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Sechstes Kapitel.

Ach Himmel, unser Stück ist die höchst klägliche
Komödie und der höchst traurige Tod von
Pyramus und Thisby.

Peter Quince.

 

Unsere Aufgabe, die Gesellschaft New-Yorks zu schildern, wird bald zu Ende sein. Die Gentlemen der Effinghamschen Familie waren eingeladen worden, bei einigen Diners mit Sir George Templemore zusammenzutreffen, zu welchen man Letzteren in Folge seiner Briefschaften, die meist mit dem Zweck seiner Reise in Verbindung standen, gebeten hatte. Da alle diese Unterhaltungen von ziemlich gleichem Charakter waren, so wird es genügen, eine derselben in Kürze zu beschreiben, um die Leser in das Geheimniß ihrer Trefflichkeit einzuweihen.

Ein wohlbesetzter Tisch, treffliche Speisen, eine sehr gute Küche und ausgezeichnete Weine bildeten die wesentlicheren Bestandtheile aller dieser Mahlzeiten, während die Convives unabänderlich aus zwei Reihen schwarzgekleideter Männer und einem Frauenzimmer oben am Tisch, die, wenn's gut ging, noch eine Geschlechtsgenossin zur Seite hatte, bestanden. Die Provinzial-Uebertreibungen wurden namentlich in einem besonderen Brauche lächerlich augenfällig. Der Wirth oder vielleicht die Wirthin hatte gehört, daß ein Gegensatz stattfinden müsse zwischen dem gemeineren Lichte des Empfangzimmers und dem Glanze der Tafel; in Folge einer derartigen Einrichtung nun stolperte John Effingham über einen Schemel und zerbrach sich fast die Beine, als er einmal durch die Dunkelheit des ersten Besuchszimmers tappte.

Saß man zu Tisch und war die erste große Obliegenheit der Labung abgethan, so drehte sich das Gespräch um die Preise von Grundstücken, Stadtspeculationen oder Wechselkurse. Dann kam die regelmäßige Prüfung der Weine, bei welchen man den Herrn des Hauses leicht für einen Weinhändler halten konnte, da er stets entweder an einem Heber saugte oder den Stöpselzieher handhabte. Das nun folgende Gespräch würde der jährlichen Zusammenkunft und dem geselligen Mahle der deutschen Weinkäufer Ehre gemacht haben, die sich zu Erstehung eines preiswürdigen Artikels in Rüdesheim zu versammeln pflegen.

Sir George war jetzt unstreitig auf dem Punkte, sich über Amerika ein sehr irriges Urtheil zu bilden, und es war nöthig, daß Mr. Effingham ihn diesen Leuten entzog und bei seinen eigenen Bekannten einführte. Hier gefiel es nun dem jungen Baronet viel besser, obgleich noch Manches vorhanden war, was einem Europäer eigenthümlich und sogar provinziell vorkommen mußte. Die Tafel war allerdings dieselbe, bot aber eine verständige Unterhaltung und ein anstandsvolles Benehmen, das, wenn es auch nicht ganz frei blieb von den Eigenthümlichkeiten des Landes, doch das große Verdienst einer natürlichen Einfachheit hatte, die man in den erkünstelteren Kreisen nicht findet. Man traf dabei eher gelegentliche Ungereimtheiten, als entschiedene Grundgebrechen, und Sir George gab der Wahrheit die Ehre, indem er freimüthig eingestand, wie nahe er daran gewesen, sich eine übereilte Ansicht zu bilden.

Im Laufe eines Monats wurde der junge Baronet in State Street immer heimischer und Eva allmählig um so offener und rückhaltsloser, je mehr sie bemerkte, daß er seine Hoffnungen auf den Erfolg einer Bewerbung um sie aufgegeben hatte; bei Grace war es jedoch der entgegengesetzte Fall, da sie sich in demselben Grade vorsichtiger und schüchterner benahm, in welchem sie sich ihrer Macht, zu gefallen, und des Interesses, das Sir George an ihr nahm, bewußt wurde.

Etwa drei Tage nach dem Ball bei Mrs. Houston wurde die Effingham'sche Familie eingeladen, Mrs. Legend, eine sogenannte wissenschaftliche Dame zu besuchen, nachdem zuvor Sir George gebeten worden war, gleichfalls von der Partie zu sein. Aristobulus hatte bereits den Rückweg angetreten, um seinen Obliegenheiten auf dem Lande nachzukommen, wo wir in Bälde Gelegenheit haben werden, wieder mit ihm zusammenzutreffen; dagegen war an Mr. Truck gleichfalls eine Einladung ergangen, weil man noch immer die irrige Vorstellung von seinem wahren Charakter festhielt.

Der Geschmack an den Künsten, an der Literatur oder an was immer für einer Sache ist ein so natürlicher Trieb, wie die Liebe. Allerdings läßt sich der eine wie die andere durch Umstände bilden und erhöhen; aber immerhin müssen Triebe von selbst kommen, denn der Erguß des Gefühls oder der Seele, wie man heutzutage sagen muß, läßt sich nicht erzwingen oder nach Gutdünken kommandiren. Dieß ist der Grund, warum alle zum Voraus berechneten intellektuellen Unterhaltungen so leicht die Erwartung täuschen, und warum akademische Versammlungen, wissenschaftliche Clubs und Gelehrtenmahlzeiten gewöhnlich so langweilig sind. Man kann allerdings ein Häufchen geistreicher Personen zusammenbringen, und wenn sie ihren eigenen Impulsen überlassen bleiben, so werden sich ihre vortheilhaften Eigenschaften wohl von selbst entwickeln; der Witz blitzt auf und ein Gedanke folgt freiwillig dem andern. Gibt man sich übrigens Mühe, die lange Weile durch eine erzwungene intellektuelle Unterhaltung zu vertreiben, so tritt sie durch das Geistreichseinsollen nur um so greller hervor, wie ein schlechtes Gemälde durch einen prachtvollen Rahmen noch auffallender wird. In ähnlicher Weise erging es den meisten von Mrs. Legends literarischen Abendunterhaltungen, bei denen es schon als eine Auszeichnung galt, wenn man auch nur eine einzige fremde Sprache verstand. Es war bekannt, daß Eva in den meisten europäischen Zungen sprechen konnte; und die gute Dame, welche nicht begriff, daß dergleichen Kenntnisse hauptsächlich als Mittel nützlich sind, gab sich jede erdenkliche Mühe, eine Gesellschaft zusammenzubringen, in welcher unsere Heldin alle Sprachen, mit denen sie vertraut war, vertreten sah, und daher Gelegenheit finden konnte, ihr Wissen zu zeigen. Es wurde allerdings wenig über die Sache gesprochen, aber gleichwohl fehlte es nicht an Kräfteaufwand, um diesen Abend denkwürdig zu machen in den Annalen der Conversazioni, oder, wie es der ehrliche Kapitän nannte, des Conversationirens.

Um diesen Plan zur Ausführung zu bringen, wurden fast alle Schöngeister, Schriftsteller, Künstler und Literaten, wie die unverbesserlichsten Mitglieder des Bücherclubs in New-York genannt werden, auf's Dringendste zum Erscheinen eingeladen. Aristobulus hatte es am Ballabend in der vermeintlichen Rolle des Baronets so weit gebracht, daß man ihn allgemein einen Mann der Wissenschaft nannte, und in einer der Zeitungen war sogar ein Artikel erschienen, der von dem »ehrenwerthen und hochwürdigen Mr. Truck« als von einem Gentleman sprach, »der in unserem Lande reise und von dessen Freisinnigkeit und gerechter Ansicht über unsere Gesellschaft zu erwarten stehe, daß er endlich dem Nationalcharakter Gerechtigkeit widerfahren lassen werde.« Mit solchen Aussichten also setzte man von jedem ächten Amerikaner und von jeder wahren Amerikanerin voraus, sie würden sich bei dem feierlichen Anlasse auf ihren Posten einfinden. Kurz, was Literarisches aufzutreiben war, wurde gesammelt, um die Institutionen – nein, nicht die Institutionen, denn diese ließ man für sich selbst sorgen – sondern die Eitelkeit der Gesammtheit zu verfechten.

Leider ist es in einer Provinzialstadt weit leichter, in derartigen Dingen zu einem hohen Flug anzusetzen, als ihn auszuführen; denn der Umstand, daß man einen Platz ein Emporium nennt, ist bei weitem nicht hinreichend, ihm die Unabhängigkeit, den guten Ton, die Geistesfülle und den Geschmack einer Hauptstadt zu verleihen. Die arme Mrs. Legend, welche alle Zungen gebührend repräsentirt haben wollte, sah sich genöthigt, einige holländische Branntweinbrenner, einen deutschen Leinwandhändler aus Sachsen, einen italienischen Dei Cavalieri, der zur Unterhaltung Rosenkränze verkaufte, und einen in Portugal geborenen spanischen Schiffsmeister einzuladen – lauter Leute, welche für eine Conversation in ihren Sprachen nur ein einziges Erforderniß und Nichts weiter besaßen. Doch solche Assembléen findet man ja in Paris – und warum nicht ebensogut in New-York?

Wir wollen nicht bei den Gefühlen von Beklommenheit verweilen, mit welchen Mrs. Legend an dem fraglichen verhängnißvollen Abend auf den ersten Klingelzug an ihrer Thüre lauschte; er kündigte den Eintritt von Miß Annual an, einer so regelmäßigen Literaturfreundin, wie nur je eine ihre Fibel buchstabirt hatte. Die Begrüßung war gefühlvoll und zärtlich. Ehe jedoch eine der beiden Damen Zeit hatte, sich nur die Hälfte ihrer vorbereiteten Phrasen vom Herzen zu schaffen, verkündigte ein Klingelzug um den andern das Eintreffen von weiterer Gesellschaft, und das Zimmer war bald so voll von Talent, wie eine moderne Novelle von Witzen. Unter den zuerst Eintreffenden befand sich das ganze Fremdsprachen-Corps, da bei diesem Erfrischungen gar sehr in Rechnung kamen; ferner sah man darunter jede Blaue des Platzes, die durch ihre gesellschaftliche Stellung nur im mindesten Anspruch darauf hatte, sich in einem derartigen Hause sehen zu lassen – denn Mrs. Legend gehörte entschieden zur guten Gesellschaft.

Die nun folgende Scene war sehr charakteristisch. Ein vermeintliches Genie thut nichts wie andere Leute, die Fälle etwa ausgenommen, die besondere Talententfaltung fordern; in allen geringeren Dingen ist es – gleichviel ob männlichen oder weiblichen Geschlechts – ein ens sui generis und in stäter Seelenaufwallung begriffen, wie das Ausströmen einer übertriebenen Sentimentalität gemeiniglich genannt wird.

Wir könnten uns hier der homerischen Methode anbequemen, und die Liste unserer Helden und Heldinnen in einem Catalogue raisonné abrufen; aber der Umfang unserer Blätter zwingt uns größere Bescheidenheit und eine einfachere Weise der Thatsachenmittheilung auf. Unter den Damen, welche jetzt außer Miß Annual in Mrs. Legends Besuchzimmer figurirten, befanden sich Miß Mouthly, Mrs. Economy, S. R. P., Marion, Longinus, Julietta, Herodotus, D. O. V. E. und Mrs. Demonstration – dazu noch viele Andere von weniger bedeutendem Rufe, nebst wenigstens einem Dutzend weiblicher Hadschis, deren Ansprüche, in einer solchen Gesellschaft zu erscheinen, so ziemlich von der einfachen Thatsache abhingen, daß sie im Auslande Gemälde und Statuen gesehen hatten, folglich auch in der Lage waren, darüber in der Heimath zu sprechen. Die Liste der Männer war noch gewaltiger, wenn auch nicht dem Talent, so doch der Zahl nach, und an ihrer Spitze stand Steadfast Dodge Esquire, dessen Ruf als männlicher Hadschi seit der Reunion der Mrs. Jarvis so herangeschwollen war, daß er jetzt, zum ersten Mal in seinem Leben, eines der besseren Häuser in seinem Vaterlande betreten durfte. Ferner waren zugegen: die Verfasser »des Lapis lazuli«, »[der Tanten]«, »des Reformirten«, »des Conformirten«, »des Transformirten« und »des Deformirten« – die Herausgeber »des Wochenblatts«, »der Nachtmütze«, »der Chrysalide«, »der ächten Grille« und »des Suche nicht weiter«. Dazu die Herren »Junius«, »Junius Brutus«, »Lucius Junius Brutus«, »Kapitän Kant«, »Florio«, der Verfasser der »Geschichte von Billy Linkum Tweedle«, des berühmten Pottawattamie Propheten, »Single Rhyme«, ein Genie, das klüglicherweise seinen Verskünstlerruhm auf ein einzeiliges Couplet gründete, und unterschiedliche Amateurs und Connaisseurs, Hadschi's, die nothwendig Männer von Talent sein mußten, weil sie zu Allem, was sie wußten, so ziemlich in der Weise gekommen waren, wie der Amerikaner Eclipse zu seinem Lorbeer auf dem Wettrennrasen gelangte, d. h. durch rückhaltlosen Gebrauch der Peitsche und des Sporns.

Als Mrs. Legend in Mitte eines solchen Kreises in ihren Zimmern umhersegelte, erweiterte sich ihre Seele; ihre Gedanken verbreiteten sich nach dem Princip des thierischen Magnetismus unter ihren Gästen, und ihr Herz schmolz in den zarten Sympathieen eines verwandten Geschmackes. Sie fühlte, daß sie an der Spitze des amerikanischen Talentes stand, und war in den tiefsten Nischen ihres Innern zur Ueberzeugung gekommen, daß selbst im Falle, wenn das Schicksal Sodoms und Gomorras ihrer Geburtsstadt drohte, wie einige übelgesinnte Personen schon zu prophezeien wagten, hier in ihren Zimmern genug versammelt sei, um das Verderben abzuwehren.

Die Gebieterin des Hauses war eben zu diesem tröstlichen Schlusse gekommen, als die Effinghams klingelten. Da nur wenige der Gäste in Equipagen kamen, so gewann Mrs. Legend, die das Rollen der Räder gehört hatte, augenblicklich die Ueberzeugung, daß der Löwe des Abends jetzt wirklich vor der Thüre sei, und um ihm einen passenden Empfang zu bereiten, ersuchte sie die Gesellschaft, Spalier zu machen, damit er so zu sagen durch eine Gasse von Genies seinen Einzug feiern könne.

Es wird nöthig sein, hierorts zu bemerken, daß John Effingham in Betreff des Irrthums, welcher über den wahren Charakter des Kapitän Truck obwaltete, wohl unterrichtet war, und da er glaubte, daß dem ehrlichen Seemann dadurch grobes Unrecht geschehe, so hatte er ihn bewogen, die Einladung anzunehmen, damit das Publikum in einer so hochwichtigen Sache enttäuscht werden möchte, ehe der Kapitän die auf den morgigen Tag festgesetzte Abreise nach London anträte. Damit dieß jedoch natürlich und ohne Lärm abgehe, hatte er gegen seinen nautischen Freund des Irrthums in keiner Weise gedacht, weil er glaubte, es biete sich hiezu wahrscheinlich im Laufe des Abends eine passende Gelegenheit; denn er fühlte sich von der Richtigkeit des Sprichworts überzeugt, daß »die Wahrheit allgewaltig sei, und den Sieg behaupten müsse«.

»Wenn dem so ist,« fuhr John Effingham in seinen Erklärungen gegen Eva fort, »so gibt es gewiß keinen Platz, wo sie ihre hohe Eigenschaft so sicher kund geben kann, als in einer Milchstraße von Genies, deren charakteristische Kennzeichen darin bestehen, daß sie aus innerer Anschauung alle Dinge in ihren wahren Farben zu erfassen wissen.«

Als die Thüre von Mrs. Legend's Besuchzimmer sich in der gewöhnlichen lautlosen Weise öffnete, war die zuerst eintretende Miß Viefville nicht wenig betroffen, sich mit einemmale in der Lage einer Person zu befinden, die verurtheilt ist, »Spießruthen zu laufen.« Glücklicherweise wurde sie der Frau des Hauses ansichtig, die am andern Ende der stolzen Gasse stand und sie lächelnd heranzutreten einlud. Die Einladung hatte zu einer »literarischen Fête« gelautet, und Mademoiselle Viefville war zu sehr Französin, um sich durch einen kleinen Theatercoup bei was immer für einer Fête ganz außer Fassung bringen zu lassen. In der Erwartung, zum ersten Mal Zeuge einer amerikanischen Ceremonie zu sein (denn der Mangel an Repräsentation war ihr bereits einigermaßen aufgefallen), näherte sie sich festen Trittes Mrs. Legend und erwiederte Lächeln mit Lächeln, da dieß ein Theil des Programms war, in welchem eine Parisienne nicht leicht überboten werden konnte. Eva folgte, wie gewöhnlich, solo; dann kam Grace, hinter ihr Sir George, dann John Effingham und als Nachtrab der Kapitän. Zwischen den beiden letzteren hatte ein freundschaftlicher Streit wegen des Vortritts stattgefunden, da Jeder dem Verdienste des Andern die Ehre geben wollte; aber der Kapitän behauptete endlich das Feld durch die Erklärung, »er schiffe auf einer unbekannten See und könne nichts Besseres thun, als in dem Kielwasser eines so guten Piloten segeln, wie Mr. John Effingham sei.«

Die Personen, welche in dieser kleinen Procession vorausgingen, waren als Hadschis von erprobter Erfahrung Gegenstände einer besondern Aufmerksamkeit und Achtung; da aber die Bewunderung blos ordinärer Reisenden an sich ordinär gewesen wäre, so wurde eine gebührende Zurückhaltung beobachtet, um die Gefühle der Gesellschaft ungemindert für den berühmten englischen Schriftsteller aufzubewahren, der bekanntermaßen den Hintermann bildete. Dieß war kein gewöhnliches Haus, in welchem die Dollars Geltung hatten und die Belles rumorten, sondern der Tempel des Genies, und männiglich fühlte vor den Fähigkeiten des anerkannten ausländischen Autors eine Verehrung, die in genauem Verhältniß zu ihrer Geringschätzung gegen John Effingham's tausend Dollar Renten und Eva's fast eben so werthvolle Aussichten stand.

Das persönliche Auftreten des ehrlichen Theer's war wohl geeignet für die Rolle, die er so unerwartet zu spielen berufen war. Sein Haar war schon längst ergraut; aber die Sorge, welche die letzte Verfolgung, das Stranden des Schiffes und die übrigen Abenteuer mit sich führten, hatten dieses Merkzeichen der Zeit schnell erweitert und seinem Kopf fast die Weiße des Schnees verliehen. Das gesunde frische Roth seines Gesichtes, welches in Wahrheit die Wirkung von Wind und Wetter war, konnte leicht für ein Colorit des Portweins gelten, und es war kein Wunder, wenn sein Tritt, welcher stets etwas von dem Schwanken des Halbdecks an sich hatte, irrthümlicherweise von einem Neuling in der Menschenkenntniß für ein Wanken unter der Last von Gelehrsamkeit genommen wurde. Zum Unglück für Diejenigen, welche keine Freunde von Mystificationen sind, hatte sich der Kapitän mit John Effingham über den Punkt der Toilette berathen, und dieser wohlwollende, theilnehmende Freund war der Ansicht gewesen, es sei passend, wenn er in kurzen schwarzen Beinkleidern auftrete, – ein Kostüm, das er Abends oft selbst trug. Die Wirklichkeit täuschte also in dem gegenwärtigen Falle die Erwartung nicht, und der Beifallssturm, mit welchem der Kapitän aufgenommen wurde, war von einem allgemeinen Gemurmel des Lobs über die bewunderungswürdige Weise, wie seine Außenseite dem Charakter entsprach, begleitet.

»Welch ein byronischer Kopf!« flüsterte der Autor des »Transformirten« D. O. V. E. zu; »und hat man je zuvor bei einem sterblichen Menschen ein ähnliches Aufwerfen der Lippen gesehen!«

Der Kapitän hatte nämlich seinen Tabaksknäul auf die Seite geschoben, wie bekanntlich der Affe eine übrige Nuß oder ein Stückchen Zucker in der Backentasche aufzubewahren pflegt.

»Ihr haltet ihn für byronisch? – Mir kömmt der Schnitt seines Kopfes eher Shakespearisch vor, obgleich ich gestehe, daß er etwas von Milton um die Stirne hat.«

»Welches hält man für das beste von seinen Werken?« sagte Miß Annual zu Lucius Junius Brutus; »das über a – a – a – oder das über e – e – e?«

Nun traf sich's aber, daß keine Seele im Zimmer, den Löwen selbst ausgenommen, eine Vorstellung von den Büchern hatte, die er geschrieben, und dieser wußte nur von vielleicht fünfzehn oder zwanzig Logbüchern. In der Allgemeinheit war weiter nichts bekannt, als die Thatsache, daß er ein berühmter englischer Schriftsteller sei; aber dieß reichte mehr als zu.

»Ich glaube, die Welt im Allgemeinen zieht das –a–a–a– vor,« versetzte Lucius Junius Brutus, obschon einige dem e–e–e– entschieden die Palme zuerkennen.«

»Oh! es ist ohne Frage das Beste!« riefen ein halb Dutzend in Hörweite.

»Mit welch' classischer Bescheidenheit er Mrs. Legend sein Compliment macht,« bemerkte S. R. P. »Man kann einen Mann von wahrem Genie stets an seiner Haltung erkennen.«

»Er ist so Englisch!« rief Florio. »Ah! die Engländer sind im Grunde doch die einzigen rechten Leute!«

Dieser Florio war eines von jenen Genies, die stets am meisten nach den Dingen seufzen, die sie am wenigsten besitzen.

Mittlerweile hatte Kapitän Truck das Geschäft überstanden, Mrs. Legends Complimente anzuhören; aber alsbald sah er sich von einem Kreise gieriger Literaten ergriffen, die ihm so sehr mit Fragen über seine Ansichten, Begriffe, Erfahrungen, Schlüsse, Associationen, Gefühle und Absichten zusetzten, daß dem guten alten Manne bald der Schweiß vor der Stirn stand. Wohl fünfzigmal wünschte er aus dem Grunde seiner Seele – jener Seele, die der Meinung des ihn umdrängenden Haufens nach so hoch in den Wolken schwebte – er möchte ruhig an der Seite von Mr. Hawker sitzen, die, wie er im Geiste betheuerte, mehr werth war, als alle Literatis der Christenheit. Aber das Schicksal hatte es anders beschlossen, und wir überlassen ihn vor der Hand seinem Loose, um zu unserer Heldin und ihrer Partie zurückzukehren.

Sobald Mrs. Legend mit den vorläufigen Complimenten gegen den Kapitän fertig war, suchte sie Eva und Grace auf, weil sie sich bewußt war, daß sie von diesen Gästen einige Höflichkeiten einzufordern hatte.

»Ich fürchte, Miß Effingham, nach den gewählten Soiréen der literarischen Zirkel in Paris werdet Ihr unsere wissenschaftlichen Reunionen ein wenig langweilig finden; und dennoch schmeichle ich mir, bei dieser denkwürdigen Gelegenheit die meisten Talente New-Yorks versammelt zu haben, damit sie Eurem Freunde Ehre erweisen. Seid Ihr mit Einigen aus der Gesellschaft bekannt?«

Nun hatte Eva, mit Ausnahme des Mr. Dodge und ihrer eigenen Leute, nie etwas von einem der Anwesenden gesehen oder gehört, obschon die meisten derselben seit vielen mühsamen Jahren Alles aufgeboten hatten, sich gegenseitig zur Berühmtheit zu verhelfen. Was ausgesuchte Soiréen betraf, so glaubte sie, daß wohl nie eine auch nur mit halb so viel Mühe zusammengelesen worden sei, als die der Mrs. Legend. Indeß ging es doch nicht gut an, Alles dieß in Worten auszudrücken, weßhalb sie die Dame höflich bat, sie möchte ihr Einige der Ausgezeichnetsten in der Gesellschaft zeigen, um sie wenigstens von Person kennen zu lernen.

»Mit dem größten Vergnügen, Miß Effingham,« sagte Mrs. Legend, die ihren Stolz darin fand, bei den Verdiensten ihrer Gäste zu verweilen. – »Jener beleibte Mann mit dem großartigen Blicke, in dessen Haltung schon sich der feine Verstand und die unvergleichliche Bescheidenheit auf's Augenfälligste ausdrückt, ist Kapitän Kant, der Herausgeber einer Zeitung mit einer entschieden frommen Richtung. Sein Geist zeichnet sich aus durch fast instinktartige Auffassung alles Dessen, was in der intellektuellen Welt zart, sittig und gebildet ist, während im Gegensatz zu dieser fast frauenhaften Eigenschaft sein Charakter eben so viel Interesse einflößt durch wandellose Wahrheitsliebe. Man hat seinem Blatte nie etwas Falsches zum Vorwurf machen können, und namentlich ist er in Betreff der Correspondenzen vom Ausland so ungemein bedenklich, daß er mich versichert, jedes Wort davon sei unter seinen eigenen Augen geschrieben worden.«

»Hinsichtlich seiner religiösen Bedenken,« fügte John Effingham bei, »ist er so überaus pünktlich, daß er dem Vernehmen nach über Alles, was aus seiner Presse hervorgeht, den ›Segen‹ spricht, und für Alles, was ihr zukömmt, ein ›Dankgebet‹ verrichtet.«

»Dieser Bemerkung nach müßt Ihr ihn kennen, Mr. Effingham. Ist er nicht in Wahrheit ein Mann von Beruf?«

»Man kann buchstäblich von ihm sagen, er habe einen Zeitungsgeist, da er Alles in der Natur oder in der Kunst zu Zeitungsartikeln umschmelzt, und denselben gemeiniglich so viel von seinem eigenen Charakter beimischt, daß sie alle Beziehung zu dem Gegenstande, zu welchem sie ursprünglich gehören, verlieren. Man weiß kaum, was man an diesem Manne am meisten bewundern soll, die atmosphärische Transparenz seiner Motive (denn er ist so sehr über den Geldpunkt erhaben, daß er auf Reisen nur selten an die Bezahlung eines Mittagessens denkt, und doch so gewissenhaft, daß er, wenn er wieder nach Hause kömmt, stets etwas Verbindliches über das Wirthshaus sagt), seine große Liebe für Thatsachen, oder die ausgesuchte Zartheit, die er Allem, an was er Hand legt, mittheilt. Außerdem wirft er über Alles dieß einen schönen Nimbus von Moralität und Religion, indem er sich selbst im heißesten Wortstreite nie eine Verdrehung erlaubt, ohne die Salbung eines Heiligen darüber zu ergießen.«

»Kennt Ihr vielleicht Florio?« fragte Mrs. Legend, ein wenig argwöhnisch gegen John Effinghams Schilderung des Kapitän Kant.

»Wenn es der Fall wäre, so müßte es ganz zufällig geschehen sein. Worin besteht seine Hauptcharakteristik, Ma'am?«

»In Sentimentalität, Pathos und Zartheit – noch obendrein Alles dieß in Reimen. Ohne Zweifel habt Ihr von dem Triumphe gehört, den er über Lord Byron davon getragen hat, Miß Effingham?«

Eva mußte bekennen, daß ihr diese Thatsache eine Neuigkeit sei.

»Nun, Ihr wißt ja, Byron schrieb eine Ode an Griechenland, welche mit den Worten beginnt: ›Die Inseln Griechenlands! Die Inseln Griechenlands!‹ eine sehr schwache Zeile, wie Jedermann einsehen wird, da sie eine zwecklose und nichtssagende Wiederholung enthält.«

»Ich möchte sie sogar gemein nennen, Mrs. Legend,« versetzte John Effingham, »sintemal sie eine handgreifliche Anspielung auf alle jene gemeinen Vorfälle ist, die sich im Geiste mit diesen besagten ordinären Inseln verbinden. Diese unverständige Anrufung führt Einem die Künste, die Philosophie, die Poesie, die Beredsamkeit und sogar den alten Homer auf's Unangenehmste in die Erinnerung.«

»Dieß war ganz Florio's Ansicht, und um der Welt den wesentlichen Unterschied zwischen falscher und ächter Münze begreiflich zu machen, schrieb er eine Ode auf England, die einen Anfang hat, wie eine derartige Ode anfangen muß.«

»Ist Euch vielleicht Einiges davon gegenwärtig, Ma'am?«

»Nur die erste Zeile, was ich unendlich bedaure, da Florio's Hauptverdienst im Reimen besteht; aber diese Zeile reicht an sich schon zu, einen Mann unsterblich zu machen.«

»Quält uns nicht länger, meine theure Mrs. Legend, sondern laßt uns um's Himmels willen diese Zeile hören.«

»Sie begann mit diesem erhabenen Schwunge, Sir: ›Jenseits der Wellen! jenseits der Wellen!‹ Seht, Miß Effingham, dieß ist's, was ich Poesie nenne!«

»Ihr habt auch alle Ursache dazu, Ma'am,« entgegnete der Gentleman, welcher bemerkte, daß sich Eva kaum enthalten konnte, in einer sehr unsentimentalen Weise loszubrechen. »So viel Pathos!«

»Dazu noch so kurz und so fließend!«

»Der Vers drängt eine Reise von zwölfhundert Stunden so zu sagen in drei Worte und in ein Ausrufungszeichen zusammen. Ich hoffe, es war doch mit einem Ausrufungszeichen gedruckt, Mrs. Legend?«

»Ja, Sir, mit zweien sogar – eines jedesmal hinter Wellen – und solche Wellen, Mr. Effingham!«

»Ihr dürft in der That wohl so sprechen, Ma'am. Man erhält wahrhaftig eine großartige Idee von ihnen, wenn England jenseits derselben liegt.«

»So viel ausgedrückt in so wenigen Sylben!«

»Ich meine, jede Untiefe, jede Strömung, das leichteste Wogengekräusel, alle die Klippen und Inseln, ja sogar jeden Wallfisch zwischen Sandy-Hook und Lands-End zu sehen.«

»Er hat einen Wink von einem Epos fallen lassen.«

»Gebe der Himmel, daß er es bald zur Ausführung bringen möge. Auch darf er sich beeilen, er möchte sonst hinter der Zeit! hinter der Zeit! zurückbleiben.«

Die Dame wurde jetzt abberufen, um einen neuen Gast zu bewillkommen.

»Vetter Jack!«

»Eva Effingham!«

»Fürchtet Ihr denn nicht bisweilen, Anstoß zu geben?«

»Wenigstens nicht bei einer Frau, die den Anfang damit macht, daß sie ihre Bewunderung über einen so erhabenen Gegenstand kund gibt. Bei solchen Personen ist man stets sicher, wenn man sie nicht geradezu in die Nase zwickt.«

» Mais tout ceci est bien drôle!«

»Ihr seid Euer ganzes Leben nie mehr im Irrthum gewesen, Mademoiselle; denn Jedermann hier, Euch ausgenommen, betrachtet die Sache als eine Frage um Leben und Tod.«

Der neue Gast war Mr. Pindar, einer jener gleichgültigen, unsentimentalen Menschen, welche gelegentlich eine Idee abschütteln und sie durch die Christenheit laufen lassen, wie die Dollars bekanntermaßen von China bis nach Norwegen gehen, ohne daß er je auf den Gedanken kam, sein Aeußeres bedürfe um der Respektabilität willen einer Brille, sein Gesicht eines feierlichen Anstrichs oder sein Ruf der Soiréen. Nachdem er Mrs. Legend verlassen hatte, näherte er sich Eva, um sie zu begrüßen, da er flüchtig mit ihr bekannt war.

»Dieß ist die Region des Geschmacks, Miß Effingham,« sagte er mit einem Zucken der Kinnlade, wenn anders ein derartiges Glied zucken kann; »und es wundert mich nicht, Euch hier zu finden.«

Er plauderte sodann einen Augenblick in angenehmer Weise mit der kleinen Gesellschaft und ging weiter, einem bedenklichen Gähnen Raum gebend, als er den Schaaren der Literatur näher kam. Bald nachher langte Mr. Gray an, ein Mann, bei dem es nur eines Versuchs in der Oeffentlichkeit und der Ermuthigung, welche einem solchen Versuche folgen müßte, fehlte, um nahezu an die Spitze der Dichter unserer Zeit zu treten. Auch er warf einen scheuen Blick auf die Milchstraße und flüchtete sich in eine Ecke. Nach ihm kam Mr. Pith, dessen treffender Witz nur eines passenden Tummelplatzes für Sittenschilderung und einer Gesellschaft mit schroffen Zügen bedurfte, um den Namen seines Besitzers hoch in der Liste der Satyriker zu stellen. Ein abermaliges Klingeln kündigte Mr. Fun an, einen Schriftsteller von seltenem Humor und vollendetem Style, der aber ein bischen allzu sentimental schrieb, weßhalb er sogleich von allen anwesenden Damen, die gerade in dieser Hinsicht Ultras waren, aufgegriffen wurde.

Die letztgenannten Personen erschienen erst spät, als hätten sie bereits derartige Genüsse übersatt bekommen, um allzusehr nach einer Wiederholung zu verlangen. Sie fanden sich bald in einer Ecke zusammen, und es kam Eva vor, als lachten sie über den Rest der Gesellschaft, während sie sich in der That nur über einen von ihnen selbst vorgebrachten schlechten Witz lustig machten; denn ihre schnelle Auffassungsgabe des Komischen hatte sie hundert seltsame Verwickelungen und Abgeschmacktheiten bemerken lassen, die einem trägeren Sinne entgingen.

»Wen, im Namen der zwölf Cäsare, hat Mrs. Legend dort zum Löwen geschaffen – ich meine den mit dem weißen Obertheil und dem schwarzen Gestell?« fragte der Odendichter.

»So viel ich höre, einen englischen Flugschriftenmann,« antwortete der Satyriker– »einen Menschen, der vielleicht ein naseweises kritisches Blatt redigirt oder eine Minerva Pressism geschrieben hat und nun unter uns flunkert wie ein grüner Lorbeerbaum. Ein moderner Horaz oder Juvenal auf Reisen.«

»Fun ist bereits aufgespürt,« bemerkte Mr. Gray. »Seht nur, Miß Annual, Miß Mouthly und das junge Alphabet D. O. V. E. haben ihn in den Kreis ihrer Unterröcke gekriegt, wo er um einen Seufzer gemartert wird.«

»Er wirft einen gar sehnsüchtigen Blick hieher und wünscht wohl, daß Ihr ihm Rettung bringet, Pith.«

»Ich? Mag er immerhin eine Ueberfülle von Sentimentalität hinnehmen. Ich bin kein Homöopath in solchen Dingen, und große Dosen in rascher Reihenfolge werden am frühesten eine Kur erzielen. Da kömmt der Löwe; er bricht aus seinem Käfig los, wie ein Thier, das mit Stöcken aufgestört wurde.«.

»Guten Abend, Gentlemen,« sagte Kapitän Truck, sich den Schweiß von der Stirne wischend; denn nachdem er sich aus einem Gedränge von Bewunderern gerettet hatte, suchte er Zuflucht in dem ersten besten Hafen, der sich ihm darbot. »Ihr scheint euch hier in einer verständigen und angenehmen Weise zu unterhalten. So wahr ich auf Erlösung hoffe, es ist ganz kühl und erfrischend in dieser Ecke.«

»Und doch zweifeln wir nicht, daß unser Verstand sowohl als unsere Unterhaltung durch Eure Gesellschaft eine reichliche Zugabe gewinnen wird, Sir,« entgegnete Mr. Pith. »Ich bitte, erweist uns den Gefallen, einen Sitz zu nehmen und Euch ein wenig auszuruhen.«

»Von Herzen gerne, Gentlemen; denn die Wahrheit gestanden, diese Ladies machen einem Fremden tüchtig warm. Ich bin eben aus einer Kategorie gekommen, wie ich's nenne.«

»Ihr scheint mit dem Leben entkommen zu sein, Sir,« bemerkte Pindar, den Andern ruhig vom Kopf bis zur Zehe musternd, »und so gut ergeht es nicht jedem Löwen, der in einem Käfig sitzt.«

»Ja, Gott sei Dank, das ist wahr und so ziemlich Alles, dessen ich mich rühmen kann,« antwortete der Kapitän, sich das Gesicht wischend. »Ich diente während des französischen Krieges – des Truxton-Kriegs, wie wir's nennen – und kriegte zwischen meinem Zwölften und Fünfzehnten einen Vorschmack von der englischen Kaperhandthierung; auch habe ich ganz in neuester Zeit mit den wilden Beduinen an der afrikanischen Küste drunten angebunden, und Alles dieß kömmt wir blos wie Schneeballenspiel vor in Vergleichung mit der Arbeit dieses Abends, wo es recht Nocke um Nocke ging. Ist es wohl erlaubt, bei diesem Conversationiren eine Cigarre zu probiren, Gentlemen?«

»Ich glaube so, Sir,« erwiederte Pindar kalt; »soll ich Euch ein Licht bringen?«

»Oh, Mr. Truck!« rief Mrs. Legend, die dem abgehetzten Thiere nach seiner Ecke gefolgt war, wie man einem Ausreißer nachzusetzen pflegt, »der Instinkt hat Euch in diese gute Gesellschaft geführt. Ihr seid jetzt in dem wahren Brennpunkt des amerikanischen Talents.«

»Nachdem er eben erst dem Brennpunkt amerikanischer Talons (Krallen) entgangen ist,« flüsterte Pith.

»Ich nehme mir die Freiheit, selbst Euch vorzustellen. Mr. Truck, Mr. Pindar, Mr. Pith, Mr. Gray. Gentlemen, ihr werdet euch glücklich schätzen, mit einander bekannt zu werden, da ihr so zu sagen in dem gleichen Berufe thätig seid.«

Der Kapitän stand auf und drückte jedem der Gentlemen herzlich die Hand, denn er hatte wenigstens für den Abend den Trost, viele Vorstellungen zu erleben. Mrs. Legend entfernte sich sofort, um irgend einem andern Wunderthiere der Gesellschaft etwas Geistreiches zu sagen.

»Freut mich sehr, mit euch zusammenzutreffen, Gentlemen,« sagte der Kapitän. »In welchem Handel segelt ihr?«

»Mit welchem Namen Ihr's auch benennen mögt,« antwortete Pindar, »so läßt sich doch kaum von uns sagen, daß wir vor den Wind kommen.«

»Also nicht in dem Inschen Geschäft, denn die Moonsoos würden wenigstens die Leesegel gesetzt erhalten.«

»Nein, Sir; aber dort ist Mr. Moccassin, der sich erst letzter Zeit secundum artem im Indianergeschäft aufgethan hat; denn bereits liegen von ihm zwei derartige Novellen vor, und die dritte ist schon begonnen.«

»Habt ihr Alle eine regelmäßige Anstellung, Gentlemen?«

»So regelmäßig, als es die Begeisterung zuläßt,« versetzte Mr. Pith. »Männer von unserem Fach müssen das gute Wetter benützen oder lieber nichts thun.«

»So sage ich oft meinen Eigenthümern, aber vorwärts gehen ist an der Tagesordnung. Als ich noch jung war, wartete ein Schiff im Hafen auf günstigen Wind, aber jetzt muß es fort und sich abmühen, bis es irgendwo einen anthut. Die Welt scheint jung zu werden, während mich das Alter ereilt.«

»Dieß ist ein possierlicher Literat, Gray,« flüsterte Pindar.

»Augenscheinlich waltet hier eine Mystifikation ob,« lautete die Antwort. »Die arme Mrs. Legend hat ein verirrtes Meerschwein aufgelesen und es durch Berührung mit ihrem Zauberstab in einen Boanerges der Literatur umgewandelt. Die Sache ist so klar, wie der Tag, denn der Ehrenmann riecht nach Theer und Cigarrendampf. Wie ich bemerke, kann Mr. Effingham das Lachen kaum unterdrücken; ich will daher zu ihm hinübergehen – wir haben dann in einer Minute die Wahrheit.«

Der Odendichter that, wie er gesagt hatte, und kehrte bald wieder zurück, um seine Freunde im Geheim von dem wahren Sachverhalten zu unterrichten. Sobald das Kleeblatt von dem eigentlichen Charakter des Kapitäns Kunde hatte, vereinigten sie sich in dem wohlwollenden Wunsche, das Verlangen des alten Seemanns nach der Cigarre zu unterstützen, und Mr. Pith verhalf ihm zu einem angezündeten Papierstreifen, ohne daß es den Anschein gewann, als sei er ein offener Theilhaber an dem Complott.

»Wollt Ihr Euch nicht gleichfalls bedienen, Sir?« fragte der Kapitän, indem er Mr. Pindar seine Dose hinhielt.

»Danke schön, Mr. Truck; ich rauche nie; rieche aber den Duft sehr gerne. Habt die Güte, so bald wie möglich anzufangen.«

So ermuthigt, that Kapitän Truck zwei oder drei Züge, welche die Gemächer augenblicklich mit dem Geruche einer ächten Havanna erfüllten. Bei der ersten Entdeckung ging das ganze literarische Rudel der Witterung nach, und auch Mr. Fun benützte die nun folgende Aufregung, um zu den drei Schalken in der Ecke zu entwischen, welche sich des Auftritts mit der Gravität von Derwischen erfreuten.

»So wahr ich lebe,« rief Lucius Junius Brutus, »da raucht der Verfasser von a–a–a– wahrhaftig eine Cigarre! – Wie ungemein piquant

»Täuschen mich meine Augen, oder ist dieß nicht der Autor von e–e–e–, der uns Alle einräuchert,« flüsterte Miß Annual.

»Nein, dieß kann doch wahrhaftig unmöglich recht sein,« bemerkte Florio mit Bestimmtheit. »Alle Zeitschriften stimmen darin überein, daß der Tabakrauch in Alt-England entschieden ungentil sei.«

»Ihr seid nie mehr im Irrthume begriffen gewesen, theurer Florio,« versetzte D. O. V. E. in einem girrenden Tone. »Die allerneueste fashionable Novelle hat ein Kapitel, in welchem der Held und die Heldin während der Erklärungsscene rauchen.«

»Wirklich? – Dies ändert freilich den Fall. Wir wünschen gewiß nicht, hinter einer so großen Nation zurückzubleiben, eben so wenig, als wir ihr bis jetzt viel vorauseilen wollen. He, Kapitän Kant, was sagen Eure Freunde in Canada? darf man dort in guter Gesellschaft rauchen oder nicht? Die Canadier müssen wenigstens vor uns einen Vorsprung haben.«

»Durchaus nicht, Sir,« versetzte der Herausgeber in seinem sanftesten Tone; »es ist revolutionär und jakobinisch.«

Aber die Ansicht der Damen herrschte vor und behauptete in Folge eines Prozesses, der einem »leichtgläubigen« Zustand der Gesellschaft ziemlich eigenthümlich ist, das Feld. Dieser Prozeß bestand einfach in Erfindung einer Autorität für eine andere. Die Thatsache, wie weit in England das Rauchen geführt werde, wurde durch Mr. Trucks vermeintliche Angabe, daß die Geistlichkeit auf der Kanzel Cigarren zu rauchen pflege, bekräftigt und diente in Vereinigung mit dessen gegenwärtigem Benehmen zur Entscheidung der Frage. Sogar Florio gab nach, und sein plastischer Sinn sah bald in dieser Gewohnheit tausend Schönheiten, welche ihm bisher entgangen waren. Die gesammte Literatenschaft sammelte sich im Kreise um den Kapitän, um sich des Schauspiels zu erfreuen, obschon der alte ehrliche Seemann solche Dampfwolken ausstieß, daß sie dennoch in sicherer Entfernung blieb. Die vier gesetztthuenden Nachbarn verkrochen sich hinter die Rauchschranke, wo sie sich wenigstens für eine Weile gegen die Angriffe der Unterröcke geschützt hielten.

»Bitte, Mr. Truck,« fragte S. R. P., »welcher Ansicht huldigt man hauptsächlich in den englischen literarischen Zirkeln? Gilt Byron als eine Entwicklung von Shakespeare, oder Shakespeare als eine frühere Andeutung Byrons?«

»Beides, Marm,« versetzte der Kapitän mit einer Ruhe, die selbst Aristobulus Ehre gemacht haben würde; denn man hatte ihn recht ordentlich in eine Stimmung von Unverschämtheit hineingehetzt. Nachdem er die Gelegenheit benützt hatte, die Asche seiner Cigarre abzuklopfen, fügte er bei: »Die Gesammheit neigt sich der ersteren Ansicht zu, Einige aber der letzteren.«

»Welche Feinheit!« murmelte der Erste.

»Wie zart!« flüsterte ein Zweiter.

»Eine würdevolle Zurückhaltung!« rief der Dritte.

»So Englisch!« ließ sich Florio vernehmen.

»Glaubt Ihr, Mr. Truck,« fragte D. O. V. E., »daß die weltlichen Gedichte von Little mehr Pathos haben, als die geistlichen von Moore, oder daß Moore's geistliche Lieder reicher sind an Gefühl, als die weltlichen von Little?«

»Ein wenig von Beiden, Marm, und noch etwas darüber. Ich denke, es ist wenig in den einen und mehr in den andern Hier ist ein unübertragbares Wortspiel zwischen Little (wenig) und Moore oder more (mehr).

»Bitte, Sir,« begann S. R. P., »sprecht Ihr den Namen der Geliebten Byrons Guy-kee-oh- ly oder Gwy-ky-o- lee aus?«

»Dieß hängt ganz davon ab, wie der Wind geht. Geht er uferwärts, so sage ich gemeiniglich: ›Oh! – lee!‹ und kommt er von dem Lande her ›oh – ly.‹«

»Vortrefflich!« rief Florio in einer Bewunderungsverzückung. »Welcher Amerikaner hätte etwas so Geistvolles sagen können.«

»In der That sehr witzig,« fügte Miß Mouthly bei. »Was meint er damit?«

»Was er meint? Mehr als ein gewöhnlicher Sinn zu sehen oder zu fühlen im Stande ist. Ach, die Engländer sind in Wahrheit eine große Nation! – Wie entzückend er raucht!«

»Ich glaube, er ist bei weitem der interessanteste Mann, den wir seit der letzten Büste von Scott hier außen hatten,« bemerkte Miß Annual.

»Fragt ihn, liebe D. O. V. E.,« flüsterte Julietta schüchtern, denn sie hatte noch nichts drucken lassen, »was er für das berückendste Gefühl hält, Hoffnung oder Verzweiflung?«

Die Frage wurde, dem Anliegen gemäß, durch die erfahrenere Dame vorgebracht, obschon diese zuvor in hastigem Tone gegen die jugendlichere Schwester bemerkte:

»Du kannst noch nicht viel empfunden haben, Kind, sonst würdest du natürlich wissen, daß es die Verzweiflung ist.«

Der ehrliche Kapitän behandelte übrigens die Sache nicht so obenhin, sondern benützte die Gelegenheit, eine frische Cigarre anzuzünden, und schleuderte den noch qualmenden Stumpf, wie er sich nachher rühmte, so kaltblütig durch eine Literatisgasse in Mrs. Legends Kamin, als er ihn unter anderen Umständen über Bord geworfen haben würde. Zum Glück für den Ruf seiner Sentimentalität nahm er irrtümlicherweise den Ausdruck »berückend«, den er früher nie gehört hatte, für »verrückt«, und da er sich erinnerte, schon manchen Tollhauskandidaten gesehen zu haben, antwortete er ohne viel Besinnens –

»Versteht sich, die Verzweiflung.«

»Ich wußte es ja,« sagte die Eine.

»Es liegt in der Natur,« fügte eine Zweite bei.

»Jedermann fühlt diese Wahrheit,« entgegnete eine Dritte.

»Dieser Punkt kann folglich jetzt als erledigt betrachtet werden,« rief Florio, »und ich hoffe, daß nichts mehr darüber gesprochen wird.«

»Dieß ist eine Ermuthigung für den Forscher nach Wahrheit,« bemerkte Kapitän Kant.

»Mit Erlaubniß, mein ehrenwerther und hochwürdiger Mr. Truck,« fragte Lucius Junius Brutus in Gemäßheit einer vereinten Aufforderung des Junius Brutus und Brutes, »raucht die Prinzessin Viktoria?«

»Wenn sie's nicht thäte, Sir, was könnte sie's nützen, eine Prinzessin zu sein? Hoffentlich wißt ihr Alle, daß der in England konfiscirte Tabak nach dem betreffenden Abzug für die Angeber der Krone zufällt.«

»Ich erhebe Einwendungen gegen diesen Gebrauch,« bemerkte Kapitän Kant, »denn er ist irreligiös, französisch und führt zum Sancülottismus. Bei dem von Euch erwähnten ausgezeichneten Beispiele will ich zwar eine Ausnahme gelten lassen, aber überall anderwärts werde ich behaupten, daß das Rauchen nach Ungläubigkeit riecht. Die preußische Regierung, bei weitem die beste in unseren Tagen, raucht nie.«

»Dieser Mann glaubt, es dürfe Niemand paffen als er selbst,« flüsterte Pindar dem Kapitän in's Ohr; »aber nur wacker drauflos, mein theurer Sir, und Ihr werdet ihn bald in den Schatten stellen.«

Der Kapitän blinzelte, zog seine Büchse heraus, zündete eine andere Cigarre an, und steckte als Erwiederung auf diese hämische Bemerkung ihrer zwei in den Mundwinkel, die bald in heller Glut standen – ein Zustand, in welchem er sie fast eine Minute erhielt.

»Dieß ist ein äußerst malerisches geselliges Vergnügen!« rief Florio, in aufwallendem Entzücken beide Hände in die Höhe haltend. »Ein absolut homerischer Brauch! Ach, die Engländer sind eine große Nation.«

»Ich möchte gar gerne wissen, ob es wirklich eine Person, wie den Baron Munch-haas-un gab,« sagte Julietta, die aus dem Erfolg ihrer letzten Frage Muth sammelte.

»Ja wohl, Miß,« entgegnete der Kapitän durch die Zähne und nickte bejahend mit dem Kopf. »War ein regelmäßiger Reisender das, und Einer, der ihn gut kannte, betheuerte mir, er habe nicht die Hälfte von dem erzählt, was ihm Alles zugestoßen ist.«

»Wie gar erfreulich, dieß aus zuverlässigster Quelle zu erfahren!« rief Miß Mouthly.

»Ist Gatty (Göthe) wirklich todt?« fragte Longinus, oder müssen wir den Bericht, den wir über seinen Hingang erhielten, blos für eine metaphysische Apotheose seiner gewaltigen Seele halten?«

»Todt, Marm – steintodt – todt wie ein Thürnagel,« erwiederte der Kapitän, welcher sich vorderhand nicht anders zu helfen wußte, als wenn er so Viele als möglich todtschlug, selbst auf die Gefahr hin, daß sie später wieder lebendig wurden.

»Ihr seid ohne Zweifel in Frankreich gewesen, Mr. Truck?« bemerkte Lucius Junius Brutus in fragendem Tone.

»In Frankreich? Ja dort war ich, ehe ich zehn Jahre alt war. Kenne jeden Fuß davon von Havre de Grace bis Marseilles.«

»Wollt Ihr die Güte haben, uns mitzutheilen, ob die Seele Schat-o-bri-ongs größer ist, als sein Verstand, oder sein Verstand umfassender, als seine Seele.«

Nun wußte Kapitän Truck so ziemlich viel von dem Baron Münchhausen und seinen besonderen Verdiensten; aber Chateaubriand war ein Schriftsteller, von welchem er nie etwas gehört hatte. Nachdem er einen Augenblick überlegt hatte und zur Ueberzeugung gekommen war, daß er durch ein Zugeständniß seiner Unwissenheit das ganze Spiel verliere, begann er unter dem Einflusse der Atmosphäre des Platzes kaltblütig zu erwiedern:

»Oh – Schat-o-briong meint Ihr? Der ist ein Bursche so ganz Seele, wie ich nur Einen kenne. Lauter Seele, Sir, und außerdem eine Unsumme von Verstand.«

»Wie einfach und ungekünstelt!«

»Köstlich!« rief Florio.

»Ein Ausbund von Jakobiner!« brummte Kapitän Kant, der es stets übel nahm, wenn sich irgend Jemand außer ihm Freiheiten mit der Wahrheit erlaubte.

Jetzt bemerkten die vier Schälke im Winkel, daß in dem Gedränge die Köpfe zusammengesteckt wurden und die hintere Reihe der Gesellschaft zu verschwinden begann, während Mrs. Legend augenscheinlich in bitteren Nöthen war. Nach einigen Minuten hatten sich alle Römer aus dem Staube gemacht; bald nahm auch Florio, in poetischer Wuth mit den Zähnen knirschend, Reißaus, und sogar Kapitän Kant, obgleich er jetzt der Wahrheit in's Gesicht schauen konnte, trat den Rückzug an. Das Alphabet folgte, und selbst die Annual und die Mouthly entfernten sich unter so feierlichen, gemessenen Abschieds-Komplimenten, daß die arme Mrs. Legend völlig in Verzweiflung gerieth.

Eva, die einem unangenehmen Auftritt entgegengesehen hatte, war schon früher vom Schauplatze abgetreten, und einige Minuten später machte auch Mr. Dodge, der sich in dem Gedränge mit Flüstern und Gestikuliren sehr thätig benommen, seine Verbeugung. Der Neid hatte nämlich dermaßen an diesem Mann gezehrt, daß er die Katze aus dem Sack ließ. So war denn endlich Niemand mehr zugegen, als die hinter dem Rauch verschanzte Partie und die Gebieterin des Hauses. Pindar machte nun dem Kapitän den Vorschlag, er möchte sie begleiten und an einem Austernschmause Theil nehmen – ein Ansinnen, das herzliche Aufnahme fand, weßhalb sie sich in Masse erhoben, um von der Wirthin Abschied zu nehmen.

»Ein entzückender Abend, Mrs. Legend,« sagte Pindar, in diesen Worten die vollkommene Ueberzeugung seines Innern aussprechend; »bei weitem der angenehmste, den ich je in einem Hause zubrachte, wo man stets so viel Angenehmes trifft.«

»Ich kann Euch meinen Dank für die Güte, daß Ihr mich mit Mr. Truck bekannt gemacht habt, nicht gebührend ausdrücken,« fügte Gray bei, »und ich will mich seiner Gesellschaft erfreuen, so lange ich kann; denn ein trefflicherer Bursche ist nie unter der Sonne gewandelt.«

»Wahrhaftig, Mrs. Legend, dieß ist ein köstlicher Abend gewesen,« bemerkte Pith, als er seine Verbeugung machte. »Er wird mir nicht aus dem Gedächtniß kommen und verdient in der That, in Versen besungen zu werden.«

Fun gab sich Mühe, eine theilnehmende, sentimentale Miene anzunehmen, obgleich er innerlich so belustigt war, daß er sich kaum enthalten konnte, der Dame des Hauses in's Gesicht zu grinsen. Er stotterte übrigens einige Komplimente heraus und verschwand.

»Gute Nacht denn, Marm,« sagte Kapitän Truck, indem er ihr herzlich seine Hand hinbot. »'s ist im Grunde doch ein angenehmer Abend gewesen, obschon ich anfangs warme Arbeit hatte. Wenn Ihr eine Liebhaberin von Schiffen seid, so soll es mich freuen, Euch nach meiner Rückkehr die Kajüte des Montauk zu zeigen, und falls Ihr je nach Europa zu reisen gedenkt, so möchte ich Euch die Londoner Linie als nicht eben die schlechteste empfehlen. Wir wollen Alles aufbieten, uns Euch gemächlich zu machen, und hoffen, Ihr werdet mir die Wahl des Passagierzimmers überlassen, eine Sache, in der ich Erfahrung habe.«

Nicht Einer von den Spottvögeln lachte, bis sie die Austernschüssel vor sich stehen hatten; dann aber kam es zu einem lange anhaltenden, überströmenden Heiterkeitsausbruche, der sich zwischen den Gängen aus der Küche wie der Refrain eines Liedes wiederholte. Kapitän Truck, der ungemein wohl mit sich selbst zufrieden war, begriff zwar die Bedeutung dieser knabenhaften Lustigkeit nicht, hatte aber seitdem oft erklärt, daß er nie die Bekanntschaft von herzlicheren und possierlicheren Burschen gemacht habe, als die vier heiteren Gesellen wären, mit welchen er an jenem Abend soupirte.

Ueber die literarische Soirée wurde das tiefste Stillschweigen beobachtet, da nicht Einer der dabei zugegen gewesenen Schöngeister es für passend hielt, sie durch Reime zu verherrlichen; auch hatte Florio ein auf den Anlaß gedichtetes Impromptu, mit dem er sich den ganzen Tag zuvor große Mühe gegeben, wieder zerrissen.


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