtentheils zu hindern und den Boden gegen einen allestödtenden Frost zu schützen.
Weiß man wenig über das Entstehen des Schnees, so weiß man nichts über die Bildung des Hagels. Es ist inzwischen nicht daran zu zweifeln, daß der Hagel seinen Ursprung gleichfalls Regenwolken verdankt: aber kein Gelehrter weiß zu erklären, wie es kommt, daß selbst während des heißesten Sommers in der Luft plötzlich eine solche Kälte entsteht, daß das Wasser in Eis verwandelt wird. Man vermuthet wohl, daß in allen diesen unerklärlichen Lufterscheinungen Naturkräfte thätig seien, von denen ich sogleich sprechen will; doch ist es noch immer bei Vermuthungen geblieben. Der Hagel, der unsre Felder bisweilen vertilgt, und in einem Augenblicke die Hoffnung des Landmannes vernichtet, die Bäume entblättert und die kleineren Thiere verwundet oder tobtet, fällt gewöhnlich in Eiskörnern, die nicht größer sind, als eine Erbse; aber er erreicht auch bisweilen die Schwere einer Haselnuß, ja noch viermal größer ist er schon gefunden worden. Dann geht ihm eine schreckliche Luftverdunkelung voran; er zerschmettert alle Früchte der Erde, tödtet Menschen und Vieh, rollt unwiderstehlich in Wasserfluthen fort, die ihn begleiten, reißt alles um, zerbricht und vertilgt mit solcher Gewalt, daß seine Spuren denen einer Naturvernichtung gleichen.« Die gewöhnlichen Hagelkörner sind durchgehends nicht größer als eine Erbse; aber man hat mehrmals ungemein große Hagelsteine fallen sehen. Am 8. Sept. 1792 brach über dem Flecken Beverungen ein Unwetter los; der Tag veränderte sich in Nacht; eine ganze Stunde lang fielen Hagelsteine von der Größe einer Wallnuß, die an einigen Plätzen fußhoch lagen. Die Wasserfluthen, welche daraus entstanden, warfen Mauern um, drangen in die Häuser und liefen alles zerstörend über das Feld. Am 14. Mai 1697 hat Robert Tayler in England einen Hagelstein gemessen, der 14 Zoll im Umfang hatte. Am 20. August 1787 wog der Gelehrte Bolta te Cosno in Italien Hagelsteine von 9 Unzen Gewicht.
»Aber, Vater,« fiel ich meinem Lehrmeister in das Wort, »Ihr habt mir die Ueberzeugung eingeprägt, daß alles in der Schöpfung nöthig sei und zu irgend welchem Vortheile gereiche. Ich sehe nicht ein, wozu der schädliche Hagel dienen kann; es wäre besser, dünkt mich, wenn diese alles verderbende Lufterscheinung nicht bestünde.«
Der Greis zuckte zweifelnd die Achseln und antwortete freundlich:
»Ich weiß nicht zu sagen, mein Kind, zu welchem Zwecke der Hagel geschaffen ist, und muß bekennen, daß er uns nie etwas anderes als Schaden zu bringen scheint. Trotz meiner Unwissenheit über den Antheil, welcher dem Hagel an dem allgemeinen Gleichgewichte der Natur zugemessen, darf ich doch wohl nicht annehmen, daß er allein zu Schaden und Vernichtung geschaffen ist. Gewiß ist er, wenn er erscheint, so nothwendig als Regen und Thau unter andern Umständen; es gibt Naturerscheinungen, die einen augenblicklichen Schaden anrichten, jedoch immer zum Vortheile des Allgemeinen, obschon wir diesen Vortheil nicht verstehen. Ich zweifle nicht, daß der Hagel und Blitz solche Kräfte sind.«
»Man weiß also nicht, wozu der Blitz und der Donner nützen?« fragte ich.
»Im Gegentheil, mein Kind,« antwortete der Greis, »diese sichtbare Lufterscheinung kennt man sehr wohl; aber ihre Erklärung fällt mir schwer, da ich Dir dabei von Kräften sprechen muß, die Du noch nicht kennst. Wenn Dir bisweilen meine Erklärung etwas dunkel erscheint, so tröste Dich mit dem Gedanken, daß ich Dich später Dinge lehren werde, die Dich meine Worte leichter verstehen lassen.
So wisse denn zuerst, daß überall in der Natur eine ruhende Kraft liegt, die, um die mächtigste aller Naturkräfte zu werden, und selbst alle erdenklichen Feuer an Gluth zu übertreffen, nur einen Zusammenfluß gewisser Umstände erheischt. Diese Kraft nennt man Elektricität. Wenn man ein Stück gelben Ambras mit einem wollenen Tuche heftig reibt, zeigt es eine bis dahin verborgene Kraft, die nichts anderes als die Elektricität ist. Durch den Ambra wurde man zuerst auf diese Naturkraft aufmerksam, welche man Elektricität, nach dem griechischen Worte Elektron nannte.
Vielleicht hast Du manchmal in der Schule ein Stück Schellack stark an Deinen Kleidern gerieben, um damit kleine Federflocken anzuziehen? Und während Du Dich mit Deinen Kameraden so unterhieltest, dachte keiner von Euch daran, daß Du im vollen Sinne des Wortes mit der Blitzeskraft, ja mit dem furchtbaren Feuer des Himmels spieltest! Und doch ist es so, mein Kind; der Blitz ist nichts anders, als jene geheime Kraft, welche aus der Lackstange das Federchen an sich zieht, nur mit dem Unterschiede der Masse der Kraft, welche dazu angewendet wird; und Du begreifst wohl, daß dieser Unterschied zwischen dem Lack und der Donnerwolke unendlich ist. – Willst Du selbst eine stärkere Elektricität kennen lernen, so nimm eine Glasröhre und ein Stück trockenes Katzenfell, gehe damit in ein dunkles Zimmer, und reibe die Glasröhre so stark als möglich mit dem Felle. Wenn Du dann der Röhre mit dem Finger nahst, so wird aus dem Glase ein stechender Feuerfunke in Deinen Finger springen; es ist ein sehr kleiner Blitzstrahl, von derselben Art, wie das Gewitterfeuer. Man kann mit kleiner Mühe die Elektricität in einigen Körpern hervorrufen. Man reibe in der Dunkelheit zwei Stückchen sehr trockenen Zuckers an einander oder man reibe den Rücken einer Katze sehr stark und man wird Lichtfunken gewahren, die durch die hervorgerufene Elektricität erzeugt sind.
Der Mensch hat elektrische Maschinen gemacht, aus denen er einen Blitzstrahl hervorlocken kann, der stark genug ist, um einen Ochsen mit einem Schlag zu tödten; doch ist dies in der That nur Kinderspiel im Vergleiche mit dem Strahl, der aus einer Wetterwolke schießt.
Um zu verstehen, was bei dem Blitzen in der Luft vorgeht, mußt Du wissen, daß es zwei Arten von Elektricität in der Luft gibt, die unaufhörlich thätig sind, und sich in allen Körpern in das Gleichgewicht stellen. Man nennt die erste dieser zwei Kräfte die positive (wirkende) und die zweite die negative (gegenwirkende) Elektricität.«
Wenn ein Körper nur mit positiver Elektricität erfüllt ist und einem andern Körper naht, in welchem die negative Kraft wirkt, so entladet jener sich in diesem eines Theiles seiner Kraft und zieht eben so viel aus der gegenüberstehenden Kraft. Dieser Austausch der Kraft, der umgekehrt auch Statt hat, geschieht durch das Ausströmen von Feuerfunken, wenn die in Wechselwirkung tretenden Körper einander berühren oder durch gute Leiter verbunden sind.
Sobald Du nun weißt, daß Wasserdampf die Eigenschaft hat, viele Elektricität zu erzeugen oder aus den irdischen Körpern aufzunehmen, so wirst Du auch begreifen, daß die Wolken unter gewissen Umständen mit einer andern Kraft geschwängert sind. Sobald zwei Wolken von entgegengesetzter Kraft einander sich nähern, geschieht die gegenseitige Entladung der Vermischung durch das Ausströmen eines Feuerstrahls, welchen man Blitz nennt. Blitzstrahlen, welche von der einen Wolke zur andern gehen, nähern sich der Erde nicht.
Man hat bemerkt, daß der Boden während eines Gewitters immer in einem entgegengesetzten Zustand von Elektricität mit der Luft sich befindet; wenn deshalb eine geschwängerte Wolke sich der Erde nähert, so wird sie sich durch das Ausströmen eines Strahls entladen, und daraus entsteht das Feuer des Blitzes, das eine so schreckliche Wirkung hat und dem Menschen einen so tiefen Schrecken einflößt. Der Blitz hat nicht selten schreckliche, aber sonderbare Wirkungen. Am 13. Mai 1803 wurde zu Drechtow ein Schafhirte mit seinem Hund und vierzig Schafen todtgeschlagen. Die Schafe lagen ganz nackt auf dem Boden, ohne daß man sehen konnte, wohin ihre Wolle gekommen, der Hirt selbst war aller seiner Kleider beraubt; sein Stab, seine Tabakspfeife und seine Tasche lagen fern von ihm auf einem erschlagenen. Schafe. – Am 11. Juli 1819 siel der Blitz in die Kirche von Château-neuf les Moustiers in Frankreich, während die Messe gelesen wurde. Acht Personen wurden getödtet und zweiundachtzig gelähmt oder durch das Verbrennen ihrer Kleider schwer verwundet.
Was den Donner betrifft, so ist er nichts als ein Schall, der durch die heftige Zurückstoßung der Luft hervorgebracht wird und in den Wolken und an dem Boden sein Echo hat. Viele Menschen glauben, daß mit dem Blitze ein Stein aus der Luft falle und sie zeigen sogar solche vermeintliche Donnersteine. Glaube jedoch nicht daran, mein Sohn, der Donner ist ein einzelner Schall und würde keine Furcht einflößen, wenn ihm nicht das alles zerschmetternde und zerstörende Feuer des Blitzes voranginge.
Es fallen unter anderen Umständen wohl Steine aus der Luft, doch haben diese mit dem Gewitter nichts gemein. Ich werde davon sprechen, wenn wir zusammen über die unerklärlichen Naturräthsel des großen Sternenhimmels uns unterhalten.
Hast Du meine Erklärungen verstanden, mein Sohn, und hast Du Dir einen klaren Begriff von den Ursachen des Blitzes und seiner Wirkungen gemacht?«
»Ja, Vater,« war meine Antwort, »ich verstehe wohl, wie der Blitz entsteht; aber etwas bleibt mir doch noch dunkel über die unbekannten Kräfte, von denen Ihr gesprochen. Werdet Ihr später die Güte haben, mich darüber zu belehren?«
»Wenn Du von dem genug weißt, was man auf dem Felde finden und beobachten kann,« sprach mein guter Meister, »dann werde ich Dich in meine Wohnung führen und Dich die wunderbaren Werkzeuge, die des Menschen Vernunft erfunden, kennen lehren. Bis dahin müssen wir aber noch tiefere Untersuchungen anstellen.«
»Aber Meister,« sagte ich, »auf den Pulverthürmen der Stadt stehen eiserne Stangen, die man Blitzableiter nennt: ich begreife nicht, wie eine eiserne Spitze ein Gebäude vor dem Donner schützen kann.«
»Und doch ist es leicht zu begreifen,« antwortete der Greis, »ich will es Dir erklären. – Scharfsinnige und gelehrte Menschen haben durch viele Versuche gefunden, daß metallene Spitzen die Eigenschaft haben, die Elektricität langsam und ohne Entstehen von Feuerfunken oder Strahlen aus einem Körper in den anderen übergehen zu lassen. Wenn nun eine geschwängerte Wolke der Erde naht, ist sie bereit, durch das Ausströmen des Blitzes ihre überflüssige einseitige Elektricität mit der entgegengesetzten Kraft des Bodens zu vertauschen; wenn man sie jedoch langsam ihrer Elektricität beraubt, so geschieht die Entladung ohne Blitz. Nun vermuthest Du vielleicht bereits, was man mit dem Aufstellen von Blitzableitern zu erreichen beabsichtigt – man will nämlich die Gewitterwolke, die über dem beschützten Gebäude hängt, ihrer einseitigen Elektricität langsam berauben, um das Ausströmen des Blitzes zu verhindern. Und geschähe diese Entladung nicht, so würde der Blitzableiter auch nur zum Theil den Dienst leisten, den man von ihm erwartet. – Das Feuer des Blitzes oder vielmehr die Elektricität wird immer durch die Stoffe angezogen, die ihr als Leitdraht auf ihrem Fluge dienen können und die Metalle besitzen diese Eigenschaft am meisten von Allem. Ein Blitzableiter besteht nicht allein aus der eisernen Stange: an seinem untersten Ende ist eine metallene Kette befestigt, die ununterbrochen bis in den feuchten Boden oder in eine Zisterne läuft. Wenn es deßhalb geschieht, daß ein Blitzstrahl auf das Gebäude herabschießt, so wird er, durch die Spitze der eisernen Stange angezogen, durch die Kette in die Erde strömen, wo seine Macht, ja seine Existenz durch die entgegengesetzte Elektricität aufgehoben wird. Die Blitzableiter sind von dem berühmten Amerikaner Franklin erfunden worden. Dieser scharfsinnige Naturforscher machte einen Drachen mit einer stählernen Spitze an dem oberen Ende. Er ließ den Drachen während eines Gewitters aufsteigen, um zu untersuchen, ob er durch dieses Mittel die Elektricität wirklich aus den Donnerwolken ziehen könnte. Und siehe, zu seiner großen Freude weckte er aus der Schnur, an die der Drache gebunden war, Blitzfunken. Von da an war die entladende Kraft der metallenen Spitzen und der Blitzableiter bewiesen. Ein französischer Gelehrter, De Romas, erneuerte die Versuche Franklins auf eine zweckmäßigere Weise und machte einen Drachen, der 550 Fuß hoch stieg; er entlockte der Schnur des Drachen in Zeit von einer Stunde dreißig Feuerstrahlen von 9-10 Fuß Länge, deren Ausströmen von einem Knalle, so stark wie ein Pistolenschuß, begleitet war. – In Petersburg machte Professor Richmann 1753 einen ähnlichen Versuch, der ihm jedoch das Leben kostete, da ihn der Blitzstrahl selbst traf und tödtete.
Du kannst daraus schließen, mein Sohn, wie gefährlich es ist, während eines Gewitters neben einem eisernen Ofen, bleiernen Fenstern oder anderen metallenen Ableitern zu sitzen. Eben so unvorsichtig ist es, an der Mauer oder bei dem Kamine zu stehen: der Blitz läuft gewöhnlich den Mauern entlang und Rauch ist ein Leiter der Elektricität. Stelle Dich ferner nie unter einen Baum während eines Ungewitters, und vor allem nicht unter einen Eichenbaum: der Blitz strömt am liebsten in erhabene Gegenstände, welche ihn mit der Erde leichter in Verbindung bringen und je harter das Holz des Baumes ist, desto mehr kann es der Elektricität zum Leiter dienen. Der beste Platz eines Hauses während des Gewitters ist die Mitte des Zimmers und des Gebäudes. Mit vielen Menschen in einem Zimmer beisammen zu sein, ist gefährlich, da thierische und feuchte Stoffe Anziehungskraft auf die Elektricität ausüben. Auf dem Felde, wo man am meisten erschrocken ist, kann man nichts besseres thun, als sich platt auf die Erde nieder legen, bis das Wetter etwas vorüber ist.
Nun wirst Du wieder fragen können, mein Sohn, wozu das zerstörende Blitzesfeuer in der Schöpfung dient? Erinnere Dich, was Du fühlst, ehe das Gewitter losbricht: Deine Brust ist beengt, Du athmest schwerer, Deine Glieder werden bleiern und laff; etwas Lästiges, etwas Peinliches sagt Dir, daß die Luft mit Stoffen geschwängert ist, die sie zu Deinem Leben untauglich machen. Sieh um Dich her: die Natur schweigt, die Thiere verkriechen sich und athmen mit offenem Maule, ein schreckliches Gefühl der Unmacht und Müdigkeit befällt die ganze Schöpfung; – das Gleichgewicht ist gebrochen, es muß hergestellt werden! Die Blitzstrahlen schießen durch den Himmel, ein frischer befruchtender Regen tränkt die Kräuter, das Gewitter treibt vorüber, die Sonne glänzt auf's Neue an dem blauen Himmel: alles, was Leben hat, tritt erquickt hervor, die allgemeine Freude der gelabten Natur zeugt von Gottes unsäglicher und unberechenbarer Wohlthat!«
Ich konnte kaum annehmen, daß der Blitz eine Wohlthat sei, obwohl ich die Nothwendigkeit seines Daseins begriff. Ich hatte einmal einen Mann gesehen, der durch das Feuer des Himmels getödtet wurde, und dieses Bild schwebte vor meiner Seele. Ich sagte deßhalb etwas verdrießlich zu dem Greise:
»Es mag eine große Wohlthat sein, guter Vater; unglücklich sind jedoch die Schlachtopfer, die so plötzlich von dem Blitze getroffen werden.«
»Ich erwartete diese Bemerkung,« antwortete er, »ja ich verlangte sie sogar. Du konntest ebenso gut fragen, weßhalb Regen, Hagel, Schnee auf den Menschen fallen; weßhalb Ueberschwemmungen auch Menschen mit sich fortreißen; weßhalb ein fallender Stein sich nicht abwendet, statt auf den Menschen zu stürzen; mit einem Worte, weßhalb für uns nicht eine ganz besondere Natur in der Natur existirt.
Mein Kind! der Mensch ist durch seinen stofflichen Körper allen Gesetzen unterworfen, welche der Schöpfer festgestellt hat, als er zu seinem Werke sagte: »Besteh' und lebe.« Diese Unterwerfung ist eine Wohlthat; ohne sie würden weder Menschen noch Thiere bestehen können. Pein, Schmerz, Krankheit und andere unangenehmen Empfindungen des Lebens sind eben so nöthig, als Freude, Vergnügen, Gesundheit. Denn, denke Dir, daß der Mensch einigen Naturgesetzen nicht unterworfen wäre: daß er nie körperliche Schmerzen fühlte und nur vom Tode allein getroffen werden könnte, was würde die Folge davon sein? Alle Sorgen für seine Erhaltung wären ihm dann unbekannt; er würde sich selbst täglich verwunden und verstümmeln, sei es nun aus Unkenntniß oder Eigensinn, und sich ohne Argwohn dem letzten Schlag, dem Tode ausliefern, ehe er die Jünglingsjahre erreicht hätte; das Fortbestehen des Menschen würde unmöglich sein. Gäbe es keinen Schmerz auf Erden, so mangelte uns eines der edelsten Gefühle des Geistes, welches die Quelle aller Freuden und alles Glückes ist. Wie verdrießlich würde das Leben werden, wenn nie eine Veränderung in unseren Empfindungen Platz griffe; wie rasch würde uns Alles anekeln, wenn keine Entbehrung und kein Schmerz uns für den Genuß des Lebens fähig machte? Und die Krankheit, wirst Du sagen, wozu mag sie dienen? Wenn es keine Krankheit gäbe, würde der edle Mensch, dies Ebenbild der Gottheit, zum Thiere heruntersinken: würde er nicht, durch keine Furcht zurückgehalten, thierischen Gelüsten fröhnen, die in seinem materiellen Körper liegen. Was würde den Trunkenbold hindern, seine Seele in geisttödtenden Flüssigkeiten zu ertränken? Weshalb würde der Gefräßige nicht essen, bis er niederfiele und schliefe, und die Zeit erwarten, wo sein Körper wieder Raum zu neuer Nahrung hat? Und was würde der Mensch werden, wenn er des Verstandes, des Gedächtnisses und des Muthes beraubt, wie ein Wesen dahinlebte, das nur auf Erden ist, um körperlichen Gelüsten zu fröhnen? O, er würde die höchste Gabe Gottes, das Einzige, was ihn über alles Geschaffene erhebt, verlieren und vielleicht nicht einmal würdig sein, eine Stelle unter den Thieren einzunehmen. So, mein Sohn, sind Krankheit, Schmerz und Leiden Empfindungen, welche der Schöpfer dem Menschen zur Seite gestellt hat, um ihn als Schutzengel zu warnen, wenn er die Spur der Mäßigkeit verliert oder sein Leben durch andere Ursachen in Gefahr bringt. Wäre der Mensch nicht den allgemeinen Naturgesetzen unterworfen, so würde ihn nichts zu Fleiß oder Geistesthätigkeit anspornen und er wohl auch ohne die Entwicklung des Verstandes wie ein vernunftloses Thier geblieben sein; die Erde würde keine Spur von dem tragen, was die Menschenvernunft vermag: keine Meisterstücke der Kunst und Wissenschaft würden existiren, um zu beweisen, daß in dem Kopfe des Königs der Natur wirklich ein Funke des göttlichen Geistes verschlossen liegt. – Daraus kannst Du schließen: »Was ist, muß sein!«
Und nun, mein Sohn, bis morgen. Der Himmel verspricht schönes Wetter: ich werde Dir von Wundern erzählen, die Du täglich mit dem Fuße zertrittst, ohne es zu wissen!«